MAYA BANKS Breathless Gefährliches Verlangen Roman Ins Deutsche übertragen von Jana Kowalski und Ilonka Ellmann Prolog »Mia, der Pförtner hat gerade angerufen. Der Wagen ist da«, rief Caroline aus dem Nebenzimmer. Mia atmete tief ein und griff nach dem Vertrag, der neben ihr auf der Bettkante lag. Er war knitterig und sichtlich abgenutzt, nachdem sie ihn so viele Male gelesen hatte. Sie kannte inzwischen jedes Wort auswendig, der Text ging ihr immer wieder durch den Kopf, begleitet von Bildern, ausgeschmückt von ihrer Fantasie. Bilder von ihr und Gabe. Gabe, der mit ihr machen konnte, was er wollte, der über sie verfügte. Sie besaß. Sie steckte den Vertrag in ihre Handtasche, stand auf und eilte zum Toilettentisch, um ein letztes Mal in den Spiegel zu schauen. Es war nicht zu übersehen, dass sie in letzter Zeit wenig geschlafen hatte. Unter den Augen lagen dunkle Ringe, die auch das Make-up nicht verbergen konnte, und sie war blass. Sogar ihr Haar hatte sich nicht bändigen lassen und wirkte zerzaust. Daran ließ sich jetzt aber kaum mehr etwas ändern, sie musste los. Sie atmete tief durch und verließ das Schlafzimmer, durchquerte das Wohnzimmer und öffnete die Wohnungstür. »Mia, warte!«, rief Caroline, die auf sie zugestürzt kam. Sie zog Mia fest an sich, bevor sie zurücktrat und Mia mit der Hand das Haar hinters Ohr strich. »Viel Glück! Du standest das ganze Wochenende meilenweit neben dir – wenn es dich so sehr mitnimmt, dann mach es doch einfach nicht.« Mia lächelte. »Danke, Caro. Ich hab dich lieb.« Caroline gab ihr einen laut schallenden Luftkuss, während Mia sich schon umdrehte und ging. Vor dem Gebäude öffnete der Pförtner ihr die Tür des wartenden Wagens. Mia stieg ein und lehnte sich im bequemen Ledersitz zurück. Sie schloss die Augen, als der Wagen losfuhr, um sie von ihrer Wohnung an der Upper West Side nach Midtown zum Firmensitz von HCM zu bringen. Jace, ihr Bruder, hatte sie gestern angerufen, und sie fühlte sich seitdem entsetzlich schuldig, weil sie ihm nichts von alledem erzählt hatte. Er hatte sich zunächst für sein Fernbleiben bei der Neueröffnung des Hotels entschuldigt und beteuert, dass er natürlich gekommen wäre, wenn er von ihrer Anwesenheit dort gewusst hätte. Sie hatten sich dann eine halbe Stunde lang unterhalten. Er hatte sich erkundigt, wie es ihr ging und was sie so machte, und dann erzählt, dass er in den kommenden Tagen mit Ash in Kalifornien sein würde. Abschließend hatten sie sich noch für einen Abend nach seiner Rückkehr verabredet, um sich mal wieder in Ruhe auszutauschen. Mia hatte aufgelegt, erfüllt von Melancholie, weil sie und Jace sich so nahe standen. Sie hatte sich ihm immer bedingungslos anvertraut, und er war immer für sie da gewesen, immer bereit, ihr zuzuhören und sie zu trösten, selbst in ihrer verwirrenden Phase der Pubertät. Einen besseren großen Bruder hätte sie sich gar nicht wünschen können, und jetzt hatte sie ein Geheimnis – ein großes Geheimnis – vor ihm. Sie achtete nicht auf den Verkehr, auf das so typische Stop-and-Go, bis der Wagen schließlich parkte. »Wir sind da, Miss Crestwell.« Sie riss die Augen auf und kniff sie gegen die grell blendende Herbstsonne gleich wieder zusammen. Tatsächlich, sie standen direkt vor dem HCM-Gebäude. Der Fahrer war bereits ausgestiegen und um den Wagen herumgegangen, um ihr die Tür zu öffnen. Sie rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht, um die Benommenheit zumindest ein wenig abzuschütteln. Nun ging sie also wieder durch dieses Gebäude, fuhr wieder mit dem Fahrstuhl in den zweiundvierzigsten Stock. Sie hatte ein heftiges Déjà-vu. Die gleichen Schmetterlinge im Bauch. Die gleichen verschwitzten Handflächen. Die gleichen flatternden Nerven. Nur war dieses Mal die Panik größer, denn jetzt wusste sie, was er wollte. Sie wusste genau, was sie bekommen würde, wenn sie dem zustimmte. Als sie den Empfangsbereich betrat, schaute Eleanor auf, lächelte und sagte: »Mr Hamilton sagt, Sie sollen gleich nach hinten durchgehen.« »Danke, Eleanor«, murmelte Mia, als sie an Eleanors Schreibtisch vorbeiging. Die Tür zu Gabes Büro stand offen, trotzdem blieb sie zögernd davor stehen und warf einen Blick in den Raum. Da stand Gabe, mit den Händen in den Taschen, vor dem großen Fenster und blickte auf die Skyline von Manhattan. Er war umwerfend. Herrlich anzusehen. Selbst in entspannter Haltung strahlte er eine solch gewaltige Stärke aus. Plötzlich wurde ihr klar, warum sie sich so zu ihm hingezogen fühlte, wurde ihr zumindest einer der vielen Gründe dafür bewusst. Bei ihm fühlte sie sich sicher. Allein in seiner Nähe zu sein, gab ihr das Gefühl von Geborgenheit. Sie fühlte sich sicher und … beschützt. Im Grunde genommen würde ihr die Beziehung, die er ihr vorgeschlagen hatte, diese Dinge geben. Sicherheit. Schutz. Geborgenheit. All das hatte er ihr zugesichert. Im Gegenzug musste sie nichts weiter tun, als sämtliche Macht an ihn abzutreten. Jeglicher Widerstand löste sich in Luft auf, und sie fühlte sich plötzlich sehr leicht und euphorisch. Sie würde dieser Vereinbarung unter keinen Umständen völlig verängstigt zustimmen. So durfte eine Beziehung unter keinen Umständen beginnen. Sie würde vertrauensvoll und voller Freude alles annehmen, was Gabe ihr versprochen hatte. Und sich ihm dafür voll und ganz hingeben, voller Vertrauen, dass er ihre Unterwerfung zu schätzen wusste. Gabe drehte sich um und erblickte sie in der Tür. Es erstaunte sie, Erleichterung in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Hatte er Angst gehabt, sie würde vielleicht nicht kommen? Mit großen Schritten eilte er auf sie zu, zog sie in sein Büro und schloss die Tür. Ehe sie ein Wort sagen konnte, zog er sie in seine Arme und presste seinen Mund auf ihre Lippen. Sie stöhnte leise, als seine Hände besitzergreifend über ihre Arme glitten, ihre Schultern packten, sich dann um ihren Hals legten, um schließlich ihr Gesicht zu umfassen. Er küsste sie, als wäre er völlig ausgehungert nach ihr. Als hätte man ihn gewaltsam von ihr ferngehalten, bis er sich nun schließlich hatte befreien können. Es war die Art von Kuss, den es immer nur in ihrer Fantasie gegeben hatte. Niemand hatte ihr je das Gefühl gegeben so … begehrt zu werden. Dabei ging es nicht allein um eine Demonstration von Dominanz. Es war eine Bitte um Kapitulation. Er wollte sie. Und er zeigte ihr deutlich, wie sehr. Jegliche Zweifel, ob er sie wirklich begehrte oder einfach nur gelangweilt war und nach einer neuen Herausforderung suchte, waren damit beseitigt. Seine Hand löste sich von ihrem Gesicht, sein Arm schlang sich wie ein stählernes Band um ihren Rücken und zog sie fest an sich. Sie spürte seinen erigierten Penis an ihrem Bauch. Er war sehr hart und dehnte Gabes teure Hose. Mia und Gabe holten keuchend Luft, als er sich von ihren Lippen löste. Mit funkelnden Augen sah er sie an. »Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst.« 1 Vier Tage vorher … Gabe Hamilton würde in der Hölle schmoren und es war ihm völlig egal. Von dem Augenblick an, als Mia Crestwell den Ballsaal des Bentley Hotels betreten hatte, wo HCM Global Resorts and Hotels die große Neueröffnung feierte, hatte er den Blick nicht mehr von ihr abwenden können. Sie war die sprichwörtliche verbotene Frucht. Die kleine Schwester seines besten Freundes. Nur, dass sie gar nicht mehr so klein war und er das eindeutig erkannt hatte. Irgendwie hatte sie ihn nicht losgelassen. Er hatte zwar dagegen angekämpft, dann aber feststellen müssen, dass er sich ihrem Zauber nicht entziehen konnte. Und jetzt kämpfte er nicht mehr dagegen an. Dass sie heute Abend hier war und Jace nirgends zu sehen, bestätigte Gabe nur, dass der Moment gekommen war, den ersten Schritt zu tun. Er nippte an seinem Wein und lauschte höflich den Worten der Gäste, mit denen er sich gerade unterhielt. Oder zu denen er sich eher gesellt hatte, denn auf mehr als den Austausch von Höflichkeiten ließ er sich auf seinen Runden durch die Menge selten ein. Er hatte nicht geahnt, dass sie hier sein würde. Jace hatte keinen Ton gesagt. Hatte Jace es überhaupt gewusst? Gabe ging nicht davon aus, denn vor nicht einmal fünf Minuten hatten Jace und Ash mit einer großen, langbeinigen Brünetten den Saal in Richtung einer der luxuriösen Suiten im obersten Stockwerk verlassen. Jace wäre nicht gegangen – nicht einmal mit einer Frau –, hätte er gewusst, dass Mia kommen würde. Aber es war gar nicht so verkehrt, dass Jace nicht da war. Das erleichterte so einiges. Gabe beobachtete, wie Mia den Blick konzentriert durch den Saal schweifen ließ, als wäre sie auf der Suche nach jemandem. Ein Kellner blieb stehen und bot ihr Wein an. Sie nahm eines der eleganten, langstieligen Gläser, führte es jedoch nicht zum Mund. Sie trug ein atemberaubendes Kleid, das eng anliegend die richtigen Stellen ihres Körpers betonte. Dazu schwindelerregend hohe Pumps und eine Hochsteckfrisur, die einen Mann förmlich anflehte, von ihm gelöst zu werden. Einzelne seidige Strähnen umrahmten ihr Gesicht und lenkten den Blick auf ihren schlanken Hals, der wie geschaffen war für die Lippen eines Mannes. Gabe widerstand nur mit Mühe dem Drang, quer durch den ganzen Saal zu marschieren und ihr sein Jackett umzulegen, damit kein anderer mehr sehen konnte, was er bereits als sein Eigen betrachtete. Meine Güte, das machte die Sache ja noch verrückter. Sie war nicht sein Eigen. Aber auch das würde sich bald ändern. Das schulterfreie Cocktailkleid lenkte den Blick auf ihre Brüste, und er wollte verdammt noch mal nicht, dass ein anderer sie ansah. Und die Männer sahen sie an. Sie hatte bereits die Aufmerksamkeit anderer erregt, die sie – genau wie er – mit hungrigem Blick anstarrten. Sie trug eine zarte Kette mit einem einzelnen Diamanten um den Hals und dazu passende Diamantohrstecker. Beides hatte er ihr vor einem Jahr geschenkt. Zu Weihnachten. Es erfüllte ihn mit Genugtuung, dass sie heute Abend etwas trug, das er für sie gekauft hatte. Für ihn war das ein weiterer Schritt auf dem unausweichlichen Weg, an dessen baldigem Ende sie ihm gehören würde. Sie wusste es zwar noch nicht, er aber hatte lange genug gewartet. Er hatte sich lange genug wie ein Verbrecher der allerschlimmsten Sorte gefühlt, weil er die kleine Schwester seines besten Freundes begehrte. Als sie zwanzig geworden war, hatte er angefangen, sie mit anderen Augen zu betrachten. Aber damals war er vierunddreißig gewesen, und er wusste, dass sie immer noch viel zu jung für das war, was er von ihr wollte. Und deshalb hatte er gewartet. Er war von ihr besessen, und auch wenn er es nur ungern zugab, so war sie doch wie eine Sucht, von der er nicht geheilt werden wollte. Jetzt war sie vierundzwanzig und der Alter unterschied schien nicht mehr vollkommen unüberwindbar. Das redete er sich zumindest ein. Jace würde natürlich trotzdem ausrasten – Mia würde schließlich immer seine kleine Schwester sein –, aber Gabe war bereit, dieses Risiko einzugehen, um endlich von der verbotenen Frucht kosten zu dürfen. Oh ja, er hatte Pläne mit Mia. Er musste sie jetzt nur noch umsetzen. Mia nahm einen kleinen Schluck von ihrem Wein – das Glas hatte sie eigentlich nur genommen, um sich in dieser Schar schöner und reicher Menschen nicht ganz so fehl am Platze zu fühlen – und sah sich ängstlich nach Jace um. Er hatte gesagt, dass er hier sein würde, und sie hatte ihn mit ihrem unerwarteten Auftauchen bei der Eröffnung des neusten Hotels von HCM überraschen wollen. Das moderne und luxuriöse Hotel am Union Square war offensichtlich auf eine betuchtere Klientel ausgerichtet. Aber Jace – und seine beiden besten Freunde – lebten schließlich auch in dieser Welt. Sie hatten sehr hart gearbeitet, um so weit zu kommen, und waren erfolgreicher, als die meisten es vorauszusagen gewagt hätten – und das alles schon vor der Vollendung ihres dreißigsten Lebensjahres. Nun, mit achtunddreißig, zählten sie zu den erfolgreichsten Hoteliers der Welt. Aber für Mia waren sie immer noch nicht mehr als ihr Bruder und seine besten Freunde. Nun ja, außer Gabe, aber vielleicht war es langsam an der Zeit, ihre peinlichen Teenagerfantasien in Bezug auf ihn abzulegen. Mit sechzehn war das ja noch verständlich gewesen. Aber mit vierundzwanzig konnte man das Ganze nur noch als verzweifelte Verblendung betrachten. Ash und Gabe stammten aus reichen Familien. Sie und Jace nicht, und deshalb fühlte sie sich in den Kreisen, in denen ihr Bruder sich bewegte, auch nicht ganz wohl. Aber sie war über die Maßen stolz auf seinen Erfolg, der umso beeindruckender war, als Jace sich nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern auch noch um seine jüngere Schwester hatte kümmern müssen. Gabe hatte ein enges Verhältnis zu seinen Eltern, oder es zumindest gehabt, solange sie verheiratet gewesen waren. Alle waren schockiert gewesen, als Gabes Vater sich gleich nach dem neununddreißigsten Hochzeitstag von Gabes Mutter hatte scheiden lassen. Und Ash … tja, seine Familienverhältnisse konnte man allenfalls als interessant bezeichnen, wenn man es positiv ausdrücken wollte, diplomatischer ließ sich das wohl nicht formulieren. Er kam mit seiner Familie nicht zurecht – mit keinem aus seiner Familie. Schon in jungen Jahren war er eigene Wege gegangen, wollte nicht ins Familienunternehmen eintreten – wollte auch kein Geld –, und vielleicht erzürnte sein Erfolg seine Familie umso mehr, weil er es ohne sie geschafft hatte. Mia wusste, dass Ash nie Zeit mit ihr verbrachte. Meistens war er mit Jace und Gabe zusammen, vor allem mit Jace. Der hatte Mia sehr deutlich erklärt, dass Ashs Verwandte – mit Jace’ Worten – Arschlöcher waren, und sie hatte das so stehen lassen, da sie sie ohnehin nie kennengelernt hatte. Seine Familie tat so, als gäbe es HCM gar nicht. Sie widerstand dem Impuls, sich umzudrehen und wegzulaufen, als zwei Männer lächelnd auf sie zukamen, wie auf der Jagd nach Beute. Zum einen hatte sie Jace noch nicht gefunden, und zum anderen wollte sie nicht so schnell wieder gehen, nachdem sie so lächerlich lange gebraucht hatte sich zurechtzumachen … für den Fall, dass Gabe ihr über den Weg lief, was zwar erbärmlich, aber nichts als die Wahrheit war. Sie lächelte und wappnete sich innerlich, entschlossen, ihren Bruder nicht in Verlegenheit zu bringen, indem sie sich wie eine Närrin aufführte. Doch dann erblickte sie völlig überraschend Gabe, der mit finsterer Miene durch die Menge auf sie zukam. Er trat zwischen sie und die herannahenden Männer, ehe die sie erreicht hatten, und griff nach ihrem Arm. »Ich wünsche dir auch einen guten Abend, Gabe«, sagte sie mit leicht zittriger Stimme. Der Mann hatte etwas an sich, das sie regelmäßig in eine stammelnde Idiotin verwandelte. Sie konnte nicht reden, nicht denken, keinen einzigen zusammenhängenden Gedanken fassen. Für ihn grenzte es wahrscheinlich an ein Wunder, dass sie tatsächlich einen Abschluss und dann auch noch cum laude gemacht hatte. Abgesehen davon, dass er und Jace ihr Diplom für vollkommen sinnlos hielten. Jace hatte gewollt, dass sie Wirtschaft studierte, um damit später in den »Familienbetrieb« einsteigen zu können. Aber sie war sich gar nicht sicher, was sie überhaupt machen wollte, und auch das ärgerte Jace. Deshalb hatte sie Schuldgefühle. Weil sie es sich leisten konnte, sich bei ihren Entscheidungen Zeit zu lassen. Jace hatte immer großzügig für sie gesorgt. Er hatte ihr eine Wohnung besorgt und auch sonst alles, was sie brauchte, obwohl sie sich nach dem Hochschulabschluss durchaus bemüht hatte, ohne seine Unterstützung auszukommen. Die Leute, mit denen sie den Abschluss gemacht hatte, arbeiteten alle schon und machten Karriere. Sie dagegen jobbte immer noch stundenweise in einer Konditorei und quälte sich mit der Überlegung, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen wollte. Dieses Zaudern hatte höchstwahrscheinlich auch viel mit den verqueren Fantasien in Bezug auf den Mann zu tun, der sie jetzt am Arm wegzog. Sie musste diese Fixierung auf ihn überwinden und weitergehen. Sie konnte nicht ihr ganzes Leben lang von der lächerlichen Vorstellung beseelt sein, dass er sie eines Tages bemerken und dann beschließen würde, dass er sie haben musste. Gierig saugte sie seinen Anblick auf, um sich wie eine Süchtige daran zu berauschen – als hätte sie viel zu lange ohne ihren »Stoff« auskommen müssen. Er war ein Mann, dessen Präsenz jeden Raum, den er betrat, ausfüllte. Das schwarze Haar trug er kurz geschnitten und stylte es gerade einmal so viel, dass die Frisur elegant teuer wirkte. Er hatte dieses verruchte Aussehen eines Bad Boy, dessen Anblick jede Frau wild werden ließ. Außerdem legte er eine vollkommen arrogant-gleichgültige Haltung an den Tag; was Gabe wollte, das bekam er auch. Sein Selbstbewusstsein, gepaart mit seiner Arroganz, zog sie magisch an – hatte sie immer angezogen. Sie war nicht in der Lage, sich seiner Anziehungskraft auf sie zu erwehren. Gott allein wusste, dass sie es jahrelang versucht hatte, doch ihre Besessenheit zeigte keinerlei Anzeichen zu verschwinden. »Mia«, sagte er leise. »Ich wusste gar nicht, dass du kommen wolltest. Jace hat nichts gesagt.« »Er weiß es nicht«, erwiderte sie mit einem Lächeln. »Ich wollte ihn überraschen. Wo ist er überhaupt?« Er schien einen Moment von Unbehagen erfüllt, dann antwortete er. »Er musste weg. Ich weiß nicht, ob er noch einmal zurückkommt.« Ihr Lächeln erstarb. »Oh.« Verlegen sah sie an sich herunter. »Dann habe ich das Kleid wohl ganz umsonst angezogen.« Gemächlich ließ er den Blick über sie gleiten, und sie hatte das Gefühl, von ihm völlig mühelos entkleidet zu werden. »Das ist ein hübsches Kleid.« »Dann sollte ich jetzt wohl lieber gehen. Hat ja nicht viel Sinn zu bleiben, wenn Jace nicht da ist.« »Du kannst mit mir hier bleiben«, sagte er unverblümt. Sie starrte ihn an. Man konnte nicht gerade behaupten, dass Gabe sich je überschlagen hätte, Zeit mit ihr zu verbringen. Es schien eher so, als versuche er, ihr aus dem Weg zu gehen. Zumindest hatte sie wegen dieses Eindrucks schon Komplexe. Er war nett zu ihr, sicher. Zu besonderen Anlässen schickte er ihr Geschenke, und manchmal kam er vorbei, um sich zu vergewissern, dass es ihr an nichts fehlte, auch wenn Jace sie in der Hinsicht nie vernachlässigt hätte. Aber Gabe hatte zweifelsohne nie besonderen Wert darauf gelegt, mehr als ein paar Minuten in ihrer Gesellschaft zu verbringen. »Möchtest du tanzen?«, fragte er. Sie sah ihn erstaunt an und fragte sich, wo sich der richtige Gabe Hamilton versteckte. Gabe tanzte nicht. Oh ja, er konnte tanzen; es war nur so, dass er es so selten tat. Die Tanzfläche war voller Paare, manche in Gabes Alter, viele älter. Sie sah nicht einen einzigen Gast in ihrem Alter, allerdings gehörten die Anwesenden alle der Welt der Reichen und Schönen an, zu der die meisten Vierundzwanzigjährigen noch keinen Zutritt hatten. »Oh, gern«, erwiderte sie. Warum nicht? Sie war hier. Sie hatte sich zwei Stunden lang zurechtgemacht. Alles andere grenzte doch an eine Verschwendung des schönen Kleids und der tollen Schuhe, oder? Er legte die Hand auf ihren Rücken, und sie hatte das Gefühl, er würde ihr ein Brandzeichen aufdrücken. Sie war kaum in der Lage, ein Schaudern zu unterdrücken, als er sie in den Bereich des Saals führte, der den Tanzenden vorbehalten war. Es war in vielerlei Hinsicht keine gute Idee, mit ihm zu tanzen. Wie sollte sie je über ihre Vernarrtheit hinwegkommen, wenn sie immer wieder seine Nähe suchte? Doch diese Gelegenheit, in seinen Armen zu liegen, würde sie sich nicht entgehen lassen. Und wenn es nur ein paar Minuten waren. Ein paar herrliche, überwältigende Minuten. Die sinnlichen Töne eines Saxophons verschmolzen mit den klimpernden Klängen eines Klaviers und dem tiefen Dröhnen eines Basses. Die Musik strömte in ihren Körper, als sie in Gabes Arme glitt. Es war bewegend und berauschend, und sie hatte das Gefühl, sich mitten in einem lebhaften Traum zu befinden. Seine Hand glitt über ihren Rücken und blieb auf der Stelle liegen, die durch den tiefen Ausschnitt nicht bedeckt war. Der Stoff reichte gerade einmal bis knapp über ihren Po, was so verführerisch wirkte, dass sie sich selbst gut hatte zureden müssen, das Kleid anzuziehen. Doch jetzt war sie wirklich froh, sich dazu entschlossen zu haben. »Nur gut, dass Jace nicht hier ist«, meinte Gabe. Sie neigte den Kopf und sah ihn fragend an. »Warum sagst du das?« »Weil er einen Herzanfall bekommen würde, wenn er dich in diesem Kleid sähe. Allerdings stellt sich die Frage, ob man diesen Hauch von Nichts überhaupt als Kleid bezeichnen kann.« Sie lächelte, auf ihren Wangen bildeten sich Grübchen. »Da Jace nicht da ist, kann er ja wohl auch nichts dazu sagen, oder?« »Nein, aber ich kann das sehr wohl«, erwiderte er unverblümt. Ihr Lächeln verblasste. »Zwei große Brüder brauche ich nicht, Gabe. Ich kann dir versichern, dass einer völlig ausreicht«, sagte sie mit finsterem Gesicht. Er sah sie aus schmalen Augen an und presste die Lippen kurz aufeinander. »Ich habe verdammt noch mal nicht das Bedürfnis, dein großer Bruder zu sein.« Sie warf ihm einen verletzten Blick zu. Wenn es ihm so lästig war, seine Zeit mit ihr zu verbringen, warum hatte er sich ihr dann überhaupt genähert? Warum hatte er nicht das getan, was er immer tat, und sie einfach ignoriert? Sie trat zurück, und das berauschende Gefühl, in seiner Nähe zu sein, in seinen Armen zu liegen, seine Hände auf ihrem Körper zu spüren, schwand. Sie hätte nicht herkommen sollen. Es war eine durch und durch dumme Idee gewesen. Sie hätte Jace nur anrufen und ihm von ihren Plänen erzählen müssen, dann hätte er ihr sagen können, dass er nicht da sein würde. Dann würde sie jetzt nicht mitten auf der Tanzfläche stehen und sich schämen, weil Gabe sie zurückgewiesen hatte. Seine Augen verengten sich, als er ihre Reaktion bemerkte. Dann seufzte er, drehte sich abrupt um und zog sie förmlich hinter sich her, von der Tanzfläche zur Terrasse, deren Türen offen standen, sodass kühle Luft von draußen hereinströmen konnte. Er zog sie beschützend in seinen Arm und betrat die Terrasse. Und so lag sie wieder in seinen Armen. Umhüllt von seiner Wärme. Sie nahm seinen Duft wahr. Und, ach, er roch so gut. Er blieb erst stehen, als sie ein gutes Stück von der Tür entfernt waren und in den Schatten des Überstands eintauchten. Die Lichter der Stadt funkelten heller als die Sterne am Himmel und aus der Ferne durchdrang Verkehrslärm die Stille. Eine ganze Weile sah er sie einfach nur an, und sie fragte sich, was an ihrem Verhalten ihn so sehr erzürnt hatte. Sein Duft ließ ihr keine Ruhe. Würzig, aber nicht zu stark. Sein Aftershave passte gut dazu. Es ergänzte seinen natürlichen Geruch und unterstrich seine schroffe Männlichkeit mit einem Hauch Natur, Holz und … Erfahrenheit. »Was soll’s!«, murmelte er ergeben, als füge er sich irgendeiner höheren Macht. Ehe sie etwas erwidern konnte, zog er sie an sich und sie landete an seiner harten Brust. Überrascht riss sie den Mund auf und stieß einen leisen Seufzer aus. Ihre Lippen waren seinen ganz nah. Verlockend nah. Sie konnte seinen Atem spüren, sah den Nerv, der an seiner Schläfe zuckte. Sein vorgeschobenes Kinn wirkte angespannt, als würde er sich zurückhalten. Und dann schien er plötzlich den Kampf verloren zu geben. Hart, leidenschaftlich, fordernd stürzte er sich auf ihre Lippen. Und, Himmel, es war so schön. Heiß und sinnlich stieß seine Zunge vor, glitt in ihren Mund, leckte verspielt an ihrem Gaumen und tanzte verführerisch um ihre Zunge. Es war nicht nur ein Kuss. Er verschlang sie förmlich. Mit nur einem Kuss nahm er von ihr Besitz. Für die Dauer dieses Kusses gehörte sie nur Gabe Hamilton. Jeder andere Mann, den sie je geküsst hatte, fiel dem Vergessen anheim. Sie seufzte und gab sich ganz seiner Umarmung hin. Sie schmolz dahin und wollte mehr. Immer mehr. Mehr von ihm. Seine Wärme, seine Berührungen, diesen sündhaft verlockenden Mund. Es war alles, wovon sie je geträumt hatte, und noch mehr. Alles, was sie sich je in ihrer Fantasie vorgestellt hatte … hatte nichts, aber auch gar nichts, mit der Realität zu tun. Seine Zähne strichen über ihre Lippen und bissen dann kurz hinein. Gerade fest genug, um ihr zu zeigen, wer das Sagen hatte. Dann wurde er zärtlicher, leckte zart die Stelle, die er eben noch gezwickt hatte, und bedeckte ihre Oberlippe mit einer Flut gehauchter Küsse. »Gott stehe mir bei – das hier wollte ich schon so lange«, sagte er mit rauer Stimme. Sie war wie betäubt. Ihre Beine zitterten wie Espenlaub, und sie hoffte inständig, dass sie nicht zusammenbrach, als Opfer ihrer eigenen Absätze. Nichts hätte sie je auf das vorbereiten können, was gerade passiert war. Gabe Hamilton hatte sie geküsst. Nein, nicht nur geküsst, er hatte sie vielmehr auf die Terrasse gezerrt und war über sie hergefallen. Ihre Lippen kribbelten immer noch von dem sinnlichen Sturm, der über sie hinweggefegt war. Sie war trunken. Vollkommen trunken. Als hätte sie einen gewaltigen Schwips, einen nicht zu überbietenden Rausch. So viel hatte sie nun wirklich nicht getrunken, und deshalb wusste sie sehr wohl, dass ihr Zustand nicht auf Alkohol zurückzuführen war. Sondern auf ihn. Schlicht und ergreifend. Er hatte eine tödliche Wirkung auf ihre Sinne. »Hör auf, mich so anzusehen, sonst bringst du dich noch in ernsthafte Schwierigkeiten«, knurrte er. Wenn es Schwierigkeiten der köstlichen Art waren, wie sie annahm, dann hatte sie rein gar nichts dagegen. »Wie sehe ich dich denn an?«, fragte sie heiser. »Als wolltest du, dass ich dir diesen Hauch von Nichts, der angeblich ein Kleid ist, vom Leib schäle und es dir gleich hier auf der Terrasse besorge.« Sie schluckte. Es war vermutlich das Beste, überhaupt nichts zu sagen. Sie war sich nicht einmal sicher, was hier eigentlich gerade passiert war. All ihre Sinne waren in Aufruhr, und sie kam noch nicht damit klar, dass Gabe Hamilton sie gerade geküsst und dann darüber gesprochen hatte, es ihr hier auf der Terrasse seines Hotels zu besorgen. Wieder trat er ganz dicht an sie heran, bis seine Wärme sie vollständig umhüllte und fast verschlang. Ihr Puls pochte spürbar unregelmäßig an ihrem Hals und sie atmete kurz und flach. »Komm morgen zu mir, Mia. In mein Büro. Punkt zehn.« »W-warum?«, stammelte sie. Er sah sie mit strenger Miene an, in seinen Augen lag ein wildes Funkeln, das sie nicht deuten konnte. »Weil ich es sage.« Sie starrte ihn mit großen Augen an, bis er nach ihrer Hand griff, um sie zurück in den Ballsaal zu ziehen. Er blieb kein einziges Mal stehen, sondern ging direkt bis in die Lobby. Sie mühte sich mit ihm Schritt zu halten, während sie auf ihren hohen Absätzen über den polierten Marmorboden stöckelte. Ihre Gedanken waren in Aufruhr. »Gabe, wohin gehen wir?« Er trat nach draußen und winkte den Pförtner zu sich, der bei Gabes Anblick sofort herbeigeeilt kam. Ein paar Sekunden später hielt ein schlanker, schwarzer Wagen vor ihnen und Gabe half ihr beim Einsteigen. Er hielt sich an der Tür fest, während er sich vorbeugte und in den Wagen schaute. »Du fährst jetzt nach Hause und ziehst dieses verdammte Kleid aus«, sagte er. »Und morgen wirst du dann um zehn in mein Büro kommen.« Er wollte schon die Tür schließen, beugte sich aber noch einmal vor und sah sie an. »Und, Mia? Ich rate dir zu erscheinen.« 2 »Habe ich das richtig verstanden? Du hast mich und die Mädels gestern Abend sitzen lassen, um zu der langweiligen Eröffnung eines Hotels von deinem Bruder zu gehen, und während du da warst, hat Gabe Hamilton dich auf die Terrasse gezerrt, geküsst und dann mit der eindeutigen Anweisung nach Hause geschickt, heute Morgen um zehn in seinem Büro zu sein?« Mia saß mit hochgezogenen Beinen auf dem Sofa, ihrer Mitbewohnerin und besten Freundin, Caroline, gegenüber. Sie rieb sich die Augen, um den Nebel zu vertreiben, der sie umgab. Sie hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Wie auch? Gabe hatte ihr gesamtes Universum auf den Kopf gestellt, und jetzt steuerte sie auf zehn Uhr zu, ohne den blassesten Schimmer zu haben, was sie tun sollte. »So ungefähr, ja«, erwiderte Mia. Caroline verzog theatralisch das Gesicht und fächerte sich mit einer Hand Luft zu. »Und ich dachte doch tatsächlich, dein Abend könnte unmöglich so unterhaltsam gewesen sein wie unserer. Dabei bin ich definitiv nicht von einem umwerfenden Millionär geküsst worden.« »Aber warum?«, fragte Mia frustriert. Ihre Stimme klang gereizt … Diese Frage hatte sie sich während der durchwachten Nacht immer wieder gestellt. Warum hatte er sie geküsst? Warum wollte er sie jetzt sehen, wo er ihr doch sonst immer aus dem Weg zu gehen schien? Er hatte seinen Wunsch nicht als Bitte formuliert, aber Gabe Hamilton bat einfach nie um etwas. Er gab Befehle und erwartete Ergebnisse. Und sie wusste nicht, was es über sie aussagte, dass ihr dieser spezielle Zug an ihm so gut gefiel. Allein der Gedanke daran erfüllte sie innerlich mit Wärme und Schaudern. Caroline verdrehte die Augen. »Er will dich, Chica. Und warum sollte er auch nicht? Du bist jung und heiß, und ich wette, dass du im Laufe der Jahre ein- oder zweimal eine Hauptrolle in seinen Fantasien gespielt hast.« Mia zog die Nase kraus. »Aus deinem Mund klingt das irgendwie eklig.« »Meine Güte! Nun tu doch nicht so, als würdest du nicht seit Teenagertagen nach ihm gieren. Er hat nie auf diese Zeichen reagiert. Aber jetzt bist du vierundzwanzig und nicht mehr sechzehn. Das ist ein großer Unterschied.« »Ich wünschte, ich wüsste, was er will«, sagte Mia, und die Unruhe war ihr deutlich anzuhören. »Wenn du dich das wirklich fragst, nachdem er gedroht hat, es dir auf der Terrasse zu besorgen, dann bist du ein hoffnungsloser Fall«, meinte Caroline ärgerlich. Sie warf einen ostentativen Blick auf ihre Armbanduhr und sah Mia dann durchdringend an. »Meine Liebe, du hast weniger als eine Stunde, um dich fertig zu machen, ehe du los musst. Ich würde vorschlagen, du erhebst dich jetzt von diesem Sofa und sorgst dafür, dass du fabelhaft aussiehst.« »Ich weiß noch nicht einmal, was ich anziehen soll«, murrte Mia. Caroline lächelte. »Ich aber. Na komm. Du willst doch einen Mann aus dem Konzept bringen.« Aus dem Konzept bringen? Mia hätte am liebsten gelacht. Wenn hier jemand aus dem Konzept war, dann sie. Die Ereignisse des gestrigen Abends hatten sie so verwirrt, dass sie eine wandelnde Katastrophe sein würde, wenn und falls sie es überhaupt bis in Gabes Büro schaffte. Gabe strich über den Vertrag, den er hervorgeholt hatte, und starrte auf das Deckblatt, während er überlegte, wie er bei Mia vorgehen wollte. Es war das erste Mal, dass er überhaupt über den Ablauf nachdachte. Er ging Situationen immer nur auf eine Weise an. Direkt. Bei persönlichen Beziehungen verhielt er sich genau wie im Geschäftsleben. Da war kein Raum für Gefühle … nicht einmal in einer Beziehung. Er war einmal mit heruntergelassenen Hosen erwischt worden – für ihn selbst völlig überraschend, wie er sich ehrlicherweise eingestehen musste –, und er hatte geschworen, dass ihm das nie wieder passieren würde. Er war von einer Frau, der er bedingungslos vertraut hatte, zum Narren gehalten worden und hatte seine Lektion gelernt. Das hieß nicht, dass er Frauen abgeschworen hatte – dafür mochte er Frauen zu sehr. Er liebte es, eine unterwürfige Frau unter sich zu haben, der er Anweisungen erteilte. Aber seine Herangehensweise hatte sich verändert. Die Art, wie er mit ihnen umging, hatte sich verändert. Er hatte keine Wahl gehabt. Aber Mia … Er konnte nicht so tun, als wäre sie wie die anderen Frauen, die er gehabt hatte. Sie war anders. Sie war nicht irgendein Gesicht, das er mit einer gewissen Zuneigung betrachten konnte, während er sich gleichzeitig beunruhigende Verwicklungen vom Leib hielt. Die Frauen, die er auswählte, kannten die Regeln. Sie wussten, was von ihnen erwartet wurde und was sie dafür im Gegenzug erwarten konnten. Mia dagegen war Jace’ kleine Schwester. Darüber hinaus war sie eine Frau, die er hatte aufwachsen sehen. Herrgott noch mal, er war sogar bei ihrer Schulabschlussfeier gewesen. Er hatte den kleinen Stümper finster angesehen, der sie von Zuhause abgeholt hatte, um mit ihr zum Abschlussball zu gehen. Er hatte den Anblick genossen, als dem Kerl die Eier zu Murmeln zusammenschrumpften, nachdem Jace und Ash ihm unmissverständlich klar gemacht hatten, was passieren würde, wenn er Mia in irgendeiner Form respektlos behandelte. Er hatte sie getroffen, wenn sie Jace in den Ferien und nach ihrem Schulabschluss besucht hatte. Er war sogar zur Feier ihres Hochschulabschlusses gegangen. Es war die Hölle für ihn gewesen, denn Mia war zu einer atemberaubenden jungen Frau erblüht. Sie sah nicht mehr aus wie ein viel zu junges, unschuldiges Mädchen. Er mochte noch nicht einmal darüber nachdenken, wie viele Liebhaber sie wohl schon gehabt hatte, das machte ihn nur wütend. Davon abgesehen interessierten sie ihn ohnehin nicht, denn sie gehörten ihrer Vergangenheit an, und da würden sie auch bleiben. Mia wusste es noch nicht, aber sie würde bald ihm gehören. Er war sich nur noch nicht darüber im Klaren, wie unverblümt er an die Sache herangehen sollte. Sie war … anders. Jünger, ja, aber auch ruhiger, und vielleicht auch naiver. Aber vielleicht war das nur seine eigene subjektive Wahrnehmung. Wer wusste schon, was sie tat, wenn Jace’ Argusaugen nicht über sie wachten? Egal, für welche Annäherungsform er sich entschied, musste er eine gewisse Raffinesse an den Tag legen. Er durfte sie nicht einfach überfahren, damit sie nicht aus Angst die Flucht ergriff, ehe er überhaupt einen Fuß in der Tür hatte. Denn wenn er erst beschlossen hatte, den ersten Schritt zu machen, würde er um nichts in der Welt einen Rückzieher machen oder ein Nein als Antwort akzeptieren. Und dann war da noch das verdammte Problem mit Jace. Dafür hatte Gabe noch keine Lösung gefunden, aber es hatte eh keinen Sinn, sich damit zu beschäftigen, ehe er Mia an Land gezogen hatte. Um Jace würde er sich schlichtweg später kümmern müssen. Ein Geräusch an der Tür ließ ihn verärgert aufschauen. Seine Anweisungen an die Empfangsdame von HCM waren eindeutig gewesen. Er wollte nicht gestört werden. Von niemandem. Und mit Mia war jetzt auch noch nicht zu rechnen. Bis dahin hatte er noch über eine Stunde. Jace und Ash kamen hereingeschlendert, und Gabes Verärgerung nahm zu. Was zum Teufel machten die beiden heute in der Firma? Sie sollten doch in einem Flugzeug nach Kalifornien sitzen, um sich dort mit einem Bauunternehmer zu treffen und mit ihm die Pläne für eine neue Hotelanlage durchzugehen. Alle drei Männer reisten viel, sie teilten die Aufgaben der Aufsicht über einheimische und ausländische Projekte meist untereinander auf. Im Moment gab es mehrere, in unterschiedlichen Phasen befindliche Projekte. Ein Hotel kurz vor der Grundsteinlegung in Kalifornien, eins im frühen Planungsstadium in Paris und ein potenziell für eine Luxusferienanlage geeignetes Gelände in der Karibik. In letzter Zeit jedoch war Gabe in der Stadt geblieben, um die letzten Arbeiten am Bentley zu überwachen, ihrem neusten Luxushotel am Union Square. So war er dichter dran. Er war so pedantisch, dass er noch nicht einmal seine besten Freunde mit dieser Aufgabe betrauen mochte. Gabe bezeichnete Jace und Ash gern als »Mittelsmänner«. Obwohl sie alle gleichberechtigte Partner im Unternehmen waren, hob Gabe Projekte aus der Taufe und plante sie durch, bis alle Einzelheiten zu seiner Zufriedenheit aufgeführt waren. Dann übernahmen Jace und Ash die Aufsicht, brachten alles auf den Weg und sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Am Ende verlieh dann wiederum Gabe dem Ganzen den letzten Schliff. Das war eine Regelung, die allen entgegenkam. Das Tagesgeschäft und die Leitung der Hotels und Ferienanlagen erledigten sie gemeinsam. Die drei waren seit dem College befreundet. Im Rückblick konnte Gabe nicht einmal mehr sagen, was sie neben Alkohol, Verbindungsfeiern und der Jagd auf Mädchen eigentlich zusammengebracht hatte. Sie hatten sich einfach auf Anhieb gut verstanden. Für Jace wurde es schwieriger, als seine Eltern bei einem Verkehrsunfall umkamen und er plötzlich die Verantwortung für seine wesentlich jüngere Schwester übernehmen musste. Doch Gabe und Ash hatten ihm zur Seite gestanden, ihre Unterstützung angeboten und ihn nicht im Stich gelassen. Später hatten Jace und Ash dann ihm während seiner sehr hässlichen und in der Öffentlichkeit ausgetragenen Scheidung zur Seite gestanden. Vielleicht war Mia in gewisser Weise der Grund für die enge Bindung, die zwischen den dreien bestand. Welch Ironie des Schicksals, denn möglicherweise würde sie auch der Grund dafür sein, dass diese enge Bindung zerbrach, wenn Gabe jetzt nicht alles richtig machte. »Welche Laus ist dir denn über die Leber gekrochen?«, fragte Ash gedehnt, der sich in einen der Sessel vor Gabes Schreibtisch lümmelte. Jace setzte sich in den anderen Sessel. Er war von seiner Art her ruhiger und weniger respektlos als Ash. Ja, Jace und Ash waren die einzigen beiden Personen, die er wirklich als seine Freunde im wahrsten Sinne des Wortes betrachtete. Er vertraute ihnen – sie waren die einzigen Menschen, denen er vertraute – und er war ihnen gegenüber bedingungslos loyal; eine Eigenschaft, mit der er nicht gerade freizügig umging. Jace war ein ruhiger, nachdenklicher Typ, während Ash den charmanten Playboy gab, der Frauen wie Fliegen anzog. Gabe war davon überzeugt, dass gerade die Kombination dieser beiden häufig der Grund dafür war, dass Frauen sich ein wenig verrückt benahmen. Nein, sie litten gewiss keinen Mangel an Frauen, die für einen flotten Dreier mit ihnen Schlange standen. Ash stand dabei immer an vorderster Front. Charmant und kontaktfreudig, wie er war, wurden die Frauen in seiner Gegenwart atemlos und flatterig. Gabe hatte selber erlebt, welche Wirkung Ashs Charme auf Frauen hatte. Jace dagegen hielt sich mit seiner ruhigen Art im Hintergrund und beobachtete alles aus seinen dunklen Augen. Frauen betrachteten ihn als Herausforderung, während sie Ash vielleicht als zu leichte Beute sahen. Doch sie mussten immer wieder feststellen, dass Jace unerreichbar war, egal wie entschlossen sie auch vorgingen. Alle drei hatten ihre Macken, für die sie sich aber nicht rechtfertigten – noch etwas, das sie während der gemeinsamen Collegezeit herausgefunden hatten. Sie hatten genug Geld verdient und waren erfolgreicher, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen je ausgemalt hatten, sodass sie kein Problem hatten, willige Bettpartnerinnen zu finden oder auch mal längere Beziehungen einzugehen, solange die Frauen die Regeln kannten. Es herrschte unausgesprochene Einigkeit darüber, dass im Spiel alles erlaubt war, aber die Freiheit unbedingt gewahrt bleiben musste. Insbesondere nach dem katastrophalen Scheitern von Gabes Ehe. So wie Gabe und Ash sich um Jace geschart hatten, als er die Verantwortung für Mia übernommen hatte, hatte Gabe sich Ashs und Jace’ unerschöpflicher Unterstützung gewiss sein können, als Lisa sich von ihm scheiden ließ. Außerdem waren sie seine loyalsten Verteidiger gewesen, als Lisa angefangen hatte, Anschuldigungen vorzubringen, die zwar jeder Grundlage entbehrten, Gabes Ruf sowohl persönlich als auch beruflich aber beschädigt hatten. Bis zum heutigen Tag verstand Gabe nicht, was Lisa dazu gebracht hatte, so auszurasten. Aber er war Jace und Ash immer dankbar für ihre bedingungslose Unterstützung während der schlimmsten Monate seines Lebens gewesen. War er ein guter Ehemann gewesen? Vielleicht nicht, aber er hatte Lisa auf jeden Fall alles gegeben, von dem er glaubte, dass sie es haben wollte. Sexuellen Vorlieben waren sie einvernehmlich nachgegangen. Er hatte sie nie dazu gezwungen, irgendetwas zu tun, was sie nicht wollte, und die Erinnerung an all das, was sie ihm vorgeworfen hatte, brachte ihn immer noch fast um den Verstand. Er war von der Presse und von den Scheidungsrichtern ans Kreuz genagelt worden. Und Lisa hatte als das scheinbare Missbrauchsopfer eines manipulativen Mistkerls dagestanden. Er war nie wieder eine Beziehung eingegangen, ohne vorher alles offenzulegen und vertragliche Vereinbarungen aufzusetzen, die von beiden Seiten unterschrieben werden mussten. Das mochte von einigen als extrem – oder gar lächerlich – angesehen werden, aber er hatte zu viel zu verlieren, als dass er das Risiko eingegangen wäre, wieder einer Lisa ins Netz zu gehen. »Ich dachte, ihr sitzt längst im Flugzeug nach Kalifornien«, erklärte Gabe ungeduldig. Jace seufzte ergeben. »Wir brechen in einer halben Stunde auf. Der Pilot hat angerufen, es gibt ein technisches Problem mit dem Jet. Wir können frühestens um elf abheben, wenn es ihm gelingt, eine Ersatzmaschine aufzutanken und die Flugpläne zu ändern.« Gabe rechnete im Geiste schnell nach. Sie würden längst weg sein, wenn Mia eintraf. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht der überpünktliche Typ war, der immer und überall zu früh aufschlug. So pingelig er sonst auch auf der Einhaltung von Terminen bestehen mochte und Leute hasste, die nicht pünktlich waren, hätte er diesmal nichts gegen eine Verspätung. Unter dem Tisch ballte er die Finger zur Faust, um sie gleich wieder zu entspannen und dann erneut zu krümmen. Seit Mia gestern Abend in den Ballsaal getreten war, hatte er an nichts anderes mehr denken können. Seitdem er endlich zugelassen hatte, mehr als nur die kleine Schwester seines besten Freundes in ihr zu sehen, war er von einer unerklärlichen Nervosität erfüllt. Das einzige Wort, das ihm dazu einfiel, war … Ungeduld. Freudige Erwartung. Adrenalin strömte durch seinen Körper. Sie hatte seine wohl geordnete Welt ins Wanken gebracht und auf den Kopf gestellt. Er konnte es kaum erwarten, sie unter seiner Leitung zu haben, unter seiner Führung. Allein die Vorstellung brachte sein Blut in Wallung. Herrje, er wurde schon steif, wenn er nur an sie dachte, obwohl er gerade mit seinen beiden besten Freunden zusammensaß. Die Situation war gelinde gesagt heikel. Er konnte nur hoffen, dass sie blieben, wo sie waren, und nichts bemerkten. Dann sah er Jace an und sagte: »Du hast Mia gestern Abend bei der Eröffnungsfeier verpasst.« Er wusste sehr wohl, dass Jace später nur umso mehr Fragen stellen würde, wenn er es jetzt nicht von selbst erwähnte. Jace richtete sich in seinem Sessel auf und runzelte die Stirn. »Sie war da?« Gabe nickte. »Sie wollte dich überraschen. Sie kam, kurz nachdem ihr mit der Brünetten verschwunden wart.« Jace stieß einen Fluch aus und schnaufte angewidert. »Verdammt. Ich hatte keine Ahnung, dass sie kommen wollte. Ich wünschte, sie hätte es mir gesagt, dann wäre ich doch mit Sicherheit da gewesen. Was ist passiert? Hast du dich mit ihr unterhalten? Ist sie lange geblieben?« »Ich habe mich um sie gekümmert«, erklärte Gabe beiläufig. »Ich habe ihr gesagt, dass du plötzlich weg musstest, habe mit ihr getanzt und sie dann mit dem Wagen nach Hause geschickt. Bei dem, was sie anhatte, hättest du eh einen Herzanfall bekommen.« Einer von Ashs Mundwinkeln zuckte nach oben. »Unsere kleine Mia wird erwachsen.« Jace sah ihn finster an. »Halt die Klappe, Mann.« Dann wanderte sein Blick wieder zu Gabe. »Danke, dass du dich um sie gekümmert hast. In dem Umfeld möchte ich sie eher nicht sehen, vor allem, wenn es wahr ist, was du über ihre Kleidung gesagt hast. Die meisten dieser alten Säcke würden gerne ihre Ehefrauen mal links liegen lassen, und Mia muss in dem Zusammenhang ja wie der Heilige Gral ausgesehen haben. Sie wird verdammt noch mal nicht als weitere Kerbe in deren Bettpfosten enden.« Eigentlich hätte Gabe sich schuldig fühlen müssen. Andererseits wusste er bereits, dass er für all das, was er mit Mia machen wollte, und dafür, dass er es mit ihr machen wollte, in der Hölle schmoren würde. Sie würde ganz gewiss keine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten sein, deshalb konnte er das Unbehagen, das Jace’ hitzige Erwiderung hervorgerufen hatte, getrost beiseiteschieben. Gabes Gegensprechanlage summte. »Mr Hamilton, eine Miss Houston ist hier für Mr Crestwell und Mr McIntyre.« Gabe zog die Augenbrauen hoch. »Nehmt ihr die Brünette etwa mit nach Kalifornien?« Ash grinste. »Aber sicher. Ihre Anwesenheit wird die Flugdauer enorm verkürzen.« Gabe schüttelte den Kopf. »Schicken Sie sie rein, Eleanor.« Kurz darauf betrat die hinreißende Brünette, die Gabe am Abend zuvor in Begleitung von Jace und Ash beobachtet hatte, sein Büro. Ihre hohen Absätze klapperten auf dem Marmorboden und verstummten, sobald sie auf den Teppich trat. Ash streckte den Arm nach ihr aus, und die Frau setzte sich entspannt auf seinen Schoß, wobei sie die Beine zu Jace ausrichtete. Jace legte eine Hand auf ihren Unterschenkel und ließ sie besitzergreifend bis zu ihrem Knie hinaufgleiten, ohne jedoch auch nur einmal in ihre Richtung zu schauen. Ganz so, als wolle er sie einfach nur daran erinnern, dass sie ihm gehörte, zumindest im Moment. Gabe konnte nicht umhin, die Frau auf Ashs Schoß mit Mia zu vergleichen, was ziemlich dumm war angesichts der Tatsache, dass diese Frau in einer vollkommen anderen Liga spielte. Sie war älter, erfahrener und sich der Regeln in Bezug auf Jace und Ash durchaus bewusst. Mia hatte keine Ahnung, was Gabe mit ihr vorhatte, und er konnte von Glück reden, wenn sie nicht schreiend aus seinem Büro rannte. Früher hätte Gabe die Szene nicht gestört, die sich vor seinen Augen abspielte. Es war nicht ungewöhnlich, dass Jace und Ash eine Frau mit in die Firma brachten. Doch heute wollte Gabe, dass sie gingen. Er wollte Mia nicht mehr Unannehmlichkeiten bereiten als nötig, vor allem aber wollte er nicht, dass Jace mitbekam, was Gabe mit seiner kleinen Schwester vorhatte. Betont auffällig warf er einen Blick auf seine Uhr und sah dann Ash an, der den Arm besitzergreifend um die kurvige Frau geschlungen hatte. Verdammt, er hatte sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, sie vorzustellen, was ein eindeutiger Hinweis darauf war, dass er keine längere Beziehung mit ihr plante. »Werdet ihr hier mit dem Wagen abgeholt?«, fragte Gabe. »Halten wir dich von irgendetwas ab?«, wollte Jace wissen. Gabe lehnte sich in seinem Stuhl zurück und bemühte sich um eine gelangweilte Pose. »Ich hab einfach jede Menge E-Mails und Mitteilungen abzuarbeiten. Wegen der vielen Dinge, die gestern in letzter Minute erledigt werden mussten, ist ziemlich viel liegen geblieben.« Ash schnaubte. »Das klingst ja so, als wolltest du sagen, dass Jace und ich nie da sind und du dich um alles allein kümmern musst. Aber wir alle wissen, dass du ein Kontroll-Freak bist. Deshalb hätte es wenig Sinn gemacht, wenn Jace und ich auch nur versucht hätten, uns einzubringen, weil dein Weltbild ins Wanken gerät, sobald Dinge nicht auf eine ganz bestimmte Art und Weise erledigt werden.« »Korinthenkacker«, stimmte Jace ihm zu. Die Brünette kicherte und das ärgerte Gabe. Sie mochte vielleicht älter als Mia sein und auch erfahrener, aber er konnte sich nicht erinnern, dass Mia jemals wie ein alberner Teenager gekichert hätte. »Verschwindet aus meinem Büro«, fuhr Gabe sie finster an. »Im Gegensatz zu euch beiden habe ich zu arbeiten. Verfrachtet eure Hinterteile nach Kalifornien und knöpft euch den Bauunternehmer vor. Wir müssen sicherstellen, dass der Bau pünktlich beginnt. Wir wollen unsere Investoren schließlich nicht verärgern, nachdem ich die letzten Monate damit verbracht habe, ihnen Honig ums Maul zu schmieren und sie zu bauchpinseln, um zu bekommen, was wir wollen.« »Habe ich je versagt?«, fragte Ash spöttisch. Gabe winkte ab. Nein, Ash hatte noch nie versagt. In dieser Hinsicht machte Gabe sich keine Sorgen. Die drei bildeten ein gutes Team. Ihre Stärken und Schwächen ergänzten sich hervorragend. HCM war nicht nur eine Möglichkeit, viel Geld zu verdienen. Es war ein Unternehmen, das durch Freundschaft und absolute Loyalität zusammengeschweißt worden war. Und all das würde Gabe jetzt infrage stellen, weil er von Jace’ kleiner Schwester besessen war. Herrgott noch mal, das war doch total daneben! Glücklicherweise stand Jace endlich auf, seine Hand glitt vom Bein der Frau. Er streckte sie vor, um die Brünette von Ashs Schoß zu ziehen, und sie schmiegte sich zufrieden an beide Männer, während sie auf die Tür zugingen. Jace blieb noch einmal kurz stehen und drehte sich stirnrunzelnd um. »Ich werde versuchen, Mia von unterwegs anzurufen, aber könntest du dich auch noch einmal bei ihr melden, während ich weg bin? Sie fragen, ob alles in Ordnung ist und ob sie irgendetwas braucht? Ich ärgere mich, dass ich sie gestern Abend verpasst habe.« Gabe nickte kurz und achtete sorgfältig darauf, seine Mimik unter Kontrolle zu halten. »Ich werde mich darum kümmern.« »Danke, Mann. Wir sehen uns.« »Haltet mich auf dem Laufenden«, sagte Gabe. Ash grinste. »Kontroll-Freak.« Gabe zeigte ihm den Mittelfinger und Jace und Ash verließen mit ihrer jüngsten Eroberung zwischen sich den Raum. Gabe lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah auf die Uhr, während ihn Erleichterung durchströmte. Mia würde erst in einer halben Stunde eintreffen. Bis dahin würden Jace und Ash längst weg sein. 3 Mia stieg an der Fifth Avenue aus dem Taxi, von wo aus es nur ein kurzer Spaziergang zum Midtown-Gebäude mit den Büroräumen von HCM war. Sie stieß einen Seufzer aus wegen des Wetters – der Wind zerzauste ihr Haar, ein Vorbote der unvermeidbaren kälteren Jahreszeit. Die Tage wurden allmählich kühler, jetzt wo der Herbst in den Winter überging. Gabe wohnte nicht weit entfernt in einem gepflegten, modernen Appartementhaus in der Fifth Avenue 400, wohingegen Jace an der Upper West Side und somit näher bei Mia lebte – sie war davon überzeugt, dass er allein ihretwegen nie näher in Richtung seines Arbeitsplatzes gezogen war. Ash wohnte am Morton Square 1, mit Aussicht auf den Hudson River. Mia eilte ins Midtown-Hochhaus und kramte schnell ihre Security-Karte hervor, um durch das Drehkreuz zu den Fahrstühlen gelangen zu können. Jace hatte ihr die Karte schon vor ein paar Jahren überlassen, als er sie durch die Räume von HCM geführt hatte. Aber sie hatte sie nur selten benutzt, da sie das Gebäude meist in Begleitung von Jace betrat. Es war gut möglich, dass das blöde Ding gar nicht mehr funktionierte, dann müsste sie sich beim Sicherheitsdienst anmelden. Und wahrscheinlich kneifen und sofort wieder verschwinden. Glücklicherweise funktionierte die Karte problemlos. Mia sah auf die Uhr, während sie in den vollen Fahrstuhl stieg, und bewegte sich dann in den hinteren Bereich, als noch mehr Leute hineindrängten. Es war fünf Minuten vor zehn, und sie hasste es, sich zu verspäten. Sie war zwar nicht zu spät – zumindest noch nicht –, aber sie gehörte zu den Menschen, die immer zu früh kamen. Spät dran zu sein, machte sie nervös, und wenn sie gar auf den letzten Drücker kam, bekam sie richtiggehend Angst. Nicht, dass es irgendeinen Grund gegeben hätte, warum sie so erpicht darauf war, Gabes Befehl unbedingt Folge zu leisten. Er würde ihr ja wohl nicht den Kopf abhacken, wenn sie zu spät kam. Aber trotzdem … in seiner Stimme hatte etwas mitgeschwungen, das es sie vorziehen ließ, ihn nicht zu verärgern. Und wenn sie ehrlich war, konnte sie es auch kaum abwarten zu erfahren, warum er sie so herrisch herbeizitiert hatte. Caroline hatte Mia unter die Dusche gescheucht und ihr dann beim Ankleiden geholfen, wie einem Kind, das keine Ahnung hat, was es anziehen sollte. Nachdem sie sich für eine Jeans entschieden hatte, die sich an ihre Rundungen schmiegte, war sie in ein Bustier geschlüpft, über das sie ein weites, abgeschnittenes T-Shirt gezogen hatte, das eine Schulter frei ließ. Es reichte gerade einmal bis zur Taille, sodass, wenn sie sich auf eine bestimmte Art bewegte, ein schmaler Streifen nackte Haut am Bauch zu sehen war. Caroline hatte Mia das lange Haar geföhnt und einige Strähnen zu Locken aufgedreht. Das Resultat war eine angemessen zerzauste Frisur, die jedoch natürlich aussah und von der Caroline schwor, dass Männer verrückt danach wären. Mia war sich allerdings nicht sicher, ob sie Gabe in dieser Richtung beeinflussen wollte. Natürlich hatte sie als Teenager – und auch als Erwachsene – immer wieder von ihm geträumt, doch nachdem er ihr jetzt so nahe gekommen war, spürte sie auch die immense Kraft, die von ihm ausging. Das hatte sie eingeschüchtert, sodass sie sich ernsthaft die Frage stellte, ob sie mit einem Mann wie ihm überhaupt zurechtkommen würde. Mia hatte nur sehr wenig Make-up aufgetragen; nicht dass sie etwas gegen Schminke gehabt hätte, aber sie hatte das Gefühl, dass es irgendwie … verzweifelt wirken könnte, wenn sie für dieses geheimnisvolle Treffen mit Gabe zu viel des Guten tat. Als wäre sie ein blinkendes Neonschild, das ihre Leidenschaft und ihre Absichten sofort verriet. Was, wenn es bei diesem Treffen um etwas ganz Banales ging? Würde sie sich nicht wie ein Volltrottel vorkommen, wenn sie sich verführerisch zurechtgemacht hatte, um dann festzustellen, dass er nur wissen wollte, wie es ihr ging? Wusste eigentlich überhaupt jemals jemand, was er gerade dachte? Gabe gehörte nicht zu den Menschen, die ihre Gedanken oder Gefühle in die Welt hinausposaunten. Genau eine Minute vor zehn stieg sie aus dem Fahrstuhl und eilte in den Empfangsbereich von HCM. Eleanor, die Empfangsdame, begrüßte Mia mit einem Lächeln, als sie sich näherte. Mia blieb weder Zeit, darüber nachzudenken, ob es verrückt war, auf dieses Treffen einzugehen, noch sich zu sammeln, ehe sie hineinging. Sie hatte noch genau eine Minute bis zu ihrer Verabredung mit Gabe. »Ich bin um zehn mit Gabe verabredet«, stieß Mia atemlos hervor. »Ich sage ihm Bescheid, dass Sie da sind«, erklärte Eleanor und griff nach dem Hörer. Mia drehte sich um und wusste nicht recht, ob er sie holen würde oder sie nach hinten gehen sollte. Immer wenn sie Jace besuchte, ging sie einfach hinein. Sie wartete nie vorher, als hätte sie einen Termin. »Sie können nach hinten durchgehen«, rief Eleanor. Mia drehte sich schnell um, nickte, holte tief Luft und ging durch den Flur an Jace’ Büro vorbei bis ans Ende, wo sich Gabes großzügiges Eckbüro befand. Vor der Tür blieb sie stehen und sah auf ihre lackierten Zehennägel, die an der Vorderkante der hochhackigen Schuhe, die Caroline ihr empfohlen hatte, glänzten. Sie kam sich plötzlich wie der größte Idiot auf Erden vor. Was auch immer Gabe gestern Abend bei der Feier überkommen haben mochte, war von ihr wahrscheinlich völlig falsch interpretiert worden. Und jetzt stand sie viel zu aufgedonnert hier. Sie wollte sich gerade umdrehen und so schnell, wie sie auf ihren hochhackigen Schuhen laufen konnte, wieder zum Fahrstuhl zurückgehen, als die Tür aufschwang und Gabe sie mit durchdringendem Blick ansah. »Ich habe mich schon gefragt, ob du deine Meinung wohl geändert hast«, sagte er. Sie errötete schuldbewusst und hoffte inständig, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte. Die Schuldgefühle waren ihr wahrscheinlich deutlich anzusehen. »Ich bin da«, erklärte sie tapfer und hob das Kinn, um seinen Blick zu erwidern. Er trat zurück und deutete in den Raum. »Komm herein.« Sie schluckte kurz und trat dann in die Höhle des Löwen. Sie hatte Gabes Büro vor Jahren schon einmal gesehen, als Jace sie durch die Räumlichkeiten von HCM geführt hatte. Aber damals war sie aufgeregt gewesen und hatte es nur verschwommen wahrgenommen. Jetzt musterte sie den Raum mit lebhaftem Interesse. Er wirkte sehr elegant und teuer. Es gab dunkles Mahagoniholz und glänzenden Marmor, darauf einen eleganten Orientteppich. Die Möbel aus dunklem Leder sahen ehrwürdig antik aus. An drei Wänden hingen Gemälde, während die vierte Wand aus einem eingebauten Bücherschrank bestand, der mit Standardwerken und anderer Literatur gefüllt war. Gabe liebte das Lesen. Jace und Ash neckten ihn immer, er sei ein Bücherwurm, Mia jedoch teilte diese Leidenschaft mit Gabe. Zu dem Weihnachtsfest, an dem Gabe ihr die Halskette und die Ohrringe geschenkt hatte, die sie gestern bei der Feier getragen hatte, hatte sie ihm eine signierte Erstausgabe eines Romans von Cormac McCarthy überreicht. »Du wirkst nervös«, sagte Gabe und unterbrach damit ihre Gedanken. »Ich beiße nicht, Mia. Zumindest noch nicht.« Sie zog die Augenbrauen hoch und er bedeutete ihr, vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Er rückte den Sessel für sie zurecht und legte die Hand auf ihren Rücken, als er sie zu ihrem Platz begleitete. Die Wärme seiner Berührung ließ sie innerlich beben, und seine Hand verweilte noch, nachdem sie sich bereits gesetzt hatte. Seine Finger glitten zu ihrer Schulter hinauf, ehe er schließlich wieder hinter seinen Schreibtisch trat, um ihr gegenüber Platz zu nehmen. Eine ganze Weile sah er sie nur schweigend an, bis ihr die Röte vom Hals bis in die Wangen stieg. Er sah sie nicht einfach nur an. Er gab ihr das Gefühl, sie mit seinem Blick zu verschlingen. »Du wolltest mich sehen«, sagte sie mit leiser Stimme. Sein Mundwinkel zuckte nach oben. »Ich will mehr, als dich nur sehen, Mia. Hätte ich dich nur sehen wollen, hätte ich gestern Abend mehr Zeit mit dir verbracht.« Seine Worte verschlugen ihr die Sprache und für einen kurzen Moment vergaß sie das Atmen. Sie befeuchtete ihre Lippen und ließ die Zunge aufgeregt über ihre Unterlippe gleiten. »Meine Güte, Mia.« Sie riss die Augen auf. »Ja?« Seine Nasenflügel bebten, seine Hände lagen zu Fäusten geballt vor ihm auf dem Schreibtisch. »Ich möchte, dass du für mich arbeitest.« Sie hatte sich durchaus viele Gedanken gemacht, was er ihr wohl sagen wollte, das hier aber war ihr dabei definitiv nicht in den Sinn gekommen. Sie sah ihn erstaunt an, während sie die Tatsache zu verarbeiten versuchte, dass er ihr gerade einen Job angeboten hatte. Gütiger Himmel, sie hätte sich fast zum Deppen gemacht! Die Scham, die sie empfand, ließ ihre Gesichtszüge erstarren. »Ich habe einen Job«, sagte sie. »Das weißt du doch.« Er winkte ab und gab ungeduldig ein Schnalzen von sich. »Das ist kein Job, der deinen Fähigkeiten und deiner Ausbildung gerecht wird, und das weißt du auch.« »Ich will ja auch nicht für immer in diesem Job bleiben«, verteidigte sie sich. »Die Leute sind immer nett zu mir gewesen, und weil sie gerade zu wenig Personal haben, habe ich versprochen, so lange zu bleiben, bis sie jemanden eingestellt haben.« Er warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. »Wie lange erzählen sie dir das schon, Mia?« Sie wurde rot und senkte kurz den Blick. »Du bist für Höheres geschaffen, als in einer Konditorei an der Kasse zu stehen. Jace hat nicht so viel Geld und du nicht so viel Zeit in dein Studium investiert, damit du Donuts verkaufst.« »Ich hatte nie vor, auf Dauer dort zu bleiben!« »Das freut mich zu hören. Dann reich deine Kündigung ein und fang an, für mich zu arbeiten.« Er lehnte sich zurück und sah sie mit durchdringendem Blick an, während er auf ihre Antwort wartete. »Was für einen Job bietest du mir eigentlich an?« »Du sollst meine persönliche Assistentin werden.« Allein die Art, wie er die Worte aussprach, ließ einen Schauer über ihren Rücken laufen. Die Betonung auf persönlich ließ keinen Raum für Fehldeutungen. »Du hast doch gar keine persönliche Assistentin«, warf sie ihm vor. »Du hattest noch nie eine. Du hasst persönliche Assistentinnen.« »Das stimmt. Du wärest nach langer Zeit wieder die erste. Ich vertraue darauf, dass du dich als äußerst fähige Angestellte erweist.« Jetzt war es an ihr, ihn eingehend zu mustern. Sie hielt den Blick starr auf seinen hochgradig konzentrierten Gesichtsausdruck gerichtet. »Warum?«, fragte sie geradeheraus. »Worum geht es dir, Gabe? Und wenn du schon dabei bist, erklär mir doch bitte auch den gestrigen Abend. Ich bin völlig ratlos.« Ein langsames und köstlich arrogantes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Mein Kätzchen hat also Krallen.« Sein Kätzchen? Ihr entging nicht, was dieses kleine Wort zu bedeuten hatte. »Treib keine Spielchen mit mir. Hier geht doch irgendetwas vor. Warum willst du, dass ich für dich arbeite?« Seine Oberlippe zuckte, und seine Nasenflügel bebten, als er sie ansah. »Weil ich dich will, Mia.« Stille breitete sich im Raum aus, hüllte sie ein und erstickte alle Geräusche, bis auf das laute Pochen ihres Herzschlags in den Ohren. »Ich … ich verstehe nicht ganz.« Da glitt plötzlich ein Lächeln über sein Gesicht, ein raubtierhaftes Lächeln, das sie wie Seide umhüllte. »Oh, ich denke doch.« Plötzlich kribbelte ihr Bauch und Schmetterlinge flatterten über ihre Brust bis zu ihrem Hals. Das passierte nicht wirklich. Das musste ein Traum sein. »Was du vorschlägst, ist unmöglich«, sagte sie. »Wenn ich für dich arbeite … können wir nicht …« »Können wir nicht?«, fragte er spöttisch. Träge und selbstbewusst lehnte er sich noch weiter auf seinem Stuhl zurück, während er sich zur Seite drehte, um seine langen Beine auszustrecken. »Sinn und Zweck deiner Anstellung bei mir ist, dass du immer an meiner Seite bist. Und ich dich jederzeit haben kann – wann ich will und wie ich will.« Ihr gesamter Körper wurde von einer Hitzewelle erfasst. Sie rutschte unruhig in ihrem Sessel herum und wusste nicht, wohin mit ihren Händen. »Das ist überwältigend«, gestand sie. Welch dürftige Worte! So dürftig wie ein vermasseltes Comeback, aber was sollte sie schon sagen? Sie war vollkommen sprachlos. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Sie wusste, dass da noch mehr war, als seine Worte vermuten ließen. Der Blick seiner dunklen Augen war viel zu beredt. Sie hatte das Gefühl, gejagt zu werden. Er pirschte sich an. »Komm her, Mia.« Der in ruhigem, wenn auch festem Ton vorgebrachte Befehl drang durch den Nebel ihrer Verwirrung. Sie riss die Augen auf, als ihr Blick den seinen fand und merkte, dass er darauf wartete, dass sie zu ihm ging. Ihre Beine zitterten, als sie aufstand, und sie rieb mit den Händen über ihre Jeans, in dem Versuch, sich zu beruhigen. Und dann tat sie den ersten Schritt und ging um seinen Schreibtisch herum, wo er nach wie vor in seinem Chefsessel saß. Er griff nach ihrer Hand und zog sie auf seinen Schoß, kaum dass er ihre Finger umfasste. Sie landete unbeholfen auf seinen Beinen, doch er setzte sich ein bisschen auf und schob sie zurecht, sodass sie schließlich seitlich an seiner Brust ruhte. Die freie Hand schob er in ihr Haar und wickelte die Locken um seine Knöchel, während er mit der anderen weiter ihre Finger festhielt. »Die Beziehung, die ich vorschlage, entspricht nicht gerade dem traditionellen Bild«, erklärte er. »Du sollst nicht blindlings in etwas hineinlaufen, ohne genau zu wissen, wo du stehst und was du zu erwarten hast.« »Wie großzügig von dir«, meinte sie trocken. Er zog leicht an ihren Haaren. »Kleine Hexe.« Unter halb gesenkten Lidern sah er ihr tief in die Augen. Er ließ ihre Finger los und hob die Hand an ihre Lippen, um die Form ihres Mundes mit dem Zeigefinger nachzufahren. »Ich will dich, Mia. Und ich warne dich. Ich bin es gewohnt, meinen Willen durchzusetzen.« »Du willst also, dass ich für dich arbeite und du willst … mich. Körperlich, meine ich.« »Oh ja«, murmelte er. »Definitiv.« »Und diese Beziehung, die du da vorschlägst … was genau meinst du mit nicht traditionell?« Er zögerte einen Moment. »Ich werde dich besitzen«, sagte er unverblümt. »Mit Körper und Seele. Du wirst mir gehören.« Wow. Das klang so … gewichtig. Nicht einmal ihr Hirn war in der Lage, das Gesagte in vollem Umfang zu erfassen. Ihr Mund wurde trocken, und sie wollte sich schon die Lippen mit der Zunge befeuchten, als sie sich an seine Reaktion vor ein paar Minuten erinnerte. »Ich werde dich anleiten«, sagte er jetzt mit etwas sanfterer Stimme. »Ich werde dich nicht den Wölfen vorwerfen. Ich werde geduldig sein, während du lernst, was für eine Art von Beziehung ich von dir erwarte.« »Ich weiß ja nicht einmal jetzt, was ich sagen soll«, platzte sie heraus. Seine Hand glitt über ihr Kinn zu ihrer Wange. Ihre Augen befanden sich auf gleicher Höhe, und ihre Lippen waren nur ein paar Atemzüge voneinander entfernt. »Ich glaube, jetzt ist der Moment gekommen, in dem du mir sagst, wie du zu mir stehst«, gab Gabe ihr das Stichwort. »Willst du mich genauso sehr, wie ich dich?« Gütiger Himmel, geschah das hier wirklich gerade? Würde sie es wagen, die Worte laut auszusprechen? Sie hatte das Gefühl, auf einem Wolkenkratzer zu stehen und über den Rand zu schauen. Sie konnte den Wind im Gesicht förmlich spüren und wusste, dass ein Fehltritt den Absturz bedeuten würde. Sein Mund kam näher, verschmähte ihre Lippen, um dann äußerst zart über ihre Kieferpartie aufwärts zu streichen. Er knabberte an ihrem Ohrläppchen, was bei Mia ein Ganzkörperbeben auslöste und Gänsehaut in jeder nur erdenklichen Pore hervorrief. »Sag mir, was ich wissen will«, befahl er mit heiserer Stimme, die in ihre Ohrmuschel drang. »J-ja«, krächzte sie. »Ja was?« »Ja, ich will dich.« Das Geständnis entrang sich ihr mit einem Seufzer und kam nur widerwillig über ihre Lippen. Sie konnte ihm noch nicht einmal in die Augen schauen. »Mia, sieh mich an.« Die ruhige Autorität in seiner Stimme löste etwas in ihr aus. Intensiv war sie sich seiner Gegenwart, Seiner als Mann bewusst. Und sie wollte ihn umso mehr. Sie richtete den Blick auf ihn und sah die lodernde Glut in seinen Augen. Wieder griff er in ihr Haar, es ziepte leicht, als er mit den Strähnen spielte. »Ich habe einen Vertrag vorbereitet«, sagte er. »Er fasst alle Aspekte unserer geplanten Beziehung zusammen. Ich möchte, dass du ihn dir dieses Wochenende sehr genau durchliest, und am Montag möchte ich deine Entscheidung hören.« Sie blinzelte verwirrt und fand nicht sofort die richtigen Worte. Als es ihr endlich gelang, ihre Frage zu formulieren, fühlte sich ihre Zunge groß und schwer an. »Ein Vertrag? Du willst, dass wir einen Vertrag miteinander abschließen?« »Du brauchst gar nicht so entsetzt zu klingen«, erklärte er mit ausdrucksloser Stimme. »Er ist zu deinem Schutz. Und zu meinem.« Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Ich verstehe überhaupt nicht, was du meinst.« »Meine Vorlieben sind extrem, Mia. Lies den Vertrag, wie ich gesagt habe. Lies ihn sehr sorgfältig. Und dann überleg dir, ob du auf so eine Beziehung, wie ich sie verlange, eingehen kannst.« »Du meinst es ernst.« Er kniff die Augen zusammen und presste die Lippen aufeinander. Dann beugte er sich vor, wobei er den Arm fester um ihre Taille legte, damit sie nicht von seinem Schoß fiel. Er griff in seine Schreibtischschublade und holte ein dickes Bündel Papier hervor, das zusammengeheftet war. Das ließ er auf ihren Schoß fallen. »Nimm dir das Wochenende Zeit dafür. Lies alles durch. Sieh zu, dass du alles verstehst. Montag hätte ich dann gern deine Antwort. Sollte es Dinge geben, die du näher erläutert haben möchtest, können wir dann darüber sprechen.« »Das war’s dann also«, meinte sie immer noch verwirrt. »Ich gehe nach Hause, lese deinen Vertrag, und dann treffen wir uns am Montag, um endgültig die Bedingungen für unsere Beziehung festzulegen?« Wieder presste er die Lippen aufeinander. Aber er nickte. »Im Kern ja, aber aus deinem Mund klingt es viel nüchterner, als es ist.« »Ich weiß nicht, ob es nüchterner geht«, meinte sie. »Du lässt es wie Verhandlungen klingen, als ginge es um einen Deal bezüglich eines deiner Hotels oder einer deiner Ferienanlagen.« »Es gibt keine Verhandlungen«, erklärte er sanft. »Vergiss das nicht, Mia. Du liest dir den Vertrag durch. Und entweder unterschreibst du ihn oder du unterschreibst ihn nicht. Aber wenn du es tust, bist du an die Bedingungen gebunden.«Mia strich mit den Fingern über das Dokument und nahm es in die Hand. Dann atmete sie tief ein und rutschte von Gabes Schoß. Sie musste sich mit der freien Hand an seinem Tisch abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während sie um ihn herum vor den Schreibtisch ging. Wenn doch nur ihre Beine kooperieren würden. »Wie bist du hergekommen?«, fragte Gabe. »Ich habe ein Taxi genommen«, erwiderte sie schwach. Er griff nach dem Hörer. »Ich lasse dich von meinem Fahrer zu deiner Wohnung zurückbringen und organisiere auch deine Anfahrt am Montagmorgen.« »Du bist dir deiner so sicher«, murmelte sie. »Du bist dir meiner so sicher.« Er hielt den Hörer vom Mund weg, während er sie durchdringend ansah. »Ich bin mir nur einer Sache ganz sicher: Ich habe viel zu lange darauf gewartet, dich zu bekommen.« 4 Statt sich vom Fahrer zu ihrer Wohnung zurückbringen zu lassen, wo Caroline sich mit Sicherheit auf sie stürzen würde, ließ sie sich an der West 81st Street absetzen, nur zwei Blöcke von der West 83rd Street entfernt, wo sie arbeitete. Dort gab es einen kleinen Park, der vormittags eigentlich immer recht leer war und lediglich von Spaziergängern, Kindermädchen und spielenden Kleinkindern besucht wurde. Den Vertrag hatte sie in ihre Tasche gesteckt, die sie nun fester an sich drückte, während sie sich zu einer Bank weit entfernt vom Spielplatz begab, um möglichst ungestört zu sein. Um zwölf erwartete man sie auf der Arbeit, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie Zeit brauchen würde, um das zu verarbeiten, was sie gleich lesen würde. Gabes herrische Forderung zu kündigen und für ihn zu arbeiten, hallte immer noch in ihrem Kopf wider. Nein, sie hatte nie vorgehabt, für immer in der Konditorei zu arbeiten, aber sie mochte das Besitzerehepaar. Die beiden waren immer nett zu ihr gewesen. Sie war häufig Gast im Café gewesen und hatte im Laufe der Zeit ein enges Verhältnis zu dem älteren Ehepaar aufgebaut. Nein, der Job war wirklich nicht das viele Geld wert, das Jace in ihre Ausbildung gesteckt hatte. Es war eine spontane Entscheidung gewesen, den Eigentümern ihre Hilfe anzubieten. Der Job verschaffte ihr zudem Zeit, über ihren nächsten Schritt nachzudenken, und gab ihr das gute Gefühl, nicht völlig auf Jace’ Unterstützung angewiesen zu sein. Er hatte in den letzten Jahren wahrlich genug für sie getan. Er sollte sich nicht noch länger Sorgen um sie machen müssen. Während sie sich auf die Bank setzte, schaute sie sich wachsam um und vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, der sehen konnte, was sie las. Dann zog sie den Vertrag aus ihrer Tasche und blätterte nervös das Deckblatt um. Ihre Augen weiteten sich, je mehr sie las … Automatisch blätterte sie weiter, während in ihrem Innern Fassungslosigkeit und eine seltsame Neugier miteinander rangen. Er hatte nicht gelogen, als er sagte, er würde sie besitzen. Dass sie ihm wahrlich gehören würde. Wenn sie diesen Vertrag unterzeichnete und eine Beziehung mit ihm einging, trat sie jegliche Macht an ihn ab. Es gab sehr genaue Bestimmungen bezüglich der Tatsache, dass sie ihm jederzeit zu Diensten zu stehen hatte. Sie musste ihn auf seinen Reisen begleiten, ihm zur Verfügung stehen. Er entschied, wann sie arbeitete, und in dieser Zeit gehörte sie nur ihm. Gütiger Himmel, es gab sogar sehr genaue Bestimmungen in Bezug auf Sex. Heiß schoss die Röte in ihre Wangen, und sie sah schnell auf, voller Sorge, jemand könnte sie beobachten, wohl wissend, was sie gerade las. Sie musste ganz sicher sein, dass kein Mensch nah genug war, um zu sehen, was auf diesen Seiten stand. Wenn sie den Vertrag unterzeichnete, unterwarf sie sich ihm nicht nur im Schlafzimmer, sondern auch in allen anderen Bereichen der Beziehung. Er würde alle Entscheidungen fällen. Sie stünde unter seinem Befehl. Doch eines beunruhigte sie besonders: Obwohl der Vertrag sehr detailliert ausgearbeitet war, blieben die Angaben darüber, was von ihr erwartet wurde, sehr vage, denn im Grunde war alles mit der Prämisse abgedeckt, dass sie ihm gab, was er wollte, wann er es wollte und wie er es wollte. Im Gegenzug garantierte er die Erfüllung all ihrer körperlichen und finanziellen Bedürfnisse. Über emotionale Bedürfnisse jedoch stand nichts in dem Vertrag. Das entsprach allerdings auch gar nicht Gabes Art. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass bei ihm in Sachen Frauen der Zug in Sachen Vertrauen abgefahren war. Sie würden Sex haben. Und so etwas wie eine Beziehung, wie sie im Vertrag definiert war, doch Intimität würde dabei nicht aufkommen. Und Gefühle auch nicht. Er behielt sich das Recht vor, den Vertrag jederzeit aufzulösen, und konnte es auch, wenn sie eine der Klauseln brach, die sie unterschrieben hatte. Diese Vorgehensweise war kalt und erinnerte an einen Arbeitsvertrag, inklusive Gründen für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem sah es ihr sehr nach einem Job mit zwei vollkommen unterschiedlichen Tätigkeiten aus: Sie sollte zum einen seine persönliche Assistentin und zum anderen seine Geliebte sein. Sein Spielzeug. Sein Eigentum. Der Job als persönliche Assistentin diente nur als Vorwand, um uneingeschränkt über sie verfügen zu können. Sie sollte in der Firma für ihn springen und ihn auf all seinen Reisen begleiten. Aber er ging noch einen Schritt weiter, indem ihm die Zeit, die sie außerhalb des Unternehmens verbrachte, auch gehören würde. Sie runzelte die Stirn, als sie zur letzten Seite kam. Es war ja schön und gut, dass er von ihr verlangte, den Vertrag zu lesen, und ihm am Montag ihre Entscheidung mitzuteilen. Doch in dem Vertrag war nur die Rede davon, dass sie all ihre Rechte an ihn abtrat und er in allen Bereichen ihres Lebens die Führung übernahm. Aber es gab keine detaillierten Angaben, nichts Konkretes! Was bedeutete das? Was erwartete er von ihr? Würde er sie an seinem Schreibtisch festbinden und es ihr dann alle halbe Stunde besorgen? Erwartete er von ihr, dass sie ihm während einer Konferenzschaltung einen blies? Sie hatte nur an der Stelle, wo es um Sex ging, eine konkretere Beschreibung gefunden, die besagte, dass von seiner Seite beim Sex Fessel- und Folterspiele, inklusive Fixierung, durchgeführt werden könnten und würden. Selbst an dieser Stelle wusste sie nicht, was genau all das beinhalten würde. Natürlich war sie nicht völlig unbedarft, was Sex betraf. Sie war schließlich keine Jungfrau mehr und hatte längere Beziehungen gehabt. Aber dabei hatte es sich eindeutig um konventionelle Beziehungen gehandelt, und das war ihr immer recht gewesen. Ihr war nie in den Sinn gekommen, in dieser Hinsicht etwas anderes auszuprobieren. Das hier aber klang in ihren Ohren sehr pornografisch und wurde noch alberner durch den Umstand, dass es einen richtigen Vertrag gab, mit dessen Unterzeichnung sie die Rechte an ihrem eigenen Körper aufgab. Je länger sie hier saß und las, desto aufgeregter wurde sie. Sie überflog einen weiteren Paragrafen, der hervorhob, wie wichtig es war, dass sie genau wusste, auf was sie sich einließ, und dass sie mit der Unterzeichnung des Vertrages ihr Einverständnis erklärte, gegenüber Außenstehenden – und dazu gehörten auch sämtliche Pressekanäle – ihre Beziehung zu Gabe nicht verdreht darzustellen. Gütiger Himmel. Die Presse? Was erwartete er denn von ihr? Dass sie bei Good Morning America auftreten und der ganzen Welt verkünden würde, Gabe Hamiltons Spielzeug gewesen zu sein? Als sie zum nächsten Paragrafen kam, staunte sie noch mehr. Gabes Arzt würde ihr ein umfassendes Gutachten über seinen Gesundheitszustand zur Verfügung stellen. Von ihr wurde erwartet, dass sie sich ebenfalls einer ärztlichen Untersuchung unterzog; damit hätten beide Seiten die Gewissheit, dass keine gesundheitlichen Einschränkungen und Geschlechtskrankheiten vorlagen. Darüber hinaus wurde vorausgesetzt, dass sie verhütete; Kondome würden nur benutzt, wenn es zu Kontakten mit anderen Personen als Gabe kam. Was zum Teufel sollte das denn bedeuten? Erwartete er von ihr, dass sie jeden Mann seiner Wahl bespaßte? Ihr schwirrte der Kopf von den Konsequenzen, die das beinhaltete. Es war schon richtig gewesen, sich die Frage zu stellen, ob sie überhaupt in der Lage war, es mit einem Mann wie Gabe aufzunehmen. Er war so viele Nummern zu groß für sie, dass es schon nicht mehr lustig war. Sie hatte nicht einmal von der Hälfte dessen, was in diesem Vertrag stand, überhaupt je gehört. Ihr fiel wieder ein, dass er gesagt hatte, er würde geduldig sein und sie in alles einführen, was er von ihr erwartete. Fast hätte sie gelacht. Verdammt, sie würde einen Vollzeitführer für diesen Trip brauchen. Google würde noch heute einem Belastungstest standhalten müssen, wenn sie einen Großteil der hier aufgeführten Dinge recherchierte. Ihre Hände zitterten, als sie wieder nach dem Vertrag griff und die letzte Seite durchlas. Das war doch verrückt! Aber noch verrückter war, dass sie den Vertrag nicht längst zerrissen und Gabe mitgeteilt hatte, wohin genau er ihn sich stecken konnte. Spielte sie tatsächlich mit dem Gedanken, darauf einzugehen? Ihre Gefühle schwankten zwischen Entrüstung und Fassungslosigkeit. Irgendwie wollte sie schon wissen, wie verdorben Gabe eigentlich genau war. Ging sie von dem Vertrag aus, war er wohl ziemlich weit von dem entfernt, was man gemeinhin als konventionell bezeichnete. Ganz schwach erinnerte sie sich an die Zeit seiner Trennung von Lisa. Doch die lag mehrere Jahre zurück, sie war damals noch sehr jung gewesen. Sie wusste, dass die Scheidung sehr unschön gelaufen war und Auswirkungen auf seine späteren Beziehungen zu Frauen gehabt hatte. War es wohl immer diese Art von Beziehung gewesen? Hatte er sich dabei die Finger verbrannt? Normalerweise ging man in einer Beziehung doch nicht so weit, sich in Bezug auf jeden Aspekt abzusichern. Jetzt fing sie an sich zu fragen, mit was für Frauen Gabe zusammen gewesen war. Sie war zwar keiner von ihnen jemals vorgestellt worden, aber sie hatte Jace und Ash über sie reden hören. Wenn er nun in null Komma nichts einen Vertrag hervorzauberte, dann konnte das doch eigentlich nur bedeuten, dass er ihn wahrscheinlich all seinen Frauen ausgehändigt hatte. Das hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Nein, sie hatte nicht erwartet, anders zu sein als ihre Vorgängerinnen, aber der Gedanke, dass sie etwas Besonderes oder zumindest originell war, hatte was. Einfach nicht mit jeder Frau, mit der er geschlafen hatte, in einen Topf geworfen zu werden. Aber dann war es ihr doch lieber, wenn er ihr gegenüber offen war und ihr nichts vormachte. Zumindest wusste sie jetzt genau, woran sie mit ihm war. Und er hatte ihr klar gemacht, dass sie sehenden Auges einwilligte. Tja, nachdem sie das hier gelesen hatte, würde sie vermutlich nie wieder blind sein. Sie sah auf die Uhr und stellte fest, dass sie es noch zu Fuß zur Konditorei schaffen würde, wenn sie jetzt losging. Sie faltete den Vertrag zusammen, steckte ihn in die Tasche und machte sich dann auf den Weg zur La Patisserie. Unterwegs holte sie ihr Handy heraus und war nicht weiter überrascht, bereits ein halbes Dutzend SMS von ihrer besten Freundin vorzufinden. Alle beinhalteten die Frage, wie es mit Gabe gelaufen war, und später dann die Drohung, sie umzubringen, wenn sie ihr nicht bald alles erzählte. Was zum Teufel sollte sie Caroline sagen? ›Gabe will mich als sein persönliches Spielzeug‹ zu tippen, klang irgendwie falsch, auch wenn es Caroline in Verzückung versetzen würde. Und, oh Gott, wenn Jace herausfand … Ihr stockte der Atem. Jace war ein riesiges Problem. Er würde ausrasten, wenn er etwas von dieser Sache erfuhr. Darüber hatte Gabe doch bestimmt auch schon nachgedacht, oder? Ihr Bruder durfte auf keinen Fall jemals von dieser Sache erfahren. Es würde die Freundschaft zwischen ihm und Gabe zerstören und wahrscheinlich auch das Ende der Firma bedeuten. Ganz abgesehen davon, dass er es nie verstehen würde und es einen Keil tief zwischen Jace und sie selbst treiben würde. Sie betrachtete das Thema von allen Seiten. Das gehörte doch wohl dazu, jetzt, wo sie sich schon Gedanken über alle potenziellen Probleme machte, oder? Hatte sie etwa völlig den Verstand verloren? Sie hätte längst fliehen und über alle Berge sein müssen, und doch … Zehn Minuten vor Beginn ihrer Schicht traf Mia in der Konditorei ein. Die Glocke klingelte in vertrautem Ton, als sich die Tür hinter ihr schloss. Sie lächelte Greg und Louisa, die Besitzer, zur Begrüßung an. »Hallo, Mia!«, rief Louisa, die hinter der Kuchentheke stand. Mia winkte und huschte in den hinteren Bereich des Ladens, um Schürze und Kopfbedeckung anzulegen. Letztere bestand aus einem lächerlichen französischen Barett, und Mia kam sich immer albern vor, wenn sie es aufhatte. Aber Greg und Louisa bestanden darauf, dass die Angestellten es trugen. Gleich darauf winkte Louisa sie zu sich. »Ich stehe heute am Kuchentresen. Greg wird hinten in der Backstube sein. Wir haben eine große Bestellung, die bis heute Abend fertig sein muss, könntest du also die Tische übernehmen?« »Klar«, erwiderte Mia. In dem winzigen Café gab es nur fünf Tische. Die meisten nahmen Kaffee, Croissants sowie das köstliche Konfekt mit, aber einige der Stammkunden verbrachten ihre Mittagspause bei Kaffee und Speisen gerne hier. Auf dem Bürgersteig standen vier weitere Tische, allerdings mit Selbstbedienung, sodass Mia sich um diese Gäste nicht kümmern musste. »Hast du schon etwas gegessen?«, fragte Louisa. Mia lächelte. Louisa machte sich ständig Sorgen, dass Mia nicht genug aß oder Mahlzeiten ausließ, und versuchte ständig, sie zum Essen zu animieren. »Ich habe heute Morgen was gegessen. Ich werde einen Happen zu mir nehmen, ehe ich gehe.« »Okay, mach das. Und probier mal Gregs neue Sandwichkreationen, er möchte deine Meinung dazu hören. Er wird sie heute mit ein paar Gästen testen und ist gespannt auf das Feedback. Sie sollen auf die Karte.« Mia nickte und ging dann zu einem Tisch, an den sich gerade ein Pärchen gesetzt hatte. Während des mittäglichen Ansturms war Mia zu beschäftigt, um sich ausgiebig mit Gabes Vertrag beschäftigen zu können, aber er nahm in der folgenden Stunde eindeutig einen großen Teil ihrer Gedanken in Anspruch. Sie war weniger aufmerksam als sonst und brachte zwei Bestellungen durcheinander, was ihr sonst selten passierte. Louisa sah immer wieder besorgt in ihre Richtung, aber Mia arbeitete einfach weiter, denn sie wollte nicht, dass die ältere Kollegin sich Sorgen machte oder, schlimmer noch, fragte, ob irgendetwas nicht in Ordnung sei. Gegen zwei Uhr ließ der Ansturm nach und die Konditorei leerte sich allmählich. Mia wollte gerade in die Pause gehen, sich ein Getränk holen und sich einige Minuten hinsetzen, als sie Gabe zur Tür hereinkommen sah. Sie stolperte und wäre beinahe gestürzt. Gabe machte einen Satz nach vorn und fing sie auf, ehe sie fallen konnte. Auch nachdem sie das Gleichgewicht wieder gefunden hatte, lagen seine Hände fest um ihre Arme. Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit, und sie schaute sich hastig um, ob jemand ihre Ungeschicklichkeit bemerkt hatte. »Alles in Ordnung?«, fragte Gabe leise. »Es geht mir gut«, brachte sie mühsam hervor. »Was machst du hier?« Sein Mund verzog sich zu einem leichten Lächeln und er musterte sie mit einem trägen Blick. »Ich bin hergekommen, um dich zu sehen. Warum sollte ich sonst hier sein?« »Weil es hier leckeren Kaffee gibt?« Seine Hand lag immer noch um ihren Ellbogen, als er auf einen Tisch am anderen Ende des Raumes zusteuerte. »Gabe, ich muss arbeiten«, zischte sie leise. »Du kannst meine Bestellung aufnehmen«, sagte er, während er sich setzte. Sie schnaubte leicht verärgert. »Du wirst hier nichts essen und das weißt du auch. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du je in einer Lokalität wie dieser etwas essen würdest.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Nennst du mich etwa einen Snob?« »Das ist nur eine Feststellung.« Er griff nach der Karte und studierte sie einen Moment, ehe er sie wieder sinken ließ. »Kaffee und ein Croissant.« Kopfschüttelnd trat sie hinter den Tresen, um das Croissant auf einen kleinen Teller zu legen und den Kaffee in eine Tasse zu gießen. Glücklicherweise war Louisa mit Greg nach hinten gegangen und hatte nicht mitbekommen, dass sie über ihre eigenen Füße gestolpert war. Sie hatte kein Bedürfnis, Fragen zu Gabe zu beantworten. Sie musste warten, bis ihre Hände aufhörten zu zittern, ehe sie die Tasse hochnahm. Sie brachte die Bestellung zu Gabe und stellte beides vor ihn auf den Tisch. Als sie gehen wollte, schoss seine Hand vor und griff nach ihrer. »Setz dich einen Augenblick zu mir, Mia. Es ist niemand im Café.« »Ich kann mich nicht hinsetzen. Ich arbeite, Gabe.« »Darfst du denn keine Pausen machen?« Sie erzählte ihm nicht, dass sie gerade im Begriff gewesen war, genau das zu tun, als er hereinkam. Verdammt, sie traute ihm durchaus zu, dass er gewartet hatte, bis der Laden leer war und er davon ausgehen konnte, dass sie nichts zu tun hatte. Sie seufzte resigniert, ließ sich ihm gegenüber auf den Stuhl sinken und sah ihn an. »Warum bist du hier, Gabe? Du sagtest, ich hätte bis Montag Zeit.« »Ich wollte mir ein Bild von der Konkurrenz machen«, erwiderte er unverblümt. Er sah sich im Café um und schaute sie dann mit fragendem Blick wieder an. »Ist es wirklich das, was du willst, Mia? Wo willst du lieber sein?« Sie warf einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass Greg und Louisa noch nicht zurückgekehrt waren. Als sie Gabe wieder ansah, zitterten ihre Beine unter dem Tisch. »Es steht eine Menge in diesem … Vertrag.« Sie brachte das Wort kaum über die Lippen. Sie senkte den Blick, weil sie ihm nicht mehr in die Augen schauen konnte. »Es gibt viel zu bedenken.« Als sie einen schnellen Blick riskierte, sah sie den zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht. »Dann hast du also bereits alles gelesen.« »Ich hab es überflogen«, log sie und versuchte, beiläufig und ein bisschen erfahren zu klingen. Als würde sie solche Angebote ständig prüfen. »Ich möchte das Ganze heute Abend noch einmal gründlich durchgehen.« »Gut. Ich will, dass du dir sicher bist.« Er streckte die Hand vor und strich mit den Fingern über ihr Handgelenk. Ihr Herz begann bei der leichten Berührung zu rasen und sie bekam eine Gänsehaut. »Kündige deinen Job hier, Mia«, sagte er so leise, dass wirklich nur sie es hören konnte. »Du weißt, dass das nicht der richtige Ort für dich ist. Bei mir hast du viel bessere Möglichkeiten.« »Für dich oder für mich?«, provozierte sie ihn. Er lächelte wieder, und das war so verführerisch, dass sie fast auf der Stelle dahingeschmolzen wäre. »Es wird ein Arrangement sein, das beiden Seiten Vorteile bringt.« »Ich kann hier nicht einfach kurzfristig weg. Das wäre nicht richtig, Gabe.« »Ich werde dafür sorgen, dass sie eine Aushilfe bekommen, bis deine Stelle neu besetzt ist. Es gibt viele Leute, die einen Job brauchen, Mia. Die Millers wollen dich einfach nicht gehen lassen. Sie suchen gar nicht, denn sie sind vollkommen zufrieden mit dir, solange sie dich nur halten können.« Mia zögerte und strich dann ihr Haar nervös mit einer Hand zurück. »Ich werde es mir überlegen.« Gabe lächelte wieder, sein Blick strahlte Wärme aus. Ehe sie sich versah, zog er sie zu sich und hob ihr Kinn mit einem Finger in die Höhe. Heiß und atemlos verschmolz sein Mund mit ihren Lippen. Sie rührte sich nicht, wich nicht zurück. Sie entspannte sich und schmiegte sich in seine Arme, während er den Kuss intensivierte. Neckend strich er kurz mit seiner Zunge über ihre, ehe er sie wieder herauszog. Er leckte über ihre Unterlippe, dann zupfte er zart daran und zog sie zwischen seine Zähne. »Denk darüber nach, Mia«, flüsterte er. »Ich werde auf deine Entscheidung warten.« Dann löste er sich von ihr und verließ den Laden, um zu dem Wagen zu gehen, der auf ihn wartete. Mia sah noch lange hinaus auf die Straße, nachdem der Wagen abgefahren war. Ihre Lippen kribbelten von seinem Kuss und sie legte die Finger auf den Mund. Sie konnte ihn immer noch riechen, konnte spüren, wo er sich an sie gedrückt hatte. Die Glocke über der Tür klingelte und riss sie aus ihrer Benommenheit. Kunden kamen herein, Louisa trat wieder nach vorne und bediente sie, während Mia Gabes halbvolle Tasse und das unangerührte Croissant abräumte. Es war fast an der Zeit, nach Hause zu gehen. Sie arbeitete immer nur ein paar Stunden und das meist während der Mittagszeit, wenn viel zu tun war, außerdem manchmal am Samstag- und Sonntagmorgen, wenn sie wirklich gebraucht wurde. Langsam ging sie nach hinten, um die Schürze und das Barett abzulegen. Die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Greg backte und Louisa eilte ihm wieder zu Hilfe. Mia stand eine ganze Weile in der Tür zur Backstube, ehe Greg sie bemerkte. »Stimmt irgendetwas nicht, Mia?«, fragte er. Sie atmete einmal tief ein und aus. »Ich muss dir und Louisa etwas sagen.« 5 »Heiliger Bimbam, du hast gekündigt?«, fragte Caroline. Mia nickte langsam und richtete den Blick dann wieder auf das siedende Wasser auf dem Herd. Sie gab Salz in den Topf und anschließend die Spaghetti hinein. »Na los, du musst mir alles erzählen. Was hat dich denn jetzt endlich dazu bewogen? Ich dachte schon, du wolltest eine Karriere als Zuckerbäcker oder so machen.« »Du klingst schon wie Gabe«, brummte Mia. Caroline schaute sie skeptisch an. »Hast du seinetwegen gekündigt? Rede, Süße. Du hast mir immer noch nichts über das Treffen heute erzählt und das macht mich wahnsinnig!« Mia zögerte und presste dann die Lippen aufeinander. Sie konnte Caroline nicht von dem Vertrag erzählen. Oder von sonst etwas, das mit ihrem Treffen mit Gabe zusammenhing. Wenn sie auf seinen Vorschlag einging, was sie ja offensichtlich ernsthaft in Erwägung zog, durften keine Details aus ihrem Privatleben – mit Gabe – bekannt werden. Nicht einmal ihre beste Freundin durfte etwas darüber wissen. Aber irgendetwas musste sie ihr erzählen. Deshalb wählte sie das kleinere von zwei Übeln. »Er hat mir einen Job angeboten«, sagte Mia. Caroline riss die Augen auf. »Moment mal. Er hat dich geküsst. Er hat gedroht, es dir gleich auf der Terrasse zu besorgen. Und das nur, weil er will, dass du für ihn arbeitest?« Ja, in Mias Ohren klang das auch wenig überzeugend, aber sie würde auf keinen Fall von dem verdammten Vertrag erzählen. »Nun, vielleicht ist da mehr, aber erst einmal will er mich als seine persönliche Assistentin haben. Er meint, ich würde mein Talent in der Konditorei vergeuden.« Caroline schenkte Wein in zwei Gläser und schob Mia eines hin. Mia rührte die Soße und dann auch die Nudeln um. »Nun, da gebe ich ihm Recht. Du hast nicht studiert, um Leuten Kaffee einzuschenken und ihnen Croissants zu bringen«, meinte Caroline trocken. »Aber als persönliche Assistentin? Ich glaube, da erhält das Wort persönlich eine völlig neue Bedeutung.« Mia schwieg und verschmähte den Köder. »Da du heute gekündigt hast, hast du dich also entschieden, es zu machen, stimmt’s?« Mia stieß einen Seufzer aus. »Ich habe noch gar nichts endgültig entschieden. Ich habe bis Montag Zeit, eine Entscheidung zu fällen.« Caroline zuckte die Achseln. »Das ist doch eine klare Sache, wenn du mich fragst. Er ist reich, er sieht umwerfend aus und er will dich. Da kann man doch nicht Nein sagen, oder?« »Du bist unverbesserlich«, erwiderte Mia ärgerlich. »Du solltest wissen, dass Geld nicht alles ist.« »Und das sagt eine, die von ihrem großen Bruder verhätschelt wird, der zufälligerweise mehr Geld hat als Gott höchstpersönlich.« Es ließ sich nicht leugnen, dass Jace genauso reich war wie Gabe und dass er viel für sie getan hatte. Er hatte diese Wohnung für sie gekauft – war aber dagegen, dass sie die zwanzig Blocks zur Arbeit meistens zu Fuß ging. Sie brauchte keine Mitbewohnerin, aber Caroline hatte irgendwo unterkommen müssen, und Mia genoss die Gesellschaft. Sie versuchte, nicht ausschließlich auf Jace angewiesen zu sein. Sie pflegte keinen extravaganten Lebensstil. Tatsächlich hatte sie sogar gelernt, recht sparsam zu sein und mit ihrem mageren Gehalt auszukommen. »Ich glaube, ich bin wohl vor allem neugierig«, gab Mia zu. »Er hat mich schon immer fasziniert. So lange ich denken kann, stehe ich auf ihn.« »Neugier ist ein triftiger Grund, um mit einem Typen rumzumachen«, meinte Caroline. »Man muss schon den Sprung wagen … wie will man sonst herausfinden, ob man zueinander passt?« Den Sprung wagen, das hörte sich richtig an. Nur, dass es kein kleiner Hopser war. Es war eher ein Sprung von einer Klippe. Es juckte sie in den Fingern, den blöden Vertrag wieder hervorzuholen und ihn noch einmal durchzugehen. Aber das konnte sie nicht in Carolines Anwesenheit, was wiederum bedeutete, dass sie damit warten musste. Mit der Gabel fischte sie eine Nudel aus dem Wasser und biss ein Stück davon ab. »Sie sind fertig. Schnapp dir eine Schüssel … ich gieße das Wasser jetzt ab.« »Ich kümmere mich um den Wein«, schlug Caroline vor. »Du bist so eine tolle Köchin, Mia. Ich wünschte, ich hätte deine Fähigkeiten. Männer lieben das.« Mia lachte. »Als ob du ein Problem mit Männern hättest.« Und das stimmte. Caroline sah umwerfend aus. Sie war zwar ein bisschen größer als Mia, hatte aber ausgeprägtere Rundungen, was die Männer anlockte wie das Licht die Mücken. Ihr herrliches kastanienbraunes Haar schimmerte in unterschiedlichen Rot- und Goldtönen, wenn die Sonne darauf fiel. Außerdem hatte sie dunkelbraune, warmherzig funkelnde Augen, was sie insgesamt zu einer wunderschönen Frau mit einem heiteren Naturell machte, die bei allen beliebt war. »Das Problem ist, den Richtigen zu finden«, meinte Caroline wehmütig. Mia zuckte zusammen und bedauerte ihre achtlosen Worte. Nein, Caroline hatte kein Problem mir ihrer Anziehungskraft auf Männer. Aber der Mann, der sich zuletzt von ihr angezogen gefühlt hatte, war eine Katastrophe gewesen. Sie hob ihr Glas, um ihren Fauxpas zu überspielen. »Darauf stoße ich an.« Das Telefon in Gabes Büro klingelte, aber er ging nicht ran, sondern konzentrierte sich weiter auf die Gesprächsnotiz, an der er gerade arbeitete. Es war nach Feierabend. Niemand sollte jetzt mehr hier anrufen. Das Telefon verstummte und nur Sekunden später klingelte sein Handy. Nach einem schnellen Blick aufs Display zog er kurz in Erwägung, die Mailbox anspringen zu lassen. Doch dann griff er seufzend nach dem Handy und nahm den Anruf entgegen. Seine Mutter konnte er nicht ignorieren, auch wenn er wusste, weshalb sie anrief. »Hallo«, sagte er. »Gabe. Da bist du ja. Ich dachte, du wärest vielleicht noch im Büro. Du arbeitest in letzter Zeit immer so viel. Willst du nicht mal Urlaub machen?« Er musste zugeben, dass die Idee etwas für sich hatte. Noch reizvoller war die Vorstellung, Mia auf eine Reise mitzunehmen. Mehrere Tage, weit ab vom Schuss, um sie in seine Welt einzuführen? Das war eindeutig eine Überlegung wert. »Hallo, Mom. Wie geht es dir?« Obwohl er wusste, dass er diese Frage besser nicht stellen sollte, tat er es immer wieder. Das Problem lag darin, dass seine Mutter nie die höfliche Form der Antwort wählte und »Danke, gut« sagte, wie die meisten Leute, ob es ihnen nun wirklich gut ging oder nicht. »Ich kann nicht begreifen, was er da macht«, erklärte sie offenkundig aufgeregt. »Er macht sich und mich damit zum Narren.« Gabe seufzte. Nach fast vierzig Jahren Ehe war sein Vater ausgezogen, hatte die Scheidung eingereicht und schien jetzt entschlossen, sich in Rekordgeschwindigkeit mit so vielen und so jungen Models wie möglich zu amüsieren. Und wie zu erwarten, nahm seine Mutter das nicht gut auf. Unglücklicherweise war Gabe ihre Klagemauer. Er liebte seinen Vater, aber der war eindeutig ein Riesendepp. Es war Gabe unbegreiflich. Wie konnte man mit jemandem so viele Jahre zusammen sein, um dann eines Morgens aufzuwachen und zu beschließen zu gehen? Er war sich nicht sicher, ob er Lisa je um die Scheidung gebeten hätte. Sie war diejenige gewesen, die ihn verlassen hatte. Es wäre vielleicht nicht richtig gewesen, in einer Beziehung zu verharren, in der es keine Liebe und auch keine echte Zuneigung mehr gab, aber er hätte ihr den Schmerz und die Demütigung erspart, die mit einer Scheidung einhergingen. Sie hingegen hatte ihm das nicht ersparen wollen. Trotzdem nahm er ihr nicht übel, dass sie die Scheidung eingereicht hatte. Vielleicht hätte er etwas tun sollen, damit es gar nicht erst so weit kam. Aber er hatte nicht erkannt, dass Lisa so unglücklich war. Was er ihr übel nahm, war die Art, wie sie bei der Scheidung agiert hatte. »Es ist beschämend, Gabe. Hast du ihn heute in der Zeitung gesehen? In jedem Arm hatte er eine Frau! Jetzt sag mir mal, was man mit zwei Frauen macht?« Diese Frage würde Gabe ihr auf gar keinen Fall beantworten. Ihn schauderte schon, wenn er sich nur vorstellte, dass sein Vater … nein, so weit würde er nicht gehen. »Mom, hör auf, die Klatschspalten zu lesen«, empfahl Gabe ihr geduldig. »Du weißt doch, dass es dich nur aufregt.« »Er macht das mit Absicht, um mich zu bestrafen«, lästerte sie. »Warum sollte er dich bestrafen? Was könntest du ihm denn schon angetan haben?« »Er demonstriert mir, dass er gerade die beste Zeit seines Lebens hat, während ich zu Hause sitze und das Ende meiner Ehe beweine. Er sagt mir nicht nur mit Worten, dass er weitergezogen ist und ich keinen Platz mehr in seinem Herzen habe.« »Es tut mir leid, Mom«, sagte Gabe sanft. »Ich weiß, wie weh dir das alles tut. Ich wünschte, du würdest rausgehen und etwas unternehmen. Du hast Freundinnen. Du engagierst dich im Tierschutz, … spendest und opferst deine freie Zeit. Du bist immer noch jung und siehst umwerfend aus. Jeder Mann würde sich glücklich schätzen, deine Aufmerksamkeit zu erlangen.« »Ich bin noch nicht bereit für einen Neubeginn«, erklärte sie steif. »Es wäre respektlos, so kurz nach der Scheidung einen Mann kennen zu lernen. Nur weil dein Vater sich wie ein Trottel ohne Manieren aufführt, heißt das noch lange nicht, dass ich allen Anstand sausen lasse.« »Du solltest dir nicht so viel Gedanken darüber machen, was die anderen denken, sondern dich auf das konzentrieren, was dich glücklich macht«, erwiderte Gabe unverblümt. Auf der anderen Seite der Leitung war es lange still, dann seufzte seine Mutter. Er hasste es, dass sie so unglücklich war. Es tat ihm weh, dass sie solche Qualen litt. Er hatte versucht, sich aus den Angelegenheiten seiner Eltern herauszuhalten, aber in letzter Zeit war das fast ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Seine Mutter rief ihn jeden Tag an, um sich über seinen Vater auszulassen, während sein Vater erpicht darauf war, Gabe ständig seine neuste Freundin vorzustellen. Das Problem dabei war, dass er jedes Mal, wenn Gabe ihn sah, eine andere Frau dabei hatte und die Kluft zwischen ihnen mit dem zu überbrücken versuchte, was sie ausgelöst hatte. Er wollte Gabes Zustimmung und Vergebung. Doch während Gabe seinem Vater durchaus vergeben konnte – er konnte ihm schwerlich seine Entscheidung vorhalten, denn schließlich ging es um sein Leben und um sein Glück –, war er nicht in der Lage, eine andere Frau in der Position zu akzeptieren, die seine Mutter den größten Teil von Gabes Leben ausgefüllt hatte. »Es tut mir leid, Gabe«, sagte seine Mutter leise. »Ich weiß, dass du meine Anrufe hasst. Ich beklage mich immer nur über deinen Vater. Das sollte ich nicht. Was er auch getan haben mag, er ist und bleibt dein Vater, und ich weiß, dass er dich liebt.« »Lass uns am Wochenende zusammen essen gehen«, schlug Gabe vor, um sie ein bisschen aufzumuntern. »Ich führe dich in den Tribeca Grill aus.« »Du hast sicher viel zu tun.« »Wenn es um dich geht, habe ich nie zu viel zu tun«, erklärte er. »Ich kann es mir immer einrichten, mit meiner Mutter essen zu gehen. Nun, was sagst du dazu?« Fast meinte er, das Lächeln in ihrer Stimme zu hören. »Doch, ich hätte schon Lust dazu. Es ist schon eine Weile her, dass ich ausgegangen bin.« »Gut. Ich komme zu dir raus und hole dich ab.« »Ach, das brauchst du doch nicht!«, rief sie. »Ich kann mir doch ein Taxi in die Stadt nehmen.« »Ich sagte, ich werde dich abholen«, beharrte er. »Wir können uns während der Fahrt unterhalten. Und nach dem Essen lasse ich dich von meinem Fahrer wieder nach Hause bringen.« »Ich freue mich schon darauf«, sagte sie und es schwang echte Freude in ihrer Stimme mit. Es war schon eine Weile her, dass er sie fröhlich erlebt hatte. In diesem Moment war er froh, dass er darauf bestanden hatte, sie aus ihrem selbst gewählten Exil herauszuholen. Sie musste raus und die Welt sehen, damit sie erkannte, dass die nicht untergegangen war, nur weil ihre Ehe ein Ende gefunden hatte. Er hatte ihr Zeit gelassen, zu trauern und sich in dem Haus zu verstecken, aus dem sein Vater ausgezogen war. Aber genug war genug. Vielleicht konnte er sie sogar dazu überreden, das Haus in Westchester zu verkaufen und in die Stadt zu ziehen. Schließlich war es kaum mehr sinnvoll, es zu behalten. Es barg zu viele schmerzhafte Erinnerungen. Sie brauchte einen Neuanfang. Er kannte sich mit Neuanfängen aus. Nach seiner Scheidung hatte er eine ähnliche Phase wie seine Mutter durchgemacht, in der er nur hatte in Ruhe gelassen werden wollen. Er konnte ihr Verhalten nachvollziehen, aber er wusste auch, dass es besser war, wenn sie wieder herauskam und anfing zu leben; denn je früher sie das tat, desto eher würde sie in der Lage sein, wieder ein normales Leben zu führen. »Ich liebe dich, mein Sohn«, sagte sie und ihre Stimme war rau vor Rührung. »Ich liebe dich auch, Mom. Wir sehen uns dann Samstagabend, ja?« Er beendete das Gespräch und ließ seinen Blick zu dem Foto wandern, das noch immer auf seinem Schreibtisch stand. Es zeigte seine Eltern an ihrem neununddreißigsten Hochzeitstag. Sie sahen so glücklich aus. Dabei war alles eine Lüge gewesen. Zwei Wochen nachdem das Foto gemacht worden war, hatte sein Vater seine Sachen gepackt und war bei einer anderen Frau eingezogen. Gabe schüttelte den Kopf. Er erkannte immer deutlicher, dass keine Ehe sicher war. Eine Scheidung konnte jeden treffen. Natürlich konnte man argumentieren, sich lieber nicht dem emotionalen Aufruhr einer Trennung auszusetzen. Und sich lieber vor dem finanziellen Schlag zu schützen. Scheidungen waren viel teurer als Ehen. Gabe war sehr zufrieden mit seiner jetzigen Art, Beziehungen zu regeln. Ohne finanzielle oder emotionale Risiken. Keine verletzten Egos. Keine verletzten Gefühle. Kein Verrat. Er sah auf sein Handy und rief das Foto von Mia auf, das er erst vor ein paar Wochen gemacht hatte. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie fotografiert wurde. Sie hatte ihn nicht gesehen und noch nicht einmal gewusst, dass er da gewesen war. Sie war nur ein kleines Stück von ihm entfernt aus einem Laden in der Madison Avenue getreten und er war von ihrem Anblick wie gebannt gewesen. Sie hatte mit wehendem Haar am Straßenrand gestanden und ein Taxi gerufen. Er war vor Lust fast wie gelähmt gewesen. Er hatte es zwar schon vorher gewusst, aber in diesem Moment hatte er erkannt, dass er sie einfach haben musste. Sie hatte etwas an sich, das er unwiderstehlich fand. Er war so fasziniert von ihr, dass es fast schon an eine Obsession grenzte. Er hatte ohne ihr Wissen ein Foto von ihr gemacht, um es jederzeit aufrufen und sie so sehen zu können, wie sie an jenem Tag gewesen war. Jung, lebhaft. So wunderschön. Und dann ihr Lächeln. Wenn sie lächelte, brachte sie die Welt um sie herum zum Strahlen. Es war ihm völlig schleierhaft, wie man in ihrer Anwesenheit überhaupt an ihr vorbeischauen konnte. Sie war … hinreißend. Er wusste nicht recht, was genau sie so besonders machte. Vielleicht lag es nur daran, dass eine Beziehung mit ihr eigentlich außerhalb jeglicher Diskussion war. Schließlich war sie die kleine Schwester seines besten Freundes. Sie war vierzehn Jahre jünger als er. Er sollte die Finger von der Frau lassen. Doch was er tun sollte und was er tun würde, waren zwei verschiedene Paar Schuhe. Er wollte Mia, und er würde alles tun, um sie zu bekommen. 6 Montag, HCM Mia stand in der Tür zu Gabes Büro und sah ihn an. Er war sich also doch nicht so sicher gewesen, wie er sie anfangs hatte glauben lassen wollen. Die Erleichterung war ihm immer noch anzumerken. Sie öffnete schon den Mund, um zu sagen, dass sie ihm ihre Entscheidung noch nicht mitgeteilt hatte, doch es schien ihr keine gute Idee, ihn zu provozieren. Er wirkte angespannt und sie wollte ihn auf keinen Fall gleich am Anfang verärgern. »Ich bin da«, sagte sie heiser. Er griff nach ihrer Hand und zog sie zu der Sitzecke am anderen Ende des Raumes. »Möchtest du etwas trinken?«, fragte er. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich bin zu nervös, um etwas zu trinken.« Er bedeutete ihr, auf dem kleinen Ledersofa Platz zu nehmen, dann setzte er sich neben sie und griff nach ihren Händen. »Ich will nicht, dass du nervös bist oder Angst vor mir hast, Mia. Das ist überhaupt nicht meine Absicht. Ich habe dir sehr detailliert dargestellt, wie unsere Beziehung aussehen wird, um Verwirrungen auszuschließen und Ängste zu beseitigen. Ich will unbedingt, dass du weißt, was genau unsere Vereinbarung beinhaltet. Es war nie meine Absicht, dich zu verängstigen oder einzuschüchtern.« Sie erwiderte seinen Blick in dem Versuch, selbstbewusst und aufrichtig zu wirken. »Ich vertraue dir, Gabe. Das habe ich schon immer getan. Das ist auch der Grund, warum ich beschlossen habe, deinen Vorschlag anzunehmen.« Etwas Archaisches, Wildes trat in seinen Blick. Sie fühlte sich plötzlich extrem verletzlich, ein sündhaft köstliches Gefühl, das ein Schaudern durch ihren Körper jagte. »Aber ich habe auch ein paar Bedingungen«, erklärte sie vorsichtig. Eine Augenbraue zuckte nach oben und seine Lippen verzogen sich amüsiert. »Ach ja?« Wenn sie nicht standhaft blieb und ihren Standpunkt vertrat, würde sie in dieser Beziehung nie eine Chance haben. Unabhängig davon, dass sie alle Macht an ihn abtrat, würde sie kein rückgratloses Weibchen sein, das sich vor ihm duckte, statt seine Meinung zu sagen. »Es gibt da einen Passus, der … mich … stört.« »Und welcher ist das?« Sie versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, aber alleine das Aussprechen machte sie schon höchst verlegen. »Der, in dem es um Verhütung und Kondome geht.« Er runzelte die Stirn. »Du kannst nicht verhüten? Das ist kein Problem, Mia. Ich würde dich nie dazu zwingen, etwas zu nehmen, das dir gesundheitlich schadet. Ich mag zwar keine Kondome benutzen, aber ich würde es tun, wenn es dich schützt und uns keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Lass mich zu Ende reden. Es gibt da eine Stelle, an der es heißt, dass Kondome nur von … anderen benutzt werden sollen. Ich verstehe nicht, was das bedeuten soll. Aber wenn es das bedeutet, was ich denke, dann will ich mir das Recht vorbehalten, mich zu weigern. Aus einer Laune heraus jemandem überlassen zu werden, kann ich nicht ertragen. Es macht mir Angst«, korrigierte sie sich. Gabes Miene wurde weich, und er streckte die Hand aus, um seine Hand über ihre Wange gleiten zu lassen. »Mia, hör mir zu. Der Vertrag ist etwas irreführend, wenn es heißt, ich bekäme alle Macht und die vollständige Kontrolle über dich. Bis zu einem gewissen Punkt ist das zwar richtig. Aber ich kann dir versichern, dass ich nie etwas tun werde, bei dem ich das Gefühl habe, dass es dir in höchstem Maße unangenehm ist. Meine Aufgabe ist es, im Einklang mit deinen Wünschen, Bedürfnissen und Sehnsüchten zu sein. Als Mann wäre ich nicht viel wert, wenn ich das für die Frau in meiner Obhut nicht könnte. Letztendlich liegt alle Macht bei dir. Denn du kontrollierst meine Handlungen. Ich will dich erfreuen. Es ist sehr wichtig für mich, dich zu erfreuen. Ich will, dass du zufrieden bist. Ich will, dass du das Gefühl hast, so verwöhnt, verhätschelt und umhegt zu werden, dass du nur mit mir zusammen sein willst.« Sie schluckte und schaffte es kaum, den Seufzer der Erleichterung zu unterdrücken, der ihr beinahe entfleucht wäre. »Gibt es noch andere Bedenken?«, fragte er. Sie nickte. Er nahm die Hand von ihrer Wange. »Lass hören.« »Es gibt kein Safeword«, sprudelte es aus ihr heraus. »So viel weiß ich immerhin über diese Art von … Beziehungen … dass die meisten ein Safeword vereinbaren. Aber davon steht nichts im Vertrag.« »Ich frage mich, was ich deiner Vorstellung nach mit dir machen werde«, murmelte er. »Es tauchten Worte wie Fesselspiele und Schmerz auf«, erklärte sie. »Die Furcht ist also berechtigt.« »Ja, das ist richtig«, stimmte er ihr zu. »Aber es wird kein Safeword erwähnt, weil für mich klar ist, dass du einfach nur Nein sagen musst.« Sie runzelte die Stirn. »Der Vertrag sagt ziemlich eindeutig, dass ich genau das nicht kann. Wenn ich ihn unterzeichne, würde ich jedes Recht aufgeben, Nein zu sagen.« Er seufzte. »Ich bin kein Monster, das es darauf abgesehen hat, dich zu missbrauchen, Mia. Du hast recht, dass mir ein Nein nicht sehr gefällt. Aber ich hoffe, dass du es nicht häufig benutzen wirst. Ich würde mir das Wort eher für die seltenen Gelegenheiten vorbehalten, in denen du wirklich Angst hast oder dir etwas unangenehm ist. Ich will nicht, dass du es einfach nur sagst, weil du unsicher bist oder dir irgendetwas falsch vorkommt, ehe du es ausprobiert hast. Aber wenn du dich tatsächlich mal in einer Situation befindest, die dir nicht behagt, reicht ein Nein, damit ich aufhöre. Es mag mir vielleicht nicht gefallen, aber ich werde es nicht ignorieren. Nie. Darauf gebe ich dir mein Wort. Wir werden darüber sprechen, was dir unangenehm war, und es dann thematisieren und deine Ängste verringern oder es dabei belassen und zu etwas anderem übergehen.« »Ich soll also nicht ohne Grund Alarm auslösen«, fasste sie zusammen. »Genau.« Der Druck, unter dem sie gestanden hatte, ließ allmählich nach, und einige ihrer Bedenken verflogen. Ein Anflug von freudiger Erregung machte sich in ihr breit, weil etwas in greifbare Nähe gerückt war, das sie seit ihrer Jugend auf der Schwelle zur Frau begehrt hatte. »Gibt es sonst noch etwas?«, fragte er und sah sie gespannt an. Sie nickte und holte tief Luft. Egal, wie er die nächste Bedingung aufnehmen würde, sie würde sich dabei nicht umstimmen lassen. »Es gibt einen ganzen Paragrafen, in dem es um meine Treue geht. In dem Vertrag steht jedoch nichts darüber, dass du mir treu sein wirst.« Amüsiert sah er sie an. »Das ist dir also wichtig.« »Ja, sicher«, erwiderte sie mit mehr Nachdruck, als sie beabsichtigt hatte. »Wenn dieser Vertrag besagt, dass ich dir gehöre, dann soll auch drinstehen, dass du mir gehörst.« Er warf den Kopf zurück und lachte. »In Ordnung. Ich habe kein Problem damit, diesen Passus einzufügen. Sind wir jetzt mit allem durch?« Langsam schüttelte sie den Kopf. »Es gibt noch eine Sache. Und die ist ziemlich wichtig. Der wichtigste Teil jeder Vereinbarung, auf die wir uns einigen.« Er lehnte sich leicht zurück und musterte sie mit wachsamem Blick. »Das klingt so, als wäre es etwas, weshalb du den ganzen Vertrag platzen lassen würdest.« Sie nickte. »Das ist es.« »Ich höre.« »Wenn wir das machen … darf Jace es nie erfahren. Die Wahrheit, meine ich.« Sie sprach schnell weiter, weil ihr der Ausdruck auf Gabes Gesicht nicht gefiel. »Es ist nicht das, was du denkst. Ich schäme mich nicht, weder deinetwegen noch wegen sonst irgendetwas. Aber wenn Jace das wüsste, würde er es nie akzeptieren. Du hast sicher auch darüber nachgedacht, Gabe. Du kannst diesen Vorschlag nicht gemacht haben, ohne über die Auswirkungen nicht nur auf eure Freundschaft, sondern auch auf eure Geschäftsbeziehung nachzudenken. Jace würde es nie verstehen. Für ihn bin ich immer noch seine kleine Schwester, um die er sich oberfürsorglich kümmert. Meine Güte, er überprüft immer noch alle, mit denen ich mich verabrede.« »Das will ich auch schwer hoffen«, knurrte Gabe. »Kannst du dir vorstellen, wie er reagiert, wenn er etwas über die Art der Beziehung erfährt, die du vorschlägst?« »Ich hatte nicht die Absicht, ihn in die intimen Einzelheiten unserer Affäre einzuweihen«, erwiderte Gabe mit ruhiger Stimme. »Er braucht nur zu wissen, dass du für mich arbeitest. Wenn ich etwas bin, dann diskret. Ich habe keinerlei Verlangen danach, dass mein Privatleben wie damals während der Scheidung von Lisa in der Presse breitgetreten wird. Die Leute können meinetwegen Vermutungen anstellen, aber ich werde keinesfalls Fakten nach außen dringen lassen.« »Jace wird auf Vermutungen nicht gut zu sprechen sein«, sagte sie leise. »Und ich will ihn nicht anlügen.« »Du wirst nur lügen, indem du manche Dinge nicht erzählst. Und wenn wir diskret vorgehen, wird es nur Vermutungen darüber geben, ob wir eine Affäre haben oder nicht. Jace kennt solches Gerede. Er wird wissen, dass du für mich arbeitest, und das wird Gerüchten Vorschub leisten. Solange wir ihm keinen Anlass geben, etwas anderes zu vermuten, wird er nur ärgerlich darüber sein, dass überhaupt Gerüchte die Runde machen, und er wird schnell dafür sorgen, dass das aufhört.« »Ich verstehe. Aber es wird nicht funktionieren, wenn ich meine gesamte Zeit mit dir verbringen soll. Ich habe eine eigene Wohnung. Ich habe Freunde …« Sie verstummte, als sie merkte, dass sie bereits in der Defensive war, ehe sie sich überhaupt auf die Affäre eingelassen hatte. Sie hasste dieses Wort. Sie wünschte, Gabe hätte es nicht benutzt. Es klang so … schäbig. Als wäre er verheiratet und sie seine Geliebte. Als wäre sie sein schmutziges Geheimnis, aber sie argwöhnte, dass es vielleicht genau umgekehrt war. Er war ihr schmutziges kleines Geheimnis. »Du musst dich entscheiden, Mia«, sagte er und seine Stimme klang jetzt härter. »Ich zwinge dich nicht, auf meinen Vorschlag einzugehen. Aber wenn du es tust, erwarte ich die Erfüllung des Vertrages. Mit Problemen werden wir fertig werden. Ich sage nicht, dass du keine Zeit mehr für andere Interessen haben wirst; nur, dass meine Interessen immer an erster Stelle zu stehen haben.« Seine Arroganz hätte sie eigentlich wütend machen, sie in Rage versetzen müssen, aber sie fand sie verführerisch und so unwiderstehlich, dass sie plötzlich Schmetterlinge im Bauch hatte. »Du erwartest also nicht von mir, dass ich bei dir einziehe …?« »Nein. Ich verstehe, dass du den Anschein aufrechterhalten musst, du hättest eine eigene Wohnung, wenn Jace nicht erfahren soll, dass wir zusammen sind. Aber du wirst viel Zeit mit mir an Orten meiner Wahl verbringen. Caroline kann Jace gegenüber doch sicher den Schein wahren, oder?« Sie musterte ihn wachsam. »Woher weißt du von Caroline?« Da lächelte er und seine Augen funkelten wieder draufgängerisch. »Es gibt nicht viel, was ich nicht über dich weiß, Mia.« Bestürzt biss sie sich von innen auf die Wange. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass Gabe ihr überhaupt viel Beachtung schenkte. Sicher, zu besonderen Anlässen hatte er ihr Geschenke gemacht. Er war bei beiden Abschlussfeiern gewesen. Aber sie hätte nie gedacht, dass er Einzelheiten aus ihrem Privatleben kannte. Warum sollte ihn das interessieren? Sie war doch nur die kleine Schwester seines besten Freundes. Eine flüchtige Bekanntschaft, die allein durch Jace Bestand hatte. In ihr reifte die Erkenntnis, dass Gabes Interesse an ihr viel stärker gewesen war und zudem weiter zurückreichte, als sie sich hatte vorstellen können. Sie wusste nicht, ob sie das nun als Beunruhigung oder Triumph verbuchen sollte. »Wie also lautet deine Antwort?«, hakte er nach. »Haben wir nun eine Vereinbarung? Habe ich deine Ängste ausräumen können oder möchtest du noch mehr Bedenken vorbringen?« Sie spürte die Ungeduld in seiner Stimme. Er sah genauso aus, wie in dem Moment, in dem er einen wichtigen Geschäftsabschluss unter Dach und Fach brachte. Knallhart. Unnachgiebig. Kompromisslos. Mit dem Unterschied, dass er Kompromisse eingegangen war. Er hatte Zugeständnisse gemacht, mit denen sie nicht wirklich gerechnet hatte, und das beruhigte sie. Es gab ihr das Gefühl, dass das die Waage der Macht nicht so stark zu ihren Ungunsten ausschlug. Es bestand kein Zweifel daran, dass ihre Beziehung durch ein deutliches Ungleichgewicht geprägt sein würde und er mehr Macht besäße, doch auch sie würde Möglichkeiten haben. Die Tatsache, dass er bereit war, Zugeständnisse zu machen, gab ihr Mut. »Dann sind wir uns einig«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. Sie griff in ihre Tasche, zog den Vertrag heraus, den sie bereits unterschrieben hatte und reichte ihn ihm. Sie hasste ihre Unbeholfenheit, die dem Umstand geschuldet war, dass ihr Sexualleben zum Gegenstand geschäftlicher Verhandlungen geworden war. »Ich wusste nicht, was ich in Bezug auf die Änderungen tun sollte. Also die Punkte, die ich geändert haben möchte und auch die Sache mit Jace. Ich hielt es für besser, alles schriftlich festzuhalten, deshalb habe ich die entsprechenden Paragrafen durchgestrichen, neu formuliert und anschließend abgezeichnet.« Er wirkte erst verblüfft, doch dann lachte er. Ein tiefer, kehliger Laut, der ihr durch Mark und Bein ging, während ihr ein köstlicher Schauer über den Rücken lief. »Dann wärst du also wieder gegangen, wenn dir meine Antworten nicht gefallen hätten?« Sie schaute auf, fing seinen Blick auf und hielt ihm stand, bevor sie schließlich nickte. Er lächelte, als er den Vertrag entgegennahm. »Sehr schön. Im Geschäftsleben ist die Bereitschaft, einen Deal platzen zu lassen, der höchste Trumpf. Du bist nicht das kleine Mäuschen, für das Jace dich hält. Ich glaube, du wirst dich als meine Assistentin sehr gut machen.« Er stand auf und hielt ihr dann die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Sie legte ihre Hand in seine und genoss die Wärme und Kraft seines Griffes. Jetzt, da ihre Beziehung eine andere Dynamik bekommen hatte, erfüllte sie schon seine Berührung mit freudiger Erwartung. Es würden keine beiläufigen Berührungen mehr sein. Jede hätte eine tiefere Bedeutung. Sie war sein. War sein Eigentum. Sie gehörte ihm. »Komm mit zu meinem Tisch. Ich werde deine Änderungen abzeichnen und dann unterschreiben. Mein Anwalt wird dann alles unter Dach und Fach bringen und dir eine Abschrift schicken.« Sie zögerte, und er blieb auf halbem Wege zu seinem Schreibtisch stehen. Er zog nur fragend eine Augenbraue hoch, und sie seufzte. »Es klingt alles so … ich habe nicht einmal das passende Wort dafür. Ich weiß, dass ich mich albern aufführe. Aber ich bin einfach noch nie eine Beziehung eingegangen, bei der vorher ein Anwalt involviert war. Es klingt alles so … kalt.« Gabe berührte ihre Wange; eine schlichte Geste, die sie beruhigen sollte. »Ich tue das, um sowohl mich als auch dich zu schützen. Aber eines kann ich dir garantieren, Mia. Unsere Beziehung wird nie kalt sein. Sie wird viele Facetten haben, doch Kälte wird nie dazugehören.« Er ließ seine Hand wieder sinken, sodass sie die Glut in seinem Blick und die Sinnlichkeit seiner Berührung tief in sich aufnehmen konnte … und den stummen Schwur in seiner Stimme. Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Beziehung kalt sein würde. Glut. Hitze. Atemlosigkeit. Verzehrung. All das konnte sie sich sehr gut vorstellen. Aber definitiv keine Kälte. Er ging zu seinem Schreibtisch, bestätigte schnell ihre Änderungen mit seinem Kürzel und setzte dann auf der letzten Seite seine Unterschrift neben ihre. Dann drehte er sich um und schob den Vertrag in die Mitte des Tisches. »Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die jetzt erledigt werden müssen. Ich werde für dich einen Termin bei meinem Arzt machen, der die erforderlichen Untersuchungen durchführen und mit dir die passende Verhütungsmethode besprechen wird, falls du in der Richtung noch nichts machst. Man wird dir eine Kopie des Berichts meines letzten Gesundheitschecks sowie die Ergebnisse meiner Blutuntersuchungen aushändigen. Aber als Erstes wirst du den Leiter meiner Personalabteilung aufsuchen und einen Arbeitsvertrag aufsetzen sowie natürlich Gehalt und Zusatzleistungen festlegen lassen.« »Okay«, sagte sie mit leicht krächzender Stimme, denn jetzt war sie doch etwas überwältigt davon, wie schnell sich ihr Leben gerade veränderte. War sie darauf vorbereitet? »Es wird alles gut, Mia«, versicherte er ihr mit leiser Stimme. »Ich werde mich gut um dich kümmern. Vertrau mir.« Innere Ruhe breitete sich in ihr aus. Dann stieg freudige Erregung in ihr auf … als würde sie in einer Achterbahn sitzen, dort gerade den höchsten Punkt erreicht haben, um gleich darauf in die Tiefe zu stürzen und den Wind im Gesicht zu spüren, während das Herz bis zum Hals schlug. »Ich vertraue dir, Gabe. Sonst wäre ich gar nicht hier.« Bis vor Kurzem hatte das nicht ganz der Wahrheit entsprochen. Sie hatte schon ein bisschen Angst gehabt, dass der Schuh zu groß für sie sein könnte. Doch jetzt war sie hier, jetzt hatte sie gehört, was er zu sagen hatte, und den tiefen Ernst, der in seinen Worten lag, gespürt … sie vertraute ihm wirklich, und das musste sie auch; denn sie wäre der größte Dummkopf auf Erden, würde sie sich auf so ein Arrangement einlassen, ohne absolutes Vertrauen zu dem Mann, dem sie gerade ihr Leben überschrieben hatte. Sie hoffte nur, dass sie ihre Entscheidung nicht bereuen würde. 7 Der Rest des Tages zog wie im Film an Mia vorüber. Sie verbrachte eine Stunde in der Personalabteilung, wo sie Formulare ausfüllte sowie Gehalt und Zusatzleistungen besprach. Als sie die Höhe des Lohns für ihre Arbeit als Gabes persönliche Assistentin erfuhr, traute sie ihren Ohren nicht. Sie war davon ausgegangen, dass er sie nicht gut bezahlen würde angesichts der Tatsache, dass diese Stellung nur dazu diente, ihre wahre Beziehung zu verheimlichen. Sie wusste nicht einmal, wie viel Arbeit tatsächlich anfiel, aber vielleicht würde er sie ja auch in der Hinsicht überraschen. Nichtsdestotrotz war das Bewusstsein, nicht vollständig von ihm – oder Jace – abhängig zu sein, gut für ihren Seelenfrieden. Im Stillen hatte sie bereits beschlossen, so viel wie möglich zu sparen, um für die Zeit nach dem Tag, an dem Gabe sie nicht mehr haben wollte, gewappnet zu sein. Sie besaß weder die Fantasie – noch die Dummheit –, sich vorstellen zu können, dass ihre Liaison länger halten würde als seine früheren. Sie wusste zwar nichts Genaues über seine Beziehungen, doch Gesprächen zwischen Jace und Ash hatte sie entnehmen können, dass Gabe höchstens ein Jahr mit einer Frau zusammenblieb, in der Regel jedoch nicht mehr als sechs Monate. In einer Hinsicht war sie Gabe jedoch richtiggehend dankbar: Er hatte ihr klar gemacht, dass sie mehr tun musste, als nur in einer Konditorei zu arbeiten. Ihre Ausbildung wäre so gut wie umsonst gewesen, wenn sie es nicht über das Herz gebracht hätte, bei Greg und Louisa zu kündigen. Und vielleicht hatte ein Teil von ihr auch einfach Angst, in der Geschäftswelt nicht bestehen zu können. Was gab es also Besseres, als mit einer Anstellung bei Gabe in die Berufswelt einzusteigen? Sie würde zumindest Berufserfahrung sammeln und das machte sich immer gut im Lebenslauf. Das würde es ihr erleichtern, einen neuen Job zu finden, wenn die Sache mit ihm zu Ende war. Was auch immer das dann für ein Job sein mochte … Sie rief sich immer wieder in Erinnerung, dass ihre Beziehung zu Gabe nicht von langer Dauer sein würde, um so das Unausweichliche besser ertragen zu können. Um es mit Fassung tragen zu können, wenn es so weit war. Sie war kein Teenager mehr, auch wenn Gabe recht unreife Reaktionen bei ihr auslöste. Es war wirklich an der Zeit, erwachsen zu werden und sich wie eine Erwachsene in einer erwachsenen Beziehung zu verhalten. Nach dem Abstecher in die Personalabteilung wurde sie flugs in ein Auto verfrachtet und ein paar Straßen weiter zu einer Praxis gefahren, wo sie, wie eine Privatpatientin, sofort drankam. Keine Wartezeit. Keine Formalitäten, was sie etwas seltsam fand. Sie pinkelte in einen Becher, ließ sich Blut abnehmen und beantwortete eine Menge Fragen des Arztes; unter anderem auch zum Thema Verhütung und ob sie im Hinblick darauf eine Empfehlung seinerseits benötigte. Die meisten in Mias Umfeld schluckten nicht mehr jeden Tag die Pille, sondern gingen mit der Zeit und nutzten alternative Verhütungsmethoden, aber Mia kam mit manchen nicht gut zurecht, andere wiederum bereiteten ihr Angst. Deshalb nahm sie vertrauensvoll nach wie vor die Pille. Nachdem sie den Arztbesuch endlich hinter sich gebracht hatte, war sie erschöpft. Der anstrengende Tag hatte sie auch emotional völlig ausgelaugt. Seltsamerweise hatte Gabe sie nicht für den nächsten Tag zur Arbeit bestellt, sondern ihr aufgetragen, sich den Tag freizunehmen und sich auszuruhen. Fast schien es so, als hätte er gewusst, wie erschöpft sie nach dem ereignisreichen Tag sein würde. Dankbar dafür, zumindest einen Tag über das Arrangement nachdenken zu können, das sie eingegangen war, fuhr sie mit dem Wagen, den Gabe ihr überlassen hatte, nach Hause. Der Fahrer hatte die Anweisung erhalten, sie am übernächsten Tag abzuholen und zur Arbeit zu bringen. Er hatte ihr seine Karte gegeben mit dem Hinweis, ihn jederzeit anzurufen, wenn sie irgendwohin wolle. Anschließend hatte er kein Wort mehr gesagt. Das Gefühl, dass Gabe die Führung in ihrem Leben übernommen hatte, war bereits da. In jede Ecke und jeden Winkel hielt er Einzug. Ihre Gedanken waren schon vollständig von ihm beherrscht. Bald würde er auch ihren Körper besitzen. Ein leichter Schauer glitt über ihre Haut, als sie mit dem Fahrstuhl nach oben zu ihrer Wohnung fuhr. Sie sah auf die Uhr und hoffte, dass Caroline noch nicht zu Hause war. Mia brauchte Zeit, um über alles nachzudenken. Sie brauchte Ruhe, einen Moment der inneren Einkehr, um alles zu verarbeiten, was heute passiert war … und um darüber zu sinnieren, wie sehr ihr Leben sich wohl verändern würde. Sie war gleichermaßen aufgeregt und zu Tode verängstigt. Als sie die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss, zog sich ihr Magen vor Bestürzung zusammen, als sie sah, dass nicht nur Caroline, sondern noch drei weitere Freundinnen – Chessy, Trish und Gina – da waren. Sie hatten gemütlich auf dem Sofa gesessen und schossen jetzt hoch, als Mia zur Tür hereinkam, um sie mit Glückwünschen und Pfiffen zu begrüßen. Mia betrachtete sie verwirrt. Auch Caroline stand lächelnd auf, ging auf Mia zu und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Ich habe ihnen von deinem Jobangebot bei diesem Sex-Gott Gabe Hamilton erzählt.« »Gott behüte, Caro«, murmelte Mia. Und dann war sie auch schon von ihren Freundinnen umringt, und plötzlich war ihr Ärger verflogen. Sie bestürmten sie mit Fragen, und die Versuchung war groß, ihnen alles anzuvertrauen, ihnen zu erzählen, auf was sie sich eingelassen hatte. Aber das Risiko würde sie nicht eingehen. Nicht einmal bei ihren besten Freundinnen. »Und wie ist nun sein Vorbau? Du weißt schon … hat er nun einen großen Schlingel oder nicht?«, fragte Chessy gedehnt. »Meinst du etwa, er hätte ihn während des Vorstellungsgesprächs herausgeholt?«, fragte Mia fassungslos. Die anderen brachen in schallendes Gelächter aus, und einige derbe Scherze machten die Runde, während sie sich vorstellten, wie Gabe sein bestes Stück präsentiert haben könnte. »Ich wette, er weiß, was man damit macht«, meinte Trish wehmütig. »Im Gegensatz zu meinem letzten Freund. Vielleicht könnte Gabe ihm ja ein paar Tipps geben.« Gina stieß ein Schnauben aus. »Nach allem, was wir wissen, ist Gabe bestimmt eine Niete im Bett. Vielleicht ist er sogar schwul. Jeder weiß doch, dass genau diese atemberaubenden Typen eh nie zu haben sind. Ich muss aber gestehen, dass ich versuchen würde, ihn umzupolen, wenn ich nur die Gelegenheit dazu bekäme.« »Er ist nicht schwul«, stöhnte Mia. »Und woher willst du das wissen?«, fragte Chessy und zog eine Augenbraue hoch. »Er ist Jace’ bester Freund«, erwiderte Mia ärgerlich. »Ich bin praktisch mit ihm aufgewachsen. Er war verheiratet und es gibt nicht gerade einen Mangel an Frauen in seinem Leben.« Gina zuckte die Achseln. »Vielleicht hat er nur noch nicht den richtigen Mann gefunden.« »Ich könnte die richtige Frau für ihn sein«, meldete Trish sich zu Wort. »Und ich würde mit Freuden die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen, seine persönliche Assistentin zu werden. Du bist ein richtiger Glückspilz, Mia.« »Ach, ich würde gern Jace übernehmen«, meinte Chessy. »Für den Mann würde ich sogar Überstunden machen.« Mia hielt sich die Ohren zu und stöhnte noch lauter. »Aufhören. Du machst mir Angst. Ich will mir dich und Jace nicht zusammen vorstellen. Er ist mein Bruder! Das ist ekelhaft, Chessy. Einfach nur ekelhaft!« »Ich finde, wir sollten ausgehen und feiern«, verkündete Caroline. Mia warf ihr einen erstaunten Blick zu. Chessy und die anderen sahen sie interessiert an und warteten auf die Fortsetzung. »Wir sollten durch die Clubs ziehen«, meinte Caroline. »Wenn Mia erst einmal einen Ganztagsjob hat, kann sie mit uns nicht mehr die Nächte durchfeiern. Zumindest nicht unter der Woche. Ich kenne den Türsteher vom Vibe. Er hat mir versprochen mich und meine Freundinnen reinzulassen, wenn ich vorbeikomme.« »Mist, ich muss morgen früh zur Arbeit«, sagte Trish sichtlich enttäuscht. »Ach, hab doch ein bisschen Spaß«, versuchte Chessy, sie zu überreden. »Deine Arbeit erledigst du doch im Schlaf. Davon abgesehen kannst du dich doch morgen nach der Arbeit ausruhen. Heute Nacht amüsieren wir uns. Es ist schon viel zu lange her, dass wir gemeinsam ausgegangen sind.« Trish wirkte erst unentschlossen, doch schließlich nickte sie. »Okay, ich bin dabei.« »Mia?«, fragte Caroline. Alle Blicke richteten sich erwartungsvoll auf Mia. Eigentlich hätte sie sich gern zurückgezogen und Zeit für sich gehabt, um die Erlebnisse des Tages zu verarbeiten. Gabe. Alles. Aber sie liebte ihre Freundinnen, und ihr Bauchgefühl verriet ihr, dass sie in Zukunft vermutlich nicht mehr so viel Zeit mit ihnen verbringen würde; zumindest solange sie mit Gabe zusammen war. »Ich bin dabei«, erklärte Mia lächelnd. »Aber ich muss mich umziehen. Ich hab immer noch die Sachen vom Bewerbungsgespräch an. Wenn wir ausgehen, will ich nicht wie eine Sekretärin aussehen.« »Dann mal los«, krähte Chessy. »Warte mal. Ich bin auch nicht richtig angezogen!«, rief Trish. »Ich muss erst nach Hause, wenn wir zusammen was unternehmen wollen.« »Ja, ich auch«, stimmte Gina ihr zu. Caroline reckte beide Hände in die Luft. »Okay, hört mal her. Wir machen uns im Eiltempo zurecht und treffen uns dann in anderthalb Stunden vor dem Club. Abgemacht?« Die anderen strebten eilig in Richtung Wohnungstür. Sie winkten, verabschiedeten sich noch im Gehen und waren endlich alle weg. Mia wollte gerade in ihr Schlafzimmer gehen, um sich umzuziehen, als Caroline sie aufhielt. »Alles in Ordnung bei dir, Mia? Du wirkst so … ruhig. Oder zumindest anders.« Mia lächelte. »Mir geht’s gut, Caro. Ich bin nur ein bisschen müde. Es war ein anstrengender Tag.« »Würdest du lieber zu Hause bleiben?«, fragte Caroline besorgt. »Ich kann die Mädels anrufen und absagen.« Mia schüttelte den Kopf. »Nein, lass uns ausgehen. Ich komme vermutlich in nächster Zeit nicht mehr dazu. Zumindest bis ich weiß, wie das mit Gabe läuft. Ich habe keine Ahnung, wie mein Tagesablauf aussehen wird. Er erwartet von mir, dass ich da bin, wenn er arbeitet.« Mia machte sich auf in Richtung Schlafzimmer und hatte schon die Tür erreicht, als Caroline sie noch einmal zurückrief. »Bist du dir sicher, dass du das willst? Für Gabe arbeiten, meine ich?« Mia begegnete Carolines Blick und ein Teil ihrer Beklommenheit löste sich. »Ja, das will ich.« Sie wollte Gabe. Der Job war nur das Mittel zum Zweck, um ihn zu bekommen. Und wenn sie dabei Berufserfahrung sammelte, die über ihre Arbeit in der Konditorei hinausging, war das ein zusätzlicher Nutzen. Während sie sich schnell die Haare machte und ihr Make-up erneuerte, verriet das Klingeln ihres Handys den Eingang einer SMS. Sie holte es aus ihrer Handtasche, die sie vor dem Waschbecken auf den Boden gestellt hatte, und sah eine unbekannte Nummer. Ruh dich morgen aus, aber komm um sieben Uhr abends zu mir nach Hause. SEI PÜNKTLICH. Gabe. Ihr stockte der Atem, und ihre Hände zitterten, während sie das Handy hielt, um die SMS noch einmal zu lesen. Es hatte also begonnen. 8 Mia sollte um halb sieben mit dem Wagen abgeholt werden, und so stand sie, mit Gabes Anweisung im Hinterkopf, sich nicht zu verspäten, bereits vor dem Haus, als der Wagen eintraf. Sie unterdrückte ein Gähnen. Sie und die Mädels waren in der vergangenen Nacht lange unterwegs gewesen, aber das war keine Entschuldigung, hatte sie doch den ganzen Tag die Gelegenheit gehabt, sich auszuruhen und sich von ihrem Kater zu erholen. Aber leider war sie wegen des bevorstehenden Besuchs in Gabes Wohnung vor Aufregung nicht in der Lage gewesen zu schlafen. Es war lächerlich, und sie hoffte, dass sie irgendwann die Nervosität überwinden würde, die sie jedes Mal in seiner Gegenwart befiel. Oh Gott! Sie würde Sex mit dem Mann haben, dabei konnte sie sich noch nicht einmal vorstellen, ihn zu sehen, ohne dabei schon einen halben Nervenzusammenbruch zu erleiden. So viel zu ihrem Versuch, erfahren zu wirken. Man konnte wirklich auf die Idee kommen, sie wäre eine schüchterne Jungfrau, die noch nie einen nackten Mann gesehen hatte. Allerdings war sie sich ziemlich sicher, noch nie einen Mann wie Gabe nackt gesehen zu haben. Zumindest nicht leibhaftig. Die Männer, mit denen sie was gehabt hatte, waren … Jungs gewesen. Ein besseres Wort fiel ihr dafür nicht ein. Junge Männer, die im Großen und Ganzen genauso unerfahren gewesen waren wie sie. Ihr letztes Techtelmechtel – sie weigerte sich, es als One-Night-Stand zu bezeichnen, denn sie hatten sich mehrmals getroffen – war ihre einzige höherwertige sexuelle Erfahrung gewesen, und sie war davon überzeugt, dass das daran lag, dass David älter war als ihre üblichen Partner … und erfahrener. Er war der Grund, warum sie Männern ihres Alters abgeschworen hatte, und diese Erfahrung hatte ihr bestätigt, dass sie zu Recht so auf Gabe fixiert war. David war großartig im Bett gewesen. Nur schade, dass er in anderen Bereichen diese Großartigkeit hatte missen lassen. Irgendwie wusste sie, dass Gabe außer Konkurrenz war und dass nach Gabe jemand wie David blass wirken würde. Das sagte einiges aus, da David doch bis jetzt jeden anderen Mann – okay, Jungen –, mit dem sie zusammen gewesen war, übertrumpft hatte. Der Fahrer lud sie genau fünf Minuten vor sieben vor Gabes Wohnung ab. Nun ja, er lud sie natürlich nicht schlichtweg ab, aber der Mann redete einfach nie. Er tauchte lediglich auf, fuhr und verschwand dann wieder, um erst dann wieder zu erscheinen, wenn sie nach Hause wollte. Es war ein bisschen beunruhigend. Fast als hätte man ihm aufgetragen, in ihrer Gegenwart nie einen Ton von sich zu geben. Am Eingang des Appartementhauses stand leibhaftig ein Wachmann, aber es handelte sich schließlich auch nicht um irgendein beliebiges Appartementhaus. Sondern um eine dieser komfortablen Einrichtungen, in denen man wie in einem Hotel lebte, nur, dass man statt eines Zimmers oder einer Suite ein komplettes Appartement zur Verfügung hatte. Nach einem Blick auf ihren Ausweis rief der Wachmann übers Haustelefon bei Gabe an, um zu erfahren, ob sie nach oben gelassen werden sollte. Hoffentlich würde sie das nicht jedes Mal über sich ergehen lassen müssen, wenn Gabe sie zu sich bestellte. Kurz darauf führte der Wachmann sie zum Fahrstuhl und entriegelte mit seiner Karte Gabes Etage – die Penthousewohnung, wie hätte es anders sein können. Dann nickte er höflich und trat vom Fahrstuhl zurück. Die Türen öffneten sich im fünfzigsten Stockwerk direkt im Foyer von Gabes Wohnung, wo er bereits auf sie wartete. Er sah sie durchdringend an, als sie aus dem Fahrstuhl trat. Hinter ihr schlossen sich die Türen und sie und Gabe waren allein. Sie verschlang ihn mit den Augen. Selten hatte sie ihn in Jeans gesehen, aber sie standen ihm traumhaft. Verschlissen und ausgebleicht wirkten sie wie eine Lieblingshose, von der er sich nicht trennen konnte. Dazu trug er ein T-Shirt der Yankees, das sich an seine muskulöse Brust schmiegte und von den kräftigen Oberarmen gedehnt wurde. Der Mann hielt sich fit. Es gab keine andere Erklärung dafür, warum ein Mann, der so viel Zeit in einem Büro verbrachte, so durchtrainiert aussah. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sich zu fein gemacht zu haben. Sie hatte ein schlichtes, dunkelblaues Kleid angezogen, das ihr gerade bis zu den Knien reichte. Dazu trug sie hohe Absätze, um zumindest einigermaßen auf Augenhöhe mit Gabe zu sein. Trotzdem fühlte sie sich klein, als sie jetzt vor ihm stand. Er war überlebensgroß und füllte den Raum sogar in der verblichenen Jeans und dem T-Shirt mit seiner Gegenwart. Er wirkte unbezwingbar. Sie hatte das Gefühl, von seinem Blick gebrandmarkt zu werden. Träge ließ er diesen Blick über sie gleiten, und ihre Haut wurde warm, als würde er sie tatsächlich berühren. Als er bei ihren Augen ankam, lächelte er und hielt ihr dann schweigend die Hand hin. Mia ging die wenigen letzten Schritte auf ihn zu und schob ihre Hand in seine. Die schloss sich um ihre Finger, und dann drückte Gabe sie kurz, ehe er Mia zu einem atemlosen Kuss an sich zog. Er zupfte an ihren Lippen und nagte dann mit den Zähnen gerade so fest an ihnen, dass es kribbelte. Er ließ die Zunge über sie gleiten und brachte sie dazu, den Mund zu öffnen und ihm Einlass zu gewähren. »Ich habe ein Abendessen für uns vorbereitet. Ich hoffe, du hast Hunger«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ich bin am Verhungern«, gestand sie. Er runzelte die Stirn. »Hast du heute nichts gegessen?« »Ich hab nur ein bisschen Orangensaft getrunken. Mir war irgendwie nicht nach Essen.« Sie ließ unerwähnt, dass sie einen Kater hatte, unausgeschlafen war und dass allein der Gedanke an Essen bis jetzt einen Würgereiz bei ihr ausgelöst hatte. Er führte sie zu einem eleganten Tisch im Esszimmer, der vor einem riesigen Panoramafester stand, das den Blick auf Manhattan freigab. Die Gebäude, die sich vor dem Himmel abzeichneten, bildeten ein funkelndes Lichtermeer. »Du bist doch nicht mehr nervös, oder?«, fragte er, während er ihren Stuhl zurechtschob. Sie lachte. »Ich befinde mich auf unbekanntem Terrain, Gabe. Das solltest du wissen.« Er überraschte sie mit einem Kuss auf ihren Scheitel, ehe er sich entfernte. Einen Moment später kehrte er mit zwei Tellern zurück. Er stellte ein köstlich duftendes Steak vor sie. Es sah so appetitanregend aus, dass ihr Magen sofort anfing zu knurren. Wieder runzelte er die Stirn. »Ab jetzt werden keine Mahlzeiten mehr ausgelassen, Mia.« Sie nickte und wartete dann, bis er wieder aus der Küche zurückkam. Dieses Mal hatte er eine Flasche Wein dabei. Er setzte sich ihr gegenüber hin und füllte beide Gläser. »Ich kenne deine Vorlieben und Abneigungen in Bezug auf Essen nicht. Wir werden bestimmt Zeit haben, das durchzugehen, sodass ich für die Zukunft weiß, was du magst. Aber ich dachte mir, mit einem Filet könnte ich nichts falsch machen.« »Nein, überhaupt nicht«, sagte sie. »Ein gutes Steak geht immer.« »Da stimme ich dir voll und ganz zu.« Sie machte sich über das Essen her und beobachtete währenddessen Gabe unter gesenkten Lidern. Ihr gingen eine Million Fragen durch den Kopf, aber sie wollte ihn damit nicht überfallen. Wie er bereits gesagt hatte, stand ihnen viel Zeit zur Verfügung, um einander kennenzulernen. Die meisten Leute verweilten etwas länger in dieser Kennenlernphase, ehe sie eine intime Beziehung eingingen, aber sie nahm an, dass Gabe gewöhnt war, Dinge auf seine Art zu regeln und auf Konventionen pfiff. Davon abgesehen waren sie sich ja gegenseitig nicht fremd. Gabe war schon seit Jahren ein fester – wenn auch etwas ferner – Bestandteil ihres Lebens. Das Schweigen dehnte sich aus. Sie konnte seinen Blick spüren, wusste, dass er sie genauso beobachtete wie sie ihn. Fast wie zwei aufmerksame Kämpfer, die einander auf dem Schlachtfeld musterten, ehe sie angriffen. Nur, dass Gabe nicht so unsicher und verlegen aussah, wie sie sich fühlte. Er wirkte zuversichtlich. Wie ein Jäger, der sich an seine Beute anpirscht. Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Unterleib aus und zog weiter nach unten, bis sie die Schenkel zusammendrückte, um dem lustvollen Schmerz entgegenzuwirken. »Du isst ja gar nichts«, stellte Gabe fest. Sie sah auf ihren Teller und merkte, dass sie die Gabel zwar immer noch in der Hand hielt, ihr Steak aber nur zur Hälfte gegessen hatte. Sie legte die Gabel sanft auf dem Teller ab und richtete den Blick auf Gabe. »Das ist nervenaufreibend, Gabe. Alles ist so neu für mich. Ich war noch nie in so einer Situation. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Was ich sagen soll. Oder was ich nicht sagen soll. Oder ob ich überhaupt etwas sagen soll! Du sitzt mir gegenüber und siehst mich an, als wäre ich der Nachtisch, und ich habe keine Ahnung, ob das hier einfach nur ein Abendessen ist. Zur Auflockerung oder so. Hilf mir, ich weiß nicht, was ich machen soll.« Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, seine Augen blitzen vor Erheiterung auf. »Mia, Liebling, du bist der Nachtisch.« Ihr stockte der Atem angesichts des Hungers, den sie in seinen Augen sah und der nichts mit dem Steak zu tun hatte, das vor ihm stand. »Iss«, sagte er mit ruhiger Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Es war ein Befehl. Ein Befehl, den zu verweigern er nicht zulassen würde. »Ich werde nicht am Tisch über dich herfallen. Das Warten macht den erhofften Lohn umso süßer.« Sie griff wieder nach Messer und Gabel und schnitt ein Stück vom Steak ab, doch sie schmeckte nichts. Sie aß mechanisch, während ihr Körper von einem erwartungsvollen Kribbeln ergriffen wurde. Gabe hatte offensichtlich nicht die Absicht, es langsam angehen zu lassen. Aber das entsprach auch nicht seiner Art. Er nahm immer alles sofort in Angriff. Das war sein Stil und das machte ihn im Geschäftsleben so erfolgreich. Er verfolgte alles, was er wollte, mit zielstrebiger Entschlossenheit. Und jetzt war sie es, die er wollte. Sie nippte an ihrem Wein, um damit zumindest ein wenig ihre Verlegenheit zu überspielen. Sie wusste nicht recht, ob sie das Ganze entschleunigen und sich mit dem Essen Zeit lassen sollte oder ob sie es lieber schnell herunterschlingen sollte, damit sie zum … Nachtisch übergehen konnten. Gabe war vor ihr fertig, lehnte sich zurück und wirkte sehr gelassen, während er an seinem Wein nippte. Sein Blick wich keinen einzigen Augenblick von ihr und er registrierte jede ihrer Bewegungen. Er wirkte kühl und reserviert … bis sie ihm in die Augen sah. Was sie dort entdeckte, erzählte eine vollkommen andere Geschichte. Seine Augen brannten vor Ungeduld und loderten förmlich vor Glut. Sie ließ nur ein kleines Stückchen übrig, als sie ihren Teller wegschob und sich vorsichtig auf ihrem Stuhl zurücklehnte. Obwohl sie nichts sagte, stand das »Was jetzt?» fast greifbar zwischen ihnen. Gabe musterte sie mit trägem Blick und sagte dann: »Geh in die Mitte des Wohnzimmers und stell dich dort hin, Mia.« Sie schluckte und holte dann tief Luft, ehe sie so anmutig sie konnte aufstand. Entschlossen, für alles, was sie erwartete, bereit zu sein. Selbstbewusst zu sein. Dieser Mann wollte sie. Sie. Nicht irgendeine andere Frau. Es war an der Zeit, sich so zu verhalten, als gehöre sie hierher. Sie lief über das Parkett, ihre Absätze klapperten laut in der Stille. Als sie in der Mitte des Raumes angekommen war, drehte sie sich langsam um und bemerkte, dass Gabe auf einen Sessel zusteuerte, der schräg neben dem Ledersofa stand. Er ließ sich in den Sessel sinken und legte ein Bein über das andere – eine lässige Haltung, die seine Entspanntheit spiegelte. Sie wünschte, sie könnte das Gleiche von sich sagen. Sie kam sich vor wie auf einer Versteigerung, bei der sie zum Verkauf stand, während er sie mit seinen Blicken verschlang. »Zieh dich aus«, sagte er und seine Stimme brachte ihre Haut zum Vibrieren. Sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, während sie seinen Befehl verarbeitete. Er zog eine Augenbraue hoch. »Mia?« Sie wollte aus ihren Schuhen schlüpfen, doch er hielt sie zurück. »Behalt die Schuhe an. Nur die Schuhe.« Sie hob die Hände und begann langsam, die drei Knöpfe auf der Vorderseite des Kleides zu öffnen. Dann zog sie es an den Schultern nach unten und ließ es an ihrem Körper zu Boden gleiten, sodass sie nur noch in BH und Höschen vor ihm stand. Sie sah ein Flackern in seinen Augen. Nackte Gier stand plötzlich in seinem Blick und er wirkte förmlich wild. Ein Schauer lief über ihren Rücken, den sie nicht kontrollieren konnte. Ihre Brustwarzen richteten sich auf und drückten gegen den seidigen Stoff ihres BHs. Dieser Mann brachte sie noch um, dabei hatte er sie noch nicht einmal angefasst. Außer mit den Augen. Sie hatte das Gefühl, von Feuer versengt zu werden, als sein Blick über ihren Körper hinab und dann wieder hinauf glitt. »Erst der BH oder erst das Höschen?«, fragte sie heiser. Er lächelte. »Aber, Mia, ich glaube fast, du willst mich provozieren. Erst das Höschen.« Sie schob die Daumen unter das zarte Spitzenbündchen und zog das Höschen langsam herunter. Instinktiv überkam sie das Bedürfnis sich zu bedecken, sich zumindest einen Rest von Sittsamkeit zu bewahren, aber sie zwang sich, den Hauch eines Stofffetzens zu Boden fallen zu lassen. Sie trat aus dem Höschen heraus und schob es mit der Schuhspitze beiseite. Dann hob sie wieder die Hände, strich das Haar nach hinten und legte es sich dann über eine Schulter, sodass sie ohne Probleme an den Verschluss ihres BHs kam. Sie hakte ihn auf, und indem die Körbchen sich lösten, entblößte sie die Rundungen ihres Busens. »Streich dein Haar wieder nach hinten«, murmelte Gabe. Mit einer Hand hielt sie den BH vor den Brüsten, während sie mit der anderen das Haar zurückstrich. Dann ließ sie die Träger über die Schultern gleiten und den BH vorsichtig sinken. Sie schlüpfte ganz heraus und ließ ihn auf den Haufen mit ihren anderen Kleidungsstücken fallen. »Wunderschön«, knurrte Gabe leise voller Anerkennung. Verletzlich stand sie da und wartete auf seinen nächsten Befehl. Es war offenkundig, dass er es überhaupt nicht eilig hatte und es genießen wollte, sie zum ersten Mal nackt zu sehen. Ganz langsam schlangen sich ihre Arme um ihre Taille und glitten dann nach oben zu ihren Brüsten. »Nein, versteck dich nicht vor mir«, sagte Gabe leise. »Komm her, Mia.« Sie tat bebend einen Schritt nach vorn. Und dann noch einen. Bis sie, nur noch Zentimeter entfernt, vor ihm stand. Er nahm das Bein herunter und die Knie auseinander, sodass eine Lücke entstand. Da war eine deutlich zu erkennende Wölbung zwischen seinen Beinen, die gegen den Reißverschluss seiner Jeans drückte. Er streckte ihr die Hand entgegen und winkte sie zu sich. Sie trat zwischen seine Schenkel und nahm seine Hand. Er zog sie näher und bedeutete ihr, auf seinen Schoß zu krabbeln. Ihre Knie lagen an seinen Hüften, während ihre Beine sich zwischen seinen Schenkeln und den Armlehnen verkeilten. Sie ließ sich auf die Absätze zurücksinken und wartete. Atemlos. Mit angespannten Muskeln und voller Erregung, was er wohl als Nächstes tun würde. Seine Hand glitt um ihren Nacken, packte ihren Hals und zog sie an sich, um dann seine Lippen auf ihren Mund zu pressen. Sein Atem strich heiß und keuchend über ihr Gesicht. Seine Finger glitten weiter hinauf, schoben sich in ihr Haar und schlangen die Strähnen um seine Hand, sodass sein Griff noch fester wurde. Und dann, blitzschnell, zog er sie nach hinten, ihr Haar immer noch fest um seine Hand gewickelt. Er keuchte und seine Brust hob und senkte sich in kurzen Abständen. Seine Augen brannten hell vor Lust, sodass die Glut, die er ausstrahlte, sie beben ließ. »Ich frage mich, ob du überhaupt eine Vorstellung davon hast, wie sehr ich dich will«, murmelte er. »Ich will dich auch«, flüsterte sie. »Du wirst mich haben, Mia. In jeder nur denkbaren Art und Weise.« Warm und einladend glitt das Versprechen wie Honig über ihre Haut. Heiser und sündhaft verführerisch. Er löste die Hand aus ihrem Haar und legte beide Hände auf ihren Bauch, um diese dann nach oben gleiten zu lassen, bis sie beide Brüste umfassten. Er hob sie an, senkte den Kopf und saugte eine Brustwarze zwischen seine Lippen. Sie stöhnte und bebte unter seiner Berührung. Sie stützte sich mit den Händen auf den Armlehnen ab und warf den Kopf nach hinten, als er mit der Zunge um die steife Knospe strich. Er wechselte von einer Brust zur anderen, während er sie weiter mit den Händen hielt und ihr süße Qualen bereitete. Er saugte und leckte und knabberte leicht an den harten Knospen, bis sie steif vorstanden und sich seiner Berührung entgegenreckten. Er ließ eine Brust los und strich mit den Fingerspitzen über ihre Rippen, über ihren Bauch und schließlich zwischen ihre gespreizten Schenkel. Seine Berührung war zart, als er die Löckchen teilte, um an das empfindsame Fleisch ihrer Weiblichkeit zu gelangen. Ein Finger berührte kurz ihre Klitoris und ihr gesamter Körper erschauderte. Immer wieder strich er über das feuchte Fleisch, kreiste mit dem Finger um die Öffnung, während sein Daumen zart den winzigen Knoten rieb, in dem so viele Nerven zusammenliefen. »Gabe«, hauchte sie, und sein Name klang mehr wie ein Stöhnen. Sie beugte den Kopf gerade so weit, um ihn unter halb gesenkten Lidern anschauen zu können. Der Anblick seines Mundes an ihrer Brust, an deren Warze er saugte, war erotisch und erregend und verstärkte ihr bereits völlig außer Kontrolle geratenes Begehren noch. Sein Finger glitt in sie hinein, und sie stöhnte wieder. Mit dem Daumen begann er mehr Druck auszuüben, er ließ ihn kreisen, während sein Finger noch tiefer eindrang. Dann zupfte er mit den Lippen an ihrer Brust und strich mit den Zähnen über die steife Knospe. Sie riss die Hände hoch, packte seine Schultern und grub ihre Finger tief in sein Fleisch, um besser Halt zu finden. Rastlos bewegte sie sich auf seinem Schoß, während sie allmählich den Gipfel erklomm. Sie war nicht in der Lage stillzuhalten. Jede Faser ihres Körpers war angespannt und ihr Schoß zog sich immer fester zusammen. »Komm für mich, Mia«, sagte Gabe. »Ich will dich in meiner Hand kommen spüren.« Sein Finger tauchte tiefer in sie ein und drückte gegen ihren G-Punkt. Sie keuchte, als sein Daumen fest über ihren Kitzler rieb und er wieder die Knospe ihrer Brust tief in seinen Mund saugte. Sie schloss die Augen und schrie seinen Namen, als die erste Woge ungestüm und überwältigend über ihr zusammenschlug. »So ist’s gut. Mein Name, Mia. Sag ihn noch mal. Ich will ihn hören.« »Gabe«, hauchte sie. Vollkommen außer sich reckte sie sich ihm entgegen, während er unermüdlich weitermachte und sie höher und höher trug. Sie wand sich in seinem Griff und sank dann nach vorn, während sie sich an seine Schultern klammerte und immer wieder tief Luft holte, um ihren Atem zu beruhigen. Langsam zog er seine Hand zurück, um sie dann mit beiden Armen zu umschlingen und an seinen warmen Körper zu ziehen. Sie legte die Stirn auf seine Schulter und schloss erschöpft von der Heftigkeit ihres Höhepunkts die Augen. Er strich immer wieder mit den Händen über ihren nackten Rücken, um sie zu beruhigen. Dann schob er seine Hand in ihr Haar und zog gerade so stark, dass ihr Kopf sich hob und sie einander in die Augen schauen konnten. »Halt dich an mir fest«, sagte er. Kaum hatte sie die Arme um seinen Hals geschlungen, erhob er sich auch schon schwungvoll und drückte sie dabei fest an sich. »Leg deine Beine um meine Hüften.« Er zog sie höher und schob die Hände unter ihren Po, um sie zu halten, während sie die Füße hinter seinem Rücken verschränkte. Mit schnellem Schritt durchquerte er das Wohnzimmer und ging durch den Flur in sein Schlafzimmer. Er beugte sich nach vorn und während sie noch weich auf dem Bett landete, richtete er sich schon wieder auf und zerrte an seiner Kleidung. Sie lag benommen vor freudiger Erregung da, und immer noch durchliefen letzte Zuckungen der Erlösung ihren Körper. Ihr Schoß pochte in süßem Schmerz. Sie wollte mehr. Sie wollte ihn. Sie hob den Kopf, als er seine Jeans öffnete und ungeduldig nach unten schob. Er war so wahnsinnig heiß, wie er mit steifem Glied da stand und sein Blick mit lodernder Glut über sie glitt. Wie sehr er sie begehrte, war jedem Zentimeter seines angespannten Körpers deutlich anzusehen. Sie hätte ihn stundenlang so anschauen können. Er war wunderschön, der geborene Leitwolf, dessen Muskeln sich wölbten, als er die Hände nach ihr ausstreckte. Er packte ihre Beine, zog sie grob bis an die Bettkante und spreizte ihre Schenkel, als er sich an sie drängte. »Ich kann es nicht langsam angehen, Mia«, sagte er mit gepresster, rauer Stimme. »Mein Wunsch, jetzt in dir zu sein, ist stärker als das Verlangen nach Luft zum Atmen. Ich muss dich haben. Jetzt.« »Das ist okay für mich«, hauchte sie mit heiser rauer Stimme, während sie ihm tief in die dunkelblauen Augen schaute. Er zog sie eng an sich heran, und sie spürte die Spitze seines Schwanzes, die sich gegen ihre geschwollene, heiße Öffnung drängte. Er zögerte nur einen kurzen Moment, ehe er vollständig in sie eintauchte und sich tief in ihr vergrub. Beide keuchten laut. Die Schnelligkeit und Kraft, mit der er in sie eingedrungen war, ließ sie fast gleich wieder kommen. Wie war es nur möglich, so schnell wieder zum Orgasmus zu gelangen? Das Gefühl, ihn in sich zu spüren, überwältigte sie fast. Er füllte sie aus. Vollständig. Sie umschloss ihn so fest, dass sie sich fragte, wie er sich überhaupt bewegen konnte oder es ihm überhaupt gelungen war, so tief einzudringen. Seine Finger bohrten sich in ihre Hüften, doch dann wurde sein Griff sanfter, fast als würde er sich in Erinnerung rufen, nicht so grob mit ihr umzugehen. Er streichelte sie, strich mit den Händen über ihren Bauch und dann hoch zu ihren Brüsten, die er umfasste, ehe er an ihren Knospen zupfte. »Habe ich dir wehgetan?«, stieß er heiser hervor. Obwohl er sich offensichtlich nicht mehr unter Kontrolle hatte und sie unbedingt haben wollte, schwang Sorge in seiner Stimme mit. Sie wusste ohne jeden Zweifel, dass er sofort aufhören würde, wenn sie es von ihm verlangte. Egal, wie sehr er sich auch in diesem Moment nach ihr verzehren mochte. Und, oh Gott, wie sehr sie das Gefühl liebte, dass er vollkommen außer sich war. Ihretwegen. Weil er sie unbedingt haben musste. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Kein bisschen. Bitte. Hör nicht auf.« Es war wirklich eine inständige Bitte. Wenn er jetzt aufhörte, würde sie sterben. Seine Hände umfassten noch immer ihre Brüste und sie legte ihre Finger auf seine Handgelenke. Sie ließ sie über seine Arme nach oben gleiten und schwelgte in der Kraft, die er besaß. Sie hätte ihn so bis in alle Ewigkeit berühren können. Seine Hände lösten sich von ihrem Busen und legten sich einen kurzen Moment auf ihre Finger, dann riss er ihre Arme hoch, bis hinter ihren Kopf, und drückte sie aufs Bett. Angesichts der Wildheit, die er plötzlich ausstrahlte, und des leisen Knurrens, das er ausstieß, riss sie die Augen auf. Ihre Hände lagen jetzt flach auf der Matratze oberhalb ihres Kopfes, und er hielt sie fest, während er sich über sie beugte. Er drückte sie in die Matratze, sodass sie keine Möglichkeit hatte, sich zu rühren … sich zu wehren. Heiße Erregung schoss in ihren Unterleib und erzeugte ein Kribbeln auf ihrem Körper, bis sie das Gefühl hatte, man hätte ihr Drogen verabreicht. Sie war wie im Rausch. Er berauschte sie. Seine Kraft und die Kontrolle, die er über sie hatte. Seine Dominanz. Danach hatte sie sich gesehnt. Ihn auf sich zu spüren, tief in sich, während er die absolute Kontrolle besaß. Sie konnte noch nicht einmal Luft holen. Sie war ganz benommen vor freudiger Erregung und Euphorie. Er zog sich zurück und stieß dann wieder zu, sodass ihr Körper unter der Wucht seiner Bewegung zuckte. Sein Blick durchbohrte sie mit einer Intensität, die sie beben ließ. Seine Stimme klang kehlig und so höllisch sexy, als er die nächsten Worte hervorstieß. »Oh Gott, nein. Ich werde nicht aufhören. Nicht, nachdem ich so lange darauf gewartet habe, dich zu bekommen.« So lange darauf gewartet habe, dich zu bekommen. Gütiger Himmel. Allein diese Worte riefen fast schon die nächste Explosion in ihr hervor. Die Vorstellung, dass dieser Mann, ein Typ, der eigentlich unerreichbar für sie war, sich nach ihr verzehrt hatte, war verrückt. Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte sie sich zu der Vorstellung verstiegen, dass die Bindung möglicherweise gegenseitig sein könnte. Jetzt ging sie aber wirklich zu weit. Das Wort Bindung im Zusammenhang mit ihm war zu stark. Sie hatte keine Ahnung, was er für sie empfand oder ob er auch eine Bindung spürte, sie wusste nur, dass sie sehr lange Zeit davon geträumt hatte, genau da zu sein, wo sie jetzt war. Festgeklemmt unter seinem Körper, während sein Schwanz so tief in sie eintauchte, dass es ihr schleierhaft war, wie sie ihn überhaupt in sich aufnehmen hatte können. Sie würde nicht so weit gehen anzudeuten, dass er abnorm groß war. Er war nicht riesig, aber er war eindeutig größer als die ihrer früheren Liebhaber, und – Herrgott noch mal – Gabe wusste sehr genau, wie er mit dem, was er hatte, umzugehen hatte. Er ließ ihre Hände los, aber als sie auch nur andeutete, sie zu bewegen, warf er ihr einen – strengen – Blick zu und drückte sie wieder aufs Bett, ehe er sie erneut losließ. Es war ein unausgesprochener Befehl, und sie gehorchte, indem sie ihre Hände dort ließ, wo er sie hingelegt hatte. Sie heftete den Blick auf ihn, während sie atemlos darauf wartete, was er als Nächstes tun würde. Er griff nach unten, packte ihre Beine und legte sie um seine Taille. Und dann war da wieder dieser Blick. Dieser verführerische, fiebrige Blick, den er ihr zuwarf und der ihr sagte, dass sie ihre Beine genau da lassen sollte, wo er sie hingelegt hatte. Dann schob er seine Hände unter ihre Pobacken und begann, mit festen, wuchtigen Stößen in einem gleichmäßigen Rhythmus in sie einzudringen, sodass Wellen der Lust durch ihren Körper strömten. Instinktiv wollte sie nach ihm greifen. Sie brauchte etwas, an dem sie sich festhalten konnte, während er mit dieser Urgewalt seinen Besitzanspruch auf sie untermauerte. Doch er schoss nur wieder einen Blick in ihre Richtung und sein Kiefer spannte sich. Sie ließ die Hände wieder an die Stelle fallen, wo sie gelegen hatten. »Das nächste Mal binde ich sie fest«, presste er hervor. »Bring mich nicht dazu. Ich bestimme, wo’s langgeht. Du gehörst mir. Mit Haut und Haaren. Du wirst verdammt noch mal deine Hände erst bewegen, wenn ich es dir sage. Verstanden?« »Ja«, flüsterte sie. Ihr Körper war so angespannt, stand so kurz vor der Explosion, dass sie es gerade noch schaffte, Luft zu holen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, fast wollte ihr das Herz aus der Brust springen, das beim Anblick des unbeugsamen, harten Ausdrucks auf seinem Gesicht unregelmäßig pochte. Sein Blick war voller Verheißungen, sprach von all dem, was er mit ihr machen würde. All dem, was er sie machen lassen würde. Und, Gott stehe ihr bei … sie konnte es nicht erwarten. Er stieß wieder in sie und erschütterte ihren Körper mit der Wucht, mit der er in sie eindrang. Sie schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, um den Schrei zu unterdrücken, der sich ihrer Kehle entringen wollte. »Augen«, fuhr er sie an. »Auf mich, Mia. Immer auf mich. Du wirst nicht mit geschlossenen Augen kommen. Ich will alles sehen, was du hast, wenn ich in dir bin. Du wirst mich nie ausschließen.« Sie riss die Augen auf und richtete ihren Blick sofort auf ihn, während ihr ein lautes Keuchen entfuhr. Er zog sich zurück und stieß wieder zu, wobei seine Hände ihre Pobacken noch fester packten. Hinterher würde man bestimmt seine Fingerabdrücke sehen. Er hielt sie fest und spreizte sie noch weiter, während er immer schneller in sie eintauchte. Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten. Sie würde sich nicht mehr zurückhalten. Es war zu überwältigend. Es war zu … alles. »Sag meinen Namen, Mia. Wer besitzt dich? Wem gehörst du?« »Dir«, keuchte sie. »Gabe. Dir. Nur dir.« Genugtuung blitzte in seinen Augen auf. Ein besitzergreifender, wilder Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Die Anspannung war in jedem seiner Muskeln spürbar. »Das stimmt, Baby. Du gehörst mir. Du sagst meinen Namen, wenn du kommst.« Er schob eine Hand zwischen ihre Körper, fand ihren Kitzler und rieb ihn, während er weiter in sie stieß. »Komm«, befahl er. »Noch einmal. Gib es mir, Mia. Ich will spüren, wie du dich wie von Sinnen um mich zusammenziehst. So weich und seidig. So eng. Es ist einfach himmlisch.« Sie stieß einen lauten Schrei aus. Ihre Erregung hatte ein unvorstellbares Ausmaß erreicht. Die Explosion durchzuckte sie noch viel intensiver als zuvor. Er war tief in ihr. Unglaublich tief. So tief, dass sie nur noch seinen pochenden Schwanz in ihrer engen Scheide spürte. Seine Schenkel klatschten gegen ihren Schoß und brachten ihren gesamten Körper zum Zucken. Sie drückte den Rücken durch. Wollte mehr. Brauchte mehr. Und er stieß immer weiter zu, während sein Gesicht zu einer angespannten Maske erstarrte. »Meinen Namen«, knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Sag meinen Namen, wenn du kommst, Mia.« »Gabe!« Seine Augen funkelten triumphierend, während sie sich unter ihm wand und der Höhepunkt mit einem Beben durch ihren Körper schoss, dessen Heftigkeit sie nicht für möglich gehalten hätte. Schlaff, erschöpft, schwerelos sank sie aufs Bett zurück, während er weitermachte. Seine Bewegungen wurden langsamer, als wolle er jeden Augenblick genießen. Er schloss die Augen, als er erst tief und dann wieder sehr sacht in sie eindrang. Dann presste er die Lippen aufeinander und stieß erneut mit aller Kraft in sie. Tief. Fest. Plötzlich verharrte er, jeder einzelne Muskel in seinen Armen und seiner Brust spannte sich an. Seine Hände lösten sich von ihrem Hintern und glitten zu der Stelle, wo ihre Hände immer noch oberhalb ihres Kopfes lagen. Er drückte sie tief in die Matratze, als er sich auf sie sinken ließ, bis er ihren Körper fast gänzlich mit seinem bedeckte. »Du gehörst mir«, knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Nur mir.« Sie war ganz nass um ihn herum, als er pochend in ihr lag. Er stieß weiter zu und ergoss sich tief in ihr. Seine Erlösung schien nicht enden zu wollen. Sie konnte die Feuchtigkeit spüren, konnte das feuchte Glucksen hören, als er immer wieder in sie tauchte. Seine Brust hob und senkte sich und sein Atem strich heiß über ihren Hals. Er steckte immer noch fest verankert in ihr. Er war immer noch hart und steif, obwohl er doch so lange und so heftig gekommen war. Herrje, es fühlte sich so gut an. »Darf ich dich berühren?«, wisperte sie fragend. Sie musste ihn berühren. Sie konnte sich nicht länger zurückhalten. Es war ein überwältigender Drang, den sie nicht beherrschen konnte. Er antwortete nicht, löste jedoch seine Hände von ihr, was sie als schweigendes Einverständnis auffasste. Zögernd strich sie über seine Schultern und wurde mutiger, als er keine Einwände erhob. Sie ließ ihre Hände auf Wanderschaft gehen und schwelgte in der köstlichen Glut nach dem Höhepunkt. Ihre Finger glitten seinen Rücken hinab und wieder hinauf, als sie ihre Arme nicht weiter ausstrecken konnte. Sie streichelte ihn und verwöhnte ihn mit der gleichen Zärtlichkeit, die er ihr hatte angedeihen lassen. Er gab einen zufriedenen Seufzer von sich, bei dem sich ihr gesamter Körper zusammenzog, und er stöhnte, als ihr Schoß sein Glied fest umschloss. Dann drückte er ihr direkt unter dem Ohr einen Kuss auf den Hals. »Wunderschön«, flüsterte er. »Und alles meins.« Freude durchströmte sie, weil er sie wunderschön genannt hatte, aber vor allem, weil er seinen Besitz an ihr angetreten hatte. Für die Dauer ihres Arrangements – wie lange es auch währen mochte – war sie nun sein. Wahrlich sein. In einer Weise, in der nur wenige Frauen einem Mann gehörten. Es gab nicht eine einzige Stelle ihres Körpers, der er nicht seinen Stempel aufgedrückt hatte. Sie war müde, wund und zutiefst befriedigt. Sich zu bewegen, stand überhaupt nicht zur Debatte, und deshalb wartete sie ab; zufrieden, einfach nur dazuliegen und von ihm umhüllt zu werden, während er noch tief in ihr ruhte. 9 Gabe lag neben Mia und lauschte ihren leisen Atemzügen. Sie hatte sich warm und weich an ihn geschmiegt und ihn erfüllte eine merkwürdige … Zufriedenheit. Ihr Kopf ruhte auf seinem Arm, der allmählich taub wurde, aber er wollte sich nicht bewegen, weil ihm gefiel, wie sie sich an seine Seite kuschelte. Er war eigentlich kein Kuscheltyp. Seit seiner Ehe hatte er keine Zeit mehr auf innigliche Momente des Liebesspiels verschwendet. Zwar hatte er Frauen bei sich übernachten lassen, aber immer nur mit einer gewissen Distanziertheit, fast so etwas wie einer unsichtbaren Mauer zwischen ihm und der Frau, neben der er lag. Mia hatte ihm in dieser Hinsicht keine große Wahl gelassen. Kaum hatte er sich von ihr gelöst und sich und sie gesäubert, hatte sie sich an ihn gekuschelt und war eingeschlafen. Und er hatte nichts getan, um die Situation zurechtzurücken. Stattdessen lag er jetzt da und dachte über die Lebhaftigkeit ihrer Begegnung nach. Er wurde von Schuldgefühlen geplagt. Er hatte ihr versprochen, geduldig zu sein und sie ganz langsam in die körperlichen Aspekte ihrer Beziehung einzuführen. Er hätte bedächtiger vorgehen und sanfter mit ihr sein sollen. Er hätte sich besser unter Kontrolle haben müssen. Aber in dem Moment, in dem sie sein Appartement betreten hatte, hatte sich schlicht und ergreifend der urwüchsige Drang, sie haben zu müssen, unwiderstehlich in ihm ausgebreitet. Nichts an dieser sexuellen Begegnung war langsam oder sanft gewesen. Er hatte sie hart und mit einer Eile genommen, die er nicht einmal sich selbst erklären konnte. Er betrachtete ihre geschlossenen Augen, das zerzauste Haar und die Rundung ihrer Brüste, dicht an seinem Körper. Wenn seine erste Gier nach ihr nur gestillt war, so hatte er gedacht, würde er seiner offensichtlichen Besessenheit Herr werden können, würde er eine Beziehung mit ihr führen können, wie er sie von anderen Partnerschaften kannte. Aber diese erste Begegnung hatte die Heftigkeit seiner Erregung im Gegenteil nur noch gesteigert! Er wollte mehr. Sie zu nehmen, hatte sein brennendes Verlangen nach ihr kein bisschen gemindert. Er wollte sie noch mal. Verdammt! Er wollte sie jetzt. Vergessen waren all seine Versprechen, sie langsam in seine Lebensweise einzuführen, es mit seinen Forderungen langsam angehen zu lassen. Er wollte sie fesseln und vögeln, bis sie beide ohnmächtig wurden. Er wollte eine Million Dinge mit ihr tun und nichts davon war langsam oder würde ihr etwas erleichtern. Das Einzige, was er erleichtern wollte, war sich selber. In ihr. Aber das würde nicht so einfach sein. Er wollte sie hart nehmen, tief und lange in sie eindringen, bis sie absolut keinen Zweifel mehr daran hegte, dass sie ihm gehörte. Sie regte sich neben ihm und gab einen verschlafenen Laut von sich, während ihr Arm über seine Brust glitt. Seine Hand legte sich auf ihren Arm, um ihn zu streicheln. Das schlichte Bedürfnis, sie zu berühren, überwältigte ihn. Ihre Augen öffneten sich flatternd und sie sah mit verhangenem Blick zu ihm auf. »Wie lange habe ich geschlafen?« »Nicht lange. Vielleicht eine Stunde.« Unsicherheit trat in ihren Blick und sie setzte sich langsam auf. »Tut mir leid. Ich meine, ich hatte nicht die Absicht einzuschlafen. Ich sollte jetzt wohl besser gehen.« Er sah sie finster an und zog sie grob zurück, ehe er seine Hand über ihren Körper und die Rundung ihrer Brüste wandern ließ. Sie würde nirgendwo hingehen. Was an der Tatsache, dass sie ihm gehörte, hatte sie nicht verstanden? Ihm zu gehören, bedeutete nicht, gleich nach dem Orgasmus aus dem Bett zu krabbeln. »Ruf deine Mitbewohnerin an und lass sie ein paar Sachen einpacken, die du zum Übernachten brauchst. Ich werde einen Wagen hinschicken, um die Tasche abzuholen, und morgen kannst du dann zusammen mit mir zur Arbeit fahren.« Ein besorgter Ausdruck legte sich auf Mias Gesicht. »Wie sieht das denn aus, wenn wir zusammen zur Arbeit kommen?« Seine Miene wurde noch finsterer. »Es sieht so aus, als hätten wir uns zum Frühstück getroffen, um über deine neue Stelle zu reden, und als wären wir dann zusammen zur Arbeit gefahren. Mehr nicht.« Sie sagte nichts, nickte aber. »Nimm das Telefon neben dem Bett, und ruf Caroline an.« Er lockerte seinen Griff, sodass sie zur Seite rollen konnte. Er betrachtete sie eine Weile und ließ den Blick über ihren nackten Rücken und den runden Po wandern. Himmel, sie war wunderschön. Er zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden, drehte sich um und griff nach seinem Handy. Während sie im Hintergrund mit leiser Stimme mit ihrer Mitbewohnerin sprach, rief er schnell bei seinem Fahrer an und gab ihm die Anweisung, Mias Sachen aus der Wohnung abzuholen. Als er sich wieder umdrehte, saß Mia immer noch mit unsicherer, verlegener Miene auf dem Bett. Am liebsten hätte er sie unter sich gezogen und wäre tief in sie eingetaucht. Sein Penis war steif und hart, doch die Laken bauschten sich um seine Taille, sodass sie nicht sehen konnte, wie erregt er war. Was sie allerdings schon bald erfahren würde. Trotzdem wollte er sie nicht sofort unter sich ziehen. Und diesen seltsamen Umstand konnte er sich nicht erklären, zumal er von dem überwältigenden Verlangen erfüllt war, wieder in ihr zu sein – sobald er diese herrlichen Schenkel wieder spreizen und ihren schönen Schoß öffnen konnte. Bei jeder anderen Frau hätte er sein Verlangen entweder gestillt oder vorgeschlagen zu schlafen, um sich dann sofort abzuwenden und erst gar keine Innigkeit aufkommen zu lassen. Doch er stellte fest, dass er bei Mia andere … Bedürfnisse hatte. Bedürfnisse, die er nicht einmal verstand. Er wollte sie aber auch nicht analysieren oder zu tief erforschen. Er war sich nicht sicher, ob ihm gefallen würde, was er entdeckte. »Komm her«, sagte er und bot ihr seinen Arm an, damit sie sich wieder genauso hinlegen konnte wie vorher. Mia zog die Laken hoch und kuschelte sich an seine Seite, wobei sie den Kopf auf seine Schulter legte. Lange schwiegen sie beide, dann regte Mia sich und drehte den Kopf, sodass sie zu ihm aufschauen konnte. »Du wirst doch nicht von mir verlangen, dich mit mein Gebieter oder Ähnlichem anzusprechen, oder?« Er war erstaunt, doch als er sie ansah, bemerkte er ein schelmisches Funkeln in ihren Augen. Er schüttelte den Kopf; sie war witzig, und er stellte fest, dass er gern gelacht hätte. »Nein. Das klingt doch lächerlich, oder? Ich will doch gar nicht einen bestimmten Lebensstil nachmachen oder mich irgendwelcher Rollenklischees bedienen.« »Also auch kein Siezen? Kein ›Ja, Sir‹ oder ›Nein, Sir‹?« Er ging auf das verspielte Geplänkel ein und gab ihr einen Klaps auf den Po. Er fühlte sich wohl in ihrer Gegenwart und merkte, dass er ihn genoss, diesen Moment. Oder was auch immer es war. Er hätte sie einfach noch einmal vögeln sollen, und doch genoss er es, hier mit ihr im Bett zu liegen und sie beim Lächeln und Flirten zu beobachten. Verflixt, wenn er sie je dabei erwischte, dass sie dieses unschuldig verspielte Lächeln einem anderen Mann schenkte, würde er für nichts garantieren. »Du bist jetzt schon ein respektloser kleiner Fratz. Und nein, du sollst mich nicht siezen. Das wäre ja wie in alten Zeiten, als Kinder ihren Vater noch mit Sie ansprachen, und ich habe so schon genug Vorbehalte wegen unseres Altersunterschieds. Da will ich nicht auch noch jedes Mal daran erinnert werden.« Sie richtete sich auf, sodass ihr Haar über seine Brust fiel, als sie ihn anschaute. Oh Gott, sie war so schön. All dieses herrliche Haar, das sich über seine Brust ergoss. Plötzlich stand ihm gar nicht mehr der Sinn nach verspieltem Geplänkel, und wieder verspürte er das überwältigende Verlangen, sich auf sie zu schieben und sie noch einmal, vier Stunden lang, zu penetrieren. »Stört mein Alter dich so sehr? Wenn dem so sein sollte, warum willst du dann … das hier? Ich meine … das mit uns.« Er seufzte und beschloss resigniert, sich zumindest noch ein paar Minuten zurückzuhalten. Sein Schwanz schrie ihn förmlich an, aber Mia war in Plauderlaune, und für den Augenblick kam er ihr entgegen. »Früher hat es mich gestört, aber jetzt nicht mehr so sehr. Aber wir sind vierzehn Jahre auseinander. Du bist viel jünger als ich. Uns trennen Welten.« Sie runzelte die Stirn und ein nachdenklicher Ausdruck trat in ihre Augen. »Was überlegst du?«, fragte er, weil ihr Zögern ihn neugierig machte. Ihre Brust hob sich, als sie tief Luft holte. »Du hast angedeutet, dass du mich … schon lange wolltest. Wie lange, Gabe?« Er schwieg einen Moment, während er überlegte, wie er es in Worte fassen sollte. Die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, bereitete ihm Unbehagen, aber er sah ihren fragenden Blick. Er konnte ihr schlecht eine Antwort verweigern, wenn er sie doch ermutigt hatte, Fragen zu stellen. »Ich glaube, das war nach deiner Rückkehr aus Europa … als du dein Studium unterbrochen hattest, um ins Ausland zu gehen. Ich hatte dich vorher nie viel gesehen. Nur manchmal, wenn du mit Jace zusammen warst oder Ferien hattest. Und dann hattest du das College beendet. Von da an sah ich dich nicht mehr als Mädchen, als Jace’ kleine Schwester. Ich sah eine begehrenswerte Frau. Eine Frau, die ich haben wollte. Es erwischte mich völlig unvorbereitet.« »Warum jetzt?«, fragte sie leise. »Wenn nicht damals, warum dann jetzt?« Die einzige Antwort, die ihm darauf einfiel, war der Moment, in dem er sie zufällig auf der Straße erblickt und das Foto gemacht hatte. Es war wie ein Faustschlag in die Magengrube gewesen. All das Verlangen, das er so lange unterdrückt hatte, war mit aller Macht hervorgebrochen. Sie war wie ein Stachel unter der Haut, den er nicht loswerden konnte. Sogar jetzt, nachdem er mit ihr geschlafen hatte, war der Druck nicht weniger geworden. Sein Verlangen war wenn möglich sogar noch größer als je zuvor. »Die Zeit war gekommen«, erklärte er schlicht. »Und du, Mia? Wann ist dir aufgegangen, dass du mich willst?« Sie errötete und wandte den Blick ab, während die Verlegenheit ihre Wangen rosig färbte. »Ich habe schon als Teenager für dich geschwärmt. Ich habe jahrelang von dir geträumt, aber du warst immer völlig unerreichbar für mich.« Etwas an ihrem Tonfall beunruhigte ihn. Er war bestürzt, weil er plötzlich erkannte, was für eine katastrophale Entwicklung das Ganze unter Umständen nehmen würde, wenn sie nicht in der Lage war, ihre Gefühle und die körperliche Beziehung fein säuberlich voneinander zu trennen. Vielleicht war das der Grund, warum er sich so lange zurückgehalten hatte. Abgesehen vom Altersunterschied gab es da noch die Tatsache, dass sie ein Mädchen war. Eine junge Frau, die nicht über die emotionale Erfahrung der anderen Frauen verfügte, mit denen er sich sonst abgegeben hatte. »Verlieb dich nicht in mich, Mia«, warnte er sie. »Betrachte das Ganze hier nur als das, was es ist. Nicht mehr. Ich will dir nicht wehtun.« Sie presste die Lippen ärgerlich aufeinander und runzelte die Stirn. Sie lehnte sich zurück und brachte so mehr Abstand zwischen sich und ihn. Das gefiel ihm nicht. Er wollte sie ganz nah bei sich haben. Sie sollte ihn berühren, sodass er ihre weiche Haut und ihre Wärme an seiner Haut spüren konnte. Er setzte sich auf, schlang einen Arm um sie und zog sie zurück, sodass sie wieder auf seiner Brust landete. Das gefiel wiederum ihr nicht. Zu dumm. Sie konnte sagen, was immer sie wollte, solange er sie dabei berühren konnte. Wütend verzog sie den Mund. Das war süß und bezaubernd, aber er würde sie nur noch wütender machen, wenn er ihr das sagte. Es zuckte um seine Mundwinkel und seine Lippen drohten, sich zu einem Lächeln zu verziehen, aber er unterdrückte diesen Drang und sah sie erwartungsvoll an, während er wartete, was sie zu sagen hatte. »Das ist ganz schön überheblich, Gabe. Um nicht zu sagen arrogant und eingebildet. Du hast deine Erwartungen bezüglich unseres Arrangements sehr deutlich formuliert. Ich bin nicht dumm. Gehst du wirklich davon aus, dass sich jede Frau, die du kennenlernst, Hals über Kopf in dich verliebt und nicht mehr ohne dich leben kann?« Er verlor den Kampf gegen sein Lächeln, und sie wirkte nicht gerade erfreut, als sie es sah. Sie glich einem wütenden kleinen Kätzchen, das gerade erst Krallen bekommen hatte. Erleichterung machte sich in ihm breit. Ja, er hatte keine Mühen gescheut, um sicherzustellen, dass ihr alle Bedingungen ihrer Vereinbarung bewusst waren, aber die Vorstellung, ihr wehzutun, gefiel ihm immer noch nicht. Und seine Freundschaft mit Jace würde sich auch nie wieder erholen, wenn er Mia das Herz brach. Er wollte ihr nicht das Herz brechen. Sie war mehr für ihn als eine Frau, mit der er Sex hatte. »Ich hab’s begriffen«, gab Gabe nach. »Ich werde es nicht wieder erwähnen.« Sie sah ihn wieder leicht verärgert an und sorgte erneut für Abstand zwischen ihnen, indem sie sich aus seinen Armen löste. Verdammt, nein. Er zog sie zurück, sodass sie wieder schwungvoll auf seiner Brust landete und ihr Mund nur Zentimeter von seinem entfernt war. Er küsste sie und knurrte, als er feststellte, dass ihre Lippen fest und unnachgiebig blieben. Er ließ seine Hand über ihren Unterleib hinab zum samtig-weichen Fleisch ihrer Weiblichkeit gleiten. Er rieb so lange über ihren Kitzler, bis sie keuchte und seiner Zunge Einlass in ihren Mund gewährte. »Das ist schon besser«, raunte er an ihrem Mund, ehe er aufs Neue über ihre süßen Lippen herfiel. »Was ist mit deinem Fahrer?«, keuchte sie zwischen zwei Küssen. »Wir haben Zeit.« Er griff nach ihren Hüften, hob sie hoch und setzte sie rittlings auf seine Oberschenkel. Er zerrte an den Laken und schob sie weg. Sein Verlangen nach ihr war zu mächtig. Es schmerzte. »Stütz dich auf meinen Schultern ab und stemm dich hoch«, knurrte er. Als sie gehorchte, packte er seinen Schwanz und legte die andere Hand an ihre Hüfte, um sie zu seiner steil aufgerichteten Männlichkeit zu führen. »Reite mich, Mia.« Sie wirkte so verunsichert, dass er beide Hände an ihre Taille legte und sich dann emporstieß, sodass er tief in sie eindrang. Er hielt sie weiter fest, gab den Rhythmus vor und half ihr dann, ihren eigenen Rhythmus zu finden. Er wusste, dass es schnell gehen würde, es würde heiß sein und völlig außer Kontrolle. In Bezug auf sie schien er nicht einmal mehr die geringste Kontrolle über sich zu haben. »So ist’s gut, Baby«, hauchte er. »Perfekt.« Er lockerte seinen Griff, als sie mehr Selbstvertrauen gewann und die Führung übernahm. Sie umschloss ihn heiß, nass und seidenweich mit ihrem Schoß. Und war so eng wie ein Schraubstock. Er war wahrlich ein Dreckskerl, aber er stand kurz davor zu kommen und wusste, dass sie längst noch nicht so weit war. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, beugte sie sich nach unten, um ihn das erste Mal aus eigenem Antrieb zu küssen. Oh Gott, das war so schön. Er konnte sie auf seiner Zunge schmecken, konnte die üppige Weichheit ihrer Lippen spüren. Verflucht, ja, sie gehörte ihm. Daran bestand kein Zweifel. Und er hatte nicht vor, von ihr abzulassen, bevor er nicht vollkommen befriedigt war. »Warte nicht auf mich«, wisperte sie. Er legte die Hände an ihre Wangen und hielt ihren Kopf fest, während ihre Münder miteinander verschmolzen. Er schob die Hüften vor und wollte mehr, als sie sich erhob und dann auf seinem Schwanz wieder nach unten sinken ließ. Er nahm die Hände von ihrem Gesicht und packte ihre Hüften. Er wusste, dass seine Fingerabdrücke am nächsten Morgen wie Brandmale auf ihrer Haut zu sehen sein würden. Aber die Vorstellung heizte sein Verlangen nur noch mehr an, bis es zu einem lodernden Flammenmeer wurde, das ihn innerlich verzehrte. Er kam mit der Gewalt eines Vulkanausbruchs und die Erlösung war in ihrer Heftigkeit fast schon schmerzhaft. Er schaffte es kaum, einen Schrei zu unterdrücken … einen Siegesschrei voller Genugtuung. Als hätte er gerade die Beute erlegt. Sie war hier, in seinen Armen und er war tief in ihr vergraben. Sie war sein. Kein Warten mehr. Keine urwüchsige Besessenheit mehr. Er hatte sie vollständig in Besitz genommen, und nun war sie ihm ausgeliefert, sodass er mit ihr machen konnte, was er wollte. Verrückte Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. Seine Fantasie ging mit ihm durch. Vor seinem inneren Auge sah er sie an Händen und Füßen gefesselt, während er seine Lust an ihr stillte, sie von hinten nahm, in ihren Mund eindrang und sie so lange zu seinem willfährigen Opfer machte, bis sie keinen anderen Gedanken mehr hatte als den, dass sie ihm gehörte. Er schlang die Arme um sie und zog sie an sich, bis sie eng an seiner Brust lag. Seine schweren Atemzüge ließen auch sie beben und ihr Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Er ließ eine Hand nach unten sinken und umfasste ihren Po, während er wieder die Hüften an sie drängte, um noch tiefer in sie einzudringen und so innig wie möglich mit ihr verbunden zu bleiben. Gott behüte, er war machtlos gegen dieses übermächtige Verlangen. Er hatte noch nie etwas Vergleichbares erlebt und war sich nicht sicher, ob es ihm gefiel. Es beunruhigte und verunsicherte ihn, sodass er seine Absichten noch einmal hinterfragte. Er war ein egoistischer Drecksack. Das stand völlig außer Frage. Er holte sich sein Vergnügen und nahm sich, was er wollte. Immer. Aber Mia löste bei ihm den Wunsch aus … besser zu sein. Er wollte nicht die ungestüme Bestie sein, die nahm, ohne zu geben. Er wollte sanft mit ihr umgehen und ihre Lust über seine stellen. Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt wusste wie, aber – verdammt noch mal – er wollte es versuchen. Wenn sie nach der heutigen Nacht nicht aus seinem Bett floh, würde ihn das sehr wundern. Er war nicht nur einmal, sondern gleich zweimal über sie hergefallen. Hatte sie fast brutal und rücksichtslos genommen und beim zweiten Mal war sie noch nicht einmal befriedigt worden. Er schloss die Augen und versuchte, sich zu sammeln. Mia lag auf ihm, seine Arme waren mit süßer, weicher Weiblichkeit gefüllt. Schließlich wälzte er sich auf die Seite und glitt aus der heißen Umklammerung ihres Schoßes. Unbeholfen küsste er sie auf die Stirn. Er wusste nicht, was er sagen sollte, und deshalb sagte er gar nichts, als er aus dem Bett stieg. Ihr Blick folgte ihm, bis er nackt neben dem Bett stand. Er wusste ihren Blick nicht zu deuten. Es lag kein Urteil darin, keine Verdammnis, aber er sah auch keine Zustimmung. Sie sah ihn einfach nur an, und dieser nachdenkliche Blick brachte seine Haut zum Kribbeln. Er drehte sich um und griff nach seiner Kleidung. »Bleib hier«, sagte er. »Ich hole deine Sachen rein, sobald sie nach oben gebracht werden.« »Okay«, erwiderte sie leise. Er zog seine Jeans an und wusste, dass er wie ein Wrack aussehen musste. Nichts war mehr da von der distanzierten, unerreichbaren Fassade, die er sonst immer zur Schau stellte. Er wollte nicht, dass irgendjemand ihn so sah. Schon gar nicht Mia. 10 Gesättigt, warm eingehüllt und mit lebhaften Träumen von Gabe vor Augen war Mia eingenickt. Doch dann wurde sie aus dem Schlaf gerissen, als ein sehr realer Gabe die Decke wegzog, die sie sich bis zum Kinn hochgezogen hatte. In seinen durchdringenden blauen Augen lag wieder dieser Blick, dieser absolut herrliche Blick, bei dem ihr Unterleib sich sofort zusammenzog und sie unvermittelt die Schenkel schloss, um den Schmerz zu lindern, der sich bemerkbar machen wollte. »Auf die Knie.« Heiliger Bimbam. Aber so, wie er den Befehl aussprach, wurde sie sofort schwach. Sie war sich nicht ganz sicher, was er meinte. Wollte er, dass sie sich wirklich auf den Knien aufrichtete? Oder meinte er auf alle viere? Und wenn er Letzteres meinte … Sie bebte, als sie sich vorstellte, welche Möglichkeiten sich ergaben, wenn sie auf allen vieren war. Als er sichtlich ungeduldig die Stirn runzelte, wälzte sie sich schnell vom Rücken auf die Seite und dann auf den Bauch. Ehe sie auf die Knie kommen konnte, drückte er seine Hand auf ihren Rücken, sodass sie flach auf der Matratze liegen blieb. »Bleib einen Moment so. Es wird leichter sein, wenn ich es jetzt mache.« Jetzt was mache? Ihr Herz hämmerte gegen die Matratze und sie kniff die Augen zusammen. Sie nahm an, dass es in Ordnung war, die Augen zu schließen, wenn sie ihn nicht ansah. Sanft zog er erst ihre eine und dann die andere Hand nach hinten, bis beide in Höhe der Taille auf ihrem Rücken lagen. Sie riss die Augen auf, als sie merkte, dass er … ein Seil … um ihre Gelenke wickelte und sie fesselte. Verdammt, verdammt, verdammt. Das mit den Fesselspielen im Vertrag hatte er also ernst gemeint! Sie merkte nicht, wie sehr sie sich verkrampft hatte, bis Gabe sich über sie beugte und mit den Lippen über ihr Ohr strich. »Entspann dich, Mia. Ich werde dir nicht wehtun. Das weißt du.« Das gewisperte Versprechen löste die Verkrampfung, und sie verschmolz förmlich mit dem Bett, ihr Gehirn aber war völlig überlastet. Sie war erregt, nervös, verängstigt, vor allem aber erregt. Ihre Sinne befanden sich in erhöhter Alarmbereitschaft. Ihre Brustwarzen waren steif und bohrten sich in die Matratze, während ihr Schoß sich wie im Krampf zusammengezogen hatte und vor freudiger Erwartung zitterte. Er zog ihren Po hoch, sodass ihre Knie unter ihrem Leib lagen, und rückte sie dann in eine Stellung, bei der ihre Wange auf der Matratze lag, während ihr Po mit den auf dem Rücken zusammengebundenen Händen hoch in die Luft ragte. Er streichelte beruhigend über ihren Hintern, ehe sein Finger in ihrer Poritze nach unten glitt und genau über ihrem Anus zum Halten kam. Seine Stimme war rau, und sie merkte ihm die Anspannung an, als er sprach. »Ich freue mich schon darauf, in deinem süßen Hintern zu versinken, Mia. Und ich werde es tun. Jetzt bist du noch nicht bereit dafür, aber du wirst es sein, und ich werde dann jede Sekunde genießen, die ich bis zu den Eiern in deinem hübschen Hintern stecke.« Sie zitterte unkontrolliert und ihr Körper war mit Gänsehaut bedeckt. »Jetzt werde ich deine Höhle erforschen, während du deinen Hintern hochreckst, und mir dabei vorstellen, dass ich in deinem anderen engen Loch bin.« Heiße Lust durchströmte sie, und sie biss sich auf die Unterlippe. Ihr war unerträglich heiß, sie war erregt und wartete sehnsüchtig darauf, von ihm berührt und geritten zu werden. Die Matratze gab unter ihr nach, und sein Körper drängte sich an sie. Seine Hände glitten über ihren Rücken nach oben und wieder nach unten zu ihren gefesselten Händen. Er strich über ihre verkrampften Finger und zupfte dann vorsichtig am Seil, als wolle er prüfen, ob sie auch ordentlich gefesselt war. Sie konnte nicht atmen, konnte die Empfindungen, die auf sie einstürmten, nicht verarbeiten. Sie war völlig hilflos, und trotzdem wusste sie, dass ihr nichts passieren, dass er sie nicht verletzen würde. Er würde nicht zu weit mit ihr gehen. Eine Hand legte er fest um ihre gefesselten Handgelenke, die andere glitt zwischen ihre Beine zu ihrer Scham. Dann ließ er sie gerade lange genug los, um seinen Schwanz in die richtige Position zu bringen und die Spitze quälend langsam nur einen Zentimeter eindringen zu lassen. »Du bist so verdammt schön«, erklärte er mit heiserer Stimme. »In meinem Bett, auf den Knien und mit auf dem Rücken gefesselten Händen hast du keine andere Wahl, als alles zu akzeptieren, was ich mit dir mache.« Fast hätte sie vor Enttäuschung geschrien. Sie stand schon kurz vor der Explosion, und er hatte bisher nicht mehr gemacht, als einfach nur mit der Schwanzspitze in ihr zu verharren. Sie versuchte, sich an ihn zu drängen, um ihn dazu zu bringen, tiefer in sie einzudringen. Sie riss den Mund auf, als er ihr einen festen Schlag auf den Hintern verpasste. Dann kicherte er. Er lachte! »So ungeduldig«, meinte er amüsiert. »Wir machen das auf meine Weise, Mia. Du vergisst so schnell. Ich sehne mich genauso sehr wie du danach, in dir zu sein, aber ich genieße jede Sekunde, die du gefesselt in meinem Bett liegst. Sobald mein Schwanz in dir ist, wird es nicht lange dauern, deshalb will ich jede Sekunde genießen.« Sie schloss die Augen und stöhnte. Er kicherte wieder und drang dann noch einen Zentimeter mehr in sie ein, wobei er sie weit dehnte, sodass sie ihn bald ganz in sich aufnehmen konnte. Sie seufzte angespannt und erwartungsvoll, während ihr gesamter Körper zitterte und bebte und ihr Schoß an seinem Schwanz saugte, damit er tiefer eindrang. Sie wollte ihn ganz. Sie wollte ihn. »Willst du alles von mir haben, Mia?«, fragte er mit rauer Stimme, die ihre Haut zum Kribbeln brachte. Oh Gott, ja. »Ja«, krächzte sie. »Ich kann dich nicht hören.« »Oh Gott, ja!« »Bitte mich lieb und nett«, forderte er sie mit samtweicher Stimme auf. »Bitte mich um das, was du willst, Baby.« »Ich will dich«, sagte sie. »Bitte, Gabe.« »Willst du mich oder willst du meinen Schwanz?« »Beides«, erwiderte sie mit erstickter Stimme. »Eine gute Antwort«, murmelte er, ehe er sich über sie beugte und einen Kuss auf ihr Rückgrat hauchte. Sein Griff an ihren gefesselten Handgelenken wurde fester und er stieß zu. Sie keuchte, riss die Augen auf, und aus ihrem geöffneten Mund drang ein lautloser Schrei, der durch ihren Kopf hallte. »Eine verdammt gute Antwort«, flüsterte er, diesmal dichter an ihrem Ohr. Sein Körper bedeckte sie, hüllte sie ein und drückte gegen ihre gefesselten Hände. Sie zuckte, bäumte sich auf und war nicht in der Lage, ihr Verlangen nach mehr zu zügeln. Nie hätte sie sich vorstellen können, so viele Orgasmen in einer Nacht zu haben. In nur wenigen Stunden! Das war so überwältigend, so völlig jenseits ihrer wildesten Träume, die sie von Gabe gehabt hatte, dass sie zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war. Schließlich zog er sich zurück, glitt mit seinem Schwanz durch ihr geschwollenes, feuchtes Fleisch, bis die äußerste Spitze gerade noch ihren Eingang berührte. »Gabe, bitte!« Sie flehte ihn an. Sie klang heiser und verzweifelt, aber das war ihr egal. Es war ihr egal, ob sie damit die Regeln brach, es war ihr egal, ob sie sich damit einen Verweis einhandelte. Oh Gott, sie hoffte sogar, dass er ihr wieder einen festen Klaps auf den Hintern gab, denn alles, absolut alles würde sie in diesem Moment über die Schwelle zur Besinnungslosigkeit befördern. »Schsch, Baby«, beruhigte er sie mit dieser verführerisch heiseren Stimme, die allein durch ihren Klang eine Frau zum Orgasmus brachte. »Ich werde mich jetzt um dich kümmern. Vertraue mir, dass ich das für dich tue.« »Ich vertraue dir, Gabe«, wisperte sie. Sie wandte den Kopf und sah wilde Genugtuung in seinen Augen aufblitzen. Fast schien es so, als hätten diese schlichten Worte einen Nerv bei ihm getroffen. Sie hatten ihm gefallen. Mit beiden Händen packte er ihre Handgelenke und verstärkte den Druck noch ein wenig mehr, obwohl Mia gar nicht in der Lage gewesen wäre, sie zu bewegen. Er benutzte ihre Hände, um sich daran festzuhalten und stieß zu. Es waren tiefe, feste, lange Stöße. Sie begann am gesamten Körper zu zittern. Ihre Beine wurden schwach von der Anstrengung, sich hochzustemmen. Ihre Knie bohrten sich in die Matratze, und sie spürte, wie sie immer mehr in sich zusammensackte. Ihre Muskeln erschlafften und begannen unter der kurz bevorstehenden Explosion zu zucken. Tief in ihrem Unterleib setzte ein Flattern ein, breitete sich aus und strömte in ihre Adern. Er war wie eine Droge. Er glitt in trägem Fluss durch ihren Körper und berauschte sie mit herrlicher, atemberaubender Lust. Ein leises Stöhnen war zu hören, und sie merkte, dass es aus ihrem Mund kam. Sie war nicht in der Lage, es zu unterdrücken. Es kam tief aus ihrem Innern, aus einem Teil ihres Körpers, der bisher verschlossen gewesen war. Eine Hand löste sich von ihren Handgelenken und schob sich in ihr langes Haar. Er schlang eine dicke Strähne um seine Finger, als gefiele es ihm, die seidigen Locken zu berühren. Dann wurde sein Griff fester, viel fester. Er zog leicht an ihren Haaren, ließ sie wieder los und schob seine Hand gleich wieder, diesmal dichter an ihrem Kopf in ihr Haar. Er schloss die Finger zur Faust und zog, bis ihr Kopf sich in einem Winkel befand, aus dem er ihr ins Gesicht sehen konnte. »Augen, Mia.« Es war ein scharfer Befehl, ein Befehl, den sie nicht missachten konnte. Sie öffnete die Augen. Sie konnte ihn am Rande ihres Blickfeldes sehen und der Ausdruck auf seinem Gesicht raubte ihr den Atem. Er hatte etwas Wildes an sich. Seine Augen funkelten, während ihr gesamter Körper unter der Wucht seiner Stöße bebte. Jedes Mal, wenn er sich aus ihr herauszog, wurde ihr Kopf etwas weiter nach hinten gerissen, weil seine Hand so fest in ihrem Haar verankert war. Es tat nicht weh. Oder vielleicht tat es das doch und sie war nur vor Lust so außer sich, dass sie es nicht merkte. Es erregte sie, wie er die Hand in ihrem Haar vergraben hatte, wie er ihren Kopf zurückzog, damit er sehen konnte, wenn sie kam. Er wollte ihre Augen sehen. Und so drehte sie ihren Kopf noch ein kleines Stückchen weiter, damit er auch wirklich sah, was er sehen wollte, und richtete den Blick auf die Schönheit seines Gesichts. Dieses kantige, so männliche Gesicht, das sich vor lauter Genugtuung und tiefer Befriedigung verzog. Lust. Die gab sie ihm. Ihre Blicke trafen sich und ließen einander nicht mehr los. Was sie in seinen Augen sah, traf sie im tiefsten Innern, als hätte ein Schuss ihre Seele getroffen. Hier sollte sie sein. Hier gehörte sie hin. Genau hier, in Gabe Hamiltons Bett. Ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das war es, wonach es sie verlangte. Und das gehörte ihr. »Wie nah?«, fragte Gabe mit gepresster Stimme. Verwirrt sah sie ihn an. Seine Stimme wurde sanfter. »Wie nah stehst du davor zu kommen, Baby?« »Oh Gott, ich bin kurz davor«, keuchte sie. »Dann komm für mich, meine Schöne. Lass es mich in deinen Augen sehen. Ich liebe den Anblick, wenn sie ganz verhangen werden. Du hast so ausdrucksvolle Augen, Mia. Man kann dir direkt in die Seele schauen, und ich bin verdammt noch mal der einzige Mann, der sie sieht, wenn du kommst. Verstanden?« Sie nickte. Der Kloß in ihrem Hals war zu groß, als dass sie hätte sprechen können. »Sag es«, verlangte er mit leiser Stimme. »Sag, dass deine Augen mir gehören.« »Sie gehören dir«, wisperte sie. »Nur dir, Gabe.« Der Griff in ihrem Haar lockerte sich, und langsam zog er seine Hand zurück, sodass die Strähnen durch seine Finger glitten, bis er die Spitzen erreichte. Dann strich die Hand sanft und warm über ihr Rückgrat nach unten. Er schlang den Arm um ihre Taille, während seine Finger noch weiter nach unten zu der Stelle glitten, wo ihre Schenkel zusammenkamen. Er strich über ihren Kitzler, und sie schrie auf, als ein Stromschlag durch ihren Körper schoss. »Das ist es, Baby. Lass los. Gib es mir. Ich will alles, Mia. Alles, was du hast. Es gehört mir. Gib es mir jetzt.« Er stieß wieder zu, und seine Hüften knallten gegen ihren Hintern, während er mit den Fingern über ihren strammen Kitzler strich. »Oh Gott«, hauchte sie. »Gabe!« »Du lernst schnell, Baby. Mein Name, deine Augen, wenn du kommst.« Beinahe hätte sie den Blickkontakt abgebrochen. Alles verschwamm vor ihren Augen. Sie schrie seinen Namen und erkannte dabei ihre eigene Stimme nicht wieder. Sie war heiser, laut, nie hatte sie sich so angehört. So voller Verlangen, sehnsüchtigem Verlangen. Sie flehte ihn damit an, ihr zu geben, was sie brauchte. Und das tat er. Er nahm sich ihrer an. Gab ihr, was sie wollte. Was sie brauchte. Ihn. Sie wurde heiß und glitschig um ihn herum, als ihr Schoß in seiner Erlösung badete. Sie war nicht mehr in der Lage, den Blickkontakt zu halten, erschlaffte und legte die Wange auf die Matratze. Sie hatte nicht mehr die Kraft, den Kopf zu drehen und sei es ein auch noch so kleines Stück. Sie schloss die Augen und wusste nicht einmal mehr, ob sie noch bei vollem Bewusstsein war, weil sie an einem anderen Ort schwebte, als wäre sie betrunken. Doch es war der wunderschönste Ort auf der ganzen Welt. Sie schwebte. Voller Euphorie. Vollständig gesättigt. Und glücklich. Zutiefst befriedigt. Doch es kam keine Rüge. Da waren nur sanfte Küsse, die sich über ihr Rückgrat einen Weg nach oben zu ihrem Ohr suchten. Leise Worte, die sie nicht verstand, wurden an ihrem Ohr geraunt. Dann zog er sich zurück und sofort erhob sie Einspruch. Sie wurde rau aus der warmen Benommenheit gerissen und ihr war ohne ihn sofort kalt. Sie fühlte sich beraubt. »Schsch, Baby«, flüsterte er. »Ich muss dich losbinden und mich jetzt um dich kümmern.« »Mmmm«, war alles, was sie hervorbringen konnte. Es klang so schön. Dass er sich um sie kümmern wollte. Das gefiel ihr. Kurz darauf waren ihre Hände wieder frei, und Gabe nahm jede einzeln hoch, um sie sanft zu massieren und dann langsam einen Arm nach dem anderen aufs Bett zu legen, bis sie bequem lag. Dann drehte er sie um, zog sie nach vorn und in seine Arme. Er trat vom Bett zurück, hob sie hoch und drückte sie an seine Brust. Sie lag zusammengerollt in seinen Armen, schmiegte sich an ihn und schlang die Arme so fest um seinen Hals, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Himmel, sie fühlte sich so verletzlich. So … offen. Sie war aufgewühlt von dem, was heute Nacht passiert war. Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass sie Sex haben würden. Aber das hier? Das war nicht nur Sex gewesen. Wie konnte ein kleines, aus drei Buchstaben bestehendes Wort, das auf jede Art von Liebesspiel angewendet wurde, dieses wilde, lodernde Inferno beschreiben, das hier gerade stattgefunden hatte? Es war weltbewegend gewesen. Sie hatte durchaus schon guten Sex gehabt, weltbewegenden Sex aber noch nie. Er brachte sie ins Badezimmer und drehte das Wasser in der Dusche an, bis Dampf aus der Kabine drang. Dann trug er sie hinein und während er sie unter dem Strahl immer noch fest an sich drückte, ließ er sie an seinem Körper nach unten gleiten. Als er sicher war, dass sie fest auf ihren Füßen stand, löste er sich kurz von ihr, um nach der Seife zu greifen. Dann seifte er jeden Zentimeter ihres Körpers mit seinen Händen ein. Keine Stelle ihres Körpers, die er nicht berührte, nicht streichelte … er nahm sich jedes Zentimeters ihrer Haut an. Als er fertig war, konnte sie sich kaum mehr aufrecht halten. Er trat zurück, um aus der Dusche zu steigen, und sie wäre fast umgekippt. Mit einem Satz war er wieder bei ihr, fluchte leise und nahm sie wieder hoch, um sie sofort auf die breite Ablage neben dem Waschbecken zu setzen, ehe er nach einem der zusammengefalteten Badetücher auf dem Regal neben der Dusche griff. Er hüllte sie in die weiche Wärme des Badelakens. Sie seufzte und legte die Stirn an seine feuchte Brust. »Mir geht’s gut«, murmelte sie. »Trockne dich ab. Ich bleibe einfach hier sitzen.« Als sie aufschaute, sah sie, dass er lächelte und seine Augen vor Erheiterung funkelten. Trotzdem behielt er sie fürsorglich im Auge, während er hinter sich griff und ein Laken für sich aus dem Regal nahm. Das Abtrocknen seines Körpers war schnell erledigt, aber sie genoss jede einzelne Sekunde der Vorführung. Der Mann war schön. Einfach herrlich. Und sein Hintern erst. Sie hatte seinem Hintern eigentlich kaum Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie sich eher auf den vorderen Bereich und einen bestimmten anderen Teil seiner Anatomie konzentriert hatte. Denn der Mann hatte einen schönen Schwanz. Tja, es war schon etwas eigenartig, einen Penis schön zu finden, weil sie in Wirklichkeit eigentlich ziemlich hässlich waren. Außer bei Gabe. Er war schön und perfekt geformt. Sogar sein Penis. Sie hatte plötzlich ein paar ziemlich lebhafte Fantasievorstellungen davon, ihn in den Mund zu nehmen. Ihn zu schmecken. Ihn genauso verrückt zu machen, wie er sie. »Woran zum Teufel denkst du denn jetzt gerade?«, murmelte Gabe. Sie blinzelte verwirrt und merkte, dass er direkt vor ihr stand. Er war zwischen ihre Beine getreten und sah sie jetzt mit fragendem Blick an, während er ihr Gesicht musterte. Hitze stieg in ihre Wangen, was wahrlich dämlich war angesichts der Tatsache, dass sie in den vergangenen Stunden atemberaubenden Sex gehabt hatte und jetzt doch tatsächlich bei dem Gedanken daran, ihm einen zu blasen, errötete. Sie war in der Tat ein hoffnungsloser Fall. »Muss ich darauf wirklich eine Antwort geben?«, platzte es aus ihr heraus. Er zog eine Augenbraue hoch und sah sie amüsiert an. »Ja, das musst du wirklich. Und erst recht, nachdem du vor Verlegenheit auch noch rot geworden bist.« Sie seufzte und ließ die Stirn an seine Brust fallen. »Ich habe dich einer Musterung unterzogen.« Er packte ihre Schultern und drückte sie nach hinten, sodass er ihr in die Augen schauen konnte. »Das ist alles? Du hast mich einer Musterung unterzogen, und das war dir peinlich?« Sie zögerte und stieß dann wieder einen Seufzer aus. »Du hast einen wirklich prachtvollen Schwanz, okay? Ich habe ihn bewundert.« Er unterdrückte ein Lachen. Na ja, fast. Er gab einen erstickten Laut von sich und sie stöhnte. Ehe sie der Mut verlassen konnte, stieß sie den Rest hervor. »Und ich habe mir vorgestellt …« Sie konnte spüren, wie ihre Wangen noch heißer wurden. Da trat Gabe dichter an sie heran und spreizte ihre Schenkel noch weiter, während er sich an sie drängte. Er hob ihr Kinn mit einem Finger und durchbohrte sie fast mit seinem Blick. »Was hast du dir vorgestellt?« »Dich in den Mund zu nehmen«, flüsterte sie. »Dich zu schmecken. Dich genauso in den Wahnsinn zu treiben, wie du es mit mir machst.« Sein gesamter Körper spannte sich an. Begehren flammte in seinem Blick auf. Wie ein Inferno. »Du bekommst noch die Gelegenheit dazu, Baby. Das kann ich dir garantieren.« Wieder strömte eine wahre Bilderflut durch ihren Kopf. Sehr lebhafte Bilder von ihren Lippen, die um seinen riesigen Schwanz lagen. Bilder, wie sie jeden Zentimeter seiner Männlichkeit ableckte. Er senkte den Mund auf ihre Lippen und drückte einen zärtlichen Kuss darauf. »Wir müssen jetzt ein bisschen schlafen«, murmelte er. »Ich hatte nicht vor … ich hatte heute Abend nicht so weit gehen wollen. Du wirst morgen bei der Arbeit müde sein.« Letzteres sagte er in einem fast bedauernden Tonfall. Er streichelte ihr Kinn und strich mit der Rückseite der Finger über ihre Wange. Dann gab er ihr noch einen Kuss. Einen von diesen liebevollen, zärtlichen Küssen, der in völligem Widerspruch zu der wilden, unkontrollierten Raserei stand, die er zuvor gezeigt hatte. »Jetzt komm, Baby«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ich bringe dich ins Bett, damit du zumindest ein paar Stunden Schlaf bekommst.« 11 Mia öffnete die Augen und erblickte Gabe, der sich über sie gebeugt hatte und sie sanft an der Schulter schüttelte. »He, es ist Zeit aufzustehen und zur Arbeit zu gehen«, sagte er. Sie rieb sich die Augen, um den Schleier zu vertreiben, der noch ihren Blick trübte. »Wie spät ist es?« »Sechs. Wenn du noch duschen willst, ehe du dich anziehst, besorgen wir uns auf dem Weg zur Arbeit ein Frühstück.« Ihre Sinne erwachten allmählich zum Leben, und sie stellte fest, dass Gabe bereits angezogen war. Dabei hatte sie nicht einmal gemerkt, dass er aufgestanden war. Sie roch den sauberen Duft seiner Seife und den verführerischen Hauch seines Aftershaves. Er trug eine Anzughose und ein Hemd mit Krawatte, die allerdings noch locker um seinen Hals hing. Der oberste Hemdknopf war auch noch auf. Er wirkte … unnahbar. Kühl und gelassen. Er bildete den absoluten Gegensatz zu dem Mann, der es ihr in der letzten Nacht mehrmals besorgt hatte. Sie stemmte sich hoch und rutschte an die Bettkante. »Ich brauche nicht lange.« »Lass dir Zeit. Ich habe es heute Morgen nicht eilig. Um zehn habe ich ein Meeting. Bis dahin habe ich frei.« Sie stolperte ins Badezimmer und warf einen Blick in den Spiegel. Abgesehen von ihrem müden Aussehen wirkte sie nicht anders als sonst. Irgendwie hatte sie erwartet, dass für alle Welt sichtbar sein würde, was sie und Gabe die ganze Nacht getan hatten. Sie saß eine lange Weile auf dem geschlossenen Toilettendeckel, während die Dusche lief. Sie brauchte einfach ein paar Minuten, um sich zu sammeln. Sie war wund. Sie hatte noch nie einen solchen Sex-Marathon erlebt. Ihre früheren Begegnungen waren allesamt viel ruhiger gewesen, mehr als einen Orgasmus für jeden hatte es nie gegeben. Gabe hatte sie im Laufe der Nacht mehrfach genommen. Ganz am Ende hatte er sich barsch bei ihr entschuldigt, als fiele es ihm schwer, doch in seinem Blick hatte echtes Bedauern gelegen. Dann hatte er noch gesagt, dass er sanfter mit ihr hatte umgehen wollen, dass er sein Versprechen hatte halten wollen, es langsam angehen zu lassen, sich aber nicht hätte zurückhalten können. Dass er sie zu sehr begehrt hätte. Sollte sie sich darüber aufregen? Dass ein Mann so verrückt nach ihr war, dass er sich nicht beherrschen konnte, war eigentlich nicht schlecht. Er hatte ihr nicht wehgetan. Na ja, sie war schon wund. Sie hatte einige Kratzer und kleine Druckstellen von seinen Händen und seinem Mund. Aber sie hatte jede Minute genossen, auch wenn sie die meiste Zeit völlig überwältigt gewesen war. Sie stieg in die Dusche und ließ das heiße Wasser über ihr Gesicht strömen. Weil Gabe schon angezogen und fertig war, wusch sie sich eilig die Haare und seifte sich ab, ehe sie wieder aus der Dusche stieg und ein Badelaken um sich schlang. Da erst bemerkte sie, dass sie keine Kleidung mit ins Badezimmer genommen hatte. Sie wusste nicht einmal, was Gabe gestern Abend mit der Tasche gemacht hatte. Nachdem sie sich ein Handtuch um den Kopf gewickelt hatte, öffnete sie die Tür, um nach draußen zu linsen. Gabe saß auf dem Bett, ihre Kleidung neben sich. Als sie sich auf ihn zubewegte, griff er nach einem Höschen und ließ es von seinem Finger herunterbaumeln. »Das hier brauchst du nicht«, sagte er. Sie riss die Augen auf. »Keine Höschen bei der Arbeit. Die sind nur im Weg«, meinte er, und seine Augen funkelten, als er sie ansah. Sie warf einen Blick auf den Rock und das Oberteil, die auf dem Bett lagen, und sah dann wieder Gabe an. »Ich kann doch keinen Rock ohne Unterhose tragen!« Er zog eine Augenbraue hoch. »Du tust, was ich sage, Mia. So lautet die Vereinbarung.« »Ach du lieber Himmel. Und wenn jemand das sieht?« Er lachte. »Wie soll jemand etwas sehen, außer du zeigst es? Ich will dich ansehen und wissen, dass du nichts unter diesem Rock anhast. Und dann ist es auch viel leichter, ihn einfach hochzuheben und meinen Schwanz in dich zu schieben.« Sie schluckte. Ihr war klar gewesen, dass der Job nur als Fassade diente, die Gabe die Möglichkeit gab, sie auch während der Arbeitszeit jederzeit auf Abruf für sich zu haben. Sie war allerdings nicht davon ausgegangen, dass er tatsächlich in seinem Büro Sex mit ihr haben wollte. Bei der Vorstellung, dass jemand sie dabei erwischen könnte, wäre sie am liebsten unters Bett gekrochen, um sich zu verstecken. »Und, Mia, das gilt für jeden Tag. Keine Unterwäsche. Wenn du je welche tragen solltest, während du mit mir zusammen bist, werde ich sie dir wegnehmen und du wirst stattdessen meinen Handabdruck auf deinem hübschen Hintern tragen.« Ihr gesamter Körper fing bei seinen Worten an zu kribbeln. Sie starrte ihn wortlos an und war entsetzt, dass die Vorstellung, von ihm geschlagen zu werden, sie erregte. Welche Art von Freak machte das aus ihr? Er griff nach Rock, Oberteil und BH und reichte ihr die Kleidungsstücke. »Beeil dich jetzt. In einer halben Stunde wollen wir los.« Benommen nahm Mia die Kleidungsstücke und eilte wieder ins Badezimmer, während ihr Bilder von Gabe durch den Kopf gingen, der sie in seinem Büro nahm, von seiner Hand auf ihrem Hintern. Es beunruhigte sie, dass sie nicht in dem Maße entsetzt war, in dem sie es hätte sein sollen. Ganz gewiss wollte sie nicht, dass jemand unangemeldet ins Zimmer platzte, während Gabe sie gerade über seinen Schreibtisch beugte, aber die Vorstellung, dass man sie jederzeit ertappen könnte, erregte sie. Was zum Teufel stimmte nicht mit ihr? Sie zog sich an und wäre vor Scham fast gestorben, als sie den Rock über ihren nackten Hintern zog. Es fühlte sich einfach merkwürdig an, keine Unterwäsche zu tragen. Ein Tanga hätte auch nicht mehr Schutz geboten als ein Höschen, aber zumindest irgendetwas anzuhaben, war immer noch besser als gar nichts. Sie trocknete ihr Haar und bürstete es aus. Es saß nicht, und sie hatte auch nicht die Zeit, etwas daran zu ändern, deshalb drehte sie es zu einem Knoten und steckte es mit einer großen Spange am Hinterkopf fest. Als sie die Ringe unter ihren Augen mit ausreichend Make-up überdeckt hatte, holte sie tief Luft und warf einen Blick in den Spiegel. Bei einem Schönheitswettbewerb würde sie zwar keinen Preis gewinnen, aber sie sah einigermaßen akzeptabel aus. Nachdem sie sich die Zähne geputzt und etwas Lipgloss aufgetragen hatte, verließ sie das Badezimmer, um ihre Schuhe anzuziehen, die neben dem Bett standen. Die Kleidung vom gestrigen Abend stopfte sie in die kleine Reisetasche, dann trat sie auf der Suche nach Gabe aus dem Schlafzimmer. Er stand in der Küche und trank ein Glas Saft. Als er sie sah, schüttete er den Rest aus und stellte das Glas in die Spüle. »Alles erledigt?« Sie holte tief Luft. »Ja.« Mit einer Handbewegung forderte er sie auf zur Tür zu gehen, um dann die Hand nach ihrer Reisetasche auszustrecken. »Die lassen wir hier. Unnötig, die mit in die Firma zu nehmen. Damit würden wir nur an die große Glocke hängen, dass wir die Nacht miteinander verbracht haben, und ich glaube nicht, dass das in deinem Sinne ist. Ich lasse sie dir nach der Arbeit bringen, wenn du das möchtest.« Sie nickte, reichte ihm die Tasche und wartete dann darauf, dass er den Fahrstuhl rief. Auf der Fahrt nach unten schwiegen beide, doch sie merkte, dass er immer wieder in ihre Richtung schaute und seinen durchdringenden Blick über sie gleiten ließ. Sie dagegen traute sich nicht aufzuschauen. Sie hatte keine Ahnung, warum sie, nachdem sie die Nacht mit ihm verbracht hatte, immer noch nervös war, doch sie fühlte sich unbeholfen. Und ein Smalltalk schien ihr jetzt zu gekünstelt. Deshalb schwieg sie auch, als sie das Gebäude verließen und in das wartende Auto stiegen. »Wir essen im Rosario’s und gehen dann in die Firma«, sagte er. Das Restaurant Rosario’s lag nur zwei Straßen vom Unternehmen entfernt. Mia hatte großen Hunger. Und sie war bereits völlig erschöpft, obwohl der Tag noch gar nicht angefangen hatte. Wenn Gabe weitere Nächte im Stile der vergangenen plante, würde sie bei der Arbeit bald einem Zombie gleichen. Sie war überrascht, als er die Hand nach ihrer ausstreckte und seine Finger zwischen ihre schob. Fast schien es, als hätte er ihre Gedanken gelesen und wollte sie jetzt beruhigen. Sie drehte den Kopf und lächelte erfreut über diese Geste. Er erwiderte das Lächeln und sagte: »Na, das ist schon besser. Du warst so still und in dich gekehrt. Ich kann nicht zulassen, dass alle am ersten Tag denken, du wärest lieber ganz woanders.« Ihr Lächeln wurde breiter und sie entspannte sich etwas. Alles würde gut sein. Sie konnte das. Sie war klug und besaß eine schnelle Auffassungsgabe. Sie konnte schnell reagieren, auch wenn sie in Gabes Gegenwart manchmal zur Vollidiotin mutierte. Dieser Job stellte eine Herausforderung dar, aber eine, mit der sie es aufnehmen konnte. Nein, sie gab sich nicht der Illusion hin, Gabe hätte sie wegen ihrer Intelligenz eingestellt, aber es gab auch keinen Grund, warum sie nicht beweisen sollte, dass sie auch außerhalb des Schlafzimmers ein Gewinn für ihn war. Entspannt nahmen sie das Frühstück zu sich und machten sich um halb neun auf den Weg zum Bürogebäude, wo sie mit dem Fahrstuhl nach oben fuhren. Mia überkam wieder ein Anflug von Nervosität, als sie aus dem Fahrstuhl traten und an Eleanor vorbeigingen. »Guten Morgen, Eleanor«, begrüßte Gabe sie förmlich. »Mia und ich werden bis zum Meeting um zehn in meinem Büro sein. Ich will sie möglichst schnell in ihre Arbeitsaufgaben einweisen. Sorgen Sie dafür, dass wir nicht gestört werden. Während ich im Meeting bin, möchte ich, dass Sie sie herumführen und den anderen Mitarbeitern vorstellen.« »Ja, Sir«, erwiderte Eleanor. Mia musste ein Lachen unterdrücken, denn irgendwie erinnerte sie die Antwort an das Gespräch mit Gabe darüber, wie sie ihn anreden sollte. Er warf ihr einen strengen Blick zu, als er sie durch den Flur in sein Büro führte. Beim Eintreten stellte sie überrascht fest, dass seinem Schreibtisch gegenüber, auf der anderen Seite des Zimmers, ein weiterer Tisch stand. Sämtliche Möbel waren umgestellt worden, um Platz für den neuen Tisch zu schaffen, zwei Bücherregale waren sogar entfernt worden. »An dem Tisch wirst du sitzen«, sagte Gabe. »Da du so eng mit mir zusammenarbeiten wirst, sah ich keine Veranlassung, dir ein eigenes Büro einzurichten.« Seine Stimme nahm einen samtigen, verführerischen Tonfall an. »Du wirst immer in meiner Nähe sein.« Sie zitterte ob der sinnlichen Verheißung, die in seiner Stimme mitschwang. Wie zum Teufel sollte sie ihre Arbeit erledigen, wenn er ihr gegenüber saß und sie wusste, dass er jeden Moment auf die Idee kommen könnte, Sex mit ihr haben zu wollen? Doch dann verschwand alles verspielt Anzügliche aus seiner Miene und er wurde sachlich und nüchtern. Er ging zu seinem Tisch und holte eine dicke Mappe heraus. Er reichte sie ihr und sagte: »Das sind Akten von Investoren, Geschäftskollegen und verschiedenen anderen Personen, die für unser Unternehmen von Bedeutung sind. Ich möchte, dass du dir alles durchliest und einprägst. Die Akten enthalten Informationen über ihre Vorlieben und Abneigungen, die Namen der Ehepartner und Kinder, Hobbys, Interessen und so weiter. Es ist wichtig, dass du alle Informationen behältst und abrufen kannst, wenn du diese Leute im Rahmen irgendwelcher Aufgaben oder bei Meetings triffst. Ich erwarte von dir, dass du einen herzlichen, persönlichen Kontakt pflegst und so viel wie möglich über sie persönlich weißt. Im Geschäftsleben ist es unerlässlich, viele Informationen zu haben und alle Vorteile zu nutzen. Als meine Assistentin wirst du mir helfen, diese Leute zu bezaubern. Wir wollen ihr Geld und ihre Unterstützung. Da ist kein Platz für Fehler.« Staunend nahm sie die Mappe entgegen, die sehr schwer war. Sie enthielt viele Informationen und sie unterdrückte die aufsteigende Panik. Sie konnte das. Sie konnte das auf jeden Fall. »Ich überlasse dich dann deiner Lektüre«, erklärte er. »Ich muss vor dem Meeting noch meine E-Mails und Nachrichten durchgehen. Wenn ich fertig bin, werden wir einige weitere deiner zukünftigen Aufgaben besprechen.« Sie nickte, wandte sich ab und ging zu dem ihr zugewiesenen Tisch. Sie setzte sich in den teuren Bürostuhl und rollte nach vorn, um sich den riesigen Wust an Informationen einzuprägen, der vor ihr lag. 12 »Mia?« Mia schaute von dem vor ihr liegenden Stapel Papiere auf und sah Eleanor in der Tür zu Gabes Büro stehen. »Wenn Sie möchten, führe ich Sie jetzt herum und stelle Sie den anderen Mitarbeitern vor.« Mia rollte den Stuhl zurück und drehte den Kopf auf ihrem steifen Hals. In ihrem Hirn wirbelten die Informationen umher. Sie schenkte Eleanor ein Lächeln. Eleanor war nett und schon seit Urzeiten Empfangsdame bei HCM. Mia war zwar bisher nur ein paar Mal in der Firma gewesen, doch sie hatte häufig mit Eleanor telefoniert. Meist, weil sie Jace hatte sprechen wollen oder weil Eleanor ihr etwas von Jace hatte ausrichten sollen, für gewöhnlich die Nachricht, dass er sich zu ihrer gemeinsamen Verabredung verspäten würde. Mia hatte genau darauf geachtet, ob Eleanors Miene Rückschlüsse auf irgendwelche Vermutungen zuließ. Oder gar Überraschung widerspiegelte, dass es Gabe und nicht Jace war, für den Mia jetzt arbeitete. Aber entweder war Eleanor nicht überrascht, oder sie war sehr gut darin, ihre Empfindungen zu verbergen. Beim Rest der Belegschaft würde das wahrscheinlich nicht der Fall sein. Auch wenn sie die Mitarbeiter nicht kannte, würden die bei der Präsentation sofort wissen, wer sie war. Das Ganze würde nicht sonderlich angenehm für sie werden. Mia stand auf, schob die Papiere zusammen und legte sie in die Mappe zurück. Dann strich sie sich mit der Hand verlegen hinten über den Rock und hoffte inständig, niemand würde bemerken, dass sie kein Höschen trug. Sie ging um den Tisch herum und trat im Flur zu Eleanor. »Ich führe Sie erst durch den Flur mit den Büros und dann durch den Flügel auf der anderen Seite des Stockwerks, in dem das Großraumbüro ist.« Mia nickte und schloss sich Eleanor an, die schnell den Empfangsbereich durchquerte, um zum Gang auf der gegenüberliegenden Seite zu gelangen. An der ersten Tür blieb sie stehen und steckte den Kopf hinein. »John? Hier ist jemand, den ich Ihnen vorstellen möchte.« John hob den Kopf, als Eleanor und Mia eintraten. Der junge Mann – älter als sie, aber jünger als Gabe – trug eine Brille und ein Poloshirt. Als er aufstand, sah Mia, dass er mit einer Freizeithose bekleidet war. Gabe bestand offensichtlich nicht darauf, dass seine Mitarbeiter sich an einen Dresscode hielten. »Das ist Mia Crestwell, Mr Hamiltons neue persönliche Assistentin«, erklärte Eleanor. John schien überrascht, sagte aber nichts. »Mia, das ist John Morgan, unser Marketingleiter.« Er streckte den Arm vor, um Mia die Hand zu schütteln. »Sehr erfreut, Mia. Ich denke, die Arbeit hier wird Ihnen gefallen. Mr Hamilton ist ein großartiger Chef, und es ist sehr angenehm, für ihn zu arbeiten.« »Ich freue mich auch, Sie kennenzulernen«, erwiderte Mia und lächelte. »Wir werden bestimmt eng zusammenarbeiten, da Sie Mr Hamiltons persönliche Assistentin sind.« Mia lächelte und nickte, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Diese Art des Plauderns fiel ihr sehr schwer. Als würde Eleanor ihre Verlegenheit spüren, leitete sie schnell den Rückzug ein. »Na, dann überlassen wir Sie jetzt wieder Ihrer Arbeit, John. Sie haben bestimmt viel zu tun, und ich muss Mia noch durch die Firma führen.« »Bis demnächst«, sagte John. »Willkommen im Team.« »Danke«, murmelte Mia. Sie folgte Eleanor nach draußen, und das Ganze wiederholte sich mit fünf weiteren Angestellten, die allesamt Führungspositionen in der Firma bekleideten. Der Finanzchef war ein ungeduldiger, zappeliger Mensch, der geistesabwesend und verärgert über die Störung wirkte. Eleanor war kurz angebunden und zog mit Mia im Schlepptau gleich wieder ab. Die beiden nächsten Führungskräfte, die Mia kennenlernte, waren Frauen. Die eine sah aus wie Mitte dreißig, hatte ein herzliches Lächeln und intelligente Augen. Die andere war etwas älter, vielleicht um die vierzig, und eine Vielrednerin. Eleanor brauchte mehrere Anläufe, bis sie es schaffte, sich und Mia loszueisen. Im anderen Flügel des Gebäudes wurden Mia zig Leute vorgestellt, deren Namen sie unmöglich alle behalten konnte. Mehrere von ihnen bedachten Mia im Hinblick auf ihre Vorstellung als Gabes persönliche Assistentin mit nachdenklich-neugierigen Blicken. Eigentlich konnte sie es ihnen nicht verübeln, da Gabe jahrelang keine persönliche Assistentin gehabt hatte. Dazu kam noch der Umstand, dass sie Jace’ Schwester war. Sobald Eleanor Mia namentlich vorstellte, wurde ihr Name erkannt. Und genauso umgehend begannen sich die Rädchen in den Köpfen zu drehen. Oh ja, sie würde eindeutig das Gesprächsthema des Tages sein. Als die Vorstellungsrunde endlich beendet war, führte Eleanor sie in den Aufenthaltsraum und zeigte ihr den Kühlschrank und die voll ausgestattete Küche. Es gab einen Essbereich mit verschiedenem Knabberzeug und Schnellgerichten, einem Schrank voller unterschiedlicher Getränke sowie einem Wasserspender. Eleanor drehte sich um und breitete die Arme aus. »Und das war jetzt die große Runde. Ach ja, die Waschräume der Damen befinden sich zwischen dem Aufenthaltsraum und dem Großraumbüro.« Mia schenkte ihr ein warmes Lächeln. »Danke, Eleanor. Ich weiß Ihre Freundlichkeit sehr zu schätzen. Und dass Sie sich die Zeit genommen haben, mich herumzuführen.« »Das war doch selbstverständlich. Sie können jederzeit zu mir kommen, wenn Sie etwas brauchen. Ich werde jetzt wieder an meinen Platz gehen und Charlotte erlösen.« Mia verließ mit ihr zusammen den Raum, begab sich dann aber zu den Waschräumen, statt direkt in Gabes Büro zurückzukehren. Sie musste auf die Toilette und wollte sich außerdem frisch machen. Sie spürte noch immer die Nachwirkungen der letzten Nacht und war sich sicher, dass sie verkatert aussah. Sie ging bis ans Ende zur letzten Kabine und schloss die Tür hinter sich. Fast sofort hörte sie, wie eine andere Tür sich öffnete und mehr als eine Person hereinkam. Oh, sie hasste es, in Gegenwart anderer Personen zu pinkeln. Aber die anderen Frauen hatten offensichtlich nicht vor, eine der Kabinen aufzusuchen. Das Rauschen von Wasser, als der Wasserhahn aufgedreht wurde, verschaffte Mia die Gelegenheit, ihr Geschäft zu verrichten. Sie wollte gerade die Spülung betätigen und die Kabine verlassen, als sie mitten in der Bewegung erstarrte. »Na, was hältst du von Gabes neuer persönlicher Assistentin?« In der Stimme der Frau schwangen Erheiterung … und Fassungslosigkeit mit. Mia hätte am liebsten gestöhnt. Sie war noch keinen halben Tag da und schon das Hauptgesprächsthema. Das war nicht anders zu erwarten gewesen, aber eigentlich hatte sie es nicht aus erster Hand erfahren wollen. »Ist sie nicht Jace Crestwells kleine Schwester?«, fragte die andere Frau. »Jap. Tja, dann wissen wir wohl, wie sie es geschafft hat, den Job zu bekommen.« »Armes Ding. Sie hat wahrscheinlich keine Ahnung, in was sie da geraten ist.« »Ich weiß nicht. Ich könnte es mir schon vorstellen«, meinte die erste Frau. »Ich meine, hallo. Er ist reich, er sieht umwerfend aus, und wie ich gehört habe, ist er im Bett ein Tier. Im wörtlichen Sinne. Hast du das Gerücht gehört, dass es einen Vertrag gibt, den er die Frauen unterschreiben lässt, ehe er mit ihnen ins Bett geht?« »Ich frage mich, was für einen Arbeitsvertrag das neue Mädel unterschrieben hat«, meinte die zweite Frau mit wissender Stimme. Das Gelächter von mindestens drei Personen war zu hören. Na toll. Frauentreff im Waschraum – und Mia saß fest. Sie zog die Füße hoch, um nicht unter der Tür hindurch gesehen zu werden und hoffte inständig, dass niemand bis hier hinten durchging. »Ich wäre lieber der Belag auf einem Jace-und-Ash-Sandwich«, sagte eine der Frauen. »Könnt ihr euch vorstellen mit zwei dominanten Milliardären ins Bett zu gehen?« Mia verdrehte die Augen und schüttelte sich innerlich. Wollte sie wirklich all das über ihren Bruder wissen? »Was meint ihr, steckt hinter dem Gerede über die beiden?«, fragte die erste. »Sie scheinen es immer auf dieselbe Frau abgesehen zu haben. Ist schon ein bisschen seltsam, wenn ihr mich fragt. Ich meine … nicht, dass ich etwas gegen einen Dreier mit ihnen hätte, aber die beiden machen das immer so.« »Vielleicht sind sie bisexuell.« Mia fiel die Kinnlade herunter. Ach du lieber Gott. Sie schenkte Klatsch und Tratsch zwar kaum Glauben, aber offensichtlich brodelte in der Gerüchteküche, dass Jace und Ash eine etwas abartige Veranlagung hatten und Gabe damit folglich nicht alleine stand. Sie wollte sich ihren Bruder auf keinen Fall in diesen Situationen vorstellen. »Ich wette zehn zu eins, dass Gabe was mit Jace’ Schwester hat. Könnt ihr euch vorstellen, was passiert, wenn Jace das herausfindet? Jeder weiß, wie überfürsorglich er in Bezug auf sie ist.« Mia seufzte. Die Hoffnung, hier ihren Job anzutreten, ohne gleich Gegenstand wilder Spekulationen zu werden, war offensichtlich unrealistisch gewesen. »Vielleicht weiß er es, aber es ist ihm egal«, meinte eine andere Frau. »Sie ist erwachsen.« »Sie ist viel jünger als Gabe, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Jace damit einverstanden ist, falls Gabe sie einen Vertrag hat unterschreiben lassen.« »Vielleicht steht sie ja auf so etwas.« »Äh, Leute«, meldete sich eine leicht piepsige Stimme zu Wort. »Ich weiß ziemlich genau, dass das mit dem Vertrag stimmt. Ich hab mich mal in sein Büro geschlichen, als ich lange arbeiten musste. Ich war neugierig. Ihr wisst schon … wegen der ganzen Gerüchte und so. Er hatte einen vorgefertigten Vertrag in seinem Schreibtisch liegen. War sehr interessant, den zu lesen. Wollen wir es mal so sagen: Wenn eine Frau mit ihm ins Bett geht, überschreibt sie ihm gewissermaßen für eine bestimmte Zeit ihr Leben.« Mia ließ den Kopf auf die Knie sinken. »Echt jetzt? Du machst Witze, oder?« »Bist du verrückt? Weißt du, was passiert wäre, wenn er dich erwischt hätte? Du wärest fristlos gekündigt worden, und Gott allein weiß, was er dir dann noch alles angehängt hätte.« »Wie zum Teufel bist du überhaupt in sein Büro gekommen? Ich weiß zufälligerweise genau, dass er immer abschließt.« »Äh, ich hab das Schloss geknackt. Ich bin darin ziemlich gut«, gestand die Frau, die eben gesprochen hatte. »Frollein, du bist offensichtlich lebensmüde. An deiner Stelle würde ich so einen Mist nicht wieder tun.« »Ey Leute, wir müssen wieder an die Arbeit. Das Protokoll muss um zwei Uhr fertig sein, und Gabe ist längst nicht so verständnisvoll wie Ash, was Verspätungen anbelangt. Ich wünschte, Jace und Ash würden sich beeilen und schnell von dort zurückkommen, wo sie gerade sind. Es ist viel leichter, mit ihnen zu arbeiten als mit Gabe.« Hektische Betriebsamkeit setzte ein, Füße scharrten, Papier wurde aus dem Spender gezogen, und dann hörte Mia, wie alle den Raum verließen. Die Tür fiel quietschend zu, und Mia stieß einen langen Seufzer der Erleichterung aus. Sie rutschte von der Toilette herunter und richtete schnell ihren Rock. Sie öffnete die Kabinentür, linste hinaus, betätigte die Spülung und eilte dann zum Becken, um sich schnell die Hände zu waschen. An der Tür zögerte sie kurz, öffnete sie einen Spaltbreit und sah in den Gang hinaus. Die Luft war rein, also stürzte sie hinaus und eilte zurück in Gabes Büro. Ach, was man so alles bei der Arbeit erfuhr. Gabe würde wütend sein, wenn er wüsste, dass man in sein Büro eingebrochen und seine persönlichen Dokumente gelesen hatte. Aber Mia würde nicht gleich am ersten Tag zur Petze werden. Sie wusste ja nicht einmal den Namen der Schuldigen. All die Namen und Stimmen, die sie bei der Vorstellungsrunde gehört hatte, bildeten ein einziges Durcheinander in ihrem Kopf. Glücklicherweise war Gabe noch nicht von seinem Meeting zurück, und Mia sank auf ihren Stuhl. Sie öffnete die Mappe, aber die Worte verschwammen vor ihren Augen. Es war eine große Menge an Informationen, die sie aufnehmen musste. Sie zuckte zusammen, als das Telefon klingelte. Sie betrachtete es nervös und griff dann zögernd zum Hörer. »Mia Crestwell«, meldete sie sich. Ein Hallo schien ihr wenig professionell, und sie wollte nicht wie ein Vollidiot wirken. Gabes warme, sinnliche Stimme drang an ihr Ohr. »Mia, ich verspäte mich etwas. Ich wollte eigentlich, dass wir zusammen mittagessen, aber ich werde es nicht rechtzeitig schaffen. Ich werde Eleanor ein Mittagessen für dich bestellen lassen.« »Okay. Danke«, murmelte sie. »Hat sie dich in der Firma herumgeführt?« »Ja, das hat sie.« »Und? Alles gut gegangen? Waren alle höflich zu dir?« »Oh, natürlich. Alle waren großartig. Und ich bin offensichtlich heil und gesund zurückgekehrt, da ich mich jetzt ja mit dir unterhalten kann. Ich sitze an der Mappe, die du mir heute Morgen gegeben hast.« »Vergiss nicht zu essen«, mahnte er sie. »Ich sehe dich dann nach dem Mittagessen.« Ehe sie sich verabschieden konnte, hatte er schon aufgelegt. Reumütig legte sie den Hörer auf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Mappe. Eine halbe Stunde später steckte Eleanor den Kopf durch die Tür und Mia winkte sie herein. Eleanor hatte eine Tüte mit Essen in der Hand, die sie jetzt auf Mias Schreibtisch stellte. »Mr Hamilton hat gesagt, dass Sie thailändisches Essen mögen, und deshalb habe ich für Sie bei einem sehr guten Laden ein Stück die Straße runter das Tagesgericht bestellt. Wenn Sie mir sagen, was Sie mögen und was nicht, kann ich mir das aufschreiben und dafür sorgen, dass Sie in Zukunft immer etwas bekommen, was nach Ihrem Geschmack ist.« »Thailändisches Essen ist prima«, sagte Mia. »Danke. Aber das hätten Sie nicht für mich tun müssen.« Eleanor runzelte die Stirn. »Mr Hamilton hat ausdrücklich darauf bestanden, dass ich ein Mittagessen für Sie bestelle und auch dafür sorge, dass Sie es essen. Ach, und wenn er es Ihnen noch nicht selber gesagt haben sollte … er hat hier in seinem Büro einen kleinen Kühlschrank mit Getränken, an dem Sie sich bedienen können. Er befindet sich unten im Schrank.« »Danke, Eleanor. Sie sind sehr freundlich.« Eleanor nickte, dann drehte sie sich um und verließ den Raum. Mia war nicht sicher, ob alles so lief, wie es laufen sollte. Sie war Gabes persönliche Assistentin, was bedeutete, dass sie ihm assistieren sollte. Es bedeutete nicht, dass andere Angestellte sie von vorne bis hinten bedienten. Sie hoffte, dass er niemandem sonst eine derartige Anweisung gegeben hatte. Falls doch, wäre ihr Ruf innerhalb kürzester Zeit ruiniert. Niemand würde mehr glauben, dass sie nicht miteinander schliefen und sie nicht nur hier war, um Gabe sexuell zu Diensten zu stehen. Auch wenn das in der Tat ihre primäre Aufgabe war. Verdammt. Das klang so, als wäre sie eine Prostituierte. Und vielleicht war sie das im Grunde ja auch. Sie hatte einen Vertrag über Sex mit ihm abgeschlossen. Wenn sie das nicht zu einem Callgirl machte, was dann? Ihr einziger Trost war, dass er sie für den Sex nicht bezahlte. Sie stöhnte, als ihr klar wurde, wie dumm diese Aussage war. Denn er bezahlte sie schließlich doch. Er bezahlte ihr eine Menge … für einen nicht vorhandenen Job mit Aufgaben, die darin bestanden, sich Informationen über wichtige Leute zu merken. Sie stand auf seiner Gehaltsliste, und irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass in ihrer Personalakte »Sexspielzeug« stand. Aber sie wussten beide, dass das exakt dem entsprach, was sie war. Eine bezahlte Sexsklavin. Sie ließ den Kopf auf den Tisch fallen und seufzte. Sie hielt sich eigentlich nicht für sonderlich unterwürfig veranlagt und sklavische Tendenzen hatte sie auch noch nie bei sich bemerkt. Nicht, dass sie das nicht konnte. In der richtigen Situation. Aber es war bestimmt nichts, das tief in ihr verankert war. Kein Bedürfnis, das sie unbedingt stillen musste, um glücklich zu sein. Es war … eine sexuelle Vorliebe. Wo sie doch immer gedacht hatte, sie hätte keine. Sie war sich nach wie vor nicht sicher, wie sie zu der Sache mit den Fesselspielen und der Unterwerfung stand … und zu all den anderen aufschlussreichen Punkten im Vertrag. Aber sie war darauf eingegangen. Sie hatte den Vertrag bereitwillig unterschrieben. Also würde sie es bald herausfinden, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. 13 Mia war tief in ihre Arbeit versunken, als die Tür aufging und Gabe hereinkam. Sie schaute auf und saugte seinen Anblick in sich auf. Ihre Blicke trafen sich. Sie gefiel ihm. Das sah sie in seinen Augen und vor Erregung war sie leicht benommen. Sie war sich seiner plötzlich sehr bewusst und die Spannung, die in der Luft lag, war fast greifbar. Lust flammte in seinem Blick auf, und es zuckte in ihrem Unterleib, als all ihre weiblichen Körperteile zum Leben erwachten. Wow, war das eine intensive Chemie, die da zwischen ihnen kochte, jetzt, wo sie sich nicht mehr zurückhielten. »Komm her.« Ein herrischer, knapper Befehl, der sie automatisch aufstehen und zu ihm gehen ließ. Sie trafen sich in der Mitte des Zimmers und er zog sie grob in seine Arme. Sein Kuss war leidenschaftlich und voller Sehnsucht, als hätte er in ihrer Abwesenheit an nichts anderes gedacht. Das war eine unrealistische Vorstellung, aber eine, die irgendwie gerechtfertigt schien durch die Art, wie er ihren Mund verschlang. Ihre Zungen begegneten einander heiß und feucht. Von ihrem Lippenstift würde nichts mehr übrig sein, aber die Vorstellung, ihren Lippenstift auf seinem Mund zu sehen, verstärkte nur noch das Verlangen, das er in ihr geweckt hatte. Ihr Körper mochte zwar seine Spuren tragen, doch seiner in gewisser Weise auch ihre, wenn auch nur vorübergehend. Ihren Stempel. Ihr Brandzeichen. Sie war vielleicht sein, aber genauso gehörte er auch ihr – so lange, wie die Vereinbarung währte. Sie nahm einen Hauch von Parfüm an seiner Kleidung wahr und wurde sofort von heftiger Eifersucht gepackt, auch wenn dieses Gefühl völlig unvernünftig war. Diese plötzlich aufflackernde Gier, ihn ganz allein für sich haben zu wollen, kam für sie überraschend. Sie hatte sich nie für einen besitzergreifenden oder eifersüchtigen Menschen gehalten. Doch die Vorstellung, dass irgendeine andere Frau ihm nahe gewesen war, weckte in ihr den Wunsch, die Zähne zu fletschen und zu knurren. Er brauchte ein unsichtbares Zeichen, das sagte: Hände weg. Er gehört mir. Er griff nach ihrer Hand und zog sie zu seinem Tisch. Sie war sich nicht sicher, was er vorhatte, aber all ihre Sinne waren in höchster Alarmbereitschaft. Er setzte sich auf seinen Stuhl und rückte ein Stück vom Tisch ab. »Zieh deinen Rock aus«, verlangte er unverblümt. Sie warf einen nervösen Blick nach hinten und sah ihn dann wieder schnell an. »Die Tür ist abgeschlossen, Mia«, erklärte er ungeduldig. »Jetzt zieh den Rock aus.« Sie schob ihre Bedenken beiseite und begann, den Rock langsam herunterzuziehen, sodass ihre nackte, untere Körperhälfte zum Vorschein kam und seinen gierigen Blicken ausgesetzt war. Es erstaunte sie, dass er nicht von ihr verlangte, auch das Oberteil und den BH abzulegen, sondern wieder nach ihrer Hand griff und sie zwischen seine Schenkel zog. Sie keuchte überrascht, als seine Hände sich um ihre Taille legten und er sie auf den Tisch hob, bis sie auf der Kante saß. Er schob sie so weit nach hinten, bis sie stabil saß, dann schoss er mit seinem Stuhl nach vorn. »Ich war nachlässig letzte Nacht«, brummte er. Sie war vollkommen perplex und sicher, dass sich das in ihrem Gesicht spiegelte. »Normalerweise bin ich beim Sex nicht so selbstsüchtig. Meine einzige Rechtfertigung ist, dass du mich zum Brennen bringst, Mia. Ich musste dich einfach haben.« Er klang so, als würde er das nur sehr ungern zugeben. In seinem Blick war Widerstreben zu erkennen, aber seine Worte klangen ehrlich. »Lehn dich zurück«, sagte er mit sanfterer Stimme. »Leg die Hände auf den Tisch, während ich meinen Nachtisch genieße.« Oh Gott. Ihr stockte der Atem, dann musste sie keuchen. Sie tat, wie ihr befohlen, und lehnte sich entsprechend zurück. Vorsichtig spreizte er ihre Beine, sodass er freien Blick und freien Zugriff auf ihren Schoß hatte. Er strich mit einem Finger an den Schamlippen entlang, um sie dann mit zwei Fingern auseinanderzuschieben, sodass noch mehr von ihr zu sehen war. Dann senkte er den Kopf und ihr Körper verkrampfte sich in Erwartung der ersten Berührung. Es war, als würde sie einen Stromschlag erhalten. Seine Zunge glitt über ihren Kitzler, und sie hätte die Hände beinahe hochgerissen, als sie zusammenzuckte. Er spielte mit der empfindsamen Spitze, ließ seine Zunge drum herumstreichen, um dann sanft daran zu saugen. Heißes Begehren flammte in ihrem Unterleib auf und breitete sich wie Lava in alle Teilen ihres Körpers aus. Jede Berührung seiner Zunge ließ sie dem Höhepunkt näher kommen, der sich immer schneller aufbaute, bis sie nur noch keuchend Luft holen konnte. Seine Zunge glitt tiefer und küsste und leckte sich einen Weg zum Mund ihres Schoßes. Er benetzte die Ränder der Öffnung mit einem perfekten Zungenschlag, tauchte dann in sie ein und nahm sie mit seiner Zunge. Ihr Verlangen wurde immer größer, lustvoller Schmerz breitete sich in ihr aus, ihr Körper vibrierte vor Anspannung, jede Berührung verstärkte sie noch. Sie stand kurz vor der Explosion und sehnte sich verzweifelt nach der Erlösung. Doch er hatte es nicht eilig. Er schien in völligem Gleichklang mit ihrem Körper zu sein. Er trieb sie bis an die Grenze des Wahnsinns, um dann langsamer zu werden und sie mit zarten Küssen und ganz leichten Berührungen seiner Zunge wieder herunterzuholen. Noch nie hatte ein Mann es ihr mit so viel Erfahrung und Können mit dem Mund besorgt. Gabe mochte vielleicht fordernd und selbstsüchtig sein – das waren seine eigenen Worte –, aber er wusste sehr genau, wie man einer Frau Freude bereitete. Er wusste sehr genau, was er tat, und er trieb sie fast in den Wahnsinn. »Gabe, bitte«, wisperte sie. »Ich muss kommen.« Er kicherte und der Klang brachte ihren Kitzler zum Beben. Selbst diese leichte Berührung ließ sie beinahe den Höhepunkt erreichen. Er drückte einen Kuss auf die winzige Knospe und schob dann einen langen Finger in ihre heiße Öffnung. »Noch nicht, Mia. Du bist so ungeduldig. Ich bin hier derjenige, der sagt, wo’s langgeht. Du kommst erst, wenn ich es dir erlaube.« Der verführerische, machtvolle Klang seiner Stimme ließ jede Faser ihres Körpers erzittern, sodass sie sich zusammenreißen musste, um nicht die Beherrschung zu verlieren. »Du schmeckst so verdammt verführerisch«, knurrte er leise. »Ich könnte den ganzen Nachmittag von deiner süßen Scham naschen.« Einen ganzen Nachmittag würde sie nicht überleben. So wie die Dinge lagen, war sie kurz davor, ihn anzuflehen. Sie biss die Zähne zusammen und hielt die Bitte zurück. Aber er wusste es. Oh ja, er wusste Bescheid. »Bitte mich, Mia«, sagte er, während sein Finger sich tief in ihrem Körper bewegte. »Bitte mich ganz lieb und dann lasse ich dich kommen.« »Bitte, Gabe. Ich brauche dich. Lass mich kommen.« »Wem gehörst du?« »Ich gehöre dir, Gabe. Du besitzt mich.« »Und wem gehört die Höhle, die ich gerade erforsche?« »Dir«, keuchte sie. Mittlerweile zitterte sie unkontrolliert am ganzen Körper. »Und wenn ich sie erobern will, wenn ich fertig bin, habe ich das Recht dazu, nicht wahr?« »Himmel, ja. Bitte, tu es einfach, Gabe!« Wieder lachte er und schob dann zwei Finger in sie, während er fester an ihrem Kitzler saugte. Der Höhepunkt war wie ein welterschütterndes Feuerwerk. Sie brach völlig auseinander. Ihre Hände rutschten weg und plötzlich lag sie mit dem Rücken flach auf dem Tisch. Gabe erhob sich, und ein leidenschaftlicher, verführerischer Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Er zog den Reißverschluss seiner Hose herunter, holte seinen Penis heraus und tauchte mit einem kräftigen Stoß in ihren immer noch zuckenden Körper ein. Er zog ihre Beine hoch und riss sie zurück, sodass sie jedem seiner Stöße entgegenkam. Gütiger Himmel, er war so tief in ihr, noch tiefer als in der letzten Nacht. Fast schien es so, als hätte ihr Körper sich eingestellt und könnte ihn jetzt ganz in sich aufnehmen. »Gib mir deine Augen«, befahl er. Sie riss den Kopf hoch und sah ihm ins Gesicht. Es war nichts Zärtliches oder Sanftes an der Art zu erkennen, wie er sie nahm. Er nahm sie wenn möglich noch härter als in der Nacht zuvor. Ihr Körper rutschte auf seinem Tisch vor und zurück, während er rhythmisch in sie eintauchte und sein Becken laut gegen ihren Schoß klatschte. Dann zog er sich plötzlich zurück und nahm seinen Schwanz in die Hand. Er rieb an seinem steifen Glied und beugte sich vor, als er sich auf ihren Venushügel ergoss. Seine Augen waren geschlossen und sein verzerrtes Gesicht zeigte die gleiche Anspannung, die ihren gesamten Körper erfasst hatte. Es war fast ein Ausdruck des Schmerzes, doch als er die Augen öffnete, schimmerten sie warm vor Befriedigung. Sein Blick besaß eine durchdringende Intensität, die gleich wieder ein Prickeln am ganzen Körper bei ihr auslöste. Die warmen Spritzer seiner Explosion auf ihrer Scham schimmerten im Licht. Er stieß einen Seufzer aus, als die letzte Ladung aus seinem steifen Schwanz schoss, dann trat er langsam zurück und richtete seine Kleidung. Seine Hände glitten an der Innenseite ihrer Schenkel hoch und dann über ihre Hüften. Er musterte den Beweis, dass er sie besessen hatte, und seine Augen leuchteten triumphierend auf. »Ich liebe es, wie du jetzt aussiehst«, sagte er. »Mit roter, geschwollener Scham auf meinem Tisch liegend, deine Haut bedeckt mit meinem Saft. Am liebsten wäre es mir, wenn du den ganzen Nachmittag so liegen bleiben würdest, damit ich dich anschauen kann.« Er ging weg, und sie fragte sich, ob er wohl vorhatte, das wirklich zu tun – sie hier liegen zu lassen, nass von seinem Saft, mit entblößter und immer noch bebender Scham. Doch gleich darauf kam er mit einem warmen, feuchten Tuch zurück und wischte sie sorgfältig ab. Als er fertig war, beugte er sich vor, half ihr auf und hob sie von seinem Tisch. Sie stand da und wusste nicht recht, ob sie sich anziehen oder so bleiben sollte, wie sie war. Er klärte die Sache für sie, indem er nach dem Rock griff, der neben seinem Stuhl auf dem Boden lag, und ihn ihr hinhielt, sodass sie hineinsteigen konnte. Er zog den Rock über ihre Beine nach oben und strich dann ihr Oberteil glatt, damit sie nicht ganz so zerzaust aussah. »Ich habe ein eigenes Badezimmer, das von diesem Büro abgeht. Niemand wird dich dort stören. Du kannst dich frisch machen und dann wieder an deinen Schreibtisch gehen.« Sie war entlassen. Auf zittrigen Beinen ging sie zur Tür, die ein paar Schritte von seinem Schreibtisch entfernt lag. Das Badezimmer war klein und offensichtlich auf einen männlichen Benutzer ausgerichtet, aber es gab ihr zumindest die Möglichkeit, sich zu fassen, um nicht der ganzen Welt zu verkünden, was gerade passiert war. Sie ließ kaltes Wasser laufen und spritzte es sich ins Gesicht. An ihrem Schreibtisch würde sie Make-up auflegen und sich zurechtmachen. Als sie ins Zimmer zurückkam, telefonierte Gabe. Also ging sie leise zu ihrem Tisch, griff nach ihrer Handtasche, legte Puder und Lippenstift auf und brachte ihre Frisur in Ordnung, um dann ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Das Problem war nur, dass sie trotz des atemberaubenden Höhepunkts, den Gabe ihr mit dem Mund verschafft hatte, immer noch in höchstem Grade erregt war. Denn als er sie anschließend so hart genommen hatte, war ihr wieder eingeheizt worden, sodass sie jetzt vollkommen hibbelig und nicht in der Lage war, ruhig zu sitzen. Ihr Schoß nahm alles überdeutlich wahr. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, strömten Wellen der Lust durch ihren Unterleib. Es war vermutlich eine Form der Hölle, in der sie sich gerade befand: Gabe gegenüber zu sitzen und unbedingt noch einmal kommen zu wollen. Um sich irgendwie abzulenken, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Gabes Telefongespräch. Er sprach über eine Veranstaltung – heute Abend? – und erzählte der Person am anderen Ende der Leitung, dass er auf jeden Fall dabei sein würde und sich darauf freue. Das war höchstwahrscheinlich gelogen. Gabe hasste gesellschaftliche Ereignisse, auch wenn er sich dabei immer perfekt zu benehmen wusste. Er war zu unverblümt und ungeduldig, um ein sympathisches und herzliches Auftreten wirklich genießen zu können, obwohl das ein wesentlicher Bestandteil seines geschäftlichen Lebens war. Er umwarb Investoren und lockte ihnen das Geld aus der Tasche. Ash war der kontaktfreudigere, der natürliche Charmeur. Er besaß in höchstem Maße das Talent, andere zu bezaubern. Mia hatte sich immer gefragt, warum sie sich unter den beiden besten Freunden ihres Bruders ausgerechnet zu Gabe hingezogen fühlte. Ash war umwerfend. Von Kopf bis Fuß, und er besaß ein tolles, charmantes Lächeln, das die Frauen reihenweise umfallen ließ. Trotzdem war er nicht derjenige, zu dem sie sich hingezogen fühlte. Sie betrachtete ihn eher als gutmütigen großen Bruder, ähnlich wie Jace. Und Gabe? Sie hatte niemals verwandtschaftliche Gefühle für ihn gehegt. Sie war sich nicht einmal sicher, ob ihre Gedanken in Bezug auf Gabe in allen amerikanischen Bundesstaaten überhaupt legal waren. Vielleicht lag es einfach daran, dass Gabe eher zurückhaltend geheimnisvoll war. Er war eine Herausforderung. Natürlich war sie nicht so dumm zu glauben, sie könnte gerade diesen Berg jemals erklimmen. Gabe war Gabe. Dreist. Unverfroren. Ein Mann, der genau wusste, was er wollte, und das auch bekam. Und der sich nie ändern würde. Was ziemlich übel war, weil sie deshalb sehr lange nach einem Mann würde suchen müssen, der ihm das Wasser reichen konnte. Es war durchaus möglich, dass sie von nun an jeden Mann mit Gabe vergleichen würde. Dem neuen Mann gegenüber wäre das nicht fair und für sie zudem sinnlose Zeitverschwendung. Es gab nur einen Gabe. Also musste die Devise lauten: Genieß die Gegenwart mit ihm und komm dann über ihn hinweg. Sie stieß einen Seufzer aus. Das klang so viel leichter, als es mit Sicherheit sein würde. Schon bevor sie mit ihm geschlafen hatte, war sie halbwegs in ihn verliebt gewesen. Über manch ein Objekt der Begierde kam man nie hinweg. Stattdessen entwickelte es sich zu etwas Dauerhaftem, von dem man wie besessen war und wonach man sich verzehrte. Obwohl sie wusste, dass es nicht richtig war, konnte sie nichts gegen die Gefühle tun, die er in ihr weckte. War das Liebe? Sie war sich nicht sicher. Es gab eine Menge Worte, mit denen sie die Faszination, die Gabe auf sie ausübte, hätte beschreiben können. Bisher hatte sie keine ihrer Beziehungen als längerfristig betrachtet. Keine hatte irgendetwas mit Liebe zu tun gehabt. Die Männer waren ein netter Zeitvertreib gewesen. An die meisten ihrer verflossenen Liebhaber dachte sie mit Zuneigung zurück. Doch nichts davon ähnelte dem Gefühl, das sie Gabe gegenüber empfand, und sie hatte keine Ahnung, ob das nun Liebe oder einfach nur Besessenheit war. Aber das spielte eh keine Rolle. Liebe wäre nur eine Verstrickung, von der sie besser den größtmöglichen Abstand hielt, weil Gabe dieses Gefühl nie erwidern würde. Aber das Herz gehorchte eben nicht immer, und das hier war etwas, über das sie möglicherweise gar keine Kontrolle hatte. Caroline würde ihr raten, sich weniger Gedanken zu machen, den Moment zu genießen und sich keine Sorgen um die Zukunft zu machen. Lebe im Jetzt. Das war ein guter Rat, und sie täte gut daran, ihn sich zu Herzen zu nehmen. Aber sie kannte sich und wusste, dass sie endlos lange grübeln würde. Sie würde jedes einzelne Wort von Gabe analysieren, jede Handlung und jedes Gefühl, und dadurch die Beziehung zu etwas machen, was sie eigentlich gar nicht war. Sie seufzte, als die Wörter, auf die sie sich zu konzentrieren versuchte, vor ihren Augen verschwammen. Was ihren ersten Tag betraf, hatte sie sich nicht unbedingt mit einer weltbewegenden Arbeitsmoral hervorgetan. Abgesehen davon, dass sie ihrem Chef grandiosen Sex auf seinem Schreibtisch geboten hatte. »Ich hoffe, du hast dir den Inhalt der Akten gut eingeprägt.« Gabes Stimme riss sie aus ihren Gedanken, und als ihr Kopf nach oben schoss, bemerkte sie, dass er nicht mehr telefonierte und sie quer durch den Raum ansah. »Wir müssen heute Abend zu einer Feier. Eine Cocktailparty, die von einem potenziellen Investor für die Hotelanlage in Kalifornien veranstaltet wird, Mitch Johnson. Es befinden sich Informationen zu ihm in dieser Mappe. Du solltest so viel wie möglich über ihn und seine Frau, die drei Kinder, ihre Interessen und was ich sonst noch so aufgeschrieben habe, wissen. Es werden auch noch viele andere da sein, mach dich also auch mit den anderen Namen in der Mappe vertraut. Aber der Wichtigste ist Mitch.« Sie musste sehr an sich halten, ihre Panik zu verbergen. Das nannte man dann wohl vom Regen in die Traufe kommen! »Wann? Und was soll ich anziehen?« »Was hast du? Und ich meine nicht diesen Fetzen, den du bei der Hoteleröffnung anhattest«, erwiderte er mit finsterer Miene. »Ich würde es vorziehen, wenn du etwas anziehst, das mehr von dir bedeckt. Ich werde einen Anzug tragen.« Sie runzelte die Stirn und ging in Gedanken ihre Garderobe durch. Nicht, dass Jace ihr nicht gekauft hätte, was sie haben wollte, aber abgesehen von der Wohnung hatte sie immer versucht, ihn nicht mit Ausgaben für unwichtige Dinge zu behelligen. Ihre Kleidung konnte man getrost als schlicht bezeichnen, und das Kleid, das sie bei der Hoteleröffnung getragen hatte, war das Einzige, das sich für formelle Anlässe eignete. Gabe sah auf seine Uhr und warf dann wieder einen Blick in Mias Richtung. »Wenn wir jetzt gehen, haben wir noch genug Zeit, etwas Passendes für dich zu kaufen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nicht notwendig, Gabe. Ich überlege gerade, was ich an passenden Kleidungsstücken für so eine Feier habe.« Er stand auf, ohne auf ihren Einwand zu reagieren. »Das ist Teil der Abmachung, Mia. Du gehörst mir. Ich sorge großzügig für das, was mir gehört. Du brauchst mehr als nur ein neues Kleid, aber für mehr reicht heute die Zeit nicht. Vielleicht erkennt die Verkäuferin ja, was dir gefällt, entscheidet, was dir steht, und stellt dann eine Garderobe für dich zusammen, die wir zu einem späteren Zeitpunkt abholen können.« Sie blinzelte verwirrt, blieb aber sitzen, bis Gabe eine ungeduldige Bewegung machte und sie mit einem Blick bedachte, der ihr in unmissverständlicher Weise klarmachte, sich endlich zu bewegen. Sie griff schnell nach ihrer Handtasche, strich ihren Rock glatt und eilte an seine Seite. Ihr zitterten immer noch die Knie vom feurigen Zwischenspiel auf seinem Schreibtisch. Und das war erst der erste Tag! Sie konnte sich noch nicht einmal vorstellen, was die Zukunft bringen würde, wenn das hier die viel beschworene Geduld und das langsame Angehen waren. 14 Es war verwirrend für Mia zu beobachten, wie Gabe mit der Verkäuferin umging. Er sah die Kollektion erstaunlich penibel durch, lehnte schnell die Sachen ab, die ihm nicht gefielen, während er Teile, die seine Zustimmung fanden, sofort beiseitelegte. Ehrlich gestanden war sie noch nie einkaufen gegangen, ohne eine einzige Entscheidung selbst zu treffen. Es war ein seltsames Gefühl, aber gleichzeitig auch irgendwie faszinierend. Gabe hatte ein Auge dafür, was einer Frau stand, das war deutlich zu erkennen. Und es war schnell klar, dass er nicht wollte, dass sie etwas zu Freizügiges trug. Sexy durfte es sein, ja. Er hatte mehrere unwiderstehlich gut aussehende Modelle ausgesucht, und sie konnte es kaum erwarten, sie anzuprobieren. Aber keines war auch nur im Entferntesten mit dem Kleid vergleichbar, das sie bei der Hoteleröffnung getragen hatte. Als sie schließlich das Kleid anprobierte, das er für den Abend ausgewählt hatte, fiel sie beim Anblick des Preisschildes fast in Ohnmacht. Der Preis war unanständig hoch. Sie versuchte, das zu verdrängen, während sie sich im Spiegel betrachtete, aber fast schien es so, als würde das Schild wie von Neonröhren beleuchtet blinken. Aber auch das musste sie Gabe überlassen. Das Kleid stand ihr hervorragend und passte perfekt zu ihrer Figur sowie zu ihrer Haut- und Haarfarbe. Ein rotes, eng anliegendes Gewand, das sich an ihre Hüften schmiegte und ein paar Zentimeter über ihren Knien endete. Es war ärmellos, hatte aber keinen tiefen Ausschnitt, und so waren ihre Arme zwar nackt, ihre Haut aber weder vorn noch hinten entblößt. Sie trug nie Rot. Vielleicht fand sie die Farbe zu … auffällig. Zu provokant. Aber sie stand ihr fabelhaft. Sie wirkte wie eine verführerische Sirene, ohne dass etwas von ihrem Ausschnitt zu sehen war, obwohl der Stoff stramm um ihre Brust lag und ihre Rundungen deutlich hervorhob. Sie wirkte … elegant. Der Look gefiel ihr. Und gab ihr das Gefühl, zu Gabes Welt zu gehören. »Mia, ich möchte es mir gern ansehen.« Gabes ungeduldige Stimme drang in die Umkleidekabine. Sie war überrascht gewesen, dass sie sich nicht gleich im Verkaufsraum hatte umziehen sollen. Die Verkäuferin hatte die Boutique für die Dauer ihres Einkaufs geschlossen, sodass Gabe und Mia die einzigen Kunden im Laden waren. Bei der Summe, die Gabe bereit war auszugeben, wunderte es Mia nicht, dass die Frau seinen Wünschen nur zu gern entgegenkam. Sie öffnete die Tür der Umkleidekabine und trat zögernd heraus. Gabe saß in einem der bequemen Sessel vor der Umkleide. Seine Augen leuchteten sofort anerkennend auf, als sein Blick auf sie fiel. »Es ist perfekt«, sagte er. »Du wirst es heute Abend tragen.« Er drehte sich um und winkte die Verkäuferin zu sich, die sofort herbeigeeilt kam. »Besorgen Sie passende Schuhe zu dem Kleid. Die restlichen Sachen, für die wir uns entschieden haben, können Sie mit weiteren Teilen, von denen Sie annehmen, dass sie ihr stehen, zusammenpacken und dann an meine Adresse liefern lassen.« Die Frau strahlte. »Ja, Sir.« Dann sah sie auf Mias Füße. »Welche Schuhgröße haben Sie, Miss Crestwell?« »Siebenunddreißig«, murmelte Mia. »Ich glaube, ich habe die perfekten Schuhe für Sie. Ich hole sie schnell.« Kurz darauf kam die Verkäuferin mit silbernen Sandaletten mit mindestens zwölf Zentimeter hohen Absätzen zurück. Ehe Mia anmerken konnte, dass sie in diesen Schuhen auf keinen Fall laufen konnte, runzelte Gabe auch schon die Stirn. »Damit bringt sie sich ja um. Suchen Sie etwas heraus, worin man vernünftig laufen kann.« Unverdrossen eilte die Verkäuferin davon und kehrte kurz darauf mit einem Paar eleganter, schwarzer Pumps zurück, die zumindest nicht so aussahen, als würde man damit auf Zahnstochern balancieren. »Die sind perfekt«, sagte Gabe. Er blickte auf seine Uhr, für ihn schien alles geklärt zu sein. Wortlos ging Mia in die Umkleidekabine und schlüpfte aus dem Kleid, wobei sie darauf achtete, es nicht zu zerknittern. Nachdem sie ihre eigenen Sachen angezogen hatte, reichte sie der Verkäuferin das Kleid, damit sie es zusammen mit den Schuhen einpackte. Als sie aus der Umkleide trat, wartete Gabe dort auf sie. Er legte eine Hand auf ihren Rücken, um gemeinsam mit ihr in den vorderen Bereich des Ladens zu gehen. Sie hatte das Gefühl, von seiner Hand versengt zu werden. Wieder so eine heftige Reaktion auf ihn! Würde das je weniger werden? Würde irgendwann die Zeit kommen, dass er sie berühren konnte, ohne dass sie bis ins tiefste Innere erbebte? Das schien nicht sehr wahrscheinlich in Anbetracht der starken Anziehungskraft zwischen ihnen. Sie waren wie zwei Magnete, die unerbittlich voneinander angezogen wurden. Nachdem Gabe bezahlt hatte, führte er Mia zum wartenden Auto, und sie fuhren zu seinem Appartement zurück. Mia kramte ihr Handy hervor und schrieb ihrer Freundin eine SMS, da sie wusste, dass Caroline sich fragen würde, was zum Teufel aus ihr geworden war. Bin bei Gabe. Weiß nicht, ob ich über Nacht bleibe. Muss zu einer Veranstaltung. Waren gerade einkaufen. WOW. Melde mich später bei dir. Gabe sah sie neugierig an, sagte aber nichts. Sie steckte das Handy wieder ein und nur Sekunden später klingelte es. Der Ton verriet ihr, dass es Jace war, der anrief, und schon wühlte sie wieder in ihrer Tasche. Jace, gab sie Gabe lautlos zu verstehen. Gabe nickte. »Hallo Jace«, begrüßte Mia ihren Bruder. »Mia, wie läuft’s bei dir? Alles in Ordnung?« »Ja, natürlich. Und bei dir? Wann werden du und Ash zurück sein?« Sie fürchtete sich vor der Antwort, wusste sie doch, dass sie ihre Arbeit für Gabe nicht mehr würde verheimlichen können, wenn Jace erst wieder da war. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Mutmaßungen und Gerüchten, die Jace in Bezug auf sie und Gabe zu Ohren kommen würden. Sie war noch nicht so weit, Jace Rede und Antwort zu stehen. Vielleicht würde sie es nie sein. »Übermorgen. Hier läuft alles gut. Ich wollte nur hören, wie es dir geht und ob alles in Ordnung ist.« Im Hintergrund hörte Mia das leise Lachen einer Frau und Ashs Stimme. Unbehagen beschlich sie, als sie sich an das Gerede aus dem Waschraum erinnerte. »Wo bist du?«, fragte sie. »In meiner Hotelsuite. Wir haben morgen noch ein Meeting und nehmen am Abend an einer Wohltätigkeitsveranstaltung für potenzielle hiesige Investoren teil. Am Tag danach fliegen wir früh los und werden dann am frühen Nachmittag wieder in New York sein.« Wenn sie sich in seiner Hotelsuite befanden, war vermutlich wirklich eine Frau bei Jace und Ash. Es gab ganz offensichtlich eine Menge, was sie über ihren Bruder nicht wusste. Es war schon komisch und auch ein bisschen eklig, plötzlich Details über das Sexleben des eigenen Bruders zu kennen. Nein, danke. Sie wollte ihn sich nicht bei einem flotten Dreier mit Ash und irgendeiner Frau vorstellen. »Okay, wir sehen uns dann.« »Lass uns zusammen essen gehen, wenn ich wieder da bin. Ich finde es immer noch total blöd, dass ich dich bei der Neueröffnung verpasst habe. Ich habe dich in letzter Zeit so selten gesehen.« »Ja, ich würde gern mit dir essen gehen.« »Sehr schön. Dann haben wir eine Verabredung. Ich rufe dich an, sobald ich wieder da bin.« »Ich hab dich lieb«, sagte sie und spürte plötzlich eine Welle der Zuneigung für ihren großen Bruder in sich aufsteigen. Er war immer ein so wichtiger Bestandteil ihres Lebens gewesen. Nicht gerade eine Vaterfigur, aber auf jeden Fall ein ruhender Pol, der sie von klein auf unterstützt hatte. Nicht viele Männer hätten es auf sich genommen, für ihre wesentlich jüngere Schwester zu sorgen, zumal er selbst ja noch so jung gewesen war, als ihre Eltern starben. »Hab dich auch lieb, meine Kleine. Wir sehen uns.« Mia beendete das Gespräch und starrte dann eine Weile voller Schuldgefühle ihr Handy an. Sie war zwar erwachsen und konnte selbstständig Entscheidungen treffen, aber darüber hinaus blieb der Umstand, dass Jace und Gabe beste Freunde und Geschäftspartner waren. Sie wollte auf keinen Fall zwischen den beiden stehen. Aber der unkontrollierbaren Anziehung zwischen ihr und Gabe zu entsagen, konnte sie auch nicht. »Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte Gabe. Sie schaute auf und zwang sich zu einem Lächeln. »Nein, alles in Ordnung. Jace möchte mit mir zu Abend essen, wenn er wieder da ist.« Sie hielt inne und runzelte die Stirn, schließlich war Gabe derjenige, der über ihre Zeit verfügte. »Ich nehme an, das ist in Ordnung?« Gabe seufzte. »Ich bin kein Mistkerl, der dich von deinen Freunden und deiner Familie fernhält, Mia. Vor allem nicht von Jace. Ich weiß, wie nah ihr beiden euch steht. Natürlich darfst du mit ihm essen gehen. Aber hinterher kommst du dann zu mir.« Sie nickte und war erleichtert, dass er es so leicht hingenommen hatte. Gabe war besitzergreifend und wollte alles kontrollieren. Das hatte sie schon vor dem Vertrag gewusst. Allerdings wusste sie nicht, wie weit er gehen oder wie wortwörtlich er den Vertrag auslegen würde. »Ich habe eine Frage, Gabe.« Er schaute sie neugierig an. »Dieser Job, als deine persönliche Assistentin, ist das nur heiße Luft? Ich meine, ich wurde schließlich allen als deine persönliche Assistentin vorgestellt, aber dann bestellt Eleanor das Mittagessen für mich und bringt es mir auch noch. Das könnte peinlich für mich werden. Es gibt bereits Gerede …« Er unterbrach ihren Redefluss und sah sie plötzlich mit durchdringendem Blick an. »Was für Gerede?« »Dazu komme ich gleich«, sagte sie ungeduldig. »Erst will ich wissen, ob ich einen richtigen Job mit richtigen Aufgaben habe. Du bezahlst mir eine Menge Geld und ich würde es mir gern wirklich verdienen … und dafür nicht einfach nur auf dem Rücken liegen.« Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. »Du bist nicht irgendeine Hure, Mia. Ich werde dich versohlen, wenn du je wieder so etwas andeutest.« Sie war erleichtert, dass er das so sah, auch wenn sie nie wirklich geglaubt hatte, dass er sie in dieser Weise benutzte. Vielleicht ging es eher darum, dass sie sich selber so sah, und es gefiel ihr nicht, wie sie sich dabei fühlte. »Und was deine Frage angeht … nur weil ich dich an deinem ersten Tag nicht mit Arbeit zugeschüttet habe, bedeutet das nicht, dass du nicht viel zu tun haben wirst. Ich werde dich in meine Arbeitsabläufe einführen und dir zeigen, wie du mich am besten unterstützen kannst. Denk daran, dass das für mich auch alles neu ist. Ich bin es nicht gewohnt, eine persönliche Assistentin zu haben, und muss mich erst darauf einstellen.« »Ich will nur mein Gehalt auch wirklich verdienen, Gabe. Das ist wichtig für mich. Du warst doch derjenige, der gesagt hat, ich würde mein Talent und meine Ausbildung bei der Arbeit in der Konditorei verschwenden. Ich will nicht nur auf meine sexuellen Gefälligkeiten setzen, um in meinem Job zu bestehen.« »Verstanden. So, aber jetzt sag mir endlich, was es mit dem Gerede auf sich hat? Hat irgendjemand was zu dir gesagt? Den knöpf ich mir vor.« »Nicht direkt zu mir, ich habe es nur mitbekommen. Zufällig. Ich bin mir sicher, sie wären vor Scham im Erdboden versunken, wenn sie gewusst hätten, dass ich in Hörweite war. Ich weiß gar nicht, wer da geredet hat. Ich habe mir ja schon bei der Vorstellungsrunde kaum alle Namen und Gesichter merken können, außerdem konnte ich die Sprechenden nicht sehen, weil ich mich in einer der Toilettenkabinen im Waschraum versteckt hatte.« Gabe sah sie fassungslos an. »Du hast dich im Waschraum versteckt?« »Sie kamen rein, als ich gerade auf der Toilette saß«, erklärte sie aufgeregt. »Als sie anfingen zu reden, wollte ich nur sichergehen, dass sie mich nicht bemerken. Das wäre einfach peinlich gewesen.« »Und was haben sie gesagt?« »Nichts, was nicht zu erwarten gewesen wäre.« »Mia«, knurrte er. »Erzähl mir, was dort gesagt wurde.« »Sie haben sich gefragt, ob du wohl mit mir schläfst. Über Jace und Ash haben sie sich auch ein bisschen ausgetauscht, und nach dem Anruf eben frage ich mich, wie viel von diesem Gerede wohl stimmt.« »Ich schlafe mit dir«, stellte er nüchtern fest. »Daran wird sich auch nichts ändern. Und sie wissen es nicht mit Bestimmtheit. Wir haben das Thema schon besprochen. Sie werden denken, was sie denken wollen, und wir können nichts daran ändern. Ich werde jetzt garantiert nicht versuchen, sie von dieser Vorstellung abzubringen, denn wenn sie dieser Meinung sind, wird nichts, was wir tun, etwas daran ändern. Es ist mir scheißegal, was die denken. Aber man wird dich respektvoll behandeln, und wenn ich mitbekomme, dass irgendjemand irgendetwas direkt zu dir sagt, werde ich dieser Person sofort kündigen.« Damit war das Thema beendet. Bewusst unterschlug sie die Information, dass jemand in sein Büro eingebrochen war, was ihr ein schlechtes Gewissen bereitete. Sollte er nicht doch lieber wissen, dass man in seinen persönlichen Sachen geschnüffelt hatte? Und somit erfahren, dass die Sache mit dem Vertrag allgemein bekannt war – oder zumindest in der Firma alle davon wussten? Die ganze Sache war ihr in höchstem Maße unangenehm. Sie schuldete Gabe die größtmögliche Loyalität. Sie kannte diese Frauen nicht einmal. Sie war ihnen nichts schuldig. Falls Gabe erfuhr, dass sie davon gewusst und es ihm nicht erzählt hatte, würde er wütend werden. Sie seufzte, unzufrieden mit der Lage, in der sie sich befand. »Was ist los?«, wollte Gabe wissen. Schuldbewusst sah sie zu ihm auf und stieß noch einen Seufzer aus. »Es gibt etwas, das du wissen solltest, Gabe.« »Ich höre.« »Das war nicht alles, was heute im Waschraum geredet wurde.« Seine Miene wurde strenger. »Es waren wie gesagt mehrere Frauen, und ich weiß nicht, wer im Einzelnen dabei war. Ich habe nicht einmal eine Ahnung. Aber sie sprachen über deinen … Vertrag. Zunächst ging es nur um Vermutungen, aber dann sagte plötzlich eine, dass sie den Vertrag gesehen hätte und somit wüsste, dass es ihn tatsächlich gibt.« »Woher zum Teufel sollte sie so etwas wissen?« Gabe glaubte ihr nicht, das war klar, und er würde wirklich wütend werden, wenn sie ihm erzählte, woher die Frau es wusste. Sie hoffte nur, dass sie damit nicht den ganzen Abend verdarb, denn sie war nicht erpicht darauf, die Nacht mit einem wütenden Gabe zu verbringen. »Sie sagte, sie wäre in dein Büro eingebrochen – sie hat das Schloss geknackt –, weil sie neugierig war, und dann hätte sie deinen Schreibtisch durchsucht.« »Was erzählst du da?« Sein schneidender Ton ließ sie zusammenzucken. »Hab ich das richtig verstanden? Sie sagte, sie hätte das Schloss zu meinem Büro geknackt und dann meinen Schreibtisch durchwühlt, weil sie neugierig war, ob das Gerede über mein Privatleben stimmt?« Die Wut in seiner Stimme ließ Mia aufhorchen. Er kochte förmlich und sein gesamter Körper schien vor Zorn angespannt zu sein. »Das hat sie gesagt«, bestätigte Mia mit leiser Stimme. »Ich werde das morgen angehen. Und wenn ich jeden einzelnen Angestellten feuern muss, werde ich das tun. Ich weigere mich, mit Leuten zusammenzuarbeiten, denen ich nicht trauen kann.« Mia schloss die Augen. Sie hatte nicht gewollt, dass es so weit kam. Gabe sollte es nur wissen, um in Zukunft vorsichtiger zu sein. Und vielleicht sogar persönliche, belastende Unterlagen nicht mehr im Büro zu verwahren. Dann schloss sich Gabes Hand um ihre und drückte sie beruhigend. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Mia. Du sagtest, sie hätten nicht gemerkt, dass du im Waschraum warst. Die Frau wird also nicht wissen, dass du es mir erzählt hast. Sie wird denken, eine ihrer Kolleginnen hätte sie verraten.« »Das tröstet mich aber trotzdem nicht darüber hinweg, dass jemand meinetwegen seinen Job verliert«, erklärte sie ruhig. »Du bist zu weichherzig, Mia. Wer mich in dieser Art und Weise hintergeht, hat es nicht verdient, für mich zu arbeiten. Ich dulde keinerlei Illoyalität.« Mia nahm an, dass das stimmte, aber trotzdem wünschte sie sich, nicht sie wäre es gewesen, die Gabe davon erzählt hatte. Der Wagen hielt vor Gabes Appartementhaus und sie stiegen aus. Gabe nahm die Schachteln aus der Boutique aus dem Kofferraum und gemeinsam begaben sie sich nach oben zu seiner Wohnung. Sobald sie zur Tür hineingetreten waren, warf er die Schachteln zur Seite und trieb Mia ins Wohnzimmer zu dem dicken Lammfellteppich. »Auf die Knie«, befahl er scharf. Verwirrt tat sie, wie ihr befohlen, und kniete sich auf den weichen Teppich. Er nestelte an seiner Hose, öffnete den Reißverschluss und holte seinen halbsteifen Schwanz heraus. Er strich daran hinauf und hinunter und musterte sie eine Weile, wobei sein Blick gierig auf ihrem Mund lag. Fasziniert beobachtete sie, wie sein Glied immer steifer wurde, anschwoll, steinhart und lang wurde. Zu beobachten, wie er sich selber Lust bereitete, war wunderschön und erotisch. Erwartungsvolle Erregung hing in der Luft. Sie konnte sein Verlangen spüren, das Begehren, das sich durch seinen Körper wand. Seine Hand glitt bis zur Eichel und massierte diese leicht, ehe er wieder bis zu den Lenden rieb, was wiederum deutlich machte, wie groß sein Schwanz war. Sie wusste, noch ehe er es aussprach, was er ihr befehlen würde. Mühsam unterdrückte sie das Verlangen, die Schenkel zusammenzudrücken, um den überwältigenden Lustschmerz zu lindern. Voll freudiger Erregung, ihn auf ihrer Zunge zu spüren und zu schmecken, lief ihr das Wasser im Munde zusammen. Er hatte gesagt, dass sie schon bald die Gelegenheit bekommen würde. Jetzt war sie da. »Heute ging es nur um dich, Mia. Jetzt bin ich dran. Öffne den Mund.« Sie hatte kaum Zeit, seinem Befehl Folge zu leisten, als er auch schon fest und tief in ihren Mund glitt. Als sie plötzlich den Gegensatz zwischen Härte und samtiger Weichheit spürte, schärften sich all ihre Sinne noch mehr. Sie holte tief Luft, genoss seinen Geruch und seinen Geschmack auf ihrer Zunge. Sie sehnte sich nach ihm, wollte ihn, wollte so von ihm in Besitz genommen werden. Sie konnte nicht genug von ihm bekommen. Seine Hände schoben sich in ihr Haar, packten ihren Kopf und hielten ihn fest, während er sich zurückzog und dann wieder in ihren Mund stieß. »Oh, Mia. Dein Mund ist so süß. Ich habe davon geträumt. Habe davon geträumt, diese hübschen Lippen zu nehmen und in deinem Mund zu kommen.« Sie schloss die Augen und zitterte am ganzen Körper, als seine Bewegungen kräftiger wurden. Sie war auf keinen Fall eine Expertin im Blasen, aber sie war in Sachen Oralsex auch nicht völlig unerfahren. Sie war fest entschlossen, Gabe jede andere Frau, deren Lippen je um seinen Schwanz gelegen hatten, vergessen zu machen. Sie saugte und leckte, ließ ihn immer wieder in ihren Mund eindringen, während sie sein steifes Fleisch mit Aufmerksamkeit überhäufte. Sein Stöhnen drang befriedigend an ihr Ohr und bestärkte ihr Selbstvertrauen, sodass sie die Initiative ergriff und ihn tiefer in sich ließ. »Gütiger Himmel«, stöhnte er. »Das ist es, Baby. Nimm mich tiefer. Fester. Ich liebe es, wie du dich anfühlst. Ich liebe es, wie sich deine Kehle um meinen Schwanz zusammenzieht. Nimm ihn. Nimm noch mehr. Nimm mich ganz. Jaaa.« Seine Finger wühlten sich fester in ihr Haar, bis sie sich nicht mehr bewegen konnte. Sie merkte, dass er die Kontrolle haben wollte. Er wollte die Führung übernehmen. Und so gab sie nach und unterwarf sich seinem Willen. Sie entspannte sich, legte den Kopf zurück, sodass er tiefer eindringen konnte, und zwang sich, alles zu nehmen, was er ihr geben wollte. Sie wollte, dass er befriedigt war. Sie wollte seine Welt erbeben lassen. Er stieß zu und drang noch tiefer als zuvor, dann verharrte er tief in ihrer Kehle, während sich ihre Nase an seine Lenden drückte. Gerade als sie anfing nach Luft zu ringen, ließ er von ihr ab und zog sich zurück, damit sie einatmen konnte. Dann schob er sich wieder in ihren Mund, wobei er immer noch ihr Haar fest gepackt hielt. Er rieb mit seinem Schwanz über ihre Lippen und stieß dann wieder fest und tief in sie hinein. »Oh Gott, was machst du mit mir«, stöhnte er mit brüchiger Stimme. »Bleib einfach knien, Mia. Ich werde in deinem Mund kommen, und ich will, dass du jeden einzelnen Tropfen schluckst.« Sie schmeckte bereits den Sehnsuchtstropfen auf ihrer Zunge und wusste, dass er sich schon bald ergießen würde. Sein Körper zitterte vor Anspannung, die Explosion war also in greifbarer Nähe. Dies war keine langsame, sinnliche Balz. Hier ging es nur um skrupellose, schnelle Lusterfüllung. Er begann schnell und fest zuzustoßen, und feuchte Sauggeräusche dröhnten in ihren Ohren, während sich ihre Wangen bei jedem Stoß blähten. Auch wenn sie wusste, dass sein Orgasmus kurz bevorstand, kam der erste Samenschwall für sie überraschend. Heiß und salzig ergoss er sich in ihren Mund und füllte ihn, während er sein rasendes Tempo beibehielt. Sie schluckte und versuchte mitzuhalten, aber er ergoss sich immer weiter, ein Strahl nach dem anderen schoss in ihren Hals, dicht gefolgt von der Kuppel seines Schwanzes. Der Griff in ihrem Haar war fast schon schmerzhaft, aber sie achtete nicht darauf. Dann kam er auf die Zehenspitzen hoch und stieß so tief zu wie noch kein Mal zuvor. Eine ganze Weile verharrte er so, während sich die letzten Spritzer seines Höhepunkts in ihre Kehle ergossen. Schließlich lockerte sich sein Griff in ihrem Haar und er ließ seinen Schwanz langsam aus ihrem Mund gleiten. Sie schluckte und hustete, und dann schluckte sie wieder, während ihr Tränen in die Augen stiegen. Aber sie zwang sich, ihn weiter anzusehen, weil sie seine Befriedigung sehen wollte. Seine Anerkennung. Doch in seinem Blick lag Bedauern, als er nach ihr griff und sie sanft hochzog. Seine Hände strichen ihre Arme hinauf und hinab, von den Handgelenken bis zu ihren Schultern, während er sie ansah. »Was dich betrifft, bin ich ein hoffnungsloser Fall, Mia. Ich verspreche dir Dinge, die ich nicht halten kann. Ich bin nicht ich selbst, wenn ich mit dir zusammen bin. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mich jetzt überhaupt mag. Aber ich kann nicht aufhören. Auch wenn es dazu führt, dass du mich hasst, kann ich verdammt noch mal nicht aufhören. Ich werde nicht aufhören. Mein Verlangen nach dir verzehrt mich und es hört einfach nicht auf.« Tief erschüttert von seinem freimütigen Geständnis konnte sie ihn nur wortlos anstarren, während ihr Herz ob der Bedeutung, die dem innewohnte, hämmerte. Zärtlich berührte er ihre Wange, das Bedauern lag immer noch wie ein Schleier über seinen blauen Augen. »Zieh dich jetzt für heute Abend um. Wir werden nicht lange bleiben und danach noch ausgehen und ein spätes Abendessen zu uns nehmen.« 15 Gabe war still und in sich gekehrt, als sie zu dem Jazz-Club im Village fuhren, wo die Cocktailparty stattfand. Mia warf ihm immer wieder forschende Blicke zu, er sah die Unsicherheit darin, konnte sich aber nicht dazu aufraffen, sie zu beruhigen. Wie sollte er auch? Er war verstört. Es beschämte ihn, wie wenig er sich in ihrer Gegenwart unter Kontrolle hatte. Bei keiner anderen Frau hatte er je so einen Mangel an Zurückhaltung gezeigt. Seine Handlungen und Reaktionen waren immer wohl durchdacht. Doch mit Mia fehlten ihm die Ruhe und die Distanz, die seit seiner Teenagerzeit Bestandteil seines Lebens waren. Scheiße, er hatte sie übel malträtiert. Er hatte ihren Mund vergewaltigt, verdammt. Er hatte sie in seine Wohnung geschleift, sie auf die Knie gezwungen und sich dann bis in ihren Hals gezwungen. Grenzenlose Selbstverachtung erfüllte ihn und trotzdem konnte er es nicht bedauern. Schlimmer noch – er wusste, dass er es wieder tun würde. Und wieder. Es juckte ihn schon wieder in den Fingern, später nach Hause zu fahren und sie in seinem Bett unter sich liegen zu haben. Der Mangel an Respekt Mia gegenüber in der Firma hatte ihn wütend gemacht, aber was war er doch für ein Heuchler! Er hatte ihr gegenüber noch viel weniger Respekt an den Tag gelegt, indem er sie wie die Hure behandelt hatte, die sie befürchtete zu sein. Nicht, dass er sie je – und sei es auch nur einmal – so gesehen hätte, aber mit seinen Handlungen hatte er bisher auch noch nichts Gegenteiliges ausgesagt. Sein Schwanz erledigte das Denken für ihn, und dem war es scheißegal, dass sein Besitzer es langsam angehen und sie nicht gleich am Anfang überfordern wollte. Sein Schwanz wollte mehr. Seine Hände und sein Mund wollten mehr. Sein Verlangen nach ihr verzehrte ihn und bisher war es noch nicht einmal ansatzweise schwächer geworden. Wenn überhaupt, wurde es sogar mit jedem Mal, das er mit ihr schlief, noch stärker. Mit ihr schlief. Am liebsten hätte er gelacht. Das war ein viel zu harmloser Ausdruck für das, was er mit ihr gemacht hatte. Vielleicht als Versuch, sich besser zu fühlen. Er hatte sie bis zur Besinnungslosigkeit gevögelt. Er bewegte sich auf einem sehr schmalen Grat, so brutal, wie er sie behandelte, doch trotz seiner Reue wusste er, dass es beim nächsten Mal – unabhängig von seinen Absichten – nicht anders laufen würde. Er könnte zwar behaupten, dass er es so nicht wollte, aber dann wäre er ein Lügner … und das wusste er. »Wir sind da, Gabe«, sagte Mia und berührte kurz seinen Arm. Er tauchte aus seinen Gedanken auf und stellte fest, dass der Wagen vor dem Club angehalten hatte. Er fing sich schnell, stieg aus und ging um den Wagen herum, um die Tür auf Mias Seite zu öffnen und ihr aus dem Auto zu helfen. Sie sah atemberaubend aus, und er hatte das ungute Gefühl, dass sie genauso viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde wie am Abend der Hoteleröffnung, obwohl er doch bewusst dafür gesorgt hatte, dass sie heute etwas weniger Freizügiges trug. Mia war eine wunderschöne Frau, und sie hatte etwas Besonderes an sich, das andere Menschen anzog. Selbst lediglich mit einem Jutesack bekleidet, würde sie alle Blicke auf sich ziehen. Er legte seine Hand unter ihren Ellbogen und führte sie zum Eingang. Er musste sich sehr zurückhalten, sie nicht eng an seine Seite zu ziehen und aller Welt zu zeigen, dass sie ihm gehörte. Doch er würde sie nicht in Verlegenheit bringen und auch nicht ihre – oder seine – Beziehung zu Jace gefährden. Zu wissen, dass sie ihm hinter geschlossenen Türen gehörte, reichte. Aber ganz gewiss würde er auch nicht zusehen, wenn irgendein anderer Mann sich heute Abend an Mia heranmachte. Als sie den Raum erreichten, der für die Cocktailparty reserviert war, ging Gabe auf Abstand zu Mia, um Spekulationen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sein Instinkt schrie förmlich danach, ihr nah zu sein und ihr das unsichtbare Schild »Hände weg« für jeden Mann sichtbar umzuhängen. Aber er zwang sich dazu, ruhig und gelassen zu wirken. Sie war aus geschäftlichen Gründen hier. Aus keinem anderen Grund. Weder war sie sein Date noch seine Geliebte, geschweige denn seine Frau. Auch wenn sie beide wussten, dass das nicht stimmte. Kaum waren sie in den Raum getreten, wurden sie auch schon von Mitch Johnson erspäht. Er nickte ihnen zu, ehe er sich einen Weg durch die Gäste zu Gabe und Mia bahnte. »Showtime«, murmelte Gabe. Mia ließ den Blick kurz über die Menge gleiten, um dann nur noch Mitch anzusehen, der sie fast erreicht hatte. Sie setzte ein ungekünsteltes Lächeln auf und stand aufmerksam abwartend neben Gabe. »Gabe, ich freue mich, dass Sie es trotz der kurzfristigen Einladung einrichten konnten herzukommen«, sagte Mitch und streckte die Hand vor. »Das wollte ich mir nicht entgehen lassen«, erwiderte Gabe gewandt. Er drehte sich zu Mia um. »Mitch, ich möchte Sie gern meiner persönlichen Assistentin, Mia Crestwell, vorstellen. Mia, das ist Mitch Johnson.« Sie streckte ihm die Hand entgegen, begleitet von einem warmen, einladenden Lächeln. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr Johnson. Danke, dass Sie uns eingeladen haben.« Mitch schien entzückt von Mia zu sein, was ihm fast einen finsteren Blick von Gabe eingebracht hätte, doch dieser zwang sich dazu, Haltung zu bewahren. Mitch war glücklich verheiratet. Er war nicht der Typ, der fremdging. Aber er sah Mia an, und das konnte Gabe nicht ausstehen. »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Mia. Bitte, nennen Sie mich Mitch. Darf ich Ihnen Getränke holen? Gabe, da sind ein paar Leute, denen ich Sie gern vorstellen möchte.« »Für mich nichts, danke«, erwiderte Mia leise. Gabe schüttelte den Kopf. »Ich hole mir vielleicht später etwas zu trinken.« Mitch zeigte auf die Menge. »Folgen Sie mir bitte, ich werde Sie allen vorstellen. Ich habe mit mehreren Geschäftskollegen gesprochen. Sie interessieren sich sehr für Ihr Projekt in Kalifornien.« »Hervorragend«, erwiderte Gabe voller Genugtuung. Sie folgten Mitch, der sie unterschiedlichen Grüppchen vorstellte, die in der Menge beisammenstanden. Mia stand, während über Geschäftliches gesprochen wurde, stetig mit interessierter Miene neben Gabe. Sie war gut. Das alles musste schrecklich langweilig für sie sein, aber falls dem so war, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie überraschte Gabe restlos, als sie in einer Gesprächspause Trenton Harcourt anschaute und sagte: »Und wie macht sich Ihre Tochter in Harvard? Gefällt ihr das Studium?« Trenton wirkte verdutzt, doch dann strahlte er. »Sie macht sich sehr gut. Meine Frau und ich sind sehr stolz auf sie.« »Wirtschaftsrecht ist sicher kein einfaches Studienfach, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie Sie nach ihrem Abschluss ganz hervorragend unterstützen wird. Es ist immer schön, wenn man auf Verbindungen innerhalb der Familie zurückgreifen kann«, erklärte Mia mit einem Zwinkern. Alle lachten und Gabe spürte Stolz in sich aufsteigen. Offensichtlich hatte sie die Informationen durchgearbeitet, die er ihr gegeben hatte. Dann beobachtete er, wie sie die Gesprächsführung übernahm und speziell auf die jeweiligen Männer zugeschnittene Bemerkungen in die Runde warf. Sie sorgte dafür, dass die Unterhaltung nicht ins Stocken geriet, und hatte die Männer vollkommen in ihren Bann gezogen. Gabe beobachtete alles genau und wartete förmlich auf einen ungehörigen Blick oder eine unpassende Bemerkung, doch die Männer waren höflich und schienen von Mias freundlicher Art verzaubert zu sein. »Sind Sie mit Jace Crestwell verwandt?«, fragte Mitch, als eine Gesprächspause eintrat. Mia verstummte, bewahrte aber Haltung. »Er ist mein Bruder.« Sie klang fast abwehrend. Gabe bemerkte den Anflug von Unsicherheit, bezweifelte jedoch, dass die anderen das mitbekommen hatten. »Ich bin ihm zuvorgekommen«, erklärte Gabe gelassen. »Sie ist klug und perfekt geeignet, als meine persönliche Assistentin zu arbeiten. Ich scheue die Auseinandersetzung mit Jace nicht, darüber, wer sie ins Unternehmen holt.« Die anderen lachten. »Sie sind schlau, Gabe. Sie ziehen im Geschäftsleben immer Ihr Ding durch. Aber so ist es nun mal. Der Sieger bekommt die Beute, nicht wahr?«, meinte Trenton. »Genau«, erwiderte Gabe. »Sie ist eine wertvolle Bereicherung, die ich mir nicht durch die Lappen gehen lassen werde.« Mia war errötet, doch die Freude in ihren Augen war es wirklich wert, dass Gabe so deutlich hervorgehoben hatte, wie sehr er Mia als Mitarbeiterin schätzte. »Wenn Sie mich und Mia jetzt entschuldigen würden … ich sehe noch ein paar Leute, die ich begrüßen möchte«, verabschiedete Gab sich gewandt. Er legte seine Hand unter ihren Ellbogen und führte sie von der Gruppe weg. Er wollte schon quer durch den Raum gehen, um ihnen beiden etwas zu trinken zu holen, als er plötzlich stehen blieb und sich sein Blick auf den Eingang heftete. Er fluchte leise, doch Mia hatte es anscheinend trotzdem gehört und schaute mit gerunzelter Stirn auf. Dann folgte sie seinem Blick zur Tür und verzog das Gesicht. Sein Vater hatte gerade mit einer atemberaubenden, wesentlich jüngeren Blondine im Arm den Raum betreten. Mist. Was machte der denn hier? Warum hatte er ihm nichts von seinem geplanten Erscheinen gesagt, dann wäre er zumindest vorbereitet gewesen! Nachdem Gabe sich am Wochenende mit seiner Mutter getroffen und alles getan hatte, um sie aufzumuntern, ärgerte es ihn, jetzt seinen Vater mit seiner neusten Flamme im Arm zu sehen. Mia berührte seinen Arm. Ein mitfühlender Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Es gab keine Möglichkeit, einer Begegnung aus dem Weg zu gehen. Sein Vater hatte ihn bereits gesehen und bahnte sich einen Weg durch die Menge auf ihn zu. »Gabe!«, sagte sein Vater und seine Augen leuchteten auf. »Ich freue mich, dich hier anzutreffen. Wir haben uns so lange nicht gesehen.« »Dad«, erwiderte Gabe kurz angebunden. »Stella, ich möchte dich meinem Sohn Gabe vorstellen. Gabe, dies ist Stella.« Gabe nickte kurz, konnte sich aber noch nicht einmal zu einer freundlichen Erwiderung überwinden. Das Ganze ging ihm gegen den Strich und er wäre am liebsten aus der Situation geflohen. Immer hatte er das Gesicht seiner Mutter vor Augen … die Traurigkeit in ihrem Blick. Die Verwirrung und den Verrat, den sie immer noch empfand, weil ihr Ehemann sie plötzlich nach neununddreißig Jahren verlassen hatte. »Es ist mir eine Freude«, sagte Stella mit rauchiger Stimme und ihr Blick glitt musternd über Gabe. »Wie ist es dir in letzter Zeit ergangen, Sohn?«, fragte sein Vater. Er ließ sich nichts anmerken, falls er die Peinlichkeit der Situation überhaupt bemerkt hatte. Vielleicht war er auch völlig unempfindsam in Bezug auf das Leid, das er seiner Familie mit seinem Verhalten zugefügt hatte. »War sehr beschäftigt«, erwiderte Gabe kurz angebunden. Sein Vater winkte ab. »Als ob das was Neues wäre. Du solltest dir mal freinehmen. Urlaub machen. Ich würde dich gern in mein Haus einladen. Es wäre nett, über alles, was du so machst, auf den neusten Stand gebracht zu werden.« »Welches Haus?« Gabes Stimme hätte ein Feuer vereisen können. »Ach, ich habe ein Haus in Connecticut gekauft«, erzählte sein Vater leichthin. »Ich würde es dir gern zeigen. Wir könnten gemeinsam zu Abend essen. Hast du diese Woche einen Abend frei?« Gabe biss die Zähne zusammen, bis es schmerzte. Mia räusperte sich leise und trat dann mit einem freundlichen Lächeln vor. »Möchten Sie etwas trinken, Mr Hamilton? Ich wollte mir gerade die Nase pudern gehen, aber auf dem Rückweg würde ich Ihnen und Gabe gern etwas zu trinken mitbringen.« Sein Vater sah sie einen Moment lang verwirrt an, ehe er sie erkannte. »Mia? Mia Crestwell? Bist du das wirklich?« Er war ihr nur bei zwei Gelegenheiten begegnet, als Mia noch viel jünger gewesen war, und das auch nur kurz. Es überraschte Gabe, dass sein Vater sich überhaupt an sie erinnerte. Mia nickte. »Ja, Sir. Ich arbeite jetzt als persönliche Assistentin für Gabe.« Sein Vater lächelte und beugte sich vor, um Mia auf die Wange zu küssen. »Du meine Güte … wie groß du geworden bist. Das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe, muss Jahre zurückliegen. Du hast dich zu einer ganz reizenden jungen Dame entwickelt.« »Danke«, sagte Mia. »Was ist jetzt mit dem Getränk?« »Scotch on the rocks«, sagte sein Vater. »Für mich nichts«, erklärte Gabe mit ausdrucksloser Stimme. Mia warf Gabe einen mitfühlenden Blick zu und ging dann mit schnellem Schritt auf die Damentoilette zu. Das konnte er ihr nicht verübeln. Es lag so viel Anspannung in der Luft, dass es schon unangenehm war. Er beobachtete ihren Rückzug und merkte, wie sehr auch er von hier weg wollte. Er wollte in seiner Wohnung sein, hinter verschlossenen Türen, Mia in den Armen halten und immer wieder in ihr kommen. Erleichtert verschwand Mia auf der Damentoilette. Da sie kein dringendes Bedürfnis hatte und das Aufsuchen des Örtchens nur ein Vorwand gewesen war, um sich der unangenehmen Situation zwischen Gabe und seinem Vater zu entziehen, frischte sie ihren Lippenstift auf und musterte ihr Gesicht im Spiegel. Erstaunt beobachtete sie, wie die Tür sich gleich wieder öffnete, Stella hereinkam und sich neben Mia vor den Spiegel stellte. Stella sah sie unverhohlen an, ehe sie ebenfalls Lippenstift auftrug. »Dann erzählen Sie mal«, sagte Stella, ohne das Schminken zu unterbrechen. »Stimmt das Gerede über Gabe Hamilton und die Aussichten, die er seinen Frauen bietet?« Erschrocken ließ Mia fast ihren Lippenstift fallen und mühte sich, ihn in ihr Abendtäschchen zurückzustecken. Geschockt von der Unverfrorenheit der Frau drehte sie sich zu Stella um. »Selbst wenn ich persönliche Dinge über Mr Hamiltons Leben wüsste, würde ich das in mich gesetzte Vertrauen doch ganz bestimmt nicht enttäuschen, indem ich irgendetwas ausplaudere.« Stella verdrehte die Augen. »Ach, kommen Sie schon. Geben Sie mir einen Tipp von Frau zu Frau. Ich würde gern an ihn rankommen, und wenn er tatsächlich das Tier im Bett ist, für das ich ihn halte, will ich es unbedingt mal mit ihm versuchen.« Mia schüttelte den Kopf. »Sie sind mit seinem Vater hier.« Stella winkte ab. »Er hat Geld. Aber Gabe hat viel mehr, außerdem ist er jünger und kräftiger. Wenn man den jüngeren Hamilton haben kann, warum soll man es nicht versuchen? Haben Sie irgendwelche Tipps für mich? Sie arbeiten doch für ihn. Bestimmt hatten Sie irgendwann mal mit seinen Verflossenen zu tun.« Mia hätte eigentlich nicht schockiert sein sollen, aber offen gesagt wusste sie nicht, wie sie mit der direkten, dreisten Art der Frau umgehen sollte. Weil sie nicht wusste, was sie hätte erwidern können, drehte sie sich einfach um und verließ die Damentoilette. Kopfschüttelnd ging sie in Richtung Bar. Das freche Verhalten der Frau war doch nicht zu fassen! Sie bestellte den Scotch und wartete, während der Drink zubereitet wurde. Dann drehte sie sich um und suchte in der Menge nach Gabe und seinem Vater. Sie standen immer noch an der gleichen Stelle, wo sie sie zurückgelassen hatte, und Gabe sah überhaupt nicht glücklich aus. Seine Miene war kalt und in seinen Augen lag ein harter Ausdruck. Es sah so aus, als stünde er einem Gegner gegenüber, den er vom Angesicht der Erde tilgen wollte. Sie holte tief Luft. Sie wusste, dass es schrecklich sein musste, wenn sich die Eltern nach so vielen Jahren trennten. Gabe war in der Geborgenheit einer intakten Familie aufgewachsen, während sie und Jace nach dem Tod ihrer Eltern versucht hatten, wieder so etwas wie Normalität in ihr Leben zu bringen. In gewisser Weise stellte auch die Scheidung von Gabes Eltern einen Verlust dar, auch wenn sie noch lebten, weil nichts je wieder so sein würde wie vorher und er gezwungen war, seine Eltern von nun an als zwei getrennte Parteien zu betrachten. Sie verzog das Gesicht, als sie Stella auf Gabe und seinen Vater zugehen sah. Die Frau tat sich keinen Zwang an und hakte sich bei Gabe unter, während sie anfing zu flirten, indem sie ihn mit einem Hundert-Watt-Lächeln anstrahlte. Mia hörte ihr perlendes Lachen, als sie sich mit dem Drink näherte. Verblüfft sah sie, dass Gabe Stellas Lächeln erwiderte … mit einem absolut verführerischen Lächeln, das Mia völlig irritierte. Es war das Lächeln, das Gabe aufsetzte, wenn er auf der Jagd war. Ein Lächeln, das der Frau klarmachte, dass er sehr interessiert war. Verdammte Scheiße, was sollte das? Mia stand ein paar Schritte von den Männern entfernt, die sie noch nicht bemerkt hatten, während sie versuchte, die rasende Eifersucht – und die Wut –, die durch ihren Körper strömte, unter Kontrolle zu bringen. Ich bin kein eifersüchtiger Mensch, rief sie sich in Erinnerung. Ach, Bockmist. Sie war wahnsinnig eifersüchtig und am liebsten hätte sie der Blondine jedes Haar einzeln ausgerissen. Hatte Gabe völlig den Verstand verloren? War das der Typ Frau, der ihm gefiel? Eine Frau, die darauf aus war, so viel sie konnte zu ergattern? Andererseits wollte er ja keine emotionalen Verwicklungen in seinen Beziehungen. Das verlangte er sogar. Doch er hatte einen Vertrag mit Mia geschlossen und würde nur über ihre Leiche mit irgendeinem Flittchen flirten, dafür würde sie sorgen. Sie würde den beiden in den Hintern treten, wenn es sein musste. Sie stürmte vor und reichte Gabes Vater den Drink. »Danke, meine Liebe«, sagte Mr Hamilton mit einem warmen Lächeln. Stella sah mit einer niedlichen Schnute zu Gabe auf. »Tanzen Sie mit mir, Gabe. Die Musik will schließlich nicht verschwendet sein, und ich möchte mich gern bewegen.« Gabe kicherte, und das ging Mia durch und durch. »Wenn du uns bitte entschuldigst«, sagte Gabe zu seinem Vater. Er sah Mia nicht einmal an, als er Stella zur Tanzfläche führte. Völlig verblüfft beobachtete Mia, wie Gabe die Blondine in seine Arme zog – viel zu eng an sich zog – und sie anlächelte. Er lächelte! Er lächelte fast nie! Und sie selbst hatte er bei seinem Vater stehen gelassen, was höchst unangenehm war, zumal er gerade mit der Verabredung seines Vaters abgezogen war. Sie konnte schlecht wieder auf die Damentoilette flüchten. Diesen Vorwand hatte sie schon aufgebraucht. Sie bemerkte, dass Mr Hamilton die Stirn runzelte, als sein Blick sich auf Gabe und Stella richtete, die nun miteinander tanzten. Mia selbst war auch nicht in der Lage, den Blick von dem Paar abzuwenden. Ihre Wut wurde immer größer, als sie sah, dass Gabes Hand aufreizend über den Körper der Frau glitt. Zur Hölle mit der ganzen Situation! Sie würde nicht einfach dastehen und zugucken, wie Gabe eine andere Frau betatschte – ausgerechnet die Frau, mit der sein Vater gekommen war! Sie hatte ihre Pflicht getan. War nett und umgänglich gewesen. Sie hatte seinen Investoren Honig um den Bart geschmiert und all die Belanglosigkeiten heruntergerattert, die sie sich im Verlauf des Nachmittags eingeprägt hatte. Sie hatte etwas Besseres zu tun. An erster Stelle nach Hause zu gehen und bei Caroline Dampf abzulassen. 16 »Was für ein Penner«, sagte Caroline. »Ich fasse es nicht, dass er sich diese Schnalle ans Bein geheftet hat. Vor allem, wenn er doch dich hat!« Mia freute sich über die Loyalität ihrer Freundin. Die beiden hatten es sich auf dem Sofa bequem gemacht, nachdem Mia das Kleid ausgezogen hatte, das ihr nach dem ruinierten Abend wie blanker Hohn erschien. Es hatte ihr ja richtig was gebracht, toll auszusehen, wenn Gabe sich trotzdem anderweitig umschaute. Niemand wusste von ihrer Beziehung zu Gabe, also wusste auch niemand um die beschämende Situation für sie, was jedoch nichts an der tiefen Kränkung änderte, unter der sie litt. »Wer weiß, was in ihm vorgeht«, meinte Mia müde. »Aber ich hatte keine Lust, noch länger zu bleiben und mir anzusehen, wie die beiden sich schöne Augen machen. Es war ekelhaft.« »Das solltest du auch nicht!«, rief Caroline. Plötzlich trat ein Leuchten in ihre Augen, und Mia wusste sofort, dass Flucht die einzige Alternative war. »Dann ist er also so gut im Bett, wie ich vermutet habe?« Mia stöhnte verärgert auf. »Um Himmels willen, Caro!« »He, gib mir etwas, womit ich mich beschäftigen kann. Ich habe nur meine Fantasievorstellungen. Du hast die Wirklichkeit.« »Er ist ein Gott, okay? Er hat mich völlig umgehauen. Er ist einzigartig – und ich hatte in der Vergangenheit durchaus einige hervorragende Vergleichsmöglichkeiten. Aber so was Grandioses ist mir noch nie untergekommen.« »Verdammt«, sagte Caroline schwermütig. »Ich wusste, dass richtig was abgeht, als du mich am Telefon gebeten hast, eine Tasche für dich zu packen. Du hattest noch nicht einmal angefangen bei ihm zu arbeiten und hast schon bei ihm übernachtet. Der Typ ist schnell. Das musst du ihm lassen.« Mia machte ein wütendes Gesicht. »Ja, er ist wirklich schnell.« »Sollen wir uns jetzt was zu essen bestellen und hinterher das Eis aus dem Tiefkühlfach auffuttern? Oder hast du schon was gegessen?« Mia schüttelte den Kopf. »Wir wollten eigentlich nach der Cocktailparty essen gehen. Aber dann ist ja diese Blondine aufgetaucht.« Caroline streckte die Hand nach dem Telefon aus. »Was hältst du von Pizza?« »Klingt himmlisch«, hauchte Mia. Als Caroline in ihren Kontakten blätterte, klingelte es an der Haustür. Mia bedeutete Caroline sitzen zu bleiben und stand auf. »Du bestellst das Essen. Ich sehe nach, wer da ist.« Sie ging zur Gegensprechanlage und drückte auf den Knopf. »Ja?« »Mia, beweg deinen Hintern sofort nach unten.« Gabes wütende Stimme hallte durch die Wohnung. Caroline riss die Augen auf und ließ den Hörer fallen. »Wozu denn, Gabe?«, erwiderte Mia, wobei ihre Verärgerung deutlich in ihrer Stimme mitschwang. »Ich schwöre bei Gott: Wenn du deinen Hintern nicht sofort nach unten bewegst, komme ich hoch und hole dich höchstpersönlich. Und es ist mir scheißegal, ob du angezogen bist oder nicht. Du hast drei Minuten Zeit, um hier unten zu erscheinen.« Mia schaltete die Gegensprechanlage aus. Schäumend vor Wut ließ sie sich neben Caroline aufs Sofa fallen. »Nun«, meinte Caroline gedehnt. »Wenn er hier ist und nach dir verlangt, ist er offensichtlich nicht mit der Blondine zusammen.« »Empfiehlst du mir etwa, auf diesen arroganten Befehl zu reagieren?«, fragte Mia fassungslos. Caroline zuckte die Achseln. »Nun, sagen wir mal so: Ich bin mir absolut sicher, dass er einen Weg findet, hochzukommen und dich aus dieser Wohnung zu zerren. Vielleicht ist es besser, seiner Aufforderung nachzukommen und aus erster Hand zu erfahren, was nun mit dieser Blondine ist. Immerhin ist er hier und sie nicht.« Sie sah auf die Uhr. »Aber jetzt hast du nur noch zwei Minuten, ehe er das gesamte Gebäude auseinandernimmt.« Mia seufzte und raste dann ins Badezimmer. Sie hatte keine Ahnung, warum sie ihn nach der Szene auf der Cocktailparty überhaupt noch beachtete. Das hatte ihr wirklich den Rest gegeben. Trotzdem zog sie schnell eine Jeans und ein T-Shirt an und packte, einer Eingebung folgend, Sachen, die sie am nächsten Tag zur Arbeit anziehen konnte, in ihre Tasche. Eine gute Vorbereitung war immer noch besser als ein spätes Bedauern. Nachdem sie auch ihren Kulturbeutel gefüllt hatte, warf sie Caroline im Vorbeistürzen eine Kusshand zu. »Schreib mir eine SMS, damit ich weiß, dass du noch am Leben bist. Sonst muss ich davon ausgehen, dass er dich umgebracht hat, und anfangen, nach deiner Leiche zu suchen«, sagte Caroline. Mia winkte ihr zu und eilte aus der Wohnung zum Fahrstuhl. Als unten die Türen aufgingen, stand Gabe nur ein paar Schritte entfernt. Das Kinn hatte er vorgeschoben und in seinen Augen leuchtete Wut. Er stürzte zu ihr, ehe sie auch nur einen Schritt in seine Richtung machen konnte. Er war wie ein bis aufs Blut gereizter Leitwolf, der direkt auf sie zustürmte. Sie trat aus dem Fahrstuhl, und seine Hand schloss sich sofort um ihr Handgelenk, um sie gleich darauf am besorgt schauenden Pförtner vorbei zum Ausgang des Appartementhauses zu zerren. Mia gelang es gerade noch, dem Pförtner einen beruhigenden Blick zuzuwerfen, denn sie wollte nicht, dass er die Polizei rief. Dann richtete sie den Blick wieder auf Gabe. Sein Griff war fest und unnachgiebig, während jede seiner Zellen von heftiger Wut erfüllt zu sein schien. Weshalb war er eigentlich so wütend, verdammt noch mal? Es war schließlich nicht sie gewesen, die vor seinen Augen auf einer Cocktailparty, die sie gemeinsam besucht hatten, einen anderen Mann abgeschleppt hatte. Sie seufzte, als er sie auf den Rücksitz seines Wagens drängte und dann um das Auto herum auf die andere Seite ging. Kaum hatte er sich neben sie gesetzt, fuhr der Wagen an. »Gabe …« Er drehte sich mit wütender Miene zu ihr um. »Sei einfach still, Mia. Sprich mich jetzt nicht an. Ich bin zu wütend auf dich, um noch klar denken zu können. Ich muss mich erst beruhigen, ehe ich überhaupt in Erwägung ziehen kann, darüber mit dir zu reden.« Gleichgültig zuckte sie mit einer Schulter und wandte sich ab. Sie weigerte sich, sich auch nur eine Sekunde länger seinem wütenden Blick auszusetzen. Sie spürte, dass er vor Wut kochte, und hörte sein ungeduldiges, ärgerliches Knurren. Aber sie ignorierte ihn, betrachtete einfach die vorbeihuschenden Lichter der Großstadt. Sie hätte in ihrer Wohnung bleiben sollen, aber sie wollte diese Konfrontation. Sie war den ganzen Abend über wütend gewesen, und jetzt, wo Gabe das Thema anging, hatte sie genügend Munition und war bereit. Beide schwiegen während der Fahrt, doch sein Zorn war allgegenwärtig. Sie sah nicht ein Mal in seine Richtung und weigerte sich, auch nur ein Fünkchen Schwäche zu zeigen. Sie wusste sehr wohl, dass ihn das nur noch mehr aufregte. Als sie bei seiner Wohnung ankamen, riss er ihre Tür auf, packte ihre Hand und zerrte sie aus dem Wagen. Seine Finger lagen anschließend fest um ihren Oberarm, während er sie ins Gebäude und zum Fahrstuhl führte. Sobald sich die Wohnungstür hinter ihnen geschlossen hatte, presste er die Lippen zusammen und schien sehr an sich halten zu müssen, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren, während er sie unentwegt anstarrte. »Ins Wohnzimmer«, befahl er. »Wir haben viel zu bereden.« »Meinetwegen«, brummte sie. Sie wand sich aus seinem Griff und ging ins Wohnzimmer. Dort ließ sie sich aufs Sofa fallen und sah ihn abwartend an. Er marschierte vor ihr auf und ab und blieb dann stehen, um sie mit finsterem Blick anzustarren, dann holte er tief Luft und schüttelte den Kopf. »Ich kann noch nicht einmal mit dir reden, so wütend bin ich.« Unbeeindruckt davon, dass er wütend war, zog sie eine Augenbraue hoch. Sie war wütend. Und sie hatte das Recht dazu. »Du bist wütend?«, fragte sie ungläubig. »Weshalb denn, verdammt noch mal? Hat dich dein Flittchen am Ende doch abblitzen lassen? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Sie war ziemlich scharf darauf, dir an die Wäsche zu gehen.« Verwirrt runzelte er die Stirn. »Wovon redest du überhaupt?« Liebend gern hätte sie es ihm in aller Ausführlichkeit erklärt, doch er hob die Hand und ließ sie nicht zu Wort kommen. »Erst einmal wirst du mir zuhören, während ich dir erkläre, warum ich so gottverdammt wütend bin. Dann, wenn ich ein bisschen Zeit hatte, mich wieder zu beruhigen, werde ich dir den Hintern versohlen.« »Den Teufel wirst du tun«, fuhr sie ihn an. »Du bist einfach verschwunden«, stieß er hervor. »Ich hatte keine Ahnung, wohin, was mit dir passiert ist, ob irgendein Schwein dich abgeschleppt hat, ob dir schlecht geworden ist oder du dir wehgetan hast. Was hast du dir dabei gedacht, verdammt noch mal? Ist dir je in den Sinn gekommen, mir gnädigerweise eine Erklärung zukommen zu lassen? Wenn du gesagt hättest, dass du nach Hause willst, hätte ich dich selber nach Hause gebracht.« Sie sprang auf. Seine Begriffsstutzigkeit machte sie rasend. War er wirklich so dumm? »Wenn du nicht so beschäftigt gewesen wärest mit der Freundin deines Vaters, hättest du es vielleicht mitbekommen!« Seine Augen blitzten auf, als er endlich begriff, dann schüttelte er seufzend den Kopf. »Darum geht es also. Um Stella.« »Ja, Stella. Oder wie auch immer sie heißt.« Wieder schüttelte er den Kopf. »Du warst eifersüchtig. Meine Güte, Mia.« »Eifersüchtig? Du bist so unglaublich arrogant und selbstbezogen, Gabe. Das hat nichts mit Eifersucht, sondern nur mit Respekt zu tun. Du und ich haben eine Beziehung. Es mag vielleicht keine Beziehung im traditionellen Sinne sein, aber wir haben einen Vertrag. Und bei Gott, du gehörst verdammt noch mal mir, und ich werde dich nicht mit so einer blonden Tussi teilen.« Die Heftigkeit, mit der sie dies hervorstieß, schien ihn vollkommen zu verwirren. Dann warf er den Kopf zurück und lachte amüsiert, was sie nur noch wütender machte. Mit bebenden Schultern meinte er: »Du hast es gerade geschafft, meine Wut so zu dämpfen, dass ich dir jetzt deinen hübschen Hintern versohlen werde. Ins Schlafzimmer mit dir, Mia. Und zieh dich aus.« »Was soll denn die Scheiße?« »Und pass auf, was du sagst. Jace würde dir dafür den Mund mit Seife auswaschen.« »Tu nicht so scheinheilig. Du und Jace, ihr legt auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage.« »Ins Schlafzimmer, Mia. Sofort. Für jede Minute, die du es in die Länge ziehst, bekommst du fünf Schläge extra, und wenn du glaubst, ich würde das nicht ernst meinen, kannst du es ja versuchen. Du hast dir bereits zwanzig Schläge eingehandelt.« Sie starrte ihn mit offenem Mund an, doch als er den Blick auf seine Uhr richtete, stürzte sie zum Schlafzimmer. Sie war verrückt. Sie sollte eigentlich längst zur Tür hinaus sein, und doch war sie hier und zog sich in seinem Schlafzimmer splitterfasernackt aus, um sich von ihm versohlen zu lassen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Ihr Unterleib zog sich vor erwartungsvoller Erregung zusammen. Erwartungsvolle Erregung? Das ergab doch keinen Sinn. Die Vorstellung, den Hintern versohlt zu bekommen, war abscheulich, und trotzdem schien sie ihr irgendwie … verlockend und erotisch. Seine Hand auf ihrem Hintern. Auf dem er Spuren hinterließ. Und dadurch seine Herrschaft über sie ausübte. Sie war wirklich vollkommen verrückt. Aber der Gedanke war ja nicht neu. Allein, dass sie den Vertrag überhaupt unterzeichnet hatte, stellte ihre geistige Gesundheit infrage. Als Gabe ins Schlafzimmer trat, saß sie zaghaft und nackt auf der Bettkante, besorgt, was sie erwartete. Sie war sich überhaupt nicht sicher, ob es ihr gefallen würde. Sie war sich sogar ziemlich sicher, dass es das nicht tun würde. Aber tief in ihrem Innern verspürte sie eine gewisse Faszination und Erregung bei der Vorstellung von seiner Hand auf ihrem Hintern. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als er vor ihr stehen blieb. Sie konnte sich seiner alles verzehrenden Ausstrahlung nicht entziehen. »Steh auf, Mia«, befahl er ruhig. Es war nicht einmal mehr ein Anflug von Wut zu spüren. Zitternd stand sie auf, während er sich auf das Bett setzte. Er rutschte ans Betthaupt, lehnte sich gegen die Kissen und streckte dann den Arm nach ihr aus. Sie kletterte aufs Bett und griff zögernd nach seiner Hand. Er zog sie über seinen Schoß, sodass sie mit dem Gesicht nach unten mit dem Bauch auf seinen Schenkeln lag und ihr nach oben gereckter Hintern für ihn bequem erreichbar war. Er streichelte die drallen Rundungen und strich leicht über den gesamten Po. »Zwanzig Schläge, Mia. Ich will, dass du sie zählst. Am Ende wirst du dich bei mir dafür bedanken, dass ich dir den Hintern versohlt habe, und dann werde ich es dir so lange besorgen, bis du nicht mehr klar denken kannst.« Gedankenfetzen – wow … was denkt er sich überhaupt dabei? … und oh ja, bitte – rasten durch ihren Kopf. Alle gleichzeitig. Sie war verrückt. Eine andere Erklärung gab es dafür nicht. Der erste Schlag überraschte sie und sie stieß einen kurzen Schrei aus. Ob vor Schmerz oder Überraschung, das wusste sie nicht. »Du bekommst einen mehr«, erklärte er grimmig. »Zähl sie laut, Mia.« Oh Shit. Er rieb mit der Hand über ihren Po, dann traf sie der nächste Schlag. »Eins«, würgte sie hervor. »Sehr gut«, schnurrte er. Er strich tröstend über die Stelle und ließ seine Hand dann auf einen anderen Teil ihres Hinterns klatschen. Fast hätte sie vergessen mitzuzählen, dann aber stieß sie eilig »zwei« hervor, ehe er die Anzahl der Schläge erhöhen konnte. Ihr gesamtes Hinterteil kribbelte, und das anfängliche Brennen schlug in Erregung um, die stark und verheißungsvoll durch ihren Unterleib brandete… Ihr Schoß zuckte, und sie wand sich ruhelos, um die erbarmungslose Sehnsucht zu lindern. Drei. Vier. Fünf. Nach zwölf Schlägen war ihr heiß und sie konnte nur noch keuchend Luft holen. Sie wand sich auf Gabes Schoß. Seine Liebkosungen trieben sie in den Wahnsinn. Sie waren ein krasser Gegensatz zu den festen Schlägen seiner Hand. Trotzdem schlug er nie zu kräftig zu. Es war gerade so viel Wucht dahinter, dass sie sich am Rande des Abgrunds halten konnte, und beim sechzehnten Schlag flehte sie um … mehr. Um festere Schläge. Ihr Po stand vollkommen in Flammen, aber es war ein herrliches Brennen. Voller Lust. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Sie stand ganz kurz vor dem Höhepunkt und hätte nie gedacht, dass sie nur durch Schläge Erfüllung finden könnte. Oder sie als lustvolle Erfahrung empfinden würde. »Halt still und wage es ja nicht zu kommen«, warnte Gabe sie. »Es stehen noch zwei Schläge aus, und wenn du jetzt zum Höhepunkt kommst, werde ich ganz bestimmt dafür sorgen, dass du die nächste Tracht Prügel längst nicht so genießt.« Sie holte tief Luft, schloss die Augen und spannte alle Muskeln, um die Explosion hinauszuschieben, der sie zu verschlingen drohte. »Neunzehn«, sagte sie so atemlos, dass es nur ein Flüstern war. »Lauter«, forderte er. »Zwanzig!« Oh Gott, es war vorbei. Sie sackte auf dem Bett zusammen. Jede Faser ihres Körpers bebte vor Anspannung, weil sie den Atem angehalten und den Orgasmus so mühsam unterdrückt hatte. Ihr Schoß stand in Flammen. Sie hatte das Gefühl, als hätte er sie dort geschlagen, als hätte sie jeden einzelnen Schlag auf ihrem Kitzler gespürt. Ihre angespannte Scham pochte, und sie wusste, sie würde wie eine Rakete abgehen, würde er nur einmal auf diese Stelle pusten. Und das machte sie wütend. Ihre Unfähigkeit, sich zu beherrschen. Dass er sie dazu gebracht hatte, etwas zu lieben, das sie eigentlich abscheulich finden sollte. Er ließ sie einen Moment liegen, bis ihre Atemzüge ruhiger wurden und der Moment der Erlösung in weitere Ferne rückte. Dann hob er sie sanft hoch und drehte sie auf den Rücken. Er folgte ihrer Position, zerrte über ihr ragend an seinem Reißverschluss und an seiner Kleidung. Sein Mund fand ihre Brüste, zupfte mit den Lippen daran und saugte an den Knospen, während er mit seiner Kleidung kämpfte. Nachdem er sich das Hemd heruntergerissen hatte, dachte sie, er würde ihre Beine spreizen und es ihr hart besorgen, doch stattdessen stieg er aus dem Bett, griff nach ihren Beinen und zog sie bis an die Bettkante. Er spreizte ihre Schenkel, brachte seinen Schwanz an ihrer Öffnung in Position und sah sie mit durchdringendem Blick von oben herab an. »Hast du die Tracht Prügel genossen, Mia?« »Fick dich doch ins Knie!«, fuhr sie ihn grob an. Sie ärgerte sich immer noch über ihre Reaktion. Er brachte sie aus dem Gleichgewicht. Er brachte sie dazu, sich infrage zu stellen, und das gefiel ihr nicht. Ihr respektloser Tonfall und die Wortwahl ließen ihn mit den Zähnen knirschen. »Nein, Mia, Schatz. Ich ficke dich.« Mit einem einzigen, kräftigen Stoß drang er in sie ein. Sie keuchte und drückte den Rücken durch, während sich ihre Hände zu Fäusten ballten und sich in die Laken bohrten. »Danke, dass du mich versohlt hast«, sagte er ihr vor. »Fahr zur Hölle.« Er zog sich aus ihr zurück, bis nur noch seine Schwanzspitze an ihrer Öffnung lag und sie provozierend dehnte. »Falsche Antwort«, schnurrte er. »Sag Danke, und zwar lieb und nett.« »Mach es einfach. Bring es zu Ende«, sagte sie mit wachsender Verzweiflung. Sie wollte nicht diese schwache, bettelnde Person sein, aber im Zusammenhang mit ihm stand sie gefährlich nah davor, auch den letzten Rest von Stolz zu verlieren. Er küsste sie. Doch es war ein strafender Kuss, der sie nur daran erinnern sollte, dass sie überhaupt nichts zu sagen hatte. Und trotzdem wurde ihr Verlangen nach ihm immer größer, verzehrte sie, trieb sie in den Wahnsinn. »Du vergisst, wer hier das Sagen hat, Mia, Liebling«, murmelte er, während er an ihrer Kieferpartie knabberte. »Ich besitze dich. Und das bedeutet, dass es keine Rolle spielt, was du willst. Nur, was ich will.« Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und sie schob die Lippen vor. »So ein Quatsch, Gabe.« Er zog sich langsam zurück und ließ seinen Schwanz durch das geschwollene Fleisch ihres Schoßes gleiten. »Ich habe aber einen Vertrag, der genau das aussagt«, erklärte er ihr mit seidenweicher Stimme. Er drang wieder tief ein und raubte ihr den Atem mit der Kraft und der Geschwindigkeit, mit der er sie wieder in Besitz nahm. »Ich könnte den Vertrag jederzeit zerreißen«, erwiderte sie verärgert. Sie war versucht, es gleich jetzt zu tun, um ihn genauso wütend zu machen, wie sie es war. Aber das war es nicht, was sie wollte, und das wussten sie beide. Er verharrte mit angespanntem Körper über ihr und auch seine Lippen, die auf dem Weg zu ihrem Busen gewesen waren, blieben an ihrem Hals liegen. Ihre Brustwarzen richteten sich erwartungsvoll auf und sie hob sich ihm in wortlosem Flehen entgegen. Sie wollte seinen Mund auf sich spüren. Sie stand so kurz davor zu kommen, war so bereit und so wütend. »Ja, das könntest du«, erwiderte er träge. »Willst du das, Mia? Du willst den Vertrag zerreißen und dann einfach gehen? Oder willst du, dass ich es dir besorge?« Der Mann trieb sie noch in den Wahnsinn. Er wusste verdammt gut, was sie wollte, aber er wollte, dass sie es aussprach. Er wollte, dass sie ihn anflehte. Sein Blick wurde durchdringender. Er stieß einmal fest zu und verharrte dann wieder in ihr. Ihr Fleisch pochte und zuckte um seinen Schwanz. Es war die schweigende Bitte, weiterzumachen. Aber er rührte sich nicht und wartete. »Sag es, Mia.« Fast wäre sie vor Wut und Verzweiflung in Tränen ausgebrochen. Sie war so kurz vor dem Höhepunkt. Spürte ihn förmlich und konnte nicht mehr stillhalten, so angespannt waren all ihre Sinne. »Danke«, brummte sie. »Danke für was?«, hakte er nach. »Danke, dass du mir den Hintern versohlt hast!« Er kicherte. »Jetzt sag mir, was du willst.« »Ich will, dass du es mir besorgst, verdammt noch mal!« »Sag Bitte«, schnurrte er und seine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. »Bitte, Gabe«, sagte sie mit heiserer Stimme. Sie hasste die Verzweiflung, die in ihrer Stimme mitschwang. »Bitte besorg es mir. Bring das hier zu Ende. Bitte.« »Wenn du mir gehorchst, läuft alles gut. Denk daran, Mia. Denk daran, wenn du das nächste Mal meinst, einfach so gehen zu müssen, ohne mir Bescheid zu sagen.« Er beugte sich über sie und fuhr mit den Fingern durch ihr Haar. Er packte ihren Kopf und ließ die Hände dann zu ihren Schultern gleiten, an denen er sie an sich zog, damit sie seinen kräftigen Stößen entgegenkam. Er drang immer wieder in sie ein und legte ein erbarmungsloses Tempo vor, bei dem sie alles andere um sich herum vergaß und für sie nur noch er und sein Schwanz existierten. Sie hatte keine Ahnung, was sie schrie. Hör auf. Hör nicht auf. Sie bettelte. Flehte ihn mit heiserer Stimme an. Tränen strömten über ihr Gesicht, während sie sich so sehr nach oben wölbte, dass ihr Rücken das Bett nicht mehr berührte. Und dann war Gabe bei ihr, umhüllte sie, schlang sie in seine Arme. Er murmelte leise, beruhigende Worte. Streichelte ihr Haar, während er sich in ihren Körper ergoss. »Schsch, Mia, Liebling. Es ist gut. Es ist alles gut. Ich bin bei dir. Ich kümmere mich um dich.« Sie war völlig fertig und durcheinander von dem, was gerade passiert war. Das hier war doch nicht sie! Sie stand nicht auf perverse Sachen, Schläge und fast schon gewalttätigen Sex. Sie mochte es langsam und zärtlich. Gemächlich. Sie mochte es, wenn man sich Zeit ließ. Sex mit Gabe war wie ein Inferno. Eine nie gekannte Urgewalt, der sie in dieser Form nie wieder begegnen würde. Er entblätterte sie Schicht um Schicht und enthüllte dabei Facetten, die sie nicht kannte. Bei ihm fühlte sie sich verletzlich und unsicher. Was sollte sie bloß mit dieser neuen Mia machen? Er lag auf ihr, küsste ihre Schläfe und strich ihr beruhigend übers Haar. Sie schmiegte sich an ihn, suchte seine Wärme und Kraft. Er war der sichere Hafen, während überall sonst Chaos herrschte. In ihrem Kopf, in ihrem Körper und auch in ihrem Herzen. Als er diesmal ihre Lippen berührte, geschah es voller Zärtlichkeit, nachdem er vorher nur besitzergreifend und fordernd gewesen war. Es war schön, so schön, wie er sie küsste. Als wären sie ein Liebespaar, das nach einem leidenschaftlichen Liebesspiel wieder zueinander fand. Nur, dass man eine Tracht Prügel und anschließenden langen, harten Sex wohl kaum als Liebesspiel bezeichnen konnte. Sex. Es war nur Sex. Heißer, umwerfender, emotionsloser Sex. Aber nichtsdestotrotz Sex. Und es wäre ein verhängnisvoller Fehler, es auch nur ansatzweise für etwas anderes zu halten. 17 Gabe lag im Dunkeln da und starrte an die Decke, ohne etwas zu sehen. Mia lag in seiner Armbeuge, und er wusste, dass sie wach war. Noch hörte er keine sanften Atemzüge und spürte auch nicht die schlaffen Glieder, die ihn sonst wissen ließen, dass sie schlief. Jetzt lag sie vollkommen ruhig an seine Seite geschmiegt da, als denke sie noch über alles nach, was passiert war. Er war ein Mistkerl. Das wusste er. Das Bedauern darüber schnitt ihm ins Herz. Aber er wusste auch, dass er nicht aufhören würde. Er hatte bis jetzt jedes Versprechen, das er ihr gegeben hatte, gebrochen. Es hatte keine langsame Einführung in seinen Lebensstil gegeben. Keine Sanftheit. Keine Geduld. Sie trieb ihn in den Wahnsinn. Sie brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er schuldete ihr eine Erklärung für den heutigen Abend, doch sein Stolz erlaubte ihm nicht, ihr den Grund zu sagen. Es ärgerte ihn, dass sie beleidigt abgezogen war, aber gleichzeitig amüsierte es ihn auch. Außerdem war er stolz, dass sie ihm damit im Grunde »Fick dich« signalisiert hatte und gegangen war. Bei jedem anderen Kerl hätte er ihre Reaktion auf die Nummer, die er heute Nacht abgezogen hatte, lautstark gutgeheißen. Er wäre der Erste gewesen, der ihr geraten hätte wegzulaufen … so weit und so schnell, wie sie konnte. Er hätte jedem Drecksack, der sie so behandelt hätte, eine Abreibung verpasst. Wenn sie aber versuchen würde, von ihm wegzukommen, würde er nicht zulassen, dass sie floh, so viel war sicher. Er würde versuchen, sie mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zurückzuholen und gerade mal davor haltmachen, sie an sein Bett zu fesseln und sie als Gefangene zu halten. Er würde sie nicht gehen lassen. Noch nicht. »Das heute Abend war nicht so, wie du glaubst«, sagte er, selbst überrascht, dass ihm diese Bemerkung herausgerutscht war. Verdammt. Er wollte nicht mit ihr darüber reden. Niemals. Wenn sie nicht lange genug hatte bleiben wollen, um selber mitzubekommen, was passiert war, warum sollte er es ihr dann erklären? Weil sie anders ist. Weil du dich wie ein Idiot aufgeführt hast. Weil du es ihr schuldest. Mia bewegte sich und stützte sich auf einen Ellbogen auf, sodass ihr Haar wie ein Vorhang über ihre Schulter fiel. Er streckte die Hand nach der Lampe aus, getrieben von dem unbändigen Wunsch, sie zu sehen. Das weiche Licht fiel auf ihre Gesichtszüge und ihre Haut schimmerte im schwachen Schein der Lampe. Sie war wunderschön. Es gab kein anderes Wort dafür. Sie besaß eine Anmut, die ihm fast schon körperliche Schmerzen bereitete. Außer wenn sie wütend auf ihn war vielleicht. Aber er musste zugeben, dass es ihn mächtig angeturnt hatte, als sie wütend und wie ein fauchendes Kätzchen auf ihn losgegangen war. Da hätte er es ihr am liebsten auf der Stelle besorgt, während sie seinen Rücken mit ihren Krallen bearbeitete. »Ich fand das Geschehen ziemlich eindeutig«, meinte Mia, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. »Blondie hatte mir auf der Damentoilette aufgelauert und sehr deutlich gemacht, dass sie den jüngeren, reicheren Hamilton dem älteren, nicht ganz so reichen vorziehen würde. Sie wollte Tipps, wie sie dich ins Bett kriegen könnte. Und im nächsten Augenblick klebt ihr beiden auf der Tanzfläche förmlich aneinander, während deine Hand auf ihrem Hintern und noch ein paar anderen Körperteilen liegt, die ich hier nicht benennen möchte.« Sie verstummte und holte tief Luft. Er konnte erkennen, dass sie schon wieder sehr, sehr wütend wurde, aber er bewunderte sie dafür, dass sie es aussprach. Sie hatte keine Angst vor ihm und das gefiel ihm. Unabhängig davon, dass er jemanden wollte, der sich ihm völlig unterwarf, wollte er kein kleines Mäuschen. Es gab einen Unterschied zwischen unterwürfig und rückgratlos. Er wollte eine starke Frau mit einem eigenen Willen, die sich aber unter seiner Dominanz nicht aufrieb. Es war sehr gut möglich, dass Mia in dieser Hinsicht perfekt zu ihm passte, und er war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. »Mir ist bewusst, dass niemand von unserer Beziehung weiß. Ich verstehe, dass ich in rein beruflicher Funktion da war. Niemand weiß über uns Bescheid. Das Ganze hätte mich nicht in Verlegenheit bringen dürfen. Aber ich fühlte mich gedemütigt und ich konnte nichts daran ändern. Ich wäre am liebsten unter einen Tisch gekrabbelt und gestorben, weil ich die ganze Zeit daran dachte, dass wir doch einen Vertrag haben. Ich gehöre ihm, aber verdammt, wenn ich ihm gehöre, dann gehört er mir verdammt noch mal auch. Aber du musstest ja mit Blondie kuscheln. Du hast sie angelächelt, Gabe. Und du lächelst nie jemanden an.« Sein Brustkorb verengte sich ob des Schmerzes, der in ihrer Stimme lag. Und ob des Vorwurfs, der darin hallte. »Es hat mich wütend gemacht, und ich fühlte mich gedemütigt, weil ich nichts anderes denken konnte, als dass du mit mir nicht zufrieden bist und dass ich dir nicht Frau genug bin. Wir waren ein paar Mal zusammen und schon hältst du nach der nächsten Vertragspartnerin Ausschau?« »Das ist Quatsch«, sagte Gabe, zornig, dass sein Handeln sie verletzt hatte. »Vollkommener Blödsinn. Ja, ich habe mit ihr getanzt. Aber ich habe sie das Theater aufführen lassen, weil ich wollte, dass mein Vater erkennt, auf was er sich da eingelassen hatte. Sie war nicht einmal subtil, und ich wollte, dass mein Vater das sieht. Ich war schon wütend, als er mit ihr hereinkam, aber es wurde noch schlimmer, als sie anfing, mich zu umgarnen, obwohl mein Vater direkt daneben stand. Ich bin noch nicht über die Scheidung meiner Eltern hinweg. Ich habe mich noch nicht daran gewöhnt, meinen Vater jede Woche mit einer anderen Frau zu sehen. Meine Mutter sitzt zu Hause und trauert um ihre Ehe, während meinem Vater das alles scheißegal zu sein scheint. Also: Ja, ich habe sie das Theater aufführen lassen und damit deutlich machen wollen, was sie treibt, weil mein Vater erkennen soll, mit was für einer Art Frau er meine Mutter ersetzt hat.« Mias Blick wurde weich und ein Teil ihrer Wut verrauchte. Sie berührte Gabes Arm. »Es verletzt dich, ihn mit all diesen Frauen zu sehen.« »Verdammt, ja, das tut es«, stieß Gabe hervor. »Ich habe mein Leben lang zu ihnen aufgeschaut. Die Scheidung von Lisa war eine Demütigung für mich. Ich fühlte mich wie der größte Versager auf Erden, denn schließlich hatten meine Eltern es geschafft, fast vierzig Jahre lang sogar Streitigkeiten zu überstehen, während ich es noch nicht einmal auf drei Jahre gebracht hatte. Sie waren mein großes Vorbild dafür, wie eine Ehe aussehen könnte. Sie waren der Beweis dafür, dass es auch heutzutage noch Liebe gibt und man zusammen alt werden kann, dass eine Ehe klappen kann, wenn beide daran arbeiten. Doch plötzlich geht mein Vater aus heiterem Himmel auf und davon und innerhalb von ein paar Monaten sind sie geschieden. Ich verstehe es immer noch nicht. Es ergibt einfach keinen Sinn. Und ich hasse das, was er meiner Mutter angetan hat. Ich bin so wütend auf meinen Vater und trotzdem liebe ich ihn. Er hat mich im Stich gelassen. Er hat unsere Familie im Stich gelassen. Und das kann ich ihm nicht vergeben.« »Ich verstehe«, sagte sie sanft. »Als meine Eltern starben, war ich auch wütend auf sie. Ist das nicht dumm? Es war nicht ihre Schuld. Sie hatten bestimmt nicht vorgehabt, sich umzubringen. Sie wurden Opfer eines betrunkenen Autofahrers. Und trotzdem war ich wütend auf sie, weil sie mich verlassen hatten. Ich weiß nicht, was ich ohne Jace getan hätte. Er war mein Fels in der Brandung. Mein ruhender Pol. Ich werde ihm nie vergessen, was er für mich getan hat.« Gabe drückte sie an sich. Er wusste, dass sie nach dem Tod ihrer Eltern eine schwere Zeit durchgemacht hatte. Jace war fast daran verzweifelt, weil er nicht gewusst hatte, wie er ihr helfen oder was er tun sollte. Sie war wütend und voll tiefer Trauer und in diesem Zustand scheinbar völlig unerreichbar gewesen. Jace war fast verrückt geworden von den zahlreichen Versuchen, zu ihr durchzudringen, sich um sie zu kümmern und ihr Liebe und Unterstützung zu geben. Jace hatte sie wie ein Ersatzvater großgezogen. Nur, dass er für Mia auch alles andere gewesen war. Vater, Mutter und Bruder. Beschützer und einzige Hilfe. Nicht viele Männer hätten getan, wozu er bereit gewesen war. Er hatte alles beiseitegeschoben … die Aussicht auf eine eigene Familie oder eine Beziehung, nur um die volle Verantwortung für seine jüngere Schwester übernehmen zu können. Gabe bewunderte ihn dafür. Mia schwieg und ging dann ein bisschen auf Abstand. Das gefiel Gabe zwar nicht, aber er widerstand dem Drang, sie wieder fest an sich zu ziehen. Diese Reaktion hätte zu verzweifelt, zu bedürftig gewirkt. Und er wollte nicht bedürftig sein. Er brauchte niemanden. »Gabe …« Sie brach ab, sichtlich verunsichert. Sie schien mit sich zu ringen, ob sie die Frage, die in ihren Augen brannte, stellen sollte oder nicht. Er wartete … selber unsicher, ob er überhaupt wollte, dass sie eine Frage stellte, zu der sie erst genug Mut aufbringen musste, um sie äußern. »Was ist mit dir und Lisa passiert? Ich weiß, dass es dich verletzt … ja, am Boden zerstört hat. Ich weiß, dass sie diejenige war, die dich verlassen hat, und das Ganze weitreichende Folgen hatte.« Gabe schwieg eine ganze Weile. Ein Gespräch über Lisa oder gar den Verrat, den er damals wegen der Art und Weise der Trennung empfunden hatte, war das Letzte, was er jetzt wollte. Aber schuldete er Mia nicht eine Erklärung? Nein. Er schuldete niemandem irgendetwas. Trotzdem spürte er, dass er innerlich nachgab, dass er es ihr doch erklären wollte, damit sie vielleicht verstand, warum der Vertrag, die peinlich genauen Bestimmungen hatten sein müssen. Er hatte seit seiner Scheidung keiner der Frauen, mit denen er zusammen gewesen war, etwas erklärt. Das hatte er sich gar nicht erst angewöhnen wollen. Aber Mia war anders, das wurde ihm mehr und mehr klar, auch wenn er gleichzeitig mit dem Bewusstsein haderte, dass diese Andersartigkeit gefährlich war. »Ich bin mir sicher, dass der Vertrag auf dich … extrem … wirkt«, fing er an. »Auch kalt. Herzlos. Herrisch. Er macht mich wahrscheinlich zu einem riesigen Arschloch. Ganz abgesehen von den zahlreichen anderen Wörtern, die einem sonst noch dazu einfallen.« Sie erwiderte nichts, aber er sah das Wissen in ihren Augen. Kein schnelles Leugnen. Kein Versuch, etwas zu sagen, damit er sich besser fühlte, und das gefiel ihm an ihr. Aber es lag auch kein Vorwurf in ihrem Blick. Nur … Neugierde. »Lisa und ich führten eine Beziehung, in der ich die absolute Kontrolle besaß. Ich möchte mich nicht über das Warum und Weshalb auslassen. Manche Dinge sind einfach so. Es war … es ist … ein Bedürfnis, das ich habe. Ich hatte keine traumatische Kindheit, die mich zu dem gemacht hat, was ich bin. Es gab keine emotionale Labilität. Es ist eine abartige Veranlagung, aber vor allem ist es das, was ich bin. Ich kann das für niemanden ändern. Ich will mich nicht ändern. Ich fühle mich wohl, so, wie ich bin, und mit meinen Wünschen und Bedürfnissen.« Sie nickte. »Das habe ich verstanden.« »Ich weiß nicht, warum sie mich verlassen hat. Vielleicht habe ich sie nicht mehr befriedigt. Vielleicht wollte sie diese Art von Beziehung nicht mehr. Verdammt, vielleicht war sie nur darauf eingegangen, weil sie mich glücklich machen wollte. Vielleicht war sie nie wirklich glücklich mit mir. Ich weiß es nicht. Mittlerweile ist es mir auch egal. Doch als sie ging, brachte sie viele grundlose Anschuldigungen vor. Vor Gericht und vor der Presse ließ sie kein gutes Haar an mir. Sie erzählte jedem, der es hören wollte, dass ich sie und meine Macht über sie missbraucht hätte. Sie zeichnete das Bild einer nicht einvernehmlichen Beziehung, was Unsinn war, weil ich sie am ersten Tag unseres Kennenlernens über meine Erwartungen und Bedürfnisse aufgeklärt hatte. Ich habe sehr darauf geachtet, dass sie mit offenen Augen in unsere Beziehung und Ehe ging.« Ein bekümmerter Blick trat in Mias Augen und gleich darauf war ihr Mitgefühl zu erkennen. Er hasste das. Er brauchte kein Mitleid. Das war nicht der Grund, warum er sein Herz in einem rührseligen, postkoitalen, gemütlichen Moment ausschüttete. Er wollte nur, dass Mia verstand. »Ich hätte ihr nie vorgeworfen, dass diese Art Beziehung für sie nicht mehr funktionierte. Sie hätte nur ehrlich sein und sagen müssen, was sie wollte. Sie wäre von mir großzügig abgefunden worden und ich hätte ihre Entscheidung mitgetragen. Doch stattdessen griff sie mich an und stellte mich als abartiges Monster hin. Das werde ich ihr nie vergeben. In der Ehe mit ihr habe ich meine Lektion gelernt. Ich bin nie wieder eine Beziehung eingegangen, ohne mich vor dieser Art von Vorwürfen zu schützen. Es mag als extrem gelten, aber ohne detaillierte und unterzeichnete Verträge gehe ich keine Beziehung mehr ein. Ich habe keine One-Night-Stands. Ich habe keinen Gelegenheitssex. Wenn eine Frau in mein Bett kommt, kennt sie alle Bedingungen und hat einen Vertrag unterschrieben, der uns beide schützt.« »Vielleicht musste sie sich selbst davon überzeugen, dass du dieser schreckliche Mensch bist, damit sie überhaupt gehen konnte«, erklärte Mia sanft. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemals leicht ist, eine Ehe zu beenden.« Gabe schnaubte verächtlich. »Erzähl das meinem Vater. Du bist naiv, Mia. Süß, aber naiv. Menschen beenden jeden Tag Ehen. Ich habe mich immer gefragt, was jemanden dazu bringt, eines Morgens aufzuwachen und zu sagen: »So, heute ist der Tag, an dem ich meinen Ehemann oder meine Ehefrau abserviere«. Loyalität sollte ein Wert sein. Heutzutage will sich das niemand mehr erarbeiten. Es ist zu leicht, sich einen Scheidungsanwalt zu besorgen und dann einfach weiterzumachen.« Sie legte die Hand auf seine Brust und die Geste hatte etwas unendlich Beruhigendes. Er mochte es, wenn sie ihn berührte. Oh Gott – er war sich gar nicht sicher, ob er je genug von ihr bekommen würde. Er würde nehmen und immer weiter nehmen, bis nichts mehr von Mia übrig war. Bis sie zu einer Lisa wurde und es nicht mehr ertrug. Er wollte nicht, dass eine Frau je wieder das empfand, was Lisa offensichtlich empfunden hatte. Es war viel besser, wenn er sich seine Lust holte und dann weiterzog. Genau das, was er Lisa und seinem Vater vorwarf. Vielleicht war er letztendlich doch nicht besser als sie. »Nicht jeder wird dich verraten, Gabe«, erklärte sie ruhig. »Es gibt viele, die dir treu ergeben sind. Du kannst nicht alles kontrollieren. Du hast keine Kontrolle darüber, wie jemand für dich empfindet oder was ihn auf die Palme bringt. Du kannst nur kontrollieren, wie du reagierst, wie du agierst und wie du denkst und fühlst.« »Du bist erstaunlich klug für jemanden in deinem Alter«, meinte er trocken. »Warum habe ich nur das Gefühl, von jemandem getadelt worden zu sein, der vierzehn Jahre jünger ist als ich?« Sie beugte sich über ihn und überraschte ihn mit einem Kuss. Ihre Lippen verweilten warm und so verdammt süß über seinen. Ihr nackter Busen strich über seine Brust und – Gott im Himmel – sein Schwanz wurde sofort hart. »Irgendwie scheint diese Sache mit dem Altersunterschied ein Komplex von dir zu sein«, murmelte sie. »Vielleicht bin ich einfach nur schlau.« Er kicherte und nahm ihre Lippen dann wieder in Besitz. Jetzt, da sie sich an ihn drängte, erwachte sein Körper bereits wieder zum Leben. Aber sie zögerte noch und ging wieder auf Distanz, während ihre Miene ernst wurde. Das gefiel ihm nicht. Er wollte sie neben sich haben, aber es war offensichtlich, dass sie noch etwas auf dem Herzen hatte. »Eine Sache müssen wir noch klarstellen. Ich habe verstanden, was du deinem Vater deutlich machen wolltest. Nur, damit du es weißt: Es wäre nicht ganz abwegig gewesen, mir Bescheid zu sagen. Es hat mich wütend gemacht, dich eng umschlungen mit Blondie zu sehen, und wenn so ein Mist je wieder passiert, werde ich genau wie heute Abend einfach weggehen. Nur mit dem Unterschied, dass du nicht in der Lage sein wirst, mich dazu zu bringen, dich wieder in meine Gnaden aufzunehmen. Ich habe verstanden, dass du derjenige mit der Macht in dieser Beziehung bist, aber das heißt nicht, dass ich daneben stehe und zuschaue, wie du eine andere Frau betatschst.« Sie musterte ihn argwöhnisch, als wäre sie sicher, ihn mit ihren Worten erzürnt zu haben, doch er warf den Kopf zurück und lachte. Als er sie wieder anschaute, wirkte sie verwirrt und leicht verdrossen über seine Reaktion. »Du bist niedlich, wenn du wütend bist«, sagte er immer noch grinsend. »Vielleicht bist du gar nicht so schlau, wie du denkst, schließlich hast du dich ja auf diesen Wahnsinn eingelassen.« »Vielleicht ist es auch die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe«, erwiderte sie mit plötzlich sehr ernster Stimme, während sie ihn finster anschaute. »Das ist fraglich, aber ich werde bestimmt keine Zeit investieren, mein Glück infrage zu stellen«, sagte er. Er schlang seine Arme um sie und schob sich über sie, sodass sein Schwanz sofort suchend zwischen ihre Schenkel glitt. Er hoffte inständig, dass sie für ihn bereit war, denn er konnte nicht mehr warten, konnte es nicht ertragen, auch nur eine Sekunde länger außerhalb ihres Körpers zu verweilen. Doch etwas in ihrer Unterhaltung, ihrem Blick oder ihrer Akzeptanz ließ ihn dann doch zögern. Verdammt, dieses Mal würde er es langsam angehen und ihr das geben, was sie verdiente, statt es ihr fast schon brutal zu besorgen, kaum besser als ein Tier. Er musste nicht dieser kalte, misstrauische Mensch sein. Ausnahmsweise einmal konnte er sich auf die Lust eines anderen konzentrieren, statt egoistisch nur nach der eigenen Erfüllung zu streben. Für Mia konnte er das tun. Er wollte es tun. Das war das Mindeste, was sie verdient hatte. Statt also sofort in sie einzudringen, küsste er sie. Sanft. Weniger aggressiv als zuvor. Er knabberte zart an ihren Lippen, labte sich an ihnen und überredete sie dazu, sich ihm zu öffnen. Seine Zunge glitt in ihren Mund, spielte mit ihrer Zunge, neckte sie. Berührte sie kurz und dann wieder. Und noch einmal. Er ließ seinen Mund an ihrer Kieferpartie entlang zum Ohr gleiten, wo er mit ihrem Ohrläppchen spielte, um dann mit der Zunge an der Muschel entlangzufahren, ehe er begann, leicht darunter an der empfindsamen Haut ihres Halses zu saugen. Er spürte, wie sie erzitterte, und ihn erfasste eine gewaltige Zufriedenheit, dass er ihr Lust bereitete. Sie bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut, die auch die Knospen ihres Busens so steif werden ließ, dass sie sich in seine Brust bohrten. Dieser exquisiten Versuchung konnte er nicht widerstehen. Von seinen Lippen regneten Küsse auf ihre Brüste, zwischen ihren Brüsten entlang, ehe er sich von unten den steil aufgerichteten Knospen näherte. »Gabe …« Sein Name war nur ein Hauch auf ihren Lippen, führte jedoch zu einer sofortigen Reaktion seines bereits erregten Körpers. Die Kuppel seines Schwanzes schmiegte sich an ihren heißen Schoß, drang aber noch nicht in sie ein. Er wollte auf jeden Fall sicher sein, dass sie genauso erregt war wie er, um es dann voller Muße zu genießen. Er wollte, dass sie genauso heiß war wie er. Mit weniger würde er sich nicht zufriedengeben. Er schob die Hand zwischen beide Körper, packte seinen Schwanz und strich damit immer wieder über ihr feuchtes Fleisch, über ihren Kitzler, um dann ganz leicht einzudringen. Er leckte an einer Brust und rieb mit der Zunge langsam und genüsslich über die steif aufragende Knospe. »Magst du das?«, fragte er leise. »Oh ja«, hauchte sie. »Saug an ihnen, Gabe. Ich liebe es, wenn ich deinen Mund an meinen Brüsten spüre.« Oh ja, er liebte es auch. Er zitterte vor Anspannung. Er brauchte sie. Er musste sie haben. Er wollte tief und fest eindringen, um sie ohne viele Worte daran zu erinnern, wem sie gehörte. Es war die Hölle, diesem Drang zu widerstehen, aber er zwang sich dazu, nicht die Kontrolle zu verlieren. Er zupfte sanft an einer Warze und leckte dann kurz darüber, ehe er die volle Knospe in seinen Mund saugte. Er ließ sie nicht wieder los, sondern bearbeitete sie mit seinem Mund, während er das Gefühl und ihren Geschmack auf seiner Zunge genoss. Es gab nichts Schöneres. Nichts, das dem herrlichen Gefühl gleichkam, auf ihr zu liegen und sie mit Mund und Händen zu erfahren, zu berühren und zu erforschen. Sie war sein. Nur sein. Er konnte sie jederzeit und so oft er wollte nehmen. Es war, als würde man einen Verhungernden an eine Festtafel setzen und ihm sagen, er könne so viel essen, wie er wolle. Er wollte alles auf einmal. Er wollte sich in ihr verlieren und alles andere vergessen. Ihre Hand glitt in sein Haar und packte seinen Kopf, ihre Nägel bohrten sich in seinen Schädel, während sie ihn an ihren Busen drückte. Es war das erste Mal, dass sie im Bett ein ansatzweise aggressives Verhalten an den Tag legte, und das gefiel ihm. Das gefiel ihm sehr. Es zeigte ihm, dass sie bei ihm war und diese überwältigende Besessenheit mit ihm teilte. Er war nicht allein. Sie hob die Hüften an, drängte sich an ihn und versuchte, seinen Schwanz dazu zu bringen, in sie einzudringen. Die Eichel badete im heißen Nass ihres Schoßes, und er wusste, dass sie mehr als bereit für ihn war, trotzdem hielt er sich zurück. Er wollte, dass sie völlig den Kopf verlor, wollte ihr eine Lust bescheren, wie sie sie noch nie erfahren hatte. Er kniete sich hin, und sein erigierter Penis hüpfte auf und ab, ehe er eine Spur von Küssen von ihren Brüsten bis zum Bauch zog. Sie zuckte zusammen und stöhnte, als seine Zunge in ihren Nabel eintauchte. Er setzte sein Spiel an der Stelle fort und genoss ihre rastlosen Bewegungen, während ihr Verlangen immer größer wurde. Er küsste sie und bewegte sich weiter nach unten zu ihrem Becken, um dann die eine Hüfte mit zärtlich-sanften Küssen zu bedecken. Seine Zunge glitt weiter über ihr Bein zur Schenkelinnenseite, wo er ihrer Scham gefährlich nah kam. Doch er hielt inne, bevor er die zarteste Stelle ihres Körpers erreichte. Als sie frustriert aufstöhnte, musste er lächeln. Ganz leicht biss er sie auf der Innenseite in den Oberschenkel, um gleich darauf die Stelle tröstend zu lecken. Dann drang er weiter nach unten vor und schabte dabei mit den Zähnen über die weiche Haut ihres Beins, bis er ihr Knie erreichte und von dort seine Reise bis zu ihrem Knöchel fortsetzte. Sie hatte zierliche Zehen, deren Nägel hellrosa lackiert waren. Die Farbe passte zu ihr. Er nahm ihren großen Zeh in den Mund und saugte daran, wie er es mit ihren Brustwarzen getan hatte. Gleich darauf ließ er allen anderen Zehen die gleiche Behandlung angedeihen und verwöhnte ihren Fuß. »Gütiger Himmel, unter deiner Führung werden selbst die kleinsten Sachen heiß«, stieß sie mühsam hervor. »Noch nie hat jemand an meinen Zehen gesaugt. Ich hätte Igitt gesagt, aber dein Mund ist die reine Sünde.« Er hielt ihren Fuß in der Hand und sah sie darüber hinweg an. »Igitt?« »Vergiss, was ich gesagt habe. Mach einfach weiter.« Er lachte und ließ ihr Bein los, um an ihrer anderen Hüfte wieder von vorn zu beginnen und sich leckend und küssend zu ihren süßen, kleinen Zehen zu bewegen. Er nahm jeden Einzelnen in den Mund, leckte über den kleinen Ballen und saugte dann kräftig daran. Er liebte es, dass sie so durch und durch weiblich war und trotzdem eine starke Persönlichkeit besaß, die sich nicht alles gefallen ließ. Sie stellte eine Herausforderung für ihn dar. Eine willkommene Herausforderung, die sich wohltuend von den Frauen unterschied, mit denen er sonst zu tun hatte. Sie würde ihn bestimmt die nächsten paar Wochen ständig auf Trab halten. Er wollte sie nach Strich und Faden verwöhnen. Sie sollte allem frönen, was Frauen so gefiel. Er wollte sie lächeln sehen – und derjenige sein, der sie zum Lächeln brachte. Er wollte, dass ihre Augen seinetwegen strahlten. Wenn ihn das zu einem selbstsüchtigen, egoistischen Mistkerl machte, der nur an sein eigenes Wohl dachte, dann konnte er damit leben. Er griff nach beiden Füßen und drückte sie nach vorn, sodass ihre Beine einknickten und sich spreizten, während er sich zwischen ihre Schenkel kniete. Seinem Blick blieb nichts verborgen, das weiche, rosige Fleisch ihres Schoßes schimmerte leicht im schwachen Lichtschein. Er setzte einen Fuß gegen seine Schulter und fuhr mit dem Finger am Rand ihrer Öffnung entlang, um ihn dann in sie hineinzuschieben und zu spüren, wie sich ihr Fleisch fest um seinen Finger legte. Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er sehnte sich so sehr danach, in ihr zu sein, dass er kurz vor einem Orgasmus stand. Er beugte sich vor und leckte mit einer einzigen, schnellen Bewegung vom Eingang ihres Körpers zur schwellenden Knospe ihrer Lust, was sie fast vom Bett abheben ließ. Sie schrie auf. Seinen Namen auf den Lippen. Das drängende Verlangen nach Befriedigung. Er konnte spüren, dass ihre Geduld sich dem Ende neigte, und das war ihm nur recht, denn auch er konnte sich keine Sekunde länger zurückhalten. Er rückte näher, packte seinen erigierten Penis und brachte ihn am Eingang ihres Schoßes in Stellung. Einen Augenblick lang spielte er noch mit ihr, indem er immer nur wenige Zentimeter eindrang und sich dann wieder zurückzog, bis sie voll von wütendem Missmut anfing zu knurren. Mit einem Lächeln auf den Lippen bewegte er sich Zentimeter für Zentimeter nach vorn und genoss die wachsende Erregung, als sie ihn immer mehr umschloss und tiefer in sich hineinzog. »Du bist ein schrecklicher Plagegeist«, erklärte sie verärgert. »Gütiger Himmel, Gabe. Besorg’s mir endlich!« Er ließ ihre Beine nach unten sinken und beugte sich vor, damit er noch tiefer in sie eindringen konnte. Immer noch lächelnd küsste er sie. »Du bist so fordernd«, zog er sie auf. Sie streckte die Arme vor, packte seinen Kopf und riss ihn nach unten, um ihm mit einem leidenschaftlich-fordernden Kuss zu begegnen, der das Gesagte aufs Eindeutigste bestätigte. Er tauchte in ihre feuchte Öffnung ein und glitt an schwellendem, engem Fleisch entlang, ehe ihre Hüften sich begegneten. »Oh Gott, was machst du mit mir«, stieß Gabe mit gequälter, leiser Stimme hervor. Sie schlang die Beine um ihn und verhakte die Knöchel über seinen Pobacken ineinander. Sie drängte sich ihm entgegen, wollte mehr. Oh Gott, auch er wollte mehr. Es würde nie genug sein. Er stützte sich mit den Händen zu beiden Seiten ihres Kopfes ab und drang immer wieder in sie ein. Er stieß tief in sie hinein und verharrte an der tiefsten Stelle, ehe er zurückwich, nur um gleich wieder im selben erotisch lustvollen Takt einzudringen. »Sag mir, was du brauchst«, stieß er mühsam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wie nah bist du dran, Mia? Was brauchst du?« »Dich«, erwiderte sie schlicht und schob sich mit diesem einen Wort tief in sein Herz. »Nur dich.« Er musste ihr nicht sagen, dass sie ihn ansehen sollte. Ihr Blick war süß und fest auf ihn gerichtet und die Erregung schimmerte warm in dessen Tiefe. Er beschleunigte sein Tempo und stieß immer schneller zu. Sie zuckte und zog sich um ihn zusammen. Er spürte den Beginn ihres Höhepunkts, als sich ihre Scheide um seinen Schwanz krampfte und sich dann so fest um ihn legte, dass auch seine Erlösung einsetzte. Er hatte das Gefühl, von innen nach außen gekehrt worden zu sein. Solch ein berauschendes Gefühl hatte er noch nie erlebt. Der erste Schwall Samen schoss fast schon unter Schmerzen und so lustvoll aus seinem Körper, dass er alles andere vergaß und nur noch seinen Schwanz spürte, der weiter tief in sie eintauchte. Sie lag schlaff auf dem Bett und sah ihm tief in die Augen, als sie kam und ihre Brust sich in schneller Folge hob und senkte. Auch als der letzte Tropfen seinen Körper verlassen hatte, stieß er weiter in sie, weil er von dem wundervollen Gefühl nicht ablassen wollte. Ihre Arme legten sich um seine Schultern und mit den Händen rieb sie über seinen Rücken, wobei ihre Nägel ganz leicht über seine Haut kratzten. Er stöhnte und bebte vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Er stieß noch einmal tief in sie hinein und verharrte dann dort, während er sich auf sie sinken ließ. Er schob die Hände unter ihren Hintern und zog sie enger an sich, damit sich ihre Verbindung nicht löste. Wenn es nach ihm gegangen wäre, würde er für immer, tief in ihr vergraben, mit ihr verbunden bleiben. Es gab kein schöneres Gefühl auf Erden. »Mmmmh, das war dekadent«, meinte Mia schläfrig mit völlig befriedigt klingender Stimme. Er hatte nichts zu sagen, denn es gab keine passenden Worte, um auszudrücken, wie mitgenommen er war, und er wollte nicht, dass sie oder irgendjemand wusste, wie verletzlich er sich in diesem Moment fühlte. Er küsste sie auf die Schläfe und achtete darauf, sich nicht zu bewegen, damit er auch wirklich in ihr blieb. Er würde sie erst verlassen, wenn es nicht mehr anders ging. Es war verrückt, aber ihm gefiel die Tatsache, dass sie offensichtlich genauso von ihm Besitz ergreifen wollte wie er von ihr. Ihr Körper schmiegte sich eng an seinen und sie waren immer noch in der intimsten Weise miteinander verbunden. Er dachte, sie sei bereits eingeschlafen, als er sie leise seinen Namen sagen hörte. Er hob den Kopf gerade so weit, um sie anschauen zu können, und strich ihr mit dem Daumen eine breite Strähne aus der Stirn. »Was hast du auf dem Herzen?«, fragte er. Sie hatten bereits viel mehr miteinander geredet, als ihm lieb war. Und etwas in ihrem Blick sagte ihm, dass es nicht gerade um eine Kleinigkeit ging. »Der Vertrag«, flüsterte sie. Er zuckte zusammen und stemmte sich noch etwas höher, sah sie fragend an. Er war immer noch steif und in ihr, immer noch ein fester Bestandteil ihres Körpers und beließ es auch dabei, denn er wollte sie unter sich haben, wo sie sich nicht bewegen konnte und ihm gehörte. Vor allem, wenn sie jetzt über diesen verfluchten Vertrag redeten. »Was ist damit?« Sie seufzte. »Ich habe mich gerade gefragt … also ich meine … da ist doch diese Sache mit den anderen Männern. Ist das eine Auf-jeden-Fall-Sache oder nur eine Vielleicht-Sache?« Das Allerletzte, worüber er sich jetzt unterhalten – oder nachdenken – wollte, wo er bis zu den Eiern in ihr steckte und sie nackt und befriedigt in seinen Armen lag, waren andere Männer, die sie berührten. Aber es lag auch Neugier in ihrem Blick. Keine Furcht. Es war eine Frage, die ihr wirklich am Herzen lag. Fast, als hätte sie sich gefragt … »Was empfindest du bei dem Gedanken?«, fragte er rundheraus. »Macht es dich an? Erregt es dich, wenn du dir vorstellst, ein anderer Mann berührt dich, während ich zuschaue?« Sie wandte den Blick ab. »Augen«, befahl er. »Du siehst mich gefälligst an, während wir dieses Thema besprechen.« Sie wandte ihm schnell wieder den Blick zu, und er bemerkte die Röte auf ihrem Gesicht. Dann fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen, und er spürte ihre Nervosität und ihr Zögern. »Okay, ja, ich gebe zu, dass ich mich das auch gefragt habe. Ich meine … ich kann dir nicht sagen, ob mir das gefällt oder nicht, aber ich denke darüber nach. Ich weiß, dass Jace und Ash …« Gabe zuckte zusammen. »Ich möchte eigentlich nichts über Jace und Ash hören, und ich möchte auch über nichts sprechen, das auch nur am Rande mit ihrer Nacktheit zu tun hat.« Mia lachte und ihre Augen funkelten. Und sie entspannte sich ein wenig in seinen Armen. »Ich meine doch nur, dass ich weiß, dass sie Dreier mit Frauen schieben, und das hat mich offensichtlich beschäftigt. Nicht sie persönlich. Meine Güte, nein.« Sie schüttelte sich. »Eher ganz allgemein. Denn als ich das im Vertrag das erste Mal las, war ich geschockt und habe innerlich ein entschiedenes ›Auf keinen Fall‹ ausgestoßen. Aber dann habe ich angefangen zu überlegen, wie das wohl wäre.« Ihre Stimme war stetig leiser geworden, und sie wirkte besorgt, als sie jetzt zu ihm aufschaute. »Macht dich das wütend?« Er seufzte. »Ich werde doch nicht wütend auf dich, wenn du dir Gedanken über etwas machst, dessen Möglichkeit ich angedeutet habe, Mia. Es ist völlig in Ordnung, dass du neugierig bist. Und ich bin froh, dass du keine Angst hast. Erregt dich die Vorstellung? Dass jemand anders dich berührt, während ich zuschaue und Anweisungen erteile?« Sie nickte langsam. Ihre Warzen wurden steif, und ihr Schoß zog sich um seinen Schwanz zusammen, sodass Wellen der Lust durch seine Lenden strömten. Ja, die Vorstellung erregte sie offensichtlich. Er war sich nur nicht sicher, ob er ihr das je geben würde. Er war sich nicht sicher, ob er daneben stehen und zuschauen konnte, wie ein anderer Mann das berührte, was sein war. Er beugte sich über sie, um sie zu küssen, ohne einen weiteren Gedanken zu dem Thema zu äußern. Ganz allmählich fing er an, diesen verfluchten Vertrag zu hassen. 18 Gabes Gegensprechanlage summte und er runzelte die Stirn wegen der Störung. Mia saß am anderen Ende des Raumes an ihrem Schreibtisch – sie war schon Ablenkung genug – und er stellte die Kosten für eine geplante Inselferienanlage zusammen. Er hatte Eleanor ausdrücklich gesagt, dass er nicht gestört werden wollte. »Was ist?«, blaffte er ins Haustelefon. Eleanors nervös klingende Stimme drang durch die Leitung. »Ich weiß, dass Sie nicht gestört werden wollten, Mr Hamilton, aber Ihr Vater ist hier und möchte Sie sehen. Er sagt, es sei wichtig. Ich hielt es für unklug, ihn wegzuschicken.« Gabes Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und seine Miene wurde wenn möglich noch finsterer. Auf der anderen Seite des Raumes schaute Mia mit besorgtem Blick von ihrer Arbeit auf. »Ich komme raus«, sagte Gabe, nachdem er kurz nachgedacht hatte. Er wollte nicht, dass irgendetwas von dem, was seinem Vater durch den Kopf ging, vor Mia zur Sprache kam. »Ich kann auch gehen«, sagte Mia ruhig, als er sich erhob. Er schüttelte den Kopf. Er zog es vor, sie hier in seinem Büro zu haben; weit entfernt von dem Gerede und den Mutmaßungen der anderen Angestellten. Er hatte längst herausgefunden, wer in sein Büro eingebrochen war – dabei hatte er nicht einmal sonderlich nachhelfen müssen, bis ihre Kolleginnen die Täterin verraten hatten. Er hatte der Frau fristlos gekündigt und ihr kein Arbeitszeugnis ausgestellt. Er wollte, dass Mia so wenig Kontakt wie möglich mit ihrer Umgebung hatte. Er marschierte in den Empfangsbereich und sah seinen Vater neben Eleanors Schreibtisch stehen. Sein Vater wirkte nachdenklich und angespannt. In diesem Zustand hatte Gabe ihn noch nie gesehen. Vor allem nicht in seiner Gegenwart. »Dad«, sagte Gabe zur Begrüßung. »Was kann ich für dich tun?« Die Miene seines Vaters verdunkelte sich noch mehr. Ein Anflug von Bedauern trübte seinen Blick. »Es gab mal eine Zeit, da kam ich her, um dich zu treffen, ohne dass du mir solche Fragen gestellt hast. Du hast dich einfach gefreut mich zu sehen.« Schuldgefühle dämpften leicht die Gereiztheit, die Gabe quälte. »Normalerweise rufst du an. Ich habe dich nicht erwartet. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass irgendetwas passiert sein könnte«, erklärte Gabe. Sein Vater zögerte einen Moment, dann schob er die Hände in die Taschen seiner teuren Anzughose. »Das ist es. Können wir irgendwo hingehen und uns unterhalten? Hast du schon zu Mittag gegessen? Ich habe gehofft, dass du vielleicht Zeit für mich hast.« »Ich habe immer Zeit für dich«, erwiderte Gabe sanft und wiederholte damit, was er auch seiner Mutter gegenüber geäußert hatte. Früher hatte er seine Zeit mit beiden verbringen können und sie nicht unter ihnen aufteilen müssen. Erleichterung verdrängte einen Teil der Sorge in den Augen seines Vaters. »Lass mich eben den Wagen rufen«, sagte Gabe. Er drehte sich zu Eleanor um. »Der Wagen soll uns unten abholen. Und sorgen Sie dafür, dass Mia zu Mittag isst. Richten Sie ihr aus, dass ich nicht weiß, wann ich zurück bin, und dass sie um vier Schluss machen und nach Hause gehen soll, wenn ich bis dahin nicht wieder hier bin.« »Ja, Sir«, sagte Eleanor. »Können wir los?«, fragte Gabe seinen Vater. »Der Wagen müsste vorgefahren sein, wenn wir unten ankommen.« Schweigend fuhren sie mit dem Fahrstuhl nach unten. Die Stimmung war unangenehm angespannt, aber Gabe unternahm nichts, um etwas daran zu ändern. Er wusste nicht einmal genau, was getan werden musste, um den Riss zwischen ihnen zu kitten. Er hatte sich auf der Cocktailparty wie ein Arschloch aufgeführt. Stellas schneller Frontenwechsel hatte seinen Vater wahrscheinlich in Verlegenheit gebracht. Das aber hatte Gabe nicht gewollt. Unabhängig vom Zorn und der Verwirrung, die er in Bezug auf seinen Vater empfand, so liebte er ihn und wollte ihn nicht verletzen. Er wollte nur, dass sein Vater erkannte, mit welcher Sorte Frau er sich umgab. Sie warteten einen kurzen Moment, ehe der Wagen vorfuhr, dann stiegen beide Männer ein. Gabe wies den Fahrer an, sie zum Le Bernardin zu bringen, einem der Lieblingsrestaurants seines Vaters. Erst als die beiden Platz genommen und ihre Bestellung aufgegeben hatten, brach Gabes Vater sein Schweigen. Fast schien es so, als hätte er die Stille keinen Moment länger ertragen können, denn die Worte sprudelten aus ihm heraus und sein Gesicht drückte unendlichen Kummer und tiefstes Bedauern aus. »Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht«, gestand sein Vater. Gabe, der eben noch seine Serviette entfaltet hatte, um etwas zu tun zu haben, legte diese auf den Tisch zurück. »Ich höre.« Sein Vater rieb sich das Gesicht, und erst da konnte Gabe sehen, wie erschöpft er aussah. Er wirkte älter. Als hätte ihn sein wahres Alter über Nacht eingeholt. Unter seinen Augen lagen tiefe Ringe und die Falten darum herum und auf der Stirn traten deutlicher hervor. Sein Vater zögerte einen Moment, dann holte er tief Luft und sein Gesicht verzog sich. Entsetzt bemerkte Gabe, dass die Augen seines Vaters mit Tränen gefüllt waren. »Es war so abgrundtief dumm von mir, deine Mutter zu verlassen. Es ist der größte Fehler, den ich in meinem Leben gemacht habe. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Ich fühlte mich einfach so eingesperrt und unglücklich … das war der Auslöser. Ich dachte, wenn ich dies oder das täte oder einfach neu anfangen würde, dann würde sich alles regeln – dass ich dann glücklicher wäre.« Gabe stieß den angehaltenen Atem aus. »Shit«, murmelte er. Mit einem solchen Geständnis hatte er überhaupt nicht gerechnet. »Und es war auch nicht die Schuld deiner Mutter. Sie ist wirklich eine Heilige, dass sie es all die Jahre mit mir ausgehalten hat. Ich glaube, ich bin eines Tages aufgewacht und habe gedacht, dass ich alt bin, dass ich nicht mehr viel Zeit habe. Ich bin in Panik geraten und dann ausgeflippt, weil ich doch tatsächlich anfing, deiner Mutter die Schuld zu geben. Meine Güte. Deiner Mutter! Die Frau, die all die Jahre zu mir gehalten und mir einen wundervollen Sohn geschenkt hat. Und ich machte ihr Vorwürfe, weil mir ein alter Mann aus dem Spiegel entgegensah. Ein Mann, der meinte, er müsste die Uhr zurückdrehen und sich die Jahre zurückholen. Ich wollte mich wieder jung fühlen. Stattdessen komme ich mir jetzt wie ein Arschloch vor, das seine Frau beschissen hat, seine Familie – auch dich, mein Sohn. Ich habe dich und deine Mutter beschissen, und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich das bedauere.« Gabe wusste nicht, was er sagen sollte. Er war vollkommen aufgewühlt von dem, was sein Vater ihm gerade gebeichtet hatte. All das nur wegen einer dämlichen, völlig verspäteten Midlife-Crisis? Weil er sich nicht mit dem Unausweichlichen hatte abfinden wollen? Gütiger Himmel. »Es fällt mir schon schwer, damit zu dir zu kommen, aber ich weiß einfach nicht, was ich sonst tun soll. Matrice wird sicher nicht einmal mit mir reden wollen. Ich habe sie verletzt. Das weiß ich. Ich erwarte nicht von ihr, dass sie mir vergibt. Wären die Rollen andersherum verteilt und sie hätte mir angetan, was ich ihr angetan habe, bezweifle ich, dass ich ihr je vergeben könnte.« »Verdammt, Dad. Wenn du Scheiße baust, dann richtig.« Sein Vater verstummte, den traurigen Blick auf sein Glas gerichtet. »Ich will einfach rückwärts gehen, alles ungeschehen machen, als wäre es nie passiert. Deine Mutter ist eine gute Frau. Ich liebe sie. Ich habe nie aufgehört, sie zu lieben.« »Warum, verdammt noch mal, hast du dann keine Gelegenheit ausgelassen, all diese Frauen nicht nur ihr, sondern auch mir unter die Nase zu reiben?«, knurrte Gabe. »Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie sehr du sie damit verletzt hast?« Das Gesicht seines Vaters wurde noch fahler. »Ja, ich habe eine Vorstellung davon. Aber diese Frauen haben mir nichts bedeutet.« Gabe war angeekelt und unterbrach ihn mit abwehrend erhobener Hand. »Hör auf. Hör bloß auf, Dad. Meine Güte. Du bedienst hier wirklich das älteste Klischee, das es gibt. Meinst du wirklich, es interessiert Mom auch nur die Bohne, ob diese Frauen dir etwas bedeuteten oder nicht? Glaubst du, sie fühlt sich nachts besser, wenn sie weiß, dass du eigentlich die ganze Zeit nur daran gedacht hast, wie sehr du sie liebst, während du woanders irgendwelche Tussis gevögelt hast, die nur halb so alt sind wie du oder sogar noch jünger?« Sein Vater wurde rot und schaute sich schnell um, als Gabe immer lauter sprach. »Ich habe nicht mit diesen Frauen geschlafen«, sagte er leise. »Matrice wird mir das zwar nie glauben, aber ich sage dir, dass ich mein Ehegelübde nicht gebrochen habe.« Gabe kochte vor unterdrückter Wut und musste sich sehr zusammenreißen, um nicht zu explodieren. »Doch, Dad, das hast du. Ob du nun mit ihnen geschlafen hast oder nicht … du hast Mom betrogen und damit dein Gelübde gebrochen. Auch wenn du körperlich keinen Ehebruch begangen hast, ändert das nichts an dem emotionalen Ehebruch. Und manchmal ist es genau dieser Ehebruch, über den man am schwersten hinwegkommt.« Sein Vater rieb sich mit müder Hand das Gesicht. Er wirkte resigniert. »Dann glaubst du also, dass ich keine Chance habe, sie zurückzugewinnen.« Gabe seufzte. »Das habe ich nicht gesagt. Aber du musst begreifen, was du ihr angetan hast, ehe du auch nur einen Gedanken daran verschwenden kannst, es wieder in Ordnung zu bringen. Sie hat auch ihren Stolz, Dad. Und den hast du mit Füßen getreten. Wenn du wirklich auf eine Versöhnung aus bist, dann musst du Geduld haben und viel Zeit mitbringen. Sie wird dich nicht über Nacht zurücknehmen. Du darfst nach einem Versuch nicht gleich aufgeben. Wenn sie dir irgendetwas bedeutet, dann musst du bereit sein, um sie zu kämpfen.« Sein Dad nickte. »Ja, ich hab’s verstanden. Und ich will sie. Es gab nie eine Zeit, in der ich sie nicht gewollt hätte. Es ist alles so dumm. Ich bin ein Narr. Ein alter, verblendeter Narr, der es versemmelt hat.« Gabe beruhigte sich allmählich. »Rede mit ihr, Dad. Sag ihr all das, was du mir gesagt hast. Und du musst geduldig sein und ihr zuhören, wenn sie auf dich losgeht. Du musst ihr zuhören, wenn sie dich nach Strich und Faden beschimpft. Du hast es verdient. Die Möglichkeit musst du ihr geben, und dazu noch alles einstecken.« »Danke, mein Sohn. Ich liebe dich. Das weißt du. Es ist mir zuwider, dass ich nicht nur Matrice, sondern auch dir wehgetan habe. Du bist mein Sohn, und ich habe euch beide im Stich gelassen.« »Bring es einfach wieder in Ordnung«, sagte Gabe sanft. »Mach Mom wieder glücklich. Das genügt mir.« »Hallo, Gabe, ich muss mit dir über …« Mia schaute auf und sah Jace in der Tür zu Gabes Büro stehen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus und das Adrenalin schoss durch ihren Körper. Er sollte doch noch gar nicht zurück sein. So hatte er die Neuigkeit, dass sie jetzt für Gabe arbeitete, nicht erfahren sollen. Ash kam hinter ihm herein und zog die Augenbrauen hoch, als er Mia an ihrem Tisch sitzen sah. Jace’ Miene verfinsterte sich, und sein Blick wanderte zwischen ihrem und Gabes Schreibtisch hin und her, als erwartete er, dort eine Erklärung zu finden. »Was machst du denn hier?«, fragte Jace. »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, begrüßte Mia ihn trocken. Jace stürmte zu ihr. »Verdammt, Mia. Ich bin überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen.« Er hockte sich auf die Tischkante und ließ seinen Blick prüfend wandern – über die auf dem Tisch verteilten Papiere bis hin zu dem Laptop, an dem sie arbeitete. Ash folgte Jace und blieb etwas weiter weg, aber nicht weniger interessiert, stehen. »Was machst du hier? Wo zum Teufel ist Gabe?« Seiner Stimme war die Verwirrung deutlich anzuhören. Mia holte tief Luft und sprang ins kalte Wasser. Sie würde am besten alles offen ansprechen, in der Hoffnung, dass dann nichts irgendwie verdächtig wirkte. Je länger sie es hinauszögerte, desto schuldiger würde sie wirken. Sie hatte eh kein Pokergesicht – ein Umstand, der sie in ihrer frühen Jugend immer wieder in Schwierigkeiten gebracht hatte. Sie hatte Jace noch nie rundheraus anlügen können, deshalb hoffte sie inständig, dass das Verhör sich nicht zu sehr in die Länge zog, sonst würde sie ein Problem bekommen. »Ich arbeite für ihn«, erklärte sie ruhig. Ashs Lippen formten ein lautloses Oh, dann wandte er sich wieder der Tür zu. »Ich warte dann mal draußen.« Jace’ Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Kaum hatte sich die Tür hinter Ash geschlossen, drehte er sich mit strenger Miene zu Mia um. »Okay, was ist hier eigentlich los? Du arbeitest für ihn? In welcher Funktion? Und warum erfahre ich das erst jetzt?« »Was los ist? Gabe hat mir einen Job angeboten. Ich arbeite als seine persönliche Assistentin. Und was deine andere Frage betrifft – du warst nicht da, und das ist nichts, was ich dir einfach am Telefon erzähle.« »Warum denn nicht?« Sie verdrehte die Augen. »Weil du genauso reagiert hättest wie jetzt und sofort ins nächste Flugzeug gestiegen wärest, um herauszubekommen, was los ist.« »Seit wann geht das so?«, fragte er unverblümt. Mia zog lässig eine Schulter hoch. »So um den Dreh, als du und Ash nach Kalifornien geflogen seid. Ich habe Gabe bei der Eröffnung getroffen. Er bat mich in sein Büro zu kommen. Und voilà – hier bin ich.« »Einfach so«, meinte er skeptisch. Er runzelte die Stirn und musterte sie durchdringend, als versuche er, die Haut beiseitezuschieben, um in ihren Kopf zu sehen. »Gabe hatte Recht. Die Arbeit im La Patisserie war im Grunde eine Vergeudung meiner Ausbildung und eine Verschwendung des vielen Geldes, das du hineingesteckt hast. Aber ich fühlte mich wohl und hatte vielleicht auch ein bisschen Angst vor der richtigen Welt. Dieser Job gibt mir die Möglichkeit, erste Erfahrungen zu sammeln.« Jace’ Gesichtszüge wurden weich. »Wenn du einen Job wolltest, warum bist du dann nicht zu mir gekommen? Du weißt doch, dass ich mich um dich gekümmert hätte.« Sie wählte ihre Worte sorgfältig, weil sie nicht undankbar erscheinen wollte. Sie liebte Jace von Herzen. Er hatte viel für sie geopfert und hatte es nebenher noch geschafft, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, während er sich um seine viel jüngere Schwester hatte kümmern müssen. »Ich wollte das alleine machen«, erklärte sie ruhig. »Ich weiß, dass du mir einen Job gegeben hättest. Und vielleicht macht es auch keinen Unterschied, dass Gabe mich eingestellt hat. Die Leute werden sicherlich auch jetzt tuscheln, dass ich Jace Crestwells Schwester bin und das hier Vetternwirtschaft vom Feinsten ist. Aber davon abgesehen könnte ich gar nicht für dich arbeiten und das weißt du auch.« Sie grinste ihn schelmisch an. »Wir würden einander spätestens nach einem Tag an die Gurgel gehen.« Jace kicherte. »Okay, vielleicht. Aber nur, weil du so stur bist.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht stur. Meine Art ist einfach nur besser.« »Ach übrigens … es ist schön, dich zu sehen, mein kleines Mädchen. Ich habe dich in Kalifornien vermisst.« »Darum lädst du mich morgen Abend auch zum Essen ein«, sagte sie frech. Er verzog das Gesicht. »Können wir das übermorgen Abend machen? Ash und ich müssen was erledigen. Das ist auch ein Grund, warum wir früher zurückgekommen sind. Ein Abendessen mit Investoren. Schrecklich langweilig. Viel Bauchpinselei.« »Okay, dann steht unsere Verabredung«, erwiderte sie. »Und aus der Nummer kommst du auch nicht wieder raus.« »Darauf kannst du Gift nehmen. Die Verabredung steht. Fahr nach der Arbeit nach Hause, wenn du willst, und zieh dir was anderes an. Ich hole dich dann zu Hause ab.« Er runzelte die Stirn. »Wie kommst du überhaupt zur Arbeit und zurück?« Sie achtete auf einen möglichst beiläufigen Ton, als wäre es das Normalste der Welt, dass Gabe ihr einen Fahrdienst zur Verfügung stellte. »Gabe schickt einen Wagen, der mich nach der Arbeit auch wieder nach Hause bringt.« Der Einfachheit halber ließ sie unerwähnt, dass sie meistens gemeinsam gingen und sie die Nächte in Gabes Wohnung verbrachte. Nun, da Jace wieder da war, würden sie viel umsichtiger vorgehen müssen. Er würde ausrasten, wenn er wüsste, was sich hinter verschlossenen Türen zwischen ihr und Gabe abspielte. Jace nickte. »Okay, sehr schön. Ich will nicht, dass du zu Fuß gehst oder die U-Bahn nimmst.« Er sah auf seine Uhr und richtete dann wieder den Blick auf sie. »Weißt du, wann Gabe zurück sein wird? Wo ist er überhaupt? Ich dachte, er hätte heute keine Termine.« »Äh, er ist mit seinem Dad weg. Ich habe keine Ahnung, wann er zurückkommt. Ob er überhaupt zurückkommt.« Jace verzog das Gesicht. »Das reicht. Die Situation ist echt beschissen.« Dabei wusste Jace nicht einmal die Hälfte. Er streckte die Hand aus und zerzauste ihr das Haar. »Ich lass dich dann mal wieder arbeiten. Gabe ist ein echter Leuteschinder. Ich hoffe, du weißt, worauf du dich da eingelassen hast. Vielleicht hätten wir dich für Ash arbeiten lassen sollen. Er hat eine Schwäche für dich.« Sie lachte. »Ich komme schon zurecht. Hör auf, dir Sorgen zu machen. Habt ihr – du und Ash – nicht jemand anderen, den ihr belästigen könnt?« »Ja, Investoren«, brummte Jace. »Pass auf dich auf, Kleines. Ich freue mich schon auf unser Essen. Wir haben uns jede Menge zu erzählen.« Sobald er Gabes Büro verlassen hatte, sackte sie vor Erleichterung in sich zusammen. Ihr Herzschlag raste, und sie stützte den Kopf mit beiden Händen ab, als sie sich nach vorn beugte. Das war besser gelaufen als erwartet. Gabe stieg vor dem Bürogebäude aus dem Auto und hatte noch keine drei Schritte getan, als Jace mit ernster Miene herauskam. Er hatte zweifelsohne auf Gabe gewartet. Shit. Er hatte doch erst morgen zurückkommen sollen. Gabe hoffte inniglich, dass Mia die Sache problemlos mit Jace geregelt hatte. Doch angesichts des Gesichtsausdrucks seines Freundes hatten ihn ihre Erklärungen wohl nicht restlos zufriedengestellt. »Wir müssen miteinander reden«, sagte Jace kurz angebunden, als Gabe zu ihm trat. »Okay«, erwiderte Gabe ruhig. »Was ist los? Gibt’s in Kalifornien Probleme?« »Tu doch nicht so dumm. Das macht mich nur wütend. Du weißt verdammt genau, warum ich hier draußen auf dich warte.« »Mia«, meinte Gabe seufzend. »Sag bloß! Was zum Teufel geht hier eigentlich vor, Gabe? Gibt es irgendeinen Grund, warum du mich nicht in deinen Plan eingeweiht hast, meine kleine Schwester einzustellen?« »Darüber werde ich mich nicht mitten auf der Straße mit dir unterhalten«, stieß Gabe hervor. »Dann lass uns in mein Büro gehen«, sagte Jace. Gabe nickte. Die beiden Männer betraten das Gebäude und gingen zum Fahrstuhl. Es waren noch weitere Personen im Fahrstuhl und so schwiegen sie während der Fahrt nach oben. Gabe folgte Jace schließlich zu seinem Büro, das sich auf demselben Gang wie seines befand. Jace schloss die Tür hinter sich und ging zum Fenster. Dann wandte er sich um und schaute Gabe an. »Nun?« »Ich verstehe nicht, worüber du eigentlich sauer bist«, meinte Gabe ruhig. »Ich habe dir doch erzählt, dass ich sie bei der Eröffnung gesehen habe. Sie suchte nach dir. Wir haben miteinander getanzt, wir haben uns unterhalten, ich habe ihr gesagt, sie solle am nächsten Tag in mein Büro kommen, und dann habe ich sie mit einem Auto nach Hause geschickt.« »Du hättest mich über diese Entwicklungen in Kenntnis setzen können. Verdammt, an dem Morgen, für den du Mia zu dir bestellt hattest, haben wir uns noch gesehen.« Gabe nickte. »Aber ich hatte keine Ahnung, wie sie auf meinen Vorschlag reagieren würde. Es wäre doch sinnlos gewesen, die Pferde scheu zu machen, wenn sie abgelehnt hätte. Ich brauche keine Erlaubnis von dir, um eine persönliche Assistentin einzustellen.« Jace’ Miene verfinsterte sich. »Nein, aber du brauchst verdammt noch mal meine Erlaubnis bei allem, was Mia betrifft. Sie gehört mir, Gabe. Sie ist alles, was ich noch habe. Außer ihr habe ich keine Familie mehr und ich werde mich bis zum letzten Blutstropfen für sie einsetzen. Du bekommst sie nicht.« »Um Himmels willen. Ich bin doch nicht irgend so ein widerliches Schwein, das sie bei lebendigem Leibe häutet. Ich habe sie auch aufwachsen sehen, Jace. Ich werde nicht gemein zu ihr sein.« Doch noch während er es sagte, erfassten ihn Schuldgefühle. Es war so sicher, dass er in die Hölle kommen würde, dass er in der Hölle schmoren würde. Bis in alle Ewigkeit. »Pass bloß auf, dass du ihr nichts tust«, sagte Jace mit mühsam beherrschter Stimme. »Und das meine ich in jeder Hinsicht, Gabe. Du lässt die Finger von ihr. Du wirst ihr den ihr gebührenden Respekt erweisen und keine Grenzen überschreiten. Sonst wirst du dich mir gegenüber verantworten müssen.« Gabe unterdrückte die Wut, die angesichts Jace’ unverhüllter Drohung in ihm aufstieg. Er konnte Jace keinen Vorwurf daraus machen, dass er Mia beschützte. An seiner Stelle hätte er das Gleiche getan. Aber es machte ihn wütend, dass Jace ihm zutraute, einer Unschuldigen Schaden zuzufügen. Aber tat er nicht genau das, indem er sie zur Erfüllung seiner Lust missbrauchte? Indem ihn nichts interessierte, als sie zu besitzen? »Verstanden«, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Nachdem wir das jetzt geklärt haben, kann ich ja wieder an die Arbeit gehen.« »Ash und ich werden heute früh zu Abend essen. Ein Geschäftsessen. Wir werden aber schnell damit durch sein. Wollen wir uns hinterher auf einen Drink treffen?«, fragte Jace beiläufig. Es war ein Friedensangebot. Jace wollte im Anschluss an die Schelte die Wogen glätten, zeigen, dass er das Ganze entspannt sah. Verdammt. Gabe hatte was mit Mia geplant. Ein nettes Abendessen. Und ein ordentlicher Fick stand auch noch auf der Tagesordnung. Mist. Mit Jace und Ash wollte er es sich aber auch nicht vermasseln. Wenn er es richtig machten wollte, musste er die Zeit, die er mit Mia verbrachte, verheimlichen, ohne weniger Zeit mit Jace und Ash zu verbringen. »Etwas später gerne. So gegen neun vielleicht«, erwiderte Gabe, während er sich schon überlegte, wie er das mit Mia regeln könnte. Jace nickte. »Das passt mir. Ich sage Ash Bescheid.« 19 Mia schaute auf, als Gabe ins Büro trat, und in ihrem Bauch begann es zu kribbeln, als er hinter sich abschloss. Sie wusste, was das bedeutete. Sie musterte ihn vorsichtig, als er auf sie zuschritt. Seine Augen funkelten vor Lust – und Verlangen. »Gabe …«, sagte sie. »Jace ist hier. Ich meine, er ist früher als erwartet zurückgekommen.« Er zögerte keinen Moment, sondern zog sie von ihrem Stuhl hoch und trieb sie zu seinem Tisch. »Weder Jace noch Ash werden mich stören, wenn die Tür abgeschlossen ist. Außerdem planen sie das Geschäftsessen, das heute Abend stattfindet.« Die Worte kamen abgehackt aus seinem Mund, als gefiele es ihm nicht, Erklärungen abzugeben. Schön und gut, aber sie wollte nicht von ihrem Bruder überrascht werden, der versuchte, zur Tür hereinzukommen, während Gabe hinter verschlossenen Türen gerade dabei war, Gott weiß was mit ihr zu machen. Jace und Ash waren beide ungehinderten Zugang zu Gabes Büro gewohnt. Es war ihr völlig schleierhaft, wie Gabe diesen Ausschweifungen im Büro weiter nachgehen wollte, wenn ihr Bruder ständig im Hintergrund lauerte. Er griff unter ihren Rock und erstarrte, als er ihr Höschen berührte. Verdammt. Das hatte sie vergessen. Sie hatte noch nicht einmal darüber nachgedacht. Eine Unterhose anzuziehen, war eine völlig selbstverständliche Gewohnheit. Gab es überhaupt Leute, die das nicht so machten? Gabe war letzte Nacht so fordernd gewesen, dass sie kaum geschlafen hatte und entsprechend müde gewesen war, sodass ihr entfallen war, die Unterwäsche wegzulassen. »Zieh sie aus«, befahl er. »Und den Rock auch. Dann beug dich mit dem Po nach oben über meinen Tisch. Ich hatte dir gesagt, was passieren würde, Mia.« Verflixt und zugenäht. Ihr Po war immer noch wund vom gestrigen Abend und jetzt wollte er ihr schon wieder den Hintern versohlen? Zögernd zog sie ihre Unterhose aus und ließ sie auf den Boden fallen. Dann schlüpfte sie aus ihrem Rock, sodass sie von der Taille abwärts nackt war. Seufzend beugte sie sich über den Tisch. »Tiefer«, befahl er. Leg die Wange auf die Platte und reck den Hintern hoch.« Sie schloss die Augen und gehorchte, während sie sich zum vermutlich hundertsten Mal fragte, ob sie völlig den Verstand verloren hatte. Entsetzt spürte sie, wie seine Finger, an denen ein Gleitmittel haftete, zwischen ihre Pobacken glitten und gegen ihren Anus drückten. Er ließ kurz von ihr ab und bearbeitete die Öffnung mit noch mehr Gleitmittel. »Gabe!«, japste sie. »Schsch«, mahnte er sie. »Kein Wort. Ich habe hier einen Analplug, den ich dir in den Hintern stecken werde. Du wirst ihn für den Rest des Tages tragen, und bevor du nach Hause gehst, kommst du zu mir, damit ich ihn entfernen kann. Wenn du dann morgen wieder zur Arbeit kommst, wirst du mir als Erstes deinen hübschen Arsch präsentieren, damit ich ihn dir wieder reinstecken kann. Du wirst ihn während der gesamten Arbeitszeit tragen und erst am Ende des Tages herausnehmen. Ich werde jeden Tag einen etwas größeren einsetzen, bis ich überzeugt davon bin, dass du meinen Schwanz in deinem Hintern aufnehmen kannst.« Wie angekündigt spürte sie gleich darauf das stumpfe Ende eines Plugs gegen ihren Schließmuskel drücken. »Entspann dich und atme aus, Mia«, sagte er. »Mach es nicht schwerer als nötig.« Er hatte leicht reden. Niemand befahl ihm, sich nach vorn zu beugen und schob ihm dann einen Fremdkörper in den Hintern. Trotzdem holte sie kurz Luft, um gleich darauf auszuatmen, während sie versuchte, sich so gut es ging zu entspannen. Kaum hatte sie damit begonnen, schob er den Analstöpsel mit einer schnellen, entschlossenen Bewegung in sie hinein. Sie keuchte, als sofort ein Brennen einsetzte, gefolgt von dem Gefühl, einen großen Fremdkörper in sich zu tragen. Sie zappelte und wand sich, handelte sich damit aber nur einen festen Klaps auf den Po ein. Und, oh Gott, der Schlag gab ihr fast den Rest, denn er erschütterte den Plug, der in ihrem Hintern steckte. Sie hörte, wie er sich entfernte. Hörte, wie ein Schrank geöffnet wurde. Dann war er wieder bei ihr, was sie an der Lautstärke seiner Schritte erkannte. Ihr stockte der Atem, als ein Zipfel aus … Leder? … sinnlich über ihren Hintern glitt. Plötzlich brannte ihr Hintern wie Feuer und sie bäumte sich japsend auf. »Runter«, befahl er scharf. »Bleib unten, Mia. Nimm deine Strafe wie ein gutes Mädchen hin, dann bekommst du auch eine Belohnung.« Sie kniff die Augen zusammen und wimmerte, als er ihr wieder einen Hieb mit der Gerte verpasste. Es musste eine Gerte sein. Sie knallte und fühlte sich wie ein Gürtel an, doch gleichzeitig war sie schmal und berührte nur jeweils eine kleine Stelle. Sie stieß ein leises Stöhnen aus, während er ihr den Hintern versohlte. Der Analplug brachte sie fast um den Verstand. Das Dehnen, das Brennen der Schläge. Es machte sie an und das versetzte sie in Wut. Sie war so nass, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie nicht anfing zu tropfen. Er hielt einen Moment inne und zupfte dann leicht an dem Plug … zog ihn ein Stück heraus, um ihn gleich wieder hineinzujagen. Sie konnte nicht stillhalten. Es machte sie wahnsinnig. Es brannte. Es juckte. Als stünde sie in Flammen, ohne Erlösung zu finden. Sie wappnete sich gegen einen weiteren Schlag, der jedoch nie kam. Dann hörte sie, wie ein Reißverschluss aufgezogen wurde. Raue Hände packten ihre Beine und drehten sie herum, sodass sie mit dem Rücken flach auf der Tischplatte lag. Ihre Beine hingen über die Kante, ehe er nach ihnen griff und sie über seine Arme legte, während er sich zwischen ihre Schenkel stellte. Gütiger Himmel. Er würde es ihr besorgen, während dieser Stöpsel in ihrem Hintern steckte. Als würde sie von zwei Schwänzen gleichzeitig genommen. Nicht einmal in ihren wildesten Träumen hatte sie sich so etwas je vorgestellt. Die feuchte Spitze seines Schwanzes drängte gegen ihre Öffnung, der jetzt durch den Plug enger war. Er drückte und zwängte sich in ihren Körper. »Berühre dich«, sagte er mit angespannter Stimme. »Mit den Fingern, Mia. Mach es mir leichter, es mit dir zu treiben. Ich will, dass es auch für dich schön ist. Ich will dir nicht wehtun.« Sie griff nach unten und rieb mit der Hand über ihren Kitzler. Oh Gott, fühlte sich das gut an. »Ja, genau so«, schnurrte er. »Gib’s mir, Baby. Berühr dich weiter. Es soll sich gut anfühlen.« Er drängte sich bis zur Hälfte in sie hinein und stieß dann kräftig zu, sodass er ganz in sie eintauchte. Sie bäumte sich auf und unterdrückte einen Schrei. Sie musste ihre Hand wegnehmen, weil sie sonst auf der Stelle gekommen wäre. Dabei wollte sie doch, dass es länger währte. Wollte jede Sekunde genießen. Herrlicher, dreckiger Sex, ein Wettlauf um die schnellste Erlösung. Er besorgte es ihr tief und hart, ritt sie in einem erbarmungslos schnellen Tempo, das sie nur noch keuchend atmen ließ. »Wenn du dich nicht beeilst, werde ich vor dir kommen«, krächzte er. »Mach schon, Mia. Ich komme gleich.« Schnell glitt ihre Hand wieder zum Kitzler. Sie rieb mit den Fingern darüber und ließ die Hand fest kreisen. »Oh Gott, oh Gott«, stöhnte sie. »Ja, Baby. Genau so. Ich werde mich gleich in dich ergießen. Besser wird es nur noch, wenn ich demnächst in deinem hübschen Hintern Erlösung finde.« Mehr als die unanständigen Worte brauchte es für sie nicht, um zu explodieren. Sie drückte den Rücken durch, und ihre freie Hand knallte auf die Tischplatte, als die Erlösung sich in nassen Krämpfen um seinen Schwanz entlud. Heißer Samen schoss in sie und ließ ihn weiter vordringen. Er stieß weiter zu, bis sein Saft bis zum Plug herunterlief, der fest in ihrem Hintern klemmte. Die Anstrengung war Gabe deutlich anzusehen, Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Doch als er die Augen öffnete, brannte urwüchsige Lust in ihnen. Lange stand er da, sah sie an und drängte seine Hüften in gleichmäßigem Tempo gegen ihren Po. Als er sich schließlich von ihr löste, blieb sie schlaff und befriedigt auf seinem Schreibtisch liegen. »Das ist wunderschön«, knurrte er. »Mein Saft strömt über deinen Hintern. Er tropft auf den Boden. Du bist ganz geschwollen und glänzt von meinem Saft. So, wie es sein soll.« Oh Mann, sie liebte es, wenn er solch unanständige Sachen sagte. Sie bebte, und ihre Scham zog sich zusammen, sodass noch mehr von der Flüssigkeit heraustropfte. »Oh Gott, Mia. Du bist so verdammt heiß. Ich kann es gar nicht erwarten, in deinem Hintern abzuspritzen.« Er ließ ihre Beine herunter, griff nach ihren Armen und zog sie hoch, sodass er sie vom Tisch heben konnte. Sobald sie stand, lief sein Saft an der Innenseite ihrer Schenkel herunter, und sie taumelte leicht, mühte sich aber, das Gleichgewicht zu finden. »Geh und mach dich sauber«, sagte er heiser. »Lass den Analplug drin, bis ich ihn wieder herausnehme.« Auf zittrigen Beinen ging sie ins Badezimmer. Der Plug brannte und erregte sie bei jedem Schritt aufs Neue. Es war ein herrlich intensives Gefühl. Als sie das Badezimmer verließ, wartete Gabe bereits auf sie. Er zog sie an seine Brust und gab ihr einen strafenden Kuss, der ihr den Atem raubte. »Missachte meine Befehle nicht noch einmal«, warnte er sie. »Tut mir leid«, erwiderte sie sanft. »Ich hatte es vergessen.« Seine Augen funkelten, als er ihr ins Gesicht sah. »Ich wette, das nächste Mal vergisst du es nicht.« 20 Die beleidigte Leberwurst zu spielen, war zwar kindisch und unreif, aber Mia schmollte tatsächlich wie ein Kleinkind. Dieser verdammte Kerl wusste sehr genau, was er mit ihr machte, und sie gab sich ausführlichen Fantasien darüber hin, was sie alles tun könnte, um ihn leiden zu lassen. Selbst nach dem Wahnsinnsorgasmus, den er ihr verschafft hatte, war sie noch rastlos und erregt. Sie musste noch einmal kommen! Dieser verdammte Stöpsel trieb sie in den Wahnsinn – und er wusste das. Er saß ihr gegenüber am Schreibtisch und tat so, als hätten sie es nicht gerade wie die Affen auf genau diesem Tisch getrieben. Seine Gegensprechanlage summte, was nicht weiter ungewöhnlich war und von Mia normalerweise unbeachtet blieb. Sie konzentrierte sich weiter auf die Aufgabe, die Gabe ihr gegeben hatte. Doch als sie hörte, was Eleanor sagte, wurde sie doch hellhörig, auch wenn sie weiterhin so tat, als würde es sie gar nicht interessieren. »Mr Hamilton, äh, Mrs Hamilton ist hier und möchte Sie sehen, Sir.« Gabe richtete sich auf und runzelte die Stirn. »Meine Mutter? Sie soll natürlich hereinkommen.« Ein verlegenes Hüsteln war zu hören. »Nein, Sir. Sie sagt, sie sei Ihre Frau.« Mia gelang es nur mit Mühe, nicht den Mund vor Erstaunen aufzureißen. Wow, das erforderte schon Mut, im Büro des Ex-Mannes aufzutauchen und zu behaupten, Mrs Hamilton zu sein. »Ich habe keine Frau«, sagte Gabe kalt. Ein leises Seufzen war zu hören und Eleanor tat Mia leid. Das musste schrecklich peinlich für sie sein. »Sie sagt, sie würde nicht gehen, bevor sie Sie getroffen hat, Sir.« Oh, Mist. Das konnte nicht gut ausgehen. Sie schaute auf in der Erwartung, einen wütenden Gabe zu erblicken. Aber er wirkte unerschüttert und gelassen. Als sei der Besuch seiner Ex-Frau im Büro ganz alltäglich. »Warten Sie eine Minute und dann schicken Sie sie rein«, erwiderte Gabe ausdruckslos. Er sah Mia an. »Wenn du uns bitte entschuldigen würdest. Du kannst entweder bei Eleanor warten oder eine Pause machen.« Mia stand auf und war froh, sein Büro verlassen zu können. Die Temperatur im Raum war um mindestens zwanzig Grad gefallen. Sie ging so schnell, wie es der blöde Stöpsel in ihrem Hintern erlaubte. Gerade als sie zur Tür hinaustrat, kam Gabes Ex den Flur entlang. Mia kannte sie von früher. Außerdem hatte sie zahlreiche Bilder von ihr gesehen. Lisa war eine wunderschöne Frau. Groß und elegant, jedes Haar am rechten Platz. Die perfekte Frau für einen Mann wie Gabe. Sie wirkte genauso reich und gediegen wie Gabe. Sie gaben zugegebenermaßen ein eindrucksvolles Paar ab. Lisa bildete mit ihrem silberblonden Haar den perfekten Gegensatz zu Gabes fast schwarzen Haaren. Lisas Augen wiesen einen kühlen Grünton auf, während Gabes tiefblau waren. Lisa trat an Mia vorbei ins Zimmer und warf ihr dabei ein leichtes Lächeln zu. Es war demütigend für Mia, mit einem Analplug im Hintern dazustehen, den Gabe ihr verabreicht hatte, kurz bevor seine Ex-Frau an ihr vorbeimarschierte. Sie hatte vermutlich einen feuerroten Kopf. »Danke«, sagte Lisa leise. Mia schloss die Tür hinter ihr und haderte kurz mit sich angesichts der moralischen Verwerflichkeit dessen, was sie überlegte. Ach, egal. Was war denn das Schlimmste, was ihr passieren konnte? Eine weitere Tracht Prügel? Sie drückte das Ohr an die Tür und blickte nervös den Flur hinunter, um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtete. Sie starb fast vor Neugier, und okay, vielleicht empfand sie Lisas Besuch auch ein klitzekleines bisschen als bedrohlich. Sie fühlte sich unsicher und war … eifersüchtig. Sie konnte sich diese Eifersucht eingestehen, schließlich hatte die Frau etwas gehabt, das Mia nicht hatte und auch nie haben würde. Gabes Herz. Sie lauschte angespannt und konnte endlich etwas verstehen, als die Stimmen lauter wurden. »Ich habe einen Fehler gemacht, Gabe. Kannst du das nicht vergeben? Willst du dem, was wir hatten, wirklich den Rücken kehren?« »Du warst diejenige, die gegangen ist«, erwiderte er mit eiskalter Stimme, die Mia erzittern ließ. »Es war deine Entscheidung. Es war ebenfalls deine Entscheidung, Lügen über unsere Beziehung zu verbreiten und alles, was wir hatten, zum Gespött zu machen. Ich habe mich nicht von dir abgewandt, Lisa. Das hast du getan.« »Ich liebe dich«, sagte sie mit leiserer Stimme, sodass Mia sich anstrengen musste, sie zu verstehen. »Ich vermisse dich. Ich will, dass wir wieder zusammen sind. Ich weiß, dass du immer noch etwas für mich empfindest. Das sehe ich in deinen Augen. Ich werde vor dir kriechen, Gabe. Ich werde alles tun, um dich davon zu überzeugen, dass es mir wirklich leidtut.« Verdammt! Sie hatten sich anscheinend weiter von der Tür entfernt, denn Mia konnte nichts mehr hören! »Was um Himmels willen machst du da?« Vor Schreck machte sie einen Satz. »Verdammt, Ash! Du hast mich zu Tode erschreckt!« Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie amüsiert an. »Gibt es einen bestimmten Grund, warum dein Ohr an Gabes Tür klebt? Hat er dich ausgesperrt? Hast du schon den Zorn des Chefs auf dich gezogen? Das ist genau der Grund, warum du für mich arbeiten solltest. Ich würde dich hegen und pflegen und nett zu dir sein.« »Ach, um Himmels willen, Ash. Hör auf. Ich versuche hier gerade zu lauschen.« »Das ist ziemlich offensichtlich«, erwiderte er trocken. »Und wer wird belauscht?« »Lisa ist hier, sie wollte ihn treffen«, zischte sie. »Und sprich leise, sonst hören sie uns womöglich noch!« Ashs Lächeln bröckelte und machte einer ernsten Miene Platz. »Lisa? Wie in Ex-Frau-Lisa?« »Genau die. Ich versuche herauszubekommen, was da abgeht. Bisher hab ich nur mitgekriegt, dass es ihr leidtut und sie ihn zurückhaben will.« »Nur über meine Leiche«, brummte Ash. »Rück mal ein Stück, damit ich auch was hören kann.« Mia wich weit genug zurück, bis sie beide ein Ohr an die Tür drücken konnten. Ash hielt einen Finger hoch als Zeichen für Mia, still zu sein. Ach, jetzt auf einmal! Sie war doch diejenige gewesen, die ihn zum Schweigen hatte bringen wollen. »Oh Shit, sie weint«, brummte Ash. »Eine weinende Frau ist nie gut. Gabe kann das nicht ertragen. Er ist erledigt, wenn eine Frau weint, und das weiß die Schlampe.« »Meinst du nicht, wir sind ein bisschen streng?«, fragte Mia leise. »Sie hat ihn besch… äh, sie hat ihn total fertiggemacht, Mia. Ich war dabei. Jace genauso. Wenn du je Zweifel hast, dann frag Jace, wie fertig Gabe war, als sie mit ihren Lügen an die Öffentlichkeit ging. Er ist ein Volltrottel, wenn er sie nicht aus dem Büro schmeißt.« »Nun, genau das würde ich herausfinden können, wenn du mal einen Augenblick lang still sein könntest«, erklärte sie geduldig. »Stimmt«, sagte Ash und schwieg, während die beiden konzentriert lauschten. »Ich werde nicht aufgeben, Gabe. Ich weiß, dass du mich liebst, und ich liebe dich auch noch immer. Ich bin bereit zu warten. Ich weiß, dass du deinen Stolz hast.« »Tu dir keinen Zwang an«, stieß Gabe hervor. »Oh Shit, sie kommen näher«, sagte Ash. Er griff nach Mias Arm, zog sie den Flur entlang und schob sie durch die offen stehende Tür in sein Büro. »Setz dich hin«, wies er sie an. »Tu so, als würden wir uns wie in guten alten Zeiten unterhalten.« Er rannte um seinen Schreibtisch herum, schmiss sich auf seinen Stuhl und legte die Füße auf die polierte Tischplatte. Keine drei Sekunden später stürmte Lisa mit gerötetem und verweintem Gesicht an der Tür vorbei. Sie setzte eilig eine Brille auf, um das zu verbergen, dann war sie auch schon verschwunden. »Bleib noch ein bisschen«, sagte Ash leise. »Ich würde dir nicht raten, so kurz nach einem Streit wieder die Höhle des Löwen zu betreten.« Ein Geräusch ließ sie beide aufschauen, und sie sahen Jace, der gerade vorbeiging. Er blieb stehen, als er Mia erblickte, und wirkte sofort verwirrt. Mit gerunzelter Stirn kam er herein, und Mia stöhnte innerlich auf. Das war eine mehr als unangenehme Situation. Sie saß mit Jace in Ashs Büro fest, während ein Analplug in ihrem Hintern steckte und Gabe nebenan die Avancen seiner Ex-Frau abwehrte. »Was ist los? Warum ist Mia hier bei dir?« Ash schüttelte den Kopf. »Darf ich meinem kleinen Mädchen nicht Hallo sagen?« »Lass das, Ash. Führ dich nicht wie ein Blödmann auf«, knurrte Jace. »War das Lisa, die ich da gerade durch den Empfang habe gehen sehen?« »Ja«, erwiderte Ash. »Das ist auch der Grund, warum Mia hier bei mir ist. Ich bewahre sie vor Gabes Zorn, nachdem der gerade ein Treffen mit seiner Ex-Frau hatte.« »Was wollte die denn hier?«, fragte Jace. Es war nicht zu übersehen, dass weder Ash noch Jace Lisa in irgendeiner Form zugetan waren. Sie waren Gabe treu ergeben und hielten zusammen. Das hatte sich nach der Scheidung nur noch verstärkt. »Ash und ich haben an Gabes Tür gelauscht«, sagte Mia. Jace zog eine Augenbraue hoch. »Und du willst deinen Job wirklich behalten? Gabe würde dir den Kopf abreißen, wenn er das wüsste, und nicht einmal ich könnte dich davor bewahren.« »Willst du nun wissen, was wir gehört haben, oder nicht?«, fragte sie ungeduldig. Jace steckte den Kopf zur Tür hinaus und blickte zu Gabes Büro. Dann kam er wieder herein und schloss die Tür hinter sich. »Spuck’s aus.« »Sie will ihn zurückhaben«, erklärte Ash gedehnt. »Sie hat ihm eine tolle Show geboten.« »Oh, verdammt«, brummte Jace. »Ich hoffe, er hat ihr gesagt, sie soll verschwinden.« »Ich weiß nicht genau, was er ihr gesagt hat«, murmelte Mia. »Da war einer, der konnte den Mund nicht halten, sodass ich nicht alles mitbekommen habe.« »Ich garantiere dir, dass Gabe auf das blöde Gesäusel nicht hereingefallen ist«, sagte Ash, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Mia war sich da nicht ganz so sicher. Schließlich war Gabe mit ihr verheiratet gewesen. Das Zerbrechen dieser Beziehung hatte die Grundlage für alle weiteren Beziehungen – einschließlich ihrer eigenen mit ihm – gebildet. Das sagte viel darüber aus, wie berührt er gewesen war. Er mochte zwar wütend sein – das bestritt sie keine Minute lang, aber das bedeutete nicht, dass er sie nicht immer noch liebte, und genauso wenig bedeutete es, dass er nicht vielleicht doch versuchen würde, alles zu klären, um sie zu seinen Bedingungen zurückzubekommen. »Ich werde ihm einen Tritt in den Hintern geben«, brummte Jace. Er sah Mia an und streckte dann die Hand vor, um ihr das Haar zu zerzausen. »Unsere Verabredung für morgen Abend steht doch noch, oder? Wann soll ich dich denn abholen?« »Was? Und ich bin nicht eingeladen?«, fragte Ash entsetzt. »Kannst du nicht ausnahmsweise mal jemand anderem auf die Nerven gehen?«, meinte Jace. Ashs Mimik erstarrte kurz, bevor er brummte: »Aha, ein Familientreffen. Ich bin also außen vor.« Mia war gerührt, und sogar Jace verzog das Gesicht vor Mitgefühl. Ash und seine Familie pflegten keinen Umgang miteinander. Nie. Ash startete nicht einmal einen Versuch. Wenn seine Familie zufällig auch irgendwo eingeladen war, achtete er darauf, woanders zu sein. Meistens war das dann mit Gabe und Jace. »Ach, lass ihn doch mitkommen«, sagte Mia und behielt einen beiläufigen Tonfall bei, um Ash keinen Grund für Argwohn zu geben. »Das hält dich davon ab, mir Vorträge über Gott weiß was zu halten. Ash ist immer auf meiner Seite.« »Siehst du, sie mag mich lieber«, erklärte Ash selbstgefällig. »Okay, wann sollen wir dich also abholen?«, fragte Jace gespielt ergeben. »Um sechs wäre gut. Passt das euch beiden? Ich brauche nicht lange, um mich umzuziehen und zurechtzumachen. Gehen wir zwanglos essen oder steht etwas anderes auf dem Plan?« »Ich dachte an diesen tollen Pub gleich bei dir um die Ecke, Kleines, wo auch Essen serviert wird. Zieh eine Jeans an, dann verbringen wir den Abend dort«, sagte Jace. Was bedeutete, dass er es nur ihretwegen tat. Den Abend in einer Kneipe zu verbringen, war nicht unbedingt Jace’ Ding. »Perfekt.« Die Tür ging auf und Gabe steckte den Kopf mit gerunzelter Stirn herein. »Na, habt ihr beiden Mia …« Er hielt inne, als er Mia vor Ashs Tisch sitzen sah, und sein Blick wanderte misstrauisch von Jace zu Ash. »Stör ich bei irgendetwas?« »Kein bisschen«, erwiderte Ash lässig. »Wir leisten Mia nur Gesellschaft, während du deine Ex-Frau geküsst und dich wieder mit ihr vertragen hast.« Mia erschrak ob Ashs Mut. Ach, du grüne Neune, er würde sie in Teufels Küche bringen. »Halt’s Maul, Ash«, knurrte Gabe. »Wie schön«, brummte Jace. »Jetzt schickst du Mia mit ihm in sein Zimmer zurück, obwohl du sie doch vor diesem Schicksal bewahren wolltest.« Mia erhob sich und hoffte, damit weitere bissige Bemerkungen im Keim zu ersticken. »Ich sehe euch beide dann morgen zum Abendessen«, sagte sie schnell, während sie Gabe in den Gang stieß. Sie schloss die Tür hinter sich, wodurch sie Gabe wirkungsvoll von Jace und Ash und deren eventuellen Bemerkungen abschottete. Ohne auf Gabe zu warten, ging sie zu seinem Büro und trat ein. Gabe folgte ihr. Sie konnte seine Gegenwart spüren; sie konnte die Wärme spüren, die er ausstrahlte. Er war wie ein wütender Löwe. Was zu Ashs Überzeugung passte, dass sie in die Höhle des Löwen zurückkehren würde, wenn Lisa erst fort war. »Du gehst mit beiden zum Abendessen aus?« Sie drehte sich angesichts seines merkwürdigen Tonfalls zu ihm um. »Ja. Ash hat sich selber eingeladen. Jace holt mich um sechs ab. Nach der Arbeit gehe ich direkt nach Hause«, sagte sie ruhig. Er trat mit durchdringendem, wütendem Blick nah an sie heran. »Vergiss nur nicht, wem du gehörst, Mia.« Sie blinzelte verwirrt und lachte dann. »Du nimmst doch nicht ernsthaft an, dass Ash …« Sie war nicht bereit, so einen lächerlichen Gedanken in Worte zu fassen, und schüttelte den Kopf. Er hob ihr Kinn an und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Vielleicht brauchst du ja eine Erinnerung.« Etwas an seinem Tonfall, an der urwüchsigen Kraft, die er ausstrahlte, ließ sie ergeben schweigen. »Auf die Knie mit dir.« Sie sank auf die Knie, konnte sich dabei aber wegen des Plugs nur unbeholfen bewegen. Fahrig zog er den Reißverschluss seiner Hose herunter und holte seinen halbsteifen Penis hervor. »Leck ihn«, befahl er. »Besorg’s mir, Mia. Ich will deinen herrlichen Mund an meinem Schwanz spüren.« Er beugte ihren Kopf nach hinten, vergrub die Hände in ihrem Haar und zog sie an seinen erigierten Penis. Die Eichel stieß gegen ihre Lippen und mit einem kräftigen Ruck nach vorn öffnete er ihren Mund und drang ein. Er tauchte tief in sie und rieb immer wieder über ihre Zunge. Er war dieses Mal noch heftiger als sonst, und sie fragte sich, wie sehr Lisas Besuch ihn wohl berührt hatte. War das jetzt der Versuch, ihre Gegenwart aus diesem Raum zu bannen? Doch dann erhaschte sie einen Blick auf seine Augen und wurde plötzlich vollkommen ruhig. Er war wütend. Aber nicht auf sie. Da war Sehnsucht, fast schon Verzweiflung in seinem Blick. Seine Hände glitten über ihren Kopf und dann über ihr Gesicht, um es zu streicheln, zu berühren, fast als würde er sich bei ihr für seine heftige Sehnsucht entschuldigen. Sie ließ ihre Hand nach oben wandern und legte sie um sein mächtiges Glied. Dann drückte sie ihn sanft mit der anderen Hand nach hinten, sodass sie sich weiter aufrichten konnte. Sie verringerte sein Tempo und begann, langsam und gemächlich an ihm zu saugen. Es würde keine blindwütige Erlösung für ihn werden. Sie würde ihm ihre Liebe zeigen, auch wenn er sie nicht wollte. Er brauchte ihre Liebe. Er brauchte sie. Auch wenn es das Letzte war, das er ihr jemals eingestehen würde. Ihre Hand glitt im gleichen Rhythmus über seinen Schwanz wie ihr Mund. Sie hatte ihn fest gepackt und rieb kräftig von den Lenden bis zur Kuppel, sodass ihre Lippen ihn einen Moment lang kaum mehr berührten, ehe sie ihn wieder ganz in sich aufnahm. »Verdammt, Mia«, hauchte Gabe. »Verdammt, was machst du mit mir!« Seine Hüften zuckten vor, und der warme, salzige Schuss seiner Erlösung füllte ihren Mund, während sie ihn noch tiefer in sich aufnahm, alles von ihm wollte, alles von ihm nahm. Sie überströmte ihn mit ihrer Liebe und Aufmerksamkeit, nahm ihn sanft und langsam, bis keine Erinnerung mehr an das verzweifelte Tempo von vorhin blieb. Sie leckte ihn von der Eichel bis zu den Eiern, sodass kein Zentimeter von ihm unberührt blieb. Schließlich löste sie sich von ihm und ließ ihn aus ihrem Mund gleiten. Sie schaute zu ihm auf – das Abbild völliger Unterwerfung, voller Hingabe. Und sie ließ zu, dass er sie sah. Sie wirklich sah. Er zuckte zusammen, und dann sank er vor ihr auf die Knie, sodass sie fast auf Augenhöhe waren. Er zog sie an sich und drückte sie fest an seinen Körper, während er immer noch unter der Lust, die sie ihm geschenkt hatte, bebte. »Ich kann nicht ohne dich sein«, flüsterte er. »Du musst bleiben, Mia.« Sie strich mit den Händen über seinen Rücken und dann bis zu seinem Kopf, den sie liebevoll umfasste. »Ich gehe nirgendwohin, Gabe.« 21 Mia hatte sich über Gabes Tisch gebeugt. Ihre Hände lagen flach auf der Tischplatte und ihr Rock war nach oben geschoben, während Gabe den Analplug herauszog. Sie schloss die Augen und atmete erleichtert auf. Sie war den ganzen Nachmittag von einer nervösen Unruhe befallen gewesen. Vielleicht würde sich das jetzt geben. Sorgfältig reinigte Gabe ihren Po. Er ließ sich dabei Zeit, ließ ein Tuch über ihre Haut gleiten, ehe er ihren Rock herunterzog und ihr einen leichten Klaps gab. »Hol deine Sachen. Wir fahren schnell zu meiner Wohnung, um uns umzuziehen, und dann gehen wir zum Abendessen aus.« Sie hätte sich am liebsten auf den Tisch sinken lassen und wäre gern die nächsten fünfzehn Minuten so liegen geblieben, um sich von der Anspannung zu erholen, unter der sie so lange gestanden hatte. Statt sie zu tadeln, weil sie nicht sofort seiner Anweisung folgte, glitten Gabes Hände zu ihren Schultern. Er zog sie hoch und schloss sie in seine Arme. Sie kuschelte sich an ihn und genoss seinen herben Duft und seine Wärme. Er küsste sie auf den Scheitel und murmelte: »Ich weiß, dass ich dich zu sehr bedränge, aber, Gott stehe mir bei, ich scheine nicht anders zu können.« Sie lächelte an seiner Brust und umarmte ihn, drückte ihn fest an sich. Diese Geste schien ihn zu überraschen. Er verharrte regungslos, doch dann zog er sie noch fester an sich und vergrub das Gesicht in ihrem Haar. »Lass nicht zu, dass ich dich verändere, Mia«, flüsterte er. »Du bist perfekt so, wie du bist.« Doch er hatte sie bereits verändert. Unwiderruflich. Sie würde nie wieder dieselbe sein. Als Gabe sie losließ und sich abwandte, schien er fast ärgerlich, die Worte geflüstert zu haben. Sie richtete ihre Kleidung und tat so, als hätte sie sein Unbehagen nicht bemerkt. Sie ging zu ihrem Tisch, griff nach ihrer Handtasche und drehte sich dann mit einem strahlenden Lächeln zu ihm um. »Können wir los?« Er bedeutete ihr voranzugehen und legte seine Hand fest auf ihren Rücken, als sie zusammen das Büro verließen. Sie verabschiedeten sich von Eleanor, die auch gerade gehen wollte, und stießen beim Fahrstuhl auf Ash. Mia rutschte das Herz in die Hose. Sollte er nicht eigentlich längst mit Jace bei einem Arbeitsessen sein? Oh Gott, wenn er nun in Gabes Büro hatte kommen wollen? Und festgestellt hatte, dass es abgeschlossen war? Schlimmer noch … hatte er vielleicht irgendetwas gehört? »Ash, ich dachte, du wärest mit Jace unterwegs«, sprach Gabe ihn entspannt an. Ash grinste, und Mia konnte nicht umhin, das gute Aussehen dieses Mannes zu bewundern. »Ich habe eine Akte mit wichtigen Informationen über die Leute, mit denen wir zum Abendessen verabredet sind, vergessen. Jace bezirzt sie und gibt mir Rückendeckung mit der Behauptung, mir wäre was Wichtiges dazwischengekommen.« Mia schnaubte. »Jace bezirzt jemanden? Das ist doch eher deine Stärke, Ash. Wie hast du dir bloß den Part erschlichen, die Akte zu holen? Er ist doch bestimmt schon völlig am Ende.« Ash tätschelte ihr Kinn und umarmte sie dann fest. »Hab dich vermisst, Kleine. Und du hast Recht … ich habe Jace einfach keine Wahl gelassen. Ich bin direkt los, ehe er mich anfauchen konnte.« Sie erwiderte Ashs Umarmung und genoss seine offensichtliche Zuneigung zu ihr. Es war schon eine Weile her, dass sie Zeit mit Ash oder Jace verbracht hatte. Sie vermisste es. Sie vermisste die angenehme Geborgenheit, die sie in deren Gegenwart empfand. »Ich habe dich auch vermisst. Wir haben schon so lange nichts mehr zusammen gemacht. Ich dachte schon, du liebst mich nicht mehr.« Sie stiegen in den Fahrstuhl und Ash warf ihr einen gespielt entsetzten Blick zu. »Dich nicht mehr lieben? Ich würde Drachen für dich töten und dir zu Füßen legen. Ich bete dich an.« Sie verdrehte die Augen. »Übertreib mal nicht mit deinem Charme. Sonst verbrauchst du ihn noch komplett, und bei mir ist das bloße Verschwendung.« Er schlang einen Arm um ihre Schulter und grinste. »Man wird ja wohl noch träumen dürfen.« Dann stieß er einen theatralischen Seufzer aus. »Eines Tages wirst du mir gehören.« »Jap, gleich nachdem Jace dir die Eier abgeschnitten hat«, mischte Gabe sich finster in die Unterhaltung ein. Ash zuckte zusammen, was ihn nur noch attraktiver machte. Wirklich schade, dass Mia sich nicht zu ihm hingezogen fühlte, er war bestimmt gut im Bett. Sexy. Amüsant. Guter, dreckiger Sex. Doch wenn die Gerüchte stimmten und er und Jace tatsächlich dazu neigten, Sex mit derselben Frau zu haben, wäre das schon ziemlich peinlich … Bei dem Gedanken lief ihr ein Schauer über den Rücken. Es gab da ein paar Dinge, die sie über ihren Bruder nun wirklich nicht wissen musste. Und ihn sich nackt mit Ash vorzustellen, konnte durchaus zum Verlust ihrer Wertschätzung für Ash führen. Was wirklich traurig wäre, da der Mann durchaus das Potenzial hatte, Frauen zum Stöhnen zu bringen. »Wir sehen uns heute Abend, Gabe«, verabschiedete Ash sich, als er aus dem Fahrstuhl stieg. »Jace wartet, und wenn ich nicht bald da bin, vergrault er die Investoren noch, ehe ich die Gelegenheit habe, sie mit meinem Charme zu bezaubern.« Gabe winkte kurz und Mia rief ihm noch einen Abschiedsgruß hinterher. Dann führte Gabe sie zum Wagen, der sie zu seiner Wohnung fahren sollte. »Du triffst dich heute Abend mit Ash?«, fragte Mia, als sie es sich bequem gemacht hatten. »Dann gehen wir also nicht zusammen aus?« Gabe presste die Lippen aufeinander. »Du gehst heute Abend wie geplant mit mir essen. Ich muss mich so gegen neun mit Jace und Ash auf einen Drink treffen.« »Oh«, sagte sie und fragte sich, was das wohl sollte. Andererseits war ein solches Treffen eigentlich nichts Ungewöhnliches. Die drei verbrachten viel Zeit miteinander, wenn sie in der Stadt und nicht gerade in unterschiedlichen Himmelsrichtungen unterwegs waren. Und sie nahm an, dass es vor allem Jace seltsam vorkommen würde, wenn sich das plötzlich zeitgleich mit dem Beginn ihrer Arbeit bei Gabe änderte. »Was soll ich anziehen?«, wechselte sie das Thema. Gabe richtete seinen Blick auf sie und ließ ihn über ihren Körper gleiten, bis sie das Gefühl hatte, ganz auf Kleidung verzichten zu können. »Eins von deinen neuen Kleidern. Das schwarze mit dem Schlitz am Schenkel.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Dann planst du für heute Abend etwas Schickes?« Er sagte nichts und seine Miene wirkte undurchdringlich. »Ich werde dich zu einem schönen, ruhigen Abendessen und zum Tanzen ausführen. Gute Musik, gutes Essen, eine schöne Frau. Mehr kann ein Mann nicht verlangen.« Ihr wurde ganz warm, so sehr freute sie sich über sein Kompliment. Sie strahlte, und um seine Lippen zuckte es, als könne er seine Reaktion auf ihre Freude nicht verheimlichen. Doch dann wurde seine Miene wieder ernst. »Du bist nicht nur eine schöne Frau, Mia. Ich möchte, dass du das niemals vergisst. Du bist mehr als das. Lass mich nicht so viel nehmen, dass nichts mehr übrig bleibt.« Diese mysteriösen Andeutungen kamen immer häufiger. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Warnte er sie – oder sich selber? Gabe war ihr ein Rätsel. Sie war sich nie ganz sicher, was er gerade dachte, außer wenn sie Sex miteinander hatten. Dann verstand es sich von selbst. In diesem Momenten wusste sie genau, was er dachte. Nachdem sie angekommen und mit dem Aufzug nach oben in seine Wohnung gefahren waren, verschwand Mia im Badezimmer, um sich fertig zu machen. Wenn sie tatsächlich schick ausgingen, sollte Gabe auch wirklich beeindruckt von ihr sein. Sie wollte elegant wirken … als gehöre sie an seine Seite. Sie lockte ihr Haar und steckte es dann zu einem eleganten Knoten hoch, aus dem ein paar Strähnen Nacken und Hals umspielten. Beim Schminken beschränkte sie sich auf Mascara und einen hellen Lippenstift, der ihre Lippen glänzen ließ, ohne unnatürlich zu wirken. Dieses Weniger-ist-mehr hatte etwas für sich. Die Kunst beim Schminken bestand darin, den Eindruck zu erwecken, man wäre völlig ungeschminkt. Ihr Kleid war wirklich atemberaubend. Sie konnte immer noch nicht fassen, wie gut sie darin aussah. Die hohen Absätze verliehen ihr die richtige Größe, um das lange Kleid mit dem gewagten Schlitz tragen zu können. Mithilfe der Schuhe wirkten ihre Beine lang und wohlgeformt. Zwar hatte Gabe über das rückenfreie Kleid, das sie bei der Hoteleröffnung getragen hatte, gelästert, doch das schwarze Kleid, das er für den heutigen Abend gewählt hatte, bedeckte ihren Rücken nur mit zwei schmalen, gekreuzten Bändern. Alles andere blieb nackt und der gewagte Rückenausschnitt reichte bis knapp über den Po. Ihre schmale Taille kam verführerisch zur Geltung und lud jeden Mann förmlich dazu ein, sie dort zu berühren. Sie hatte keinen BH angezogen, aber das Oberteil war so geschnitten, dass sie sich darüber keine Gedanken machen musste. Allerdings war der Ausschnitt vorn genau wie hinten tief, sodass man durchaus einen Blick auf die obere Rundung ihres Busens erhaschen konnte. Gabe war offensichtlich in einer interessanten Stimmung. Normalerweise fand er es gar nicht gut, wenn jemand – vor allem andere Männer – sie in auch nur andeutungsweise freizügiger Kleidung sah. Aber heute Abend sah sie verführerisch aus und fühlte sich auch so. Sie genoss das Selbstvertrauen, das sie dadurch gewann. Als sie aus dem Badezimmer trat, saß Gabe wartend auf der Bettkante. Seine Augen leuchteten sofort anerkennend auf, woraufhin sie vor ihm eine Pirouette drehte. »Geht das?« »Aber ja«, brummte er. Als er aufstand, glitt auch ihr Blick anerkennend über ihn. Der teure Dreiteiler, den er angezogen hatte, ließ ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen. Bei jedem anderen Mann hätte so ein Anzug langweilig ausgesehen, vielleicht sogar spießig. Aber bei Gabe? Bei ihm sah das Ganze traumhaft aus. Schwarze Hose, schwarze Jacke, weißes Hemd, dessen oberster Knopf offen stand. Gabe wirkte elegant und lässig, als wäre es ihm vollkommen egal, was andere dachten, und das machte ihn nur noch verführerischer. »Ich nehme an, wir gehen irgendwohin, wo das Tragen einer Krawatte nicht unbedingt vorgeschrieben ist?«, neckte sie ihn. Einer seiner Mundwinkel ging nach oben. »Bei mir werden die Regeln immer etwas großzügiger ausgelegt.« Ja, wer würde das nicht tun? Wer würde wirklich zu jemandem wie Gabe Hamilton Nein sagen? Abgesehen von der Tatsache, dass er mehr Geld hatte, als man sich vorstellen konnte, besaß er auch ein Charisma, das sowohl Frauen als auch Männer in seinen Bann zog. Jeder reagierte auf ihn. Manche hatten Angst vor ihm, manche hassten ihn, aber Respekt brachten ihm alle entgegen. »Möchtest du vielleicht etwas trinken, ehe wir gehen?«, fragte Gabe. Sie schüttelte langsam den Kopf. Je länger sie in seiner Wohnung blieben, desto wahrscheinlich war es, dass sie sie gar nicht mehr verlassen würden. Und sie freute sich auf die erste richtige Verabredung mit ihm. Bisher war da neben Sex und Arbeit nicht viel gewesen. Er hielt ihr die Hand hin und sie legte ihre Finger hinein. Er zog sie zum Fahrstuhl, mit dem sie nach unten fuhren, wo der Wagen auf sie wartete. Unterwegs rang sie mit sich, ob sie die Sache mit Lisa ansprechen sollte. Sie platzte fast vor Neugier, wollte andererseits aber nicht in ein Wespennetz stechen. Er bemerkte ihren Blick von der Seite und zog die Augenbrauen fragend hoch. »Was ist?« Sie zögerte, beschloss aber dann, den Sprung zu wagen. Er würde sie ohnehin nicht in Ruhe lassen, bis sie ihm erzählt hatte, was sie beschäftigte. »Ähm, Lisa …« Ehe sie weiterreden konnte, erstarrte Gabes Miene bereits zu einer eisigen Maske, und er hob die Hand, um sie zu unterbrechen. »Ich bin nicht bereit, einen wunderbaren Abend durch ein Gespräch über meine Ex-Frau kaputt zu machen«, stieß er hervor. Na gut. So viel also zu dem Thema. Aber sie würde sich ganz gewiss nicht beklagen. Sie wollte den Abend ja auch nicht kaputt machen. Auch wenn sie vor Neugier wirklich fast platzte und eigentlich unbedingt wissen musste, wie Gabe zu der Sache stand. Ein bisschen Angst hatte sie schließlich auch … Im Restaurant wurden sie an einen der hinteren Tische in einer Nische geführt, wo sie ganz für sich waren. Der Platz war perfekt. Das Licht war gedämpft, aber auf allen Tischen brannten Kerzen. Weihnachtliche Lichterketten wanden sich um dekorativ im Raum verteilte Kübel mit Buchsbäumen und strahlten eine festliche Stimmung aus. Beim Anblick überkam Mia eine heftige Sehnsucht nach Weihnachten. Sie liebte die Feiertage in der Stadt. Jace war immer mit ihr zum Rockefeller Center gefahren, um gemeinsam mit ihr zu erleben, wie die Lichter des großen Weihnachtsbaumes entzündet wurden. Das war eine ihrer liebsten Erinnerungen an Dinge, die sie mit Jace zusammen unternommen hatte. »Woran denkst du gerade?«, fragte Gabe. Sie blinzelte und sah ihn an. Er musterte sie mit einem neugierigen Ausdruck auf dem Gesicht. »Du hast sehr glücklich ausgesehen. Woran du auch gedacht haben magst, es muss etwas Schönes gewesen sein.« Sie lächelte. »Ich habe an Weihnachten gedacht.« »Weihnachten?« Er sah verdutzt aus. »Jace hat mich immer zur Entzündung der Lichter am Weihnachtsbaum im Rockefeller Center mitgenommen. Das ist eine meiner Lieblingserinnerungen. Ich liebe die Lichter und das weihnachtliche Gewusel in der Stadt, das Bummeln, die Schaufenster. Es ist die schönste Zeit des Jahres.« Er wirkte einen Moment lang nachdenklich, dann zuckte er die Achseln. »Lisa und ich waren zu der Zeit immer in Hampton und nach der Scheidung habe ich während der Feiertage einfach durchgearbeitet.« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Du hast gearbeitet? Während der Weihnachtsfeiertage? Gabe, das ist ja schrecklich. Du klingst wie der geizige Scrooge in Dickens’ Weihnachtsgeschichte!« »Unsinnige Feiertage.« Sie verdrehte die Augen. »Wenn ich das doch bloß gewusst hätte! Ich hätte schon dafür gesorgt, dass du die Tage mit Jace und mir verbringst. Niemand sollte über Weihnachten allein sein. Ich habe immer angenommen, du verbringst die Feiertage mit deinen Eltern.« Sie brach ab, bestürzt darüber, dieses so schmerzhafte Thema angeschnitten zu haben. »Es tut mir leid«, sagte sie leise. »Das war gedankenlos.« Er schenkte ihr ein betrübtes Lächeln. »Ist schon in Ordnung. Mein Vater hat offensichtlich erkannt, dass er Mist gebaut hat, und will jetzt zu meiner Mutter zurückkehren. Weiß der Himmel, wie das klappen soll.« Sie riss die Augen auf. »Hat er das gesagt?« »Oh ja«, erwiderte Gabe mit einem erschöpften Seufzen. »Als ich mit ihm mittagessen gegangen bin. Einen Tag nachdem seine Flamme versucht hat, mir an die Wäsche zu gehen.« Mia machte ein finsteres Gesicht und Gabe lachte. »Und was wird deine Mutter jetzt tun?«, fragte Mia. »Wenn ich das nur wüsste. Aber ich schätze mal, dass er noch nicht auf den Knien zu ihr gekrochen ist, das wüsste ich schon.« »Ich weiß nicht, ob ich ihm vergeben könnte, dass er mit all diesen Frauen geschlafen hat«, meinte Mia unglücklich. »Das muss deine Mutter schrecklich verletzt haben.« »Er behauptet, er sei ihr nicht untreu gewesen.« Ich bitte dich, sagte ihr Blick. Er winkte ab. »Ich habe keine Ahnung, was er unter Treue oder Untreue versteht, und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob das überhaupt wichtig ist, dass er nicht mit ihnen geschlafen hat. Alle Welt glaubt, er hätte es getan. Meine Mutter glaubt, er hätte es getan. Über diese Demütigung kommt sie nicht so schnell hinweg.« »Das muss unglaublich schwierig für dich sein«, meinte sie mit sanfter Stimme. Was für ein schrecklicher Tag! Erst war sein Vater hereingeplatzt und dann war ein paar Stunden später auch noch seine Ex-Frau aufgetaucht. Ihr Mitgefühl schien ihm unangenehm zu sein, denn er wandte den Blick ab und seine Augen leuchteten vor Erleichterung auf, als der Kellner schließlich mit dem Hauptgang erschien. Die Meeresfrüchte dufteten verführerisch, bemerkte sie anerkennend. Der Keller servierte ihr gegrillte Shrimps und stellte dann einen Teller geräucherte Goldmakrele vor Gabe. »Ohhh, deins sieht ja fantastisch aus«, sagte sie. Lächelnd spießte er ein Stück auf seine Gabel und hielt es ihr über den Tisch hinweg hin. Sie schloss die Lippen um den Fisch und behielt die Gabelspitze einen Moment länger als notwendig im Mund, während ihre Blicke sich trafen und ineinander eintauchten. Es war ein überraschend intimer Moment, von ihm mit diesem Bissen gefüttert zu werden. Er starrte ihren Mund an, während er seine Gabel wieder auf den Teller sinken ließ. Sie schnitt ein Stück von ihren Shrimps ab und bot ihm ebenfalls eine Kostprobe an. Er zögerte einen Moment, doch dann ließ er sich den Bissen von ihr in den Mund schieben. Mia war überrascht, wie sehr sie dieser Austausch berührte, und sie senkte den Blick auf ihren Teller, um sich auf ihr Essen zu konzentrieren. »Ist es gut?«, fragte Gabe mehrere Minuten später. Sie schaute auf und lächelte. »Köstlich. Aber ich kann kaum noch!« Er nahm die Serviette von seinem Schoß und tupfte sich damit den Mund ab, ehe er sie auf den Tisch legte. Als sie ihre Gabel ablegte und den Teller wegschob, stand er auf und hielt ihr die Hand hin. »Lass uns tanzen«, murmelte er. Mia war so aufgeregt wie ein Teenager bei seinem ersten Date, als sie sich von ihm hochziehen und zwischen den Tischen hindurch zur Tanzfläche führen ließ. Er drehte sie zu sich um und zog sie eng an sich. Kein Blatt passte mehr zwischen sie, und seine Hand lag flach und besitzergreifend über der Stelle auf ihrem Rücken, wo der Stoff begann. Sie stieß einen zufriedenen Seufzer aus und schloss die Augen, als Gabe seine Wange an ihre Schläfe legte. Sie bewegten sich kaum, sondern wiegten sich nur aneinandergeschmiegt sanft zum Klang der Musik. Am liebsten hätte Mia nie wieder damit aufgehört, denn in diesem Moment konnte sie sich einreden, dass Gabe wirklich ihr gehörte, dass ihre Beziehung aus mehr als nur Sex bestand. Eine Weile einfach so zu tun, würde nicht wehtun. Vielleicht würde es später schmerzen, aber in diesem Augenblick war sie entschlossen, sich ihrem Traum hinzugeben. Seine Hand blieb nicht regungslos auf ihrem Rücken. Er streichelte und massierte sie, während sie tanzten, und sein Körper schmiegte sich eng an ihren. Sie drehte den Kopf ein wenig, sodass ihre Nase an seinem Hals lag und sie seinen Duft einatmen konnte. Sie geriet in arge Versuchung, an seinem Ohr und an seinem Hals zu knabbern. Sie liebte seinen Geschmack und hatte noch nicht viel Gelegenheit gehabt, von ihm zu kosten, weil Gabe immer die Führung übernahm, wenn sie Sex miteinander hatten. Ach, was würde sie für eine Nacht geben, in der sie ihn ganz nach eigenem Belieben erforschen konnte. Ein Lied ging in das andere über, und sie tanzten einfach weiter, weil keiner von ihnen bereit war, den innigen Moment, der sie wie ein Kokon umhüllte, aufzugeben. Verträumt schloss Mia die Augen und wiegte sich zum Klang der Musik, während Gabe sie fest an sich drückte und seine Hand über ihren Körper gleiten ließ. Im Grunde liebten sie sich auf der Tanzfläche. Es war kein Sex. Es war nicht diese heiße, alles verzehrende Besessenheit, die sie jedes Mal packte, wenn sie ihre Kleider ablegten. Das hier war lieblicher. Sanfter. Intimer. Sie schätzte jede einzelne Sekunde. In diesen Gabe könnte sie sich verlieben. Sie war dabei, sich in ihn zu verlieben. »Ich frage mich, ob du überhaupt eine Vorstellung davon hast, wie sehr ich dich in eben diesem Augenblick will«, murmelte er neben ihrem Ohr. Sie lächelte und hob dann den Kopf, um ihm ins Ohr zu flüstern. »Ich habe keine Unterwäsche an.« Er blieb mitten auf der Tanzfläche stehen und machte sich noch nicht einmal mehr die Mühe, es so aussehen zu lassen, als würden sie tanzen. Sein Griff wurde noch fester und sein gesamter Körper spannte sich an. »Gütiger Himmel, Mia. Was gibst du da mitten in einem Restaurant von dir!« Sie unterdrückte ein Lächeln und schaute unschuldig zu ihm auf. »Ich dachte nur, es würde dich vielleicht interessieren.« »Wir verschwinden auf der Stelle von hier«, knurrte er. Ehe sie auch nur ein Wort sagen konnte, packte er ihre Hand und zog sie in Richtung Ausgang, während er mit der anderen nach seinem Handy griff und seinem Fahrer kurz angebunden mitteilte, dass sie aufbrechen wollten. Zum Glück hatte sie keine Handtasche dabei gehabt, die hätte sie jetzt am Tisch liegen lassen! Auf dem Bürgersteig zog Gabe sie dicht an das Gebäude heran und hielt schützend einen Arm um sie, damit sie nicht von Fußgängern angerempelt wurde. »Gabe, was ist mit der Rechnung?«, fragte sie aufgeregt. Er warf ihr einen geduldigen Blick zu. »Ich bin Stammkunde und habe hier ein Konto, von dem sogar das Trinkgeld gleich mit der Rechnung abgebucht wird. Mach dir also keine Sorgen.« Der Wagen fuhr vor, und Gabe schob sie hinein. Kaum waren beide Türen geschlossen, fuhr der Wagen an, und Gabe drückte auf den Knopf, der die Trennwand zwischen Fahrer und Rückbank nach oben gleiten ließ. Freudige Erregung sprudelte durch ihren Körper, bis sie das Gefühl hatte, ein kohlensäurehaltiges Getränk zu sein, das zu lange geschüttelt worden war. Er griff nach seinem Reißverschluss und zog ihn schnell herunter. Eine Sekunde später hielt er seinen langen, wunderschönen Schwanz in der Hand, den er kurz massierte, sodass er gleich darauf steif aufragte. Ihr Blick klebte förmlich an ihm und verschlang seinen männlich markanten Körper. »Zieh dein Kleid hoch und setz dich auf meinen Schoß«, befahl er und streckte die Hand nach ihr aus. Sie reckte sich, zog ihr Kleid hoch und entblößte dabei einen großen Teil ihrer Schenkel, während Gabe in die Mitte der Bank rückte, sodass sie sich rittlings auf ihn setzen konnte. Er griff unter ihr Kleid und schob seine Hand an der Innenseite ihres Schenkels zu ihrer nackten Scham hoch. Ein hochzufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Das ist mein Mädchen«, schnurrte er. »Oh Gott, Mia. Seit du aus dem Badezimmer in meiner Wohnung gekommen bist, stelle ich mir vor, es dir in diesem Kleid und in diesen mörderischen Schuhen zu besorgen.« Er schob einen Finger in ihre warme Öffnung, zog ihn wieder heraus und hielt ihn hoch, sodass sie ihn beide sehen konnten. Er glänzte nass. Langsam leckte er eine Seite seines Fingers ab und sie wäre beinahe auf der Stelle gekommen. Heiliges Kanonenrohr, der Mann war eine lebensgefährliche Bedrohung für ihre Sinne. Dann legte er den Finger an ihren Mund. »Saug daran«, sagte er mit heiserer Stimme. »Koste dich selber.« Es machte sie zwar verlegen, aber ihre Neugier ließ sich auch nicht mehr beherrschen, und so öffnete sie vorsichtig die Lippen, sodass er den Finger in ihren Mund schieben und über ihre Zunge gleiten lassen konnte. Sie saugte vorsichtig daran und seine Pupillen weiteten sich. Sein Schwanz strebte ihr entgegen und die Kuppel drängte ungeduldig gegen das Tor zu ihrem Körper. Er griff nach unten und packte seinen harten Schwanz. Dann zog er den Finger aus ihrem Mund und hob mit der Hand ihre Hüften an, sodass er, als er sie wieder nach unten sinken ließ, seinen steifen Penis tief in sie hineinschieben konnte. Ach, wie herrlich dekadent war es, Manhattan an sich vorbeifliegen zu sehen … die Lichter … den Verkehr … während Gabe es ihr auf der Rückbank seines Wagens besorgte. Mit beiden Händen umfasste er ihre Taille und begann nach oben zu stoßen. Er hielt sie in der richtigen Position, während er seinen Rücken immer wieder durchdrückte, um sich dann wieder sinken zu lassen. Schneller. Fester. Es war förmlich ein Wettrennen: Würde es ihm gelingen, sie beide zum Höhepunkt zu bringen, ehe sie seine Wohnung erreichten? Sie kam zuerst. Der Orgasmus erfasste sie mit der Urgewalt eines Sturms, der sie in funkelnde Blitze hüllte. Sie konnte nur noch keuchen, während er weiter, immer wieder, in sie eintauchte. Sie griff nach seinen Schultern und klammerte sich an ihm fest. Dann wurde der Wagen langsamer. Gabe explodierte förmlich in ihr und schoss seinen heißen Samen in ihren Körper. Er zog sie auf seinen harten Schwanz herunter, bis er tief in ihr steckte, während er sich in sie ergoss. Der Wagen blieb vor dem Appartementhaus stehen. Gabe drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Geben Sie uns noch einen Moment, Thomas«, sagte er ruhig. Gabe saß lange da, während sein mächtiges Glied weiter in ihr pochte und zuckte. Er hob die Hände und umfasste ihr Gesicht. Dann küsste er sie. Die zärtliche Geste stand in völligem Kontrast zu der ungestümen Art, in der er sie eben genommen hatte. Es war ein langer, zärtlicher Kuss. Warm und so süß. Als wollte er damit etwas ausdrücken, was er mit Worten nicht zu sagen vermochte. Mit Worten niemals aussprechen würde. Er zog sie an sich und drückte sie an seinen Körper, während er ihr übers Haar strich. Eine ganze Weile schmiegte sie sich an ihn, während er langsam in ihr erschlaffte. Schließlich hob er sie hoch und setzte sie neben sich. Er zog ein Taschentuch hervor und drückte es zwischen ihre Schenkel, ehe er sich selber säuberte. Ohne Eile richtete er seine Kleidung und schloss den Reißverschluss, während sie ihr Kleid nach unten zog. »Fertig?«, fragte er. Sie nickte, denn sie war noch viel zu bewegt, viel zu erschöpft, um auch nur einen Ton von sich zu geben. Und davon abgesehen wären die Worte ohnehin völlig sinnentleert gewesen. Er öffnete die Tür, stieg aus und war kurz darauf schon auf ihrer Seite, um ihr die Wagentür zu öffnen. »Du übernachtest wieder bei mir«, sagte er, während sie auf den Eingang zusteuerten. Es war keine Bitte, in seiner Stimme lag aber auch nicht die sonst übliche Arroganz. Er brachte es sehr sachlich vor, als gäbe es keine anderen vorstellbaren Möglichkeiten. Doch dann schaute er sie an, und sie sah so etwas wie Unsicherheit in seinen Augen aufblitzen – aber der Moment war so kurz, dass sie sich nicht sicher war, es wirklich gesehen zu haben. Trotzdem unterwarf sie sich nickend seiner Weisung. »Natürlich bleibe ich«, erklärte sie leise. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben, und als sie ausgestiegen, zog er sie noch einmal rückwärts an sich, während er mit seinem Körper die Türen blockierte. »Warte im Bett auf mich«, sagte er mit heiserer Stimme. »Es wird nicht sehr spät werden.« Sie reckte sich und strich mit dem Mund über seine Lippen. »Ich werde warten.« Sofort leuchteten seine Augen vor Genugtuung auf. Er stupste sie nach vorn und trat wieder in den Fahrstuhl, sodass sich die Türen hinter ihm schließen konnten. 22 Gabe, Ash und Jace trafen sich auch heute im Rick’s, einem beliebten Herrenclub, in dem sie Stammgäste waren. Jace und Ash waren bereits da, als Gabe die VIP-Suite betrat, wo zwei Kellnerinnen heftig mit Jace und Ash flirteten. Sofort richteten sich ihre Blicke auf Gabe und ihre Augen leuchteten interessiert auf. Er wies sie mit seinem Blick ab, bestellte sich kurz angebunden etwas zu trinken und die beiden eilten davon. »Schlechten Tag gehabt?«, fragte Ash, als Gabe sich hinsetzte. Er hätte am liebsten gelacht. Schlechter Tag beschrieb noch nicht einmal annähernd, was er heute durchgemacht hatte. Diesem Tag gebührte es, in die Annalen aufgenommen zu werden. Gabe kam gar nicht auf die Idee, seinen Freunden etwas vorzuenthalten. Jace und Ash waren die einzigen Menschen, denen er je persönliche Dinge anvertraut hatte. Er verzog das Gesicht. »Mein Dad kam heute in die Firma und wollte mit mir zu Mittag essen.« »Shit«, brummte Jace. »Tut mir leid, Mann. Ich weiß, wie übel das ist. Trotzdem … wie geht’s deiner Mutter?« »Ich war am Wochenende mit ihr essen. Ich musste sie förmlich in die Stadt zerren, sie hat sich in diesem riesigen Haus verkrochen und leckt ihre Wunden. Ich habe sogar schon mal überlegt, sie zum Verkauf des Hauses und zum Umzug in eine Wohnung in die Stadt zu überreden. Aber das wird jetzt wahrscheinlich doch nicht mehr nötig sein.« Ash zog eine Augenbraue hoch. »Warum nicht?« Gabe holte tief Luft. »Mein Dad ist zu der Erkenntnis gelangt, dass er Mist gebaut hat und meine Mutter zurückhaben will. Darum wollte er sich heute auch mit mir treffen.« »Gütiger Himmel«, meinte Ash. Jace runzelte die Stirn. »Was soll das denn jetzt? Er hat es mit jedem geldgeilen Flittchen Manhattans getrieben. Was denkt er sich denn dabei?« »Laut seiner eigenen Aussage hat er es angeblich mit keiner einzigen von ihnen getrieben und es hat auch keine ihm etwas bedeutet.« Ash verdrehte die Augen. »Wow. Das ist ja wohl die lahmste Ausrede, die ich je gehört habe.« »Das kannst du laut sagen.« »Meine Güte, du hattest ja echt einen beschissenen Tag«, brummte Jace. »Erst dein Dad und dann auch noch Lisa.« »Genau. Meine Mutter hat meine Telefondrähte schon durch das ständige Lästern über die Frauen, mit denen mein Vater gesehen worden ist, zum Glühen gebracht. Jetzt wird das Kabel vermutlich durchschmoren, wenn sie sich über Dads neustes Hirngespinst aufregt.« »Willst du, dass die beiden wieder zusammenkommen?«, fragte Ash neugierig. »Ich wollte nie, dass die beiden sich trennen«, erwiderte Gabe finster. »Ich habe keine Ahnung, was damals in meinen Vater gefahren ist. Es hört sich total schwachsinnig an, wenn er versucht, es zu erklären. Ich glaube, nicht einmal er selbst weiß, was da eigentlich passiert ist. Also … Ja, ich will, dass die beiden wieder zusammenkommen, aber ich will auch, dass sie glücklich sind. Wenn er so ne Nummer also noch einmal bringen sollte, wäre es mir lieber, wenn sie es jetzt ein für alle Mal beenden. Ich will nicht, dass meine Mutter das noch einmal durchmacht.« »Ja, ich verstehe, was du meinst«, sagte Jace. »Wo wir gerade von Versöhnung sprechen«, meinte Ash beiläufig. »Was hatte eigentlich Lisa in deinem Büro zu suchen?« Gabes Gesichtszüge wurden hart und er knirschte mit den Zähnen. Lisa war wirklich das Letzte, worüber er sich unterhalten wollte, andererseits war klar, dass seine Freunde neugierig waren. Schließlich hatten sie mitbekommen, dass Lisa sein Büro verlassen hatte. Sie hatten loyal zu ihm gehalten, als Lisa ihr wahnwitziges Verleumdungstheater abgezogen hatte. Da war es nur verständlich, dass sie sich Sorgen machten, wenn sie sich wieder in seiner Nähe herumtrieb. »Hast du der verrückten Schlampe einen Tritt in den Hintern gegeben und ihr gesagt, dass sie sich verpissen soll?«, fragte Jace mit finsterer Miene. Gabe kicherte und seine Laune besserte sich. Jace und Ash kamen immer gleich zur Sache, darauf war Verlass. »Ich habe ihr sehr deutlich gemacht, dass ich keinerlei Interesse daran habe, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.« »Sie will Geld«, meinte Jace düster. »Ich habe ein bisschen herumtelefoniert. Die Abfindung hat sie schon fast vollständig verbraten, und der Unterhalt, den du monatlich springen lässt, hält sie kaum noch über Wasser.« Gabe zog eine Augenbraue hoch. »Du hast sie überprüfen lassen?« »Na klar. Ich lasse doch nicht zu, dass sie dich noch einmal genauso bescheißt wie beim letzten Mal«, stieß Jace hervor. »Sie pflegt noch den gleichen Lebenswandel wie damals, als sie mit dir verheiratet war. In dieser Hinsicht hat sie sich keinerlei Beschränkungen auferlegt. Eine ziemlich kostenintensive Schlampe.« Gabe grinste. »Mach dir keine Sorgen, Mann. Ich werde keinen Rückfall erleiden.« »Schön zu hören«, meinte Ash, und ihm war die Erleichterung deutlich anzuhören. Gabe war überrascht. Hatte es daran denn je einen Zweifel gegeben? Plötzlich ging ihm auf, dass Jace und Ash sich tatsächlich Sorgen gemacht hatten. »Ich krieg das mit Lisa geregelt«, erklärte Gabe gelassen. »Sie ist eine berechnende, habgierige Schlampe. Ich hab’s kapiert.« Jace und Ash nickten zustimmend. Die Kellnerinnen kamen mit den Drinks zurück und blieben noch einen Moment, um mit Jace und Ash zu flirten. Gabe ließen sie in Ruhe. Vielleicht spürten sie, dass er nicht dazu aufgelegt war. Er hatte null Interesse an den Frauen, wusste er doch, dass Mia in seinem Bett auf ihn wartete. Mit dem Glas in der Hand drehte Jace sich zu Gabe um, als die Kellnerinnen verschwanden. »Und wie läuft es so mit Mia?« Gabe war sofort in Habachtstellung. Er war darüber schon einmal mit Jace aneinander geraten und wollte nicht, dass sich die Sache zu einem echten Streitpunkt zwischen ihnen entwickelte. Doch ehe er etwas erwidern konnte, fuhr Jace fort. »Ich weiß, dass ich dich deshalb ziemlich angefahren habe, und, ja, ich habe wahrscheinlich überreagiert. Ich war einfach vollkommen überrascht. Mir hat Mias Job in dieser blöden Konditorei zwar nicht gefallen, aber ich dachte mir, sie bräuchte etwas Zeit, um sich darüber klar zu werden, was sie in Zukunft gerne machen möchte. Sie war immer sehr fleißig. Sie braucht wahrscheinlich einfach mal eine Auszeit, um mit sich ins Reine zu kommen, und meinetwegen kann sie sich dabei gern Zeit lassen. Sie hat ja mich. Ich werde ihr alles geben, was sie braucht, und ich möchte nicht, dass sie das Gefühl hat, unter Druck zu stehen.« Eine Woge von Schuldgefühlen schwappte über Gabe hinweg. Er hatte Mia eindeutig unter Druck gesetzt. Daran bestand überhaupt kein Zweifel. Nicht, dass er es bedauert hätte. Er wäre ein verdammter Lügner, so etwas zu behaupten. Aber trotzdem … »Sie macht sich sehr gut, Jace«, erwiderte Gabe beiläufig. »Sie ist klug und motiviert. Sie fügt sich gut ein. Arbeitet hart und bewahrt einen kühlen Kopf. Auf der Cocktailparty, zu der sie mich begleitet hat, hat sie die Investoren total begeistert. In der Firma scheint niemand etwas gegen sie zu haben, sie ist gut aufgenommen worden. Ich bin mir sicher, dass viele glauben, sie hätte den Job nur bekommen, weil sie deine Schwester ist, aber sie hat bewiesen, dass sie es verdient, bei HCM zu arbeiten.« »Sehr schön, aber wie könnte man sie auch nicht mögen?«, unterbrach Ash ihn. »Sie ist lieb und nett. Das Mädchen hat nicht einmal ein Fitzelchen Boshaftigkeit in sich.« »Wenn irgendwer sie blöd anmacht, will ich das wissen«, stieß Jace hervor. Gabe hielt eine Hand hoch. »Ich mach das schon, Mann. Und wenn du mal gründlicher darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass es viel besser ist, dass sie nicht für dich arbeitet. So kann sie beweisen, dass sie die Stelle verdient hat, denn sie arbeitet ja nicht einfach für ihren großen Bruder. Ich werde bei ihr nicht den Leuteschinder rauskehren, aber ich erwarte von ihr, dass sie ihre Arbeit macht. Du verhätschelst sie doch nur nach Strich und Faden.« Ash lachte schallend. »Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen, Jace. Du würdest sie ja schon bei einer Kleinigkeit wie einem Niednagel nach Hause schicken.« Jace grinste. »Okay, okay, ihr habt beide nicht ganz unrecht.« Dann wurde er wieder ernst. »Ich will doch nur ihr Bestes. Ich will, dass sie glücklich ist. Sie ist alles, was ich habe.« Gabe und Ash nickten. »Ich hab’s kapiert«, erklärte Gabe wieder. »An deiner Stelle würde ich genauso denken. Aber entspann dich. Lass sie doch mal ein bisschen die Flügel ausbreiten. Ich glaube, du wärest überrascht, was sie alles schafft, ohne dass du ständig um sie herumscharwenzelst.« Um die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken – das Thema Mia brachte Gabe in eine durchaus unangenehme Situation –, ließ er den Blick von Jace zu Ash schweifen und grinste dabei leicht. »Und was ist nun mit der Brünetten? Ist die schon wieder Geschichte, oder was?« Ash stöhnte und Jace wirkte einfach nur verärgert. Gabe zog beide Augenbrauen hoch. »So schlimm?« »Völlig bescheuert«, brummte Ash. »Das war nicht gerade eine unserer intelligentesten Entscheidungen, ausgerechnet die für ein paar Tage abzuschleppen. Herrgott noch mal, dabei wusste sie, dass es nur was Kurzfristiges ist. Etwas sehr Kurzfristiges.« Jace schwieg weiter, hatte aber eine düstere Miene aufgesetzt. »Wir wollen es mal so sagen: Sie hat es nicht sonderlich gut aufgenommen und sie hat es auch eindeutig nicht kapiert. Sie hat unsere Telefondrähte zum Glühen gebracht.« Gabe zog die Stirn kraus. »Ihr habt ihr eure Handynummern gegeben? Seid ihr völlig verrückt?« »Verdammt, nein«, platzte es jetzt aus Jace heraus, der zum ersten Mal das Wort ergriff. »Sie hat in der Firma angerufen. Immer wieder. Ich musste ihr erst mit einer Anzeige wegen Belästigung drohen, bevor sie endlich Ruhe gab.« Gabe lachte. »Ihr zwei wisst zweifelsohne, wie man sie nehmen muss.« »Bescheuert«, brummte Ash wieder. »Ich weiß nicht, wie wir es noch deutlicher hätten ausdrücken können.« Gabe zuckte mit einer Achsel. »Seid eben das nächste Mal ein bisschen wählerischer.« Jace schnaubte. »Vielleicht sollten wir uns auch Verträge zulegen, so wie du. In denen wir das Ganze vorher klären, ehe wir Sex haben.« Ash erstickte fast an seinem Drink und Gabe sah beide strafend an. Nachdem sie eine weitere Stunde miteinander getrunken und gescherzt hatten und Ash und Jace die Kellnerinnen nun genauer unter die Lupe nahmen, stellte Gabe mit einem Blick auf seine Uhr fest, dass es bereits kurz vor elf war. Verdammt. Er hatte Mia gesagt, dass es nicht spät werden würde, dass sie auf ihn warten solle. Und er saß hier fest und redete Blödsinn mit Jace und Ash. Er würde noch fünfzehn Minuten durchhalten und sich dann unter einem Vorwand zurückziehen. Das aber blieb ihm erspart, als Jace’ und Ashs Aufmerksamkeit von einer kleinen Privataufführung gefesselt wurde. Gabe hingegen hatte keinerlei Interesse daran. Nicht wenn etwas so Tolles wie Mia zu Hause auf ihn wartete. Was ihm verdammt noch mal riesige Genugtuung bereitete. Sie war zu Hause, in seinem Bett. Und sie wartete auf ihn. Mehr Motivation brauchte er nicht, um aufzustehen, sich mit dem Hinweis auf einen frühen Arbeitsbeginn zu verabschieden und dann dem Ausgang zuzustreben. Jace und Ash waren abgelenkt, murmelten ein höfliches »Bis später« und richteten ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf die Tänzerinnen. Die Fahrt nach Hause war nicht lang, und er bemerkte, dass er eilig zum Fahrstuhl lief, getrieben von einem Kribbeln auf seinem gesamten Körper, gegen das er nichts tun konnte. Er betrat die Wohnung und stellte fest, dass Mia das Licht im Eingangsbereich für ihn angelassen hatte. Es brachte ihn zum Lächeln, dass sie daran gedacht hatte, und seine Brust zog sich bei dem Gedanken, dass er eigentlich gar kein Licht brauchte, zusammen. Sie war sein Licht. Ein Sonnenstrahl an einem kalten Tag. Er streifte schon auf dem Weg ins Schlafzimmer einen Großteil seiner Kleidung ab. Doch dann blieb er beim Anblick, der sich ihm bot, mit einem breiten Grinsen stehen. Mia hatte sich in der Mitte des Bettes eingerollt und die Decke bis zum Kinn hochgezogen, ihr Kopf lag auf seinem Kissen. Sie schlief tief und fest. Sein Schwanz hatte sich bereits steif aufgerichtet und versuchte, sich aus seiner Hose zu befreien. »Entspann dich, Junge«, murmelte er. »Heute Nacht nicht.« Doch sein bestes Stück beachtete ihn nicht. Es sah, was es wollte, und bestand darauf, Erleichterung zu finden. Gabe ignorierte den Drang, sie mit einem festen Stoß in ihren warmen Schoß zu wecken, und zog sich stattdessen leise aus. Vorsichtig hob er die Decke an, um sie nicht zu wecken. Er glitt neben sie ins Bett und zog die Decke wieder hoch. Sie wurde nicht wach, aber als hätte sie seine Anwesenheit gespürt, kuschelte sie sich sofort an ihn und warf einen Arm besitzergreifend über ihn. Er lächelte wieder, während er sich noch fester an sie schmiegte und sie in seine Arme zog. Ja, doch, er wollte sie, aber das hier war auch … nett. 23 Als Mia am nächsten Morgen erwachte, drückte ein stählerner Körper sie in die Matratze. Ihre Schenkel waren gespreizt und dann stieß ein hartes Glied tief in sie hinein. Sie keuchte und war mit einem Schlag hellwach. Gabes Blick durchbohrte sie. »Guten Morgen«, murmelte er, kurz bevor sich sein Mund fordernd auf ihre Lippen presste. Sie war noch nicht einmal in der Lage, eine verständliche Antwort zu formulieren. Sie stand in Flammen, ihre Erregung war schon fast schmerzhaft heftig und steigerte sich noch mit jedem weiteren Stoß. Er ließ nicht ab von ihren Lippen und drückte sie so fest aufs Bett, dass sie unfähig war, sich zu bewegen. Sie konnte nur regungslos daliegen und nehmen, was er ihr gab. Es ging schnell. Ohne trägen Aufstieg zum Höhepunkt. Er stieß schnell und fest zu, seine Hüften klatschten immer wieder laut gegen ihr Becken. Erst fuhr er mit den Lippen zärtlich über ihren Hals, dann biss er sanft in ihr Ohrläppchen. Sie bekam Gänsehaut und stöhnte. Schon kurz vor dem Orgasmus. »Gib mir deine Augen, Baby. Und dann komm.« Der heisere Befehl steigerte ihre Erregung zu einem flammenden Inferno. Mit angespanntem Körper und fest zusammengezogenen Muskeln, sah sie ihm tief in die Augen. »Sag meinen Namen«, flüsterte er. »Gabe!« Sie sahen einander tief in die Augen, doch als sie seinen Namen hauchte, ließ er sich auf sie sinken, drückte seinen Körper an sie, und seine Wogen fluteten sie, während er sich in sie ergoss. Lange lag er so schwer atmend da, bedeckte sie mit seinem Körper, spendete ihr Wärme und Geborgenheit. Schließlich stemmte er sich hoch, küsste sie auf die Nasenspitze und sah sie liebevoll an. »So kann der Tag gerne beginnen«, murmelte er. Dann rollte er sich von ihr herunter, tätschelte ihre Hüfte und sagte: »Spring unter die Dusche, Baby. Wir müssen zur Arbeit.« Ein verdammt gut gelaunter Frühaufsteher. Nach dem verrückten Verlauf des gestrigen Tages hatte Mia schon fast Angst vor dem, was der heutige Tag für sie bereithalten würde. Trotz des heißen Sexes am Morgen schob Gabe ihr sofort nach der Ankunft im Büro einen anderen Plug in den Po. Sie hätte nie gedacht, dass es diese Dinger in so vielen Größen gab! Weitere Steigerungen waren jedoch nur schwer vorstellbar, denn dieser war schon riesig! Sie hatte das Gefühl, als würde sie watscheln, und wollte deshalb am liebsten niemandem begegnen. Also verbrachte sie den Großteil des Tages in Gabes Büro und litt beim Sitzen, sodass sie beständig herumzappelte. Und Gabe war tatsächlich sehr beschäftigt. Drei Konferenzschaltungen. Zwei Meetings, dazu zahllose Rückrufe. Es gab also keinen atemberaubend heißen Bürosex, der das Brennen in ihrem Hintern gelindert hätte. Sie hatte schon wieder angefangen zu schmollen, auch wenn sie sich vollkommen lächerlich dabei vorkam. Sie war zutiefst erleichtert, als endlich Feierabend war. Sie wollte dieses blöde Ding nicht mehr in ihrem Hintern haben, und sie wollte aus dem Büro raus. Ihr fiel die Decke auf den Kopf. Aber da war ja zumindest das Abendessen mit Jace und Ash, auf das sie sich freuen konnte. Auf Gabes Drängen fuhr Mia bei ihm mit. Er ließ sie von seinem Fahrer bei ihrer Wohnung absetzen, ehe er zu seiner weiterfuhr. Während der Fahrt redeten sie kaum, doch er hielt die ganze Zeit ihre Hand. Fast so, als bräuchte er den Kontakt. Was auch im Ansatz verständlich war, schließlich hatten sie tagsüber kaum Zeit füreinander gehabt. Sie waren nur allein gewesen, als er ihr am Morgen den Analplug hineingeschoben und am Nachmittag wieder entfernt hatte. Sein Daumen strich über ihre Handfläche und zeichnete ein Muster auf ihre Haut, während er aus dem Fenster schaute. Sie war sich nicht sicher, ob er sich ihrer Anwesenheit überhaupt bewusst war, doch als sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen, griff er fester zu und schloss seine Finger um ihre. Vielleicht hatte er sie ja genauso vermisst wie sie ihn. Das war zwar ein blöder Gedanke, der sich nichtsdestotrotz fest in ihrem Gehirn verankert hatte. Als sie sich ihrer Wohnung näherten, fiel ihr ein, dass sie noch gar nicht darüber gesprochen hatten, was sie nach dem Abendessen mit Jace tun sollte. Sie hatte keine Ahnung, was Gabe von ihr erwartete. Wollte er, dass sie hinterher in seine Wohnung kam? Oder sollte sie am nächsten Tag einfach allein zur Arbeit gehen? Der Wagen hielt vor ihrem Haus an, und Mia wollte schon aussteigen, als Gabe sie zurückhielt. »Genieß den Abend, Mia«, sagte er weich. Sie lächelte. »Das werde ich.« »Ich sehe dich dann morgen im Büro. Der Fahrer wird dich morgen früh um acht abholen.« Nun, das beantwortete ihre Frage. Offensichtlich war sie damit für den heutigen Tag entlassen. Doch als sie ausstieg, wirkte Gabe gar nicht glücklich, dass sie den Abend woanders verbrachte. »Wir sehen uns dann morgen«, sagte sie leise. Sie schloss die Tür und sah dem Wagen hinterher. Was Gabe wohl dachte? Seufzend trat sie ins Haus und begab sich in ihre Wohnung nach oben. Sie hatte nur eine Stunde, um sich umzuziehen und fertig zu machen, ehe Jace sie abholen würde. Als sie durch die Tür ins Wohnzimmer trat, steckte Caroline den Kopf aus ihrem Zimmer und sah sie mit großen Augen überrascht an. »Du bist zu Hause! Ach, du heiliger Bimbam! Ich habe mich schon gefragt, ob du bei Gabe eingezogen bist.« Mia lächelte. »Ich wünsche dir auch einen guten Tag.« Caroline kam auf Mia zugeeilt und umarmte sie stürmisch. »Ich hab dich vermisst, Mädchen. Wir haben dich alle vermisst. Wollen wir uns heute Abend etwas zum Essen bestellen und Filme gucken?« Mia zuckte zusammen. »Tut mir leid, ich kann nicht. Jace kommt vorbei, darum bin ich heute auch nicht bei Gabe. Jace und Ash führen mich zum Essen aus. Wir wollen uns gegenseitig auf den neusten Stand bringen, weil Jace doch ein paar Tage nicht in der Stadt war. Er wird mich bestimmt in die Mangel nehmen und wegen Gabe ausquetschen, jetzt, wo er weiß, dass ich für ihn arbeite.« Caroline verzog enttäuscht das Gesicht. »Verdammt. Es ist echt ätzend, dass ich dich so wenig sehe. Und ich mache mir Sorgen, dass dir das Ganze über den Kopf wächst. Du scheinst deine gesamte Zeit nur noch mit ihm zu verbringen.« Voller Unbehagen sah Mia ihre Freundin an. Es stimmte, dass sie Caroline oder die Mädels seit Beginn ihrer Beziehung mit Gabe nicht mehr gesehen hatte. Das war zwar noch keine Ewigkeit her, aber sie und ihre Freundinnen verbrachten normalerweise viel Zeit miteinander und gingen häufig gemeinsam aus. »Wir treffen uns im Club. Freitagabend«, erklärte Caroline mit fester Stimme. »Ich trommel die Mädels zusammen. Wir gehen alle zusammen aus und amüsieren uns.« »Ich weiß nicht«, wich Mia aus. Sie hatte keine Ahnung, welche Pläne Gabe für sie hatte. Caroline sah sie mit durchdringendem Blick an. »Sag jetzt nicht, dass du ihn erst um Erlaubnis bitten musst, wenn du mit deinen Freundinnen ausgehen willst. Er besitzt dich nicht, Mia.« Mia wäre beinahe schuldbewusst zusammengezuckt, konnte es aber gerade noch unterdrücken. Gabe besaß sie sehr wohl. Er hatte das vertraglich abgesicherte Recht auf ihren Körper, ihre Zeit und alles andere. Allerdings hatte sie nicht vor, diese unbedeutende Information an Caroline weiterzugeben. Ihre Freundinnen würden das nie verstehen. Sie seufzte. Ihr war klar, dass es das Beste wäre, den Abend mit ihnen zu verbringen. Sie wollte sich nicht von ihren Freundinnen abkapseln, denn wenn Gabe ihr den Laufpass gab, würde sie sie brauchen. Sie waren mit ihr bisher durch dick und dünn gegangen, und wenn sie die Kontakte nicht pflegte, würde sie am Ende alleine dastehen. Sie musste Gabe einfach sagen, dass sie sich für Freitagabend etwas vorgenommen hatte, und dann hoffen, dass er es akzeptierte. »Okay, Freitagabend«, gab Mia nach. Caroline strahlte übers ganze Gesicht und tanzte um Mia herum. »Wir werden viel Spaß haben! Ich habe dich vermisst, Mia. Wenn du nicht da bist, ist alles so langweilig.« Wieder verspürte Mia Schuldgefühle. Es war ihre Idee gewesen, dass Caroline bei ihr einzog. Abgesehen davon, dass Caroline irgendwo hatte wohnen müssen, war es Mia wichtig gewesen, Gesellschaft zu haben. Und jetzt verbrachte sie auf einmal sehr wenig Zeit in ihrer Wohnung oder mit Caroline. »Ich rufe die Mädels jetzt gleich an, damit sie sich nichts anderes vornehmen. Sehe ich dich heute Abend nach deinem Essen noch?« Mia nickte. »Jap. Ich bleibe heute Nacht hier.« »Toll. Hör zu: Iss keinen Nachtisch. Ich mach uns Schokotoffees und besorg einen Film. Und wenn du wieder zu Hause bist, hängen wir auf dem Sofa ab.« Mia grinste. »Perfekt!« »Okay, dann mach dich jetzt fertig«, scheuchte Caroline sie. »Ich lass dich auch in Ruhe.« Mia verschwand in ihrem Zimmer und holte ihre Lieblingsjeans hervor. Die hüftige Hose war ihr absolutes Lieblingsteil, sie hatte Löcher an den Knien, und die Taschen waren mit Pailletten besetzt. Mia hatte immer darauf geachtet, dass sie ihr passte, selbst nach drei Jahren noch. Konnte es überhaupt einen besseren Ansporn geben, sein Gewicht zu halten, als weiterhin in eine Jeans zu passen? Vermutlich nicht. Sie schnappte sich ein Spitzenhemdchen und ein schulterfreies Top und stiefelte ins Badezimmer, um ihre Haare und das Make-up zu richten. Mia freute sich auf den Abend mit Jace und Ash. Mit ihnen fühlte sie sich wohl, und sie genossen alle drei den entspannten Umgang, den sie miteinander pflegten. Manchmal kam es ihr fast so vor, nicht nur einen, sondern gleich zwei ältere Brüder zu haben, auch wenn Ash fortwährend mit ihr flirtete. Aber er war völlig harmlos – zumindest für sie. Anderen Frauen wurde er höchst gefährlich, aber sie sah ihn eher als Verwandten. Mit Gabe war das eine ganz andere Sache … Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr freute sie sich auf den Abend mit ihren Freundinnen. Caroline hatte Recht – seitdem Mia den Job bei Gabe angenommen hatte, war sie kaum mehr hier gewesen. Gabe war … tja, er war wie eine alles vereinnahmende Besessenheit. Und dann war da ja auch noch der Vertrag, den sie unterschrieben und mit dem sie ihm das Recht übertragen hatte, frei nach Gutdünken über sie und ihre Zeit zu verfügen. Wüssten ihre Freundinnen von diesem besonderen Passus, würden sie sie sofort in eine Anstalt einweisen lassen. Sie tuschte sich noch einmal die Wimpern, legte etwas Lippenstift auf, der den gleichen hellen Rosaton wie ihr Nagellack hatte, und steckte dann die Haare locker mit einer großen Spange hoch. Der köstliche Duft von Schokolade zog durch den Raum, als sie schließlich ins Wohnzimmer zurückkam. »Oh mein Gott, Caro, das duftet herrlich«, stöhnte Mia. Caroline schaute vom Herd auf und grinste. »Ich habe sogar extra deinetwegen auch noch Nüsse reingetan.« »Du bist zu gut zu mir.« Mia setzte sich auf einen Barhocker auf der anderen Seite der Kücheninsel, an der Caroline gerade kochte, und legte die Arme auf die Arbeitsplatte. »Und wie läuft’s so bei der Arbeit?« Caroline hörte kurz auf zu rühren, regulierte die Temperatur und legte dann den Löffel zur Seite. Sie rümpfte die Nase und verzog das Gesicht. »Mein Boss ist ein verdammter Dickkopf. Er verbringt mehr Zeit damit, mir an die Wäsche gehen zu wollen, als mit seiner richtigen Arbeit. Sobald ich ein bisschen Geld gespart habe, werde ich mich nach einem anderen Job umschauen.« Caroline holte tief Luft und sah Mia an. »Ich hab da so einen Typen kennengelernt …« Mia beugte sich vor. »Oh, erzähl. Ist das einer, den ich mir merken sollte?« »Nun ja, vielleicht. Ich bin mir noch nicht sicher. Wir unterhalten uns bisher nur. Schreiben uns SMS. Herrje, ich habe das Gefühl, wieder in der Schule zu sein oder so. Und du weißt, dass ich nach der Sache mit Ted ein bisschen paranoid bin.« Mia seufzte. Carolines letzte Beziehung war eine Katastrophe gewesen. Sie hatte Ted kennengelernt, war sofort vor Lust und Liebe zu ihm entbrannt, nur um nach sechs Monaten, in denen sie sich stets zu seltsamen Zeiten getroffen hatten, herauszufinden, dass er verheiratet war und zwei Kinder hatte. Das hatte sie in eine schwere Sinnkrise gestürzt. »Du glaubst also, dass er verheiratet ist oder so?«, fragte Mia. Carolines Mundwinkel verzogen sich nach unten. »Ich weiß es nicht. Irgendetwas stimmt da nicht. Vielleicht bin ich ja auch durch die Sache mit Ted völlig verkorkst. Einerseits möchte ich einfach weglaufen, noch bevor wir was miteinander angefangen haben, gleichzeitig frage ich mich aber, ob ich blöd bin und ihm nicht doch eine Chance geben sollte.« Mia zog die Lippen zusammen und sah Caroline nachdenklich an. »Du weißt, dass Jace jeden Mann, mit dem ich mich je getroffen habe, überprüft hat. Ich könnte ihn doch auch mal deinen Typen checken lassen. Ein paar Informationen mehr schaden ja nichts, ehe man den Sprung wagt.« Caroline sah sie fassungslos an. »Meinst du das ernst?« Mia lachte. »Leider ja. Sobald ein Typ auch nur leichtes Interesse an mir bekundet, beginnt Jace sofort mit seinen Nachforschungen.« »Wow. Das ist krass. Ich weiß nicht, was ich von so einer Überprüfung bei Brandon halten soll.« Sie zögerte einen Moment, die Ratlosigkeit stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. »Aber wenn er verheiratet oder in irgendeiner anderen Form gebunden ist, will ich mich gar nicht erst auf ihn einlassen, verstehst du?« »Erzähl mir doch ein bisschen mehr«, meinte Mia. »Ich bespreche das heute Abend mit Jace. Ein paar Nachforschungen schaden doch nichts. Wir klauen ihm ja nicht seine Identität, obwohl Jace vermutlich selbst das hinkriegen würde.« »Er ist Türsteher in dem Club, in den wir am Freitag gehen. Du weißt schon … der mich immer reinlässt. Sein Nachname ist Sullivan.« »Okay, ich schau mal, was ich machen kann«, erklärte Mia. Sie drückte Carolines Hand. »Alles wird gut.« Caroline gab einen Stoßseufzer von sich. »Das hoffe ich. Ich möchte mich nicht noch mal zum Narren machen.« »Man ist kein Narr, nur weil man jemanden liebt, Caro. Er war ein Narr. Nicht du. Du bist die Beziehung in gutem Glauben eingegangen.« »Ich will nicht die Zweitfrau sein«, sagte Caroline. Allein die Erinnerungen ließen sie zusammenzucken. Besagte Ehefrau hatte Caroline vor Mias Haus zur Rede gestellt. Das Ganze war sehr unschön gewesen. Caroline war nicht nur aus allen Wolken gefallen, sondern nach der Konfrontation mit der wütenden, eifersüchtigen Ehefrau auch vollkommen am Boden zerstört gewesen. Mias Handy klingelte. Sie erkannte am Ton, dass es Jace war, und nahm das Gespräch an. »Na, du«, sagte sie zur Begrüßung. »Wir fahren gerade vor. Bist du fertig, oder möchtest du, dass wir raufkommen?«, fragte Jace. »Nicht nötig. Ich komme runter.« »Okay, dann bis gleich.« Sie beendete das Gespräch und rutschte vom Barhocker herunter. »Bis später, Caro. Ich freue mich schon auf die Schokotoffees!« Caroline winkte, als Mia die Wohnung verließ und zum Fahrstuhl ging. Kurz darauf trat Mia aus dem Gebäude und sah auch gleich Jace’ Wagen am Bordstein stehen. Er fuhr einen schnittigen, schwarzen BMW, der immer noch so aussah, als käme er direkt aus dem Autohaus. Ash stieg aus, winkte und lächelte breit, während er ihr die hintere Tür aufhielt. »Na, du Schöne«, sagte er und küsste sie auf die Wange, ehe sie einstieg. »Hallo, meine Kleine«, wurde sie von Jace begrüßt, sobald sie im Auto saß. Ach, dieser Wagen war einfach der Inbegriff von Luxus und Männlichkeit. Ash stieg wieder ein und Jace fuhr los. »Und, wie war’s denn noch, nachdem Gabe dich nach der Nummer mit Lisa aus meinem Büro gezerrt hat?«, fragte Ash. »Ich hab dich mit meiner großen Klappe doch hoffentlich nicht in Schwierigkeiten gebracht, oder?« Sie musste sich sehr anstrengen, nicht flammend zu erröten, und noch schwerer fiel es ihr, beiläufig zu klingen. »Er war okay. Hat schweigend vor sich hingebrütet. Wir haben nicht mehr viel miteinander geredet, ehe ich gegangen bin.« Jace schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, er lässt sich nicht wieder auf sie ein. Sie macht nur Ärger. Ich glaube, sie macht sich nur wieder an ihn ran, weil sie kein Geld mehr hat.« Mia sah ihn fragend an. »Bist du sicher? Sie hat doch bei der Scheidung eine Menge Geld von ihm bekommen, oder?« Eine verdammt große Menge Geld. Gabe hatte Geld. Viel Geld. Und nach allem, was Mia so zu Ohren gekommen war, hatte Lisa eine wirklich großzügige Abfindung erhalten. Natürlich keine Summen, die Gabe an den Bettelstab gebracht hätten, aber Lisa hatte so viel eingesackt, dass sie davon bequem bis an ihr Lebensende hätte zehren können. Zumindest als normaler Mensch. »Ich habe ein ziemlich klares Bild, seit ich nach ihrem Besuch ein bisschen rumtelefoniert habe.« Wow, das war ja interessant. Erstens, dass Lisa Geldprobleme hatte, und zweitens, dass Jace sich so schnell hinter die Sache geklemmt hatte. Eigentlich sollte sie das nicht verwundern. Schließlich standen Gabe, Jace und Ash sich sehr nahe und waren immer füreinander da. Immer. Jace und Ash hatten nach der Scheidung zu Gabe gehalten, und obwohl es lächerlich schien, dass jemand wie Gabe seelische Unterstützung brauchte, gab es doch eine unerschütterliche Bindung zwischen den Männern. Sie konnte nur hoffen, dass diese Bindung auch unter den negativen Konsequenzen bestehen blieb, sollte Jace je von ihrer Beziehung mit Gabe erfahren. Da erinnerte sie sich plötzlich wieder an Caros Bitte. »He, wo wir gerade davon reden«, sagte Mia und beugte sich zwischen den beiden Sitzen nach vorn. »Könntest du ein paar Erkundigungen über einen Typen namens Brandon Sullivan einholen? Er ist Türsteher im Vibe. Nur ein paar allgemeine Informationen, du weißt schon – ob er verheiratet ist, mit jemandem zusammenlebt oder vorbestraft ist.« Jace blieb an einer roten Ampel stehen und sofort drehten er und Ash sich beide mit gerunzelter Stirn zu ihr um. »Gehst du mit dem aus?«, wollte Jace wissen. »Ein Türsteher, Mia? Du kannst doch was viel Besseres haben, Süße«, schimpfte Ash sie sanft aus. Mia schüttelte den Kopf. »Ich doch nicht. Caroline. Ich habe ihr gesagt, dass ich dich bitten würde, ihn zu überprüfen. Sie hat große Angst, nach allem, was ihr mit dem letzten Typen passiert ist, auf den sie sich eingelassen hatte.« Ein nachdenklicher Ausdruck trat auf Jace’ Gesicht, als er wieder anfuhr. »Ach ja, hatte sie sich nicht vor einiger Zeit mit einem verheirateten Mann eingelassen? Ich erinnere mich, dass du so etwas erzählt hast.« »Ja, den meine ich«, bestätigte Mia seufzend. »Das hat sie ziemlich fertiggemacht. Caro ist nicht so eine, sie würde sich nie wissentlich mit einem verheirateten Mann einlassen. Sie ist so lieb und vertrauensvoll, und dieser Kerl hat sie nach Strich und Faden benutzt. Ich will einfach nicht, dass ihr so etwas noch einmal passiert.« »Ich kümmere mich darum«, sagte Jace. »Sag Caro, sie soll sich keine Sorgen machen. Ich werde ihn gleich morgen früh überprüfen lassen.« »Du bist der Größte«, sagte sie. Jace warf ihr über den Rückspiegel ein nachsichtiges Lächeln zu. »Ich habe dich vermisst, meine Kleine. In letzter Zeit haben wir nur wenig Zeit miteinander verbracht.« »Ich habe dich auch vermisst«, sagte sie mit weicher Stimme. Und das hatte sie wirklich. Doch in letzter Zeit schien es so, als würden sie beide ihrer eigenen Wege gehen. Das hatte schon vor der Sache mit Gabe angefangen. Jace wurde mehr denn je von seiner Arbeit in Anspruch genommen, was auch der Grund war, warum sie versucht hatte, ihn bei der Hoteleröffnung zu treffen. Jener Abend hatte den Lauf ihres Lebens verändert. Im Rückblick wäre sie nie auf die Idee gekommen, dass die Entscheidung, zu so etwas Unverfänglichem wie einer langweiligen Cocktailparty zu gehen, solch eine dramatische Änderung in ihrem Leben hätte bewirken können. Sie mussten eine Seitenstraße vom Pub entfernt parken. Ash öffnete ihre Tür und reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Jace und Ash nahmen sie in die Mitte, als sie die belebte Straße entlanggingen, während es langsam dunkel wurde. Im Pub war es noch relativ ruhig. Es war noch etwas früh, um essen zu gehen, der Pub würde sich erst später am Abend füllen. Ash führte sie zu einer Ecknische, von der aus man die Querstraße sehen konnte, und eine schwungvolle Kellnerin hatte es sehr eilig, an ihrem Tisch zu bedienen. Sie sah Ash und Jace an, als wären die beiden ihre nächste Mahlzeit und als könne sie es gar nicht erwarten, sie zu vernaschen. Sie war jünger als Mia. Ziemlich sicher. Sie sah ungefähr wie zwanzig aus. Wahrscheinlich eine Studentin, die kellnerte, um sich etwas dazuzuverdienen. Was bedeutete, dass der Altersunterschied zwischen ihr und Jace und Ash sogar noch größer war. Achtzehn Jahre? Das war nicht viel mehr als zwischen ihr und Gabe, aber es war irgendwie unheimlich zu beobachten, wie jemand, der noch wie ein Teenager aussah, mit ihrem Bruder und seinem besten Freund flirtete. Nach einer Runde Flirten gelang es ihnen schließlich, das Essen zu bestellen. Mia war in der Stimmung zu sündigen. Warum sollte sie, wo zu Hause auch noch Schokotoffees auf sie warteten, nicht gleich richtig schlemmen? Mit Gabe mochte sie vielleicht nur Salat essen, aber im Beisein von Jace und Ash hatte sie keine Vorbehalte, und so bestellte sie eine große Portion Nachos. Die beiden widersprachen nicht, als sie sich auch an ihren Tellern bediente. Sie lachten, scherzten und redeten über alles und nichts. Als sie ihren Teller weggeschoben hatte, weil sie so satt war, dass sie kaum noch atmen konnte, beugte sie sich spontan vor und umarmte Jace. »Ich liebe dich«, sagte sie ungestüm. »Danke für den heutigen Abend. Das war genau das, was ich gebraucht habe.« Jace erwiderte ihre Umarmung und küsste sie auf die Schläfe. »Alles in Ordnung bei dir?« Sie löste sich von ihm und lächelte. »Ja. Alles perfekt.« Sie hatte nicht gelogen. Der heutige Abend war wirklich genau das, was sie gebraucht hatte. Ihre Beziehung zu Gabe war intensiv und überaus kräftezehrend. Es war so leicht, sich in ihm und seinen Forderungen zu verlieren, aber damit hatte sie alles andere aus den Augen verloren. Ihre Familie – Jace. Ihre Freundinnen – Caroline und die Mädels. Sich selber. »Ist bei dir wirklich alles in Ordnung, Mia?«, hakte Ash noch einmal nach. Sie drehte sich zu ihm um und stellte fest, dass er sie durchdringend musterte. »Bist du glücklich auf der Arbeit?« Jace nahm Ashs Frage mit einem Stirnrunzeln auf. »Gibt es da etwas, von dem ich nichts weiß?« »Jace, mir geht’s gut«, sagte Mia. Sie meinte es völlig ernst. Vielleicht war sie manchmal etwas unsicher und wusste nicht, wohin die Reise ging … und wohin es mit Gabe ging. Aber sie wusste, dass es ihr gut ging. Wann immer dieser wilde Ritt vorüber war, würde es ihr gut gehen. Es würde ihr besser gehen als vorher. »Du würdest mir doch sagen, wenn du Probleme hast«, sagte Jace mit sanfter Stimme, während sein Blick fest auf ihr ruhte. Es war keine Frage, auch der Tonfall war nicht fragend gewesen. Es war eine Feststellung, die er von ihr bestätigt wissen wollte. »Du wirst immer mein großer Bruder bleiben, Jace. Das beinhaltet unglücklicherweise auch, dass ich immer zu dir gerannt kommen werde, damit du Sachen für mich regelst.« Ein wehmütiges Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie sich an all die Kindheitsmomente erinnerte, in denen er so geduldig mit ihr gewesen war. Sie hatte sich immer gefragt, ob er vielleicht deshalb nicht geheiratet und Kinder bekommen hatte, weil er so viel Zeit damit zugebracht hatte, sie zu fördern. Das machte sie traurig, denn er wäre so ein guter Vater. Aber er hatte nie Anstalten gemacht, mit einer Frau eine Familie zu gründen. Nun ja, wenn man bedachte, dass er und Ash immer gleichzeitig mit derselben Frau ins Bett gingen, war es wohl ein bisschen heikel, eine eher traditionelle Beziehung einzugehen. »Da ist kein unglücklicherweise, Kleine. Ich will es gar nicht anders.« »Und nur, damit du’s weißt: Mein Büro steht dir immer offen, wenn Jace nicht da ist«, warf Ash ein. Die beiden machten sich wirklich Sorgen. War es so offensichtlich, dass sie unruhig war? Sah man ihr irgendwie an, dass sie jetzt mit Gabe zusammen war? Sie fühlte sich nicht anders. Sie sah vermutlich auch nicht anders aus. Und doch spürten alle um sie herum ihre innere Unruhe. »Ihr beide seid so süß«, sagte sie. »Aber es geht mir wirklich gut. Gabe hat Recht. Mit meinem Job bei La Patisserie habe ich versucht, mich zu verstecken. Ich habe den Tritt in den Hintern gebraucht, den er mir gegeben hat, damit ich mich in die richtige Richtung bewege. Ich will damit nicht sagen, dass ich jetzt für immer als persönliche Assistentin arbeiten werde, aber Gabe hat mir die Gelegenheit gegeben, Erfahrung zu sammeln, die bei mir bisher noch nicht einmal eine Kaffeetasse füllen würde.« »Hauptsache, du bist glücklich«, sagte Jace. »Ich will nur, dass du glücklich bist.« Sie lächelte. »Das bin ich.« Sie unterhielten sich noch eine Weile, bis Jace schließlich die Rechnung verlangte. Nachdem die Kellnerin sie gebracht hatte, holte Jace seine Kreditkarte heraus, doch gerade als er sie in die Ledermappe mit der Rechnung legte, kam eine große Brünette zielstrebig auf sie zu. Zuerst dachte Mia, die Frau sei auf dem Weg zu den Waschräumen, doch ihr Blick war auf Ash und Jace geheftet und ließ keinen Zweifel an ihrem Ziel. »Oh Shit«, murmelte Ash. Jace schaute auf, als die Brünette vor ihrem Tisch stehen blieb. Ihre Augen funkelten und ein falsches Hundert-Watt-Lächeln klebte auf ihrem Gesicht. Doch dann richtete sie den Blick auf Mia und ihr Lächeln gefror. »Ash. Jace«, sagte sie abgehackt. »Na, heute auf primitivstem Niveau unterwegs?« Mia riss die Augen auf. Heiliger Bimbam, sie war gerade so was von beleidigt worden! Sie senkte den Blick. So schlecht sah sie doch nun wirklich nicht aus, oder? Jace’ Miene erstarrte. Dieser Gesichtsausdruck hatte Mia immer Angst gemacht, denn wenn Jace so eisig und ruhig wurde, dann war er wirklich ernsthaft geladen. »Miss Houston«, erklärte er kurz angebunden. »Das ist meine Schwester, Mia, und Sie schulden ihr eine Entschuldigung für Ihr grobes und unhöfliches Verhalten.« Die Wangen der Frau wurden sofort knallrot. Sie wirkte beschämt. Mia hätte fast Mitleid mit ihr gehabt, aber … nun ja, sie empfand keins. Ash sah genauso wütend aus wie Jace. Er griff nach der Ledermappe mit der Rechnung und winkte damit der Kellnerin, wobei er an der Brünetten vorbeischaute, als wäre sie gar nicht da. »Entschuldigung«, sagte die Frau mit heiserer Stimme. Doch sie schaute dabei nicht Mia an, sondern ihr Blick ruhte abwechselnd auf Jace und Ash. Mia hätte genauso gut gar nicht da sein können. »Ihr habt nie zurückgerufen«, sagte sie. Oh, das wurde ja allmählich richtig unangenehm. Mia wand sich innerlich. Am liebsten hätte sie der Frau geraten, ihren Stolz zu wahren und zu gehen. »Es war alles gesagt, als wir auseinandergingen«, erklärte Ash, ehe Jace antworten konnte. »Wenn du uns jetzt bitte entschuldigen würdest – wir verbringen den Abend mit Mia und würden jetzt gern die Rechnung begleichen. Die Kellnerin steht hinter dir.« Mia war klar, dass dies eine der Frauen von Ashs und Jace’ flotten Dreiern sein musste. So wie Miss Houston die beiden ansah, war deutlich zu erkennen, dass man sich auch intim kannte. Jace erhob sich mit finsterer Miene. »Hab doch ein bisschen Stil, Erica. Geh nach Hause. Mach hier keine Szene. Das wirst du morgen bereuen.« Er griff nach Mias Hand und zog sie hoch, sodass er zwischen ihr und Erica stand. Ein kalter Ausdruck trat auf Ericas Gesicht und sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Das Einzige, was ich bereue, ist, dass ich meine Zeit mit euch beiden verschwendet habe.« Sie machte auf ihren sehr hohen Absätzen kehrt und marschierte aus dem Pub, während Jace, Mia und Ash weiter vor der Nische standen, in der sie gegessen hatten. »Da scheint euch jemand zu stalken, oder?«, murmelte Mia. »Schon seltsam, dass sie genau in dem Restaurant in Manhattan aufkreuzt, in dem wir heute zu Abend essen.« Keiner von beiden schien das Bedürfnis nach einer Antwort zu haben. Beide sahen vielmehr so aus, als wäre es ihnen am liebsten, das Thema würde sich in Luft auflösen. Mia hätte das lustig gefunden, wären die beiden nicht so wütend gewesen. Sie gingen zu Jace’ Wagen zurück. Als sie eingestiegen waren, sah Jace sie im Rückspiegel an. »Tut mir leid wegen der Sache, Mia.« Sie lächelte. »Es ist doch nichts Neues, dass euch die Frauen in Scharen hinterherlaufen. Aber he, wenn ihr mal wieder auf primitivstem Niveau unterwegs sein wollt, ruft mich an. Das Essen war köstlich. Ich hab heute Abend bestimmt zwei Kilo zugenommen, und wenn ich gleich zu Hause noch die Schokotoffees von Caroline esse, kommen noch einmal zwei dazu.« Ash stöhnte. »So ein Mist! Das mit dem primitiven Niveau hättest du nicht unbedingt noch einmal erwähnen müssen. Was für ein Miststück. Ich fasse es nicht, dass sie dich in dieser Weise beleidigt hat.« Mia zuckte die Achseln. »Ich glaube, es hätte auch keine Rolle gespielt, wenn ich wie aus dem Ei gepellt dagesessen hätte. Sie hätte schon einen Weg gefunden, mich herunterzumachen. Dass ich es überhaupt wage, mit euch beiden auszugehen!« Jace verzog das Gesicht und schwieg, während er und Ash besorgte Blicke tauschten. Fast hätte sie gelacht. Ja, sie wusste über die beiden Bescheid, und es war lustig zu sehen, dass sie sich Gedanken darüber machten, wie viel sie wohl wusste. Sie fuhren sie zu ihrer Wohnung, wo Jace sie und Ash aussteigen ließ, sodass Ash sie nach oben bringen konnte, während Jace einmal um den Block fuhr, um ihn dann wieder einzusammeln. »Danke für das Abendessen, Ash. Es hat Spaß gemacht«, sagte sie, als sie das Gebäude betraten. Er küsste sie auf die Wange, als die Fahrstuhltüren sich öffneten, und winkte, nachdem sie eingestiegen war. »Wir sehen uns morgen in der Firma«, rief er. Sie winkte zurück, dann verschwand er mit dem Schließen der Türen. Was für ein interessanter Abend es am Ende doch geworden war. Sie dachte noch einmal über die Szene beim Abendessen nach, während sie mit dem Fahrstuhl nach oben fuhr. Plötzlich piepste ihr Handy, und sie holte es aus ihrer Handtasche, während sie aus dem Fahrstuhl stieg und Richtung Wohnungstür ging. Sie drückte auf einen Knopf, um die Textnachricht zu lesen, die sie empfangen hatte, und sah, dass sie von Gabe war. Ich hoffe, das Abendessen mit Jace und Ash war schön. Schick mir eine SMS, damit ich weiß, dass du wohlbehalten zu Hause angekommen bist. Ihr Herz pochte, und ihr wurde innerlich ganz warm, als sie auf seine Worte schaute. Seine Sorge, oder eher seine besitzergreifende Art – sie wusste nicht so genau, was von beidem es war – machte sie sehr glücklich. Sie antwortete schnell, bevor sie lächelnd ihre Wohnung betrat. Bin gerade zurück. Hat Spaß gemacht. Wir sehen uns morgen. 24 Gabes Handy klingelte, als er das Bürogebäude am nächsten Morgen betrat. Er war früher dran als sonst. Es war bereits zur Gewohnheit, zu einer für ihn angenehmen und erfreulichen Routine geworden, zusammen mit Mia zur Arbeit zu fahren, wenn sie die Nacht in seiner Wohnung verbracht hatte. Letzte Nacht war er unruhig und angespannt gewesen. Den größten Teil des Abends hatte er still vor sich hingebrütet und sich Mia in ihrem Bett vorgestellt, genauso allein wie er. Es gefiel ihm nicht, dass er so empfand. Er hasste die Vorstellung, dass sein Seelenfrieden davon abhängig war, Mia in seiner Nähe zu haben. Er kam sich wie ein bedürftiger, gieriger Narr vor, und in seinem Alter und mit seiner Erfahrung sollte er über so ein Verhalten längst hinweg sein. Er verzog das Gesicht, als er sah, dass der Anruf von seiner Mutter kam. Er ließ die Mailbox anspringen, weil er gerade in den Fahrstuhl stieg und beschlossen hatte, sie von seinem Büro aus zurückzurufen, wo er ungestört war. Was sie zu sagen hatte, entsprach keinem der Gespräche, die er in der Öffentlichkeit führen wollte. Zumindest nahm er an, dass er wusste, warum sie ihn sprechen wollte. In den leeren Räumen von HCM herrschte Stille, als er den Flur entlang zu seinem Büro ging. Mia würde erst in anderthalb Stunden eintreffen, und schon jetzt war er zappelig vor erwartungsvoller Freude. Er spreizte seine Finger und ballte sie anschließend zur Faust, während er sich hinter seinen Tisch setzte. Er hätte einfach bei ihrer Wohnung vorbeifahren und sie mitnehmen sollen. Er hätte ihr auch den Wagen schicken können, um sie nach dem Essen mit Jace abzuholen. Aber er war entschlossen gewesen, sich selber zu beweisen, dass er sie nicht brauchte. Dass er gar nicht an sie dachte, wenn sie nicht da war. Er brauchte diesen Abstand, denn sie entwickelte sich immer schneller zu einer Sucht, die er keine Hoffnung hatte zu überleben. Nun ja, so gesehen lief es bisher nicht sonderlich gut für ihn. Er griff nach dem Hörer, wählte die Nummer seiner Mutter und wartete, während es tutete. »Mom, ich bin’s, Gabe. Entschuldige, dass ich nicht rangegangen bin. Ich war gerade auf dem Weg nach oben in mein Büro.« »Du wirst es nicht glauben«, sagte sie und ihr Kummer war ihr deutlich anzuhören. Sie verschwendete keine Zeit und kam gleich zum Grund ihres Anrufs. Er seufzte und lehnte sich zurück. Er wusste, was er gleich zu hören bekommen würde, trotzdem spielte er weiter den Ahnungslosen. »Was ist denn los?« »Dein Vater will sich wieder versöhnen! Ist das zu fassen? Er war gestern Abend hier.« »Und was willst du?«, fragte er sanft. Sie verhaspelte sich sofort und schwieg dann einen Moment. Das war ganz eindeutig nicht die Reaktion, mit der sie gerechnet hatte. Vielleicht hatte sie sich auch noch gar keine Gedanken darüber gemacht, was sie wollte. »Er sagt, er hat gar nicht mit all diesen Frauen geschlafen. Dass er mich liebt und mich zurückhaben will. Dass er den größten Fehler seines Lebens gemacht hat«, tobte sie. »Er hat ein Haus gekauft, Gabe. Ein Haus! Das klingt doch wohl sehr nach jemandem, der einen Schlussstrich unter seine Ehe gezogen hat, oder nicht?« »Glaubst du ihm?« Wieder trat eine lange Pause ein. Dann hörte er sie tief Luft holen und sah förmlich, wie sie in sich zusammensackte. »Ich weiß es nicht«, sagte sie hörbar verunsichert. »Du hast die Bilder gesehen, Gabe. Alle Welt glaubt, dass er mit diesen Frauen zusammen war, selbst wenn das nicht der Fall sein sollte. Und jetzt kommt er zu mir zurückgekrochen, weil er einen Fehler gemacht hat. Nach all den Demütigungen und allem, was ich seinetwegen habe durchmachen müssen, erwartet er von mir, dass ich ihm jetzt einfach verzeihe, alles vergesse und so weitermache, als wäre er nach neununddreißig Ehejahren nicht einfach gegangen.« Gabe schwieg, weil es nichts gab, was er dazu hätte sagen können. Er konnte ihr diese Entscheidung nicht abnehmen und ihr auch nicht raten, seinen Vater zurückzunehmen, wusste er doch nur zu gut, wie sie sich fühlte. Welch Ironie des Schicksals, dass seine Ex-Frau und sein Vater zur gleichen Zeit mit dem gleichen Wunsch, nämlich die Beziehung zu kitten, zu ihm gekommen waren! Nie im Leben würde er Lisa zurücknehmen, deshalb verstand er auch das Zögern seiner Mutter in Bezug auf seinen Vater. Er wäre ein verdammter Heuchler, würde er sie in diese Richtung drängen. Und genau das würde er nicht tun, auch wenn er wollte, dass seine Eltern wieder zusammenkamen. Seine Familie. Die zwei Menschen, zu denen er sein ganzes Leben lang aufgeschaut hatte. »Ich verstehe, warum du wütend bist«, sagte Gabe. »Ich mache dir keinen Vorwurf daraus. Aber du musst das tun, was du willst, Mom. Überleg dir, was dich glücklich macht, und scher dich nicht darum, was alle anderen denken oder sagen. Liebst du ihn noch?« »Natürlich tue ich das«, erwiderte sie aufgeregt. »Das verschwindet doch nicht nach ein oder zwei Monaten oder auch einem Jahr. Du schenkst einem Mann nicht neununddreißig Jahre deines Lebens und kommst dann ganz schnell über ihn hinweg, nur weil er beschlossen hat, dass er dich nicht mehr will.« »Du musst dich nicht sofort entscheiden«, rief er ihr in Erinnerung. »Jetzt hast du die Sache doch in der Hand, Mom. Er hat vieles wiedergutzumachen. Es ist nicht verwerflich, wenn du dir Zeit lässt, alle Möglichkeiten durchdenkst und dir über deine Gefühle klar wirst. Niemand sagt, dass du ihn von heute auf morgen zurücknehmen musst.« »Nein«, stimmte sie ihm zu. »Und das würde ich auch nicht. Es gibt zu viele Dinge, die erst geklärt werden müssen. Ich liebe ihn, aber ich hasse ihn auch für das, was er getan hat und wie er es getan hat. Ich kann all die Bilder nicht vergessen, die ihn mit diesen anderen Frauen zeigen. Ich kann ihn nicht anschauen, ohne ihn dabei mit einer anderen zu sehen.« »Ich will nur das, was für dich das Beste ist«, erklärte Gabe sanft. »Was auch immer das sein mag. Du weißt, dass ich voll hinter deiner Entscheidung stehen werde, egal, wie sie ausfällt.« Wieder atmete sie tief ein, und er konnte die Tränen in ihrer Stimme hören. Das ließ ihn vor Wut die Zähne zusammenbeißen und die Hände zu Fäusten ballen. Verdammt noch mal … was hatte sein Vater ihr angetan. »Das weiß ich zu schätzen, Gabe. Ich bin so froh, dass ich dich habe. Ich weiß nicht, was ich ohne deine verständnisvolle Unterstützung getan hätte.« »Ich hab dich lieb, Mom. Ich bin immer für dich da, wenn du jemandem zum Reden brauchst.« Dieses Mal hörte er das Lächeln in ihrer Stimme, als sie sagte, dass sie ihn auch liebte. »Ich lasse dich jetzt wieder arbeiten«, erklärte sie. »Aber du bist heute schrecklich früh im Büro. Ich glaube, du solltest dir wirklich mal den Urlaub gönnen, über den wir letztens gesprochen haben. Du arbeitest viel zu viel, Sohn.« »Es geht mir gut. Pass nur auf dich auf. Okay? Und ruf an, wenn du mich brauchst, Mom. Du weißt, dass ich mir immer die Zeit nehme, egal, wie beschäftigt ich bin.« Beide legten auf und Gabe schüttelte den Kopf. Sein Vater hatte die Sache also tatsächlich in Angriff genommen. Sein Geständnis vor Gabe war doch mehr als die Folge eines kurzen Bedauerns gewesen. Er war zu Gabes Mutter gegangen und hatte damit den ersten Schritt auf dem langen, steinigen Pfad der Versöhnung getan. Gabe nahm seine E-Mails in Angriff, behielt dabei aber stetig die Uhr im Auge. Je näher der Zeitpunkt von Mias Arbeitsbeginn heranrückte, desto zappeliger wurde er. Zweimal hätte er ihr beinahe eine SMS geschickt, um zu fragen, wo sie war, hatte sein Handy aber jedes Mal wieder hingelegt, um nicht den Anschein eines sehnsüchtig Wartenden zu erwecken. In seinem Schreibtisch lag der letzte Plug, den er ihr einsetzen wollte, um ihr den Einstieg in den Analsex zu erleichtern. Als er sich vorstellte, wie sie sich über seinen Schreibtisch beugte und er ihre Pobacken teilte, um den Plug einzuführen, wurde sein Penis schmerzhaft steif. Gabe konnte es kaum erwarten, statt des Stöpsels seinen Schwanz in ihren Hintern zu schieben. Er wurde allmählich ungeduldig. Er wollte ihren Körper ganz in Besitz nehmen. Er hatte ihr genug Zeit gegeben, sich auf seine Forderungen einzustellen. Der Moment war gekommen, allen schmutzigen, genussvollen Fantasien zu frönen, die er um sie beide heraufbeschworen hatte. Er freute sich bereits auf das Wochenende. Nächste Woche sollte sie ihn auf eine geschäftliche Auslandsreise begleiten. Vorher wollte er ein paar Tage mit ihr allein verbringen. Die Zeit wollte er nutzen, um sie endgültig in seine Welt einzuführen. Die Vorfreude jagte ihm einen Schauer über den Rücken, sein gesamter Körper erzitterte vor Lust, als er sich vorstellte, wie sie gefesselt mit gespreizten Beinen vor ihm lag … er sie von hinten nahm … er ihren Mund vögelte, bis sein Saft über ihre Lippen strömte … er so tief in ihren lieblichen Schoß eintauchte, bis es nicht mehr weiterging. Er hatte Mia bereits in Besitz genommen. Er hatte sie unermüdlich flachgelegt. Doch jetzt würde er ihr auch noch die allerletzten Zweifel nehmen, dass sie ihm voll und ganz gehörte. Er wollte jedes Mal, wenn sie ihn anschaute, in ihren Augen das Bewusstsein sehen, dass sie ihm gehörte, wollte, dass sie sich jedes Mal bis in die letzte Einzelheit erinnerte, wie er sie genommen hatte. Wenn ihn das zu einem primitiven Arschloch machte – kein Problem. So war er nun einmal, noch dazu unfähig, sein Verlangen nach ihr zu beherrschen oder gar den heftigen Drang, sie sich zu unterwerfen. Um halb neun ging die Tür auf und Mia kam herein. Sein Körper erwachte zum Leben und die Erleichterung durchströmte ihn wie eine warme Brise. »Schließ die Tür ab«, befahl er mit leiser Stimme. Sie tat, wie ihr geheißen. Dann drehte sie sich wieder um und sah ihn quer durch den Raum mit großen Augen an. Sie war viel zu weit weg. Er wollte sie neben sich, und seine Berührung sollte sich wie eine Tätowierung in ihre Haut einbrennen. »Komm her.« War es erst gestern Nachmittag gewesen, dass er sie das letzte Mal gesehen hatte? Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, und jetzt war nichts wichtiger, als sie sich wieder zu unterwerfen. Oder sie daran zu erinnern, wem sie gehörte. Er holte den Analplug aus seinem Schreibtisch, und statt sie sich, wie in den vergangenen Tagen, über den Tisch beugen zu lassen und ihren Rock hochzuziehen, bedeutete er ihr heute, ihm zum Sofa zu folgen, das an der Wand stand. Er setzte sich hin und klopfte auf seinen Schoß, ehe er sie herunterzog, sodass sie über seinen Beinen lag. Sie legte die Wange auf das weiche Leder und drehte den Kopf so, dass sie ihn aus dem Augenwinkel sehen konnte. Wallend lag ihr Haar um ihren Kopf, und ihre Augen hatten einen schläfrigen Ausdruck, der vor Verlangen strahlte. Als seine Hand unter ihren Rock glitt, spürte er zufrieden nur die nackte, weiche Haut ihres Hinterns. Er schob den Stoff nach oben, sodass sie mit nacktem Po vor ihm lag, und griff dann nach dem Gleitmittel, von dem sie dieses Mal mehr brauchen würde, weil der Plug so groß wie nie war. Er strich über die Öffnung und streichelte sie mit seinen Fingern, während er das Gel großzügig verteilte. Sie verkrampfte sich auf seinem Schoss, und er liebkoste ihren Hintern, um dann seine Hand über ihren Rücken gleiten zu lassen. »Entspann dich«, sagte er leise. »Vertrau mir, Mia. Ich werde dir nicht wehtun. Ich möchte, dass du dich gut fühlst.« Sie atmete lang aus und erschlaffte auf seinem Schoß. Er liebte ihre Art … wie sie reagierte … so herrlich unterwürfig. Er begann, die Spitze des Plugs in ihren Anus zu schieben, und dehnte dabei den engen Schließmuskel, indem er sanft ein und aus glitt und dabei immer tiefer eindrang. Sie streckte ihre Finger, dann ballte sie sie zu kleinen Fäusten. Sie schloss die Augen, ein leises Stöhnen entrang sich ihren vollen Lippen. Lippen, an denen er sich gleich bedienen wollte. Vielleicht würde er aber auch in ihre Scham eintauchen. Mit dem Plug in ihrem Körper würde sie herrlich eng sein. Sie stieß einen leisen Schrei aus, als er den Plug schließlich ganz in ihr versenkte. Sofort streichelte und massierte er ihr Gesäß und ihren Rücken, in der Hoffnung, dass sie sich beruhigte und besser fühlte. »Schsch, Baby. Das war’s erst mal. Hol tief Luft. Kämpf nicht dagegen an. Es wird einen Moment lang brennen und du wirst das Gefühl haben, zu eng und außerdem voll zu sein, aber atme einfach weiter.« Ihre Brust hob und senkte sich in schneller Folge, sodass ihr gesamter Körper auf seinem Schoß bebte. Er gab ihr einen Moment lang Zeit, sich zu fassen, dann zog er sie hoch. Er hieß sie sich mit von ihm abgewandten Gesicht zwischen seine Beine stellen, zog seinen Reißverschluss runter und holte seinen Schwanz heraus. Er rutschte bis an die Sofakante und griff dann nach ihrer Taille, um sie in Richtung seines mächtigen wartenden Gliedes nach unten zu ziehen. Sie keuchte, als er in sie eintauchte und ihr Hintern seinen Schoß berührte. Oh ja, herrlich! Sie war eng und bebte um ihn herum. Er war von flüssiger Hitze umgeben, die ihn noch tiefer in sie hineinsaugte. Er stieß noch ein paar Mal in dieser Stellung in sie, schob sie dann hoch und richtete sich hinter ihr auf. Er drehte sie um, ließ sie sich auf allen vieren aufs Sofa hocken, wobei ihre Knie an der äußersten Kante ruhten und ihr Po steil nach oben ragte. Sie lag weit geöffnet vor ihm, das rosige Fleisch schimmerte einladend … wie Nektar, in den er unbedingt eintauchen wollte. Er drang ein und stieß tief in ihre feuchte Öffnung. Er liebte es, sie von hinten zu nehmen. Das war eine seiner Lieblingsstellungen. Seine Finger bohrten sich in ihr Fleisch, als er ihre Hüften packte, sie festhielt und anfing, mit aller Kraft in sie zu stoßen. Seine Hüften klatschten gegen ihren Hintern, was in der Stille des Büros besonders laut zu hören war. Er schaute nach unten, sah zu, wie sein Schwanz in ihrer Scham verschwand und dann von ihrem glänzenden Nektar umhüllt wieder herauskam. »Berühr dich, Baby. Bring dich zum Höhepunkt. Bei mir dauert es nicht mehr lange«, sagte er mit gepresster Stimme. Das war ein vertrauter Gedanke, den er mehr als einmal ausgesprochen hatte. Sagte er das nicht jedes Mal, wenn sie miteinander schliefen? Bei ihr konnte er sich einfach nicht beherrschen. Er kannte nur ein Tempo, wenn es um Mia ging. Er gab immer alles. Ihre Scheide zog sich wie eine Faust um ihn zusammen, um gleich darauf seidig und weich vor Nässe zu werden, als sie um ihn herum explodierte. Es machte ihn wahnsinnig. Er schloss die Augen, sie drehten sich in seinem Kopf fast nach hinten. Seine Erlösung rollte unaufhaltsam heran, zog sich in seinen Eiern zusammen, um dann durch ihn hindurchzurasen, aus der Schwanzspitze zu schießen und sich tief in ihr zu ergießen. Sie fühlte sich so gut an. Nichts hatte sich je besser angefühlt. Keine hatte ihn je so verrückt gemacht, so außer sich geraten lassen. Er konnte es noch nicht einmal erklären. Sie wirkte einfach so auf ihn. Sie war seine Droge. Seine Sucht, von der er nicht loskam, von der er gar nicht erst loskommen wollte. Er beugte sich über sie und verharrte noch eine Weile in ihrer warmen Umklammerung. Als er sich zurückzog, half er ihr hoch und schickte sie ins Badezimmer, damit sie sich frisch machen konnte, während er seine Kleidung richtete. Er hatte gerade einen Wahnsinnsorgasmus gehabt – den besten seines Lebens –, und trotzdem hätte er es gleich noch einmal mit ihr treiben können, als sie aus dem Badezimmer herauskam. Entschlossen, ein bisschen mehr Stil an den Tag zu legen und sich nicht wie ein brünstiges Tier aufzuführen, holte er tief Luft und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Als er auf den Kalender schaute, wurde ihm klar, dass er ihr noch gar nichts von der Reise nach Paris in der nächsten Woche erzählt hatte. Er hatte sie damit überraschen wollen und hoffte, dass sie sich genauso freute, wie er es sich vorgestellt hatte. »Ich fliege nächste Woche geschäftlich nach Paris«, meinte er beiläufig. Mia, die an ihrem Tisch saß, hob den Kopf. »Ach? Wie lange wirst du denn weg sein?« Hörte er da tatsächlich so etwas wie Enttäuschung in ihrer Stimme mitschwingen oder war das nur Wunschdenken seinerseits? Er lächelte. »Du kommst mit.« Sie riss die Augen auf. »Wirklich?« »Ja. Wir reisen Montagnachmittag ab. Ich gehe davon aus, dass dein Reisepass gültig ist?« »Ja, natürlich.« Ihre Stimme klang aufgeregt und sie strahlte übers ganze Gesicht. »Wir werden das Wochenende miteinander verbringen, und ich kaufe dir alles, was du für die Reise brauchst«, meinte er großzügig. Plötzlich wurde ihre Miene wieder ernst und sie senkte kurz den Blick. Er konnte nicht erkennen, ob sie schuldbewusst wirkte oder nur seinem Blick auswich. Er senkte die Lider und musterte sie weiter aufmerksam, während er darauf wartete zu erfahren, was diese Reaktion ausgelöst hatte. »Ich habe Freitagabend etwas vor«, sagte sie heiser. »Das ist schon länger geplant. Ich meine, ehe du und ich …« Es lag ihm auf der Zunge zu fragen, was genau sie vorhatte, und sie weiter zu bedrängen. Er hatte schließlich das Recht dazu. Aber sie wirkte so bekümmert, dass er sie nicht in die Defensive drängen wollte, und außerdem wollte er auf keinen Fall, dass sie ihn belog. Was sehr wohl möglich war, wenn er sie in die Enge trieb. »Ich nehme an, es geht nur um Freitagnacht?«, fragte er kurz angebunden. Sie nickte. »Okay, dann sei Samstagmorgen in meiner Wohnung. Du wirst das Wochenende mit mir verbringen, und am Montag fliegen wir dann nach Paris.« Ihre Augen leuchteten vor Erleichterung auf und sie schenkte ihm wieder ihr strahlendes Lächeln. »Ich kann es gar nicht erwarten«, sagte sie. »Paris klingt so aufregend! Werden wir es schaffen, uns irgendetwas anzusehen?« Ihre Begeisterung brachte ihn zum Lächeln. »Wahrscheinlich nicht, aber lass uns einfach abwarten, wie es sich entwickelt.« Sein Telefon klingelte und er sah auf die Uhr. Ihm war die Zeit davongerannt und jetzt stand eine Konferenzschaltung auf dem Plan. Mit einer Handbewegung bedeutete er Mia, sich ihrer Arbeit zuzuwenden, bevor er es sich in seinem Sessel bequem machte und den Anruf entgegennahm. 25 »Bedank dich bitte in meinem Namen bei Jace dafür, dass er Brandon überprüft hat«, sagte Caroline auf der gemeinsamen Taxifahrt zum Vibe. »Das war wirklich nett von ihm. Ich fühle mich schrecklich, dass ich das überhaupt habe machen lassen, aber seit Ted überkommt mich einfach immer wieder dieses entsetzliche Gefühl, wenn ich einen Typen auch nur interessiert anschaue, verstehst du?« Mia drückte ihrer Freundin die Hand. »Das wird schon wieder, Süße. Und vergiss nicht: Nach allem, was Jace berichtet hat, klingt Brandon doch wie ein hart arbeitender, ehrenwerter Mann. Und was am wichtigsten ist: Er ist Single und lebt allein.« Die Erleichterung war Caroline deutlich anzumerken, und sie rutschte unruhig auf ihrem Sitz hin und her, je näher sie dem Club kamen. »Ja, das ist schon mal was. Dann warten wir am besten einfach ab, was passiert, oder?« Mia lächelte, während das Taxi langsamer wurde. Es war neun Uhr abends und sie war nach einem langen Tag auf der Arbeit müde. Sie hätte den Abend lieber mit Gabe zusammen in seiner Wohnung verbracht, ruhig zu Abend gegessen und sich dann überraschen lassen, was er sonst noch für sie auf Lager hatte. Sie hasste die Vorstellung, dass sie ihn bezüglich des heutigen Abends im Grunde angelogen hatte. Naja, sie hatte ihm nicht direkt die Unwahrheit gesagt, aber ganz ehrlich war sie auch nicht gewesen. Irgendwie hatte sie sich Sorgen gemacht, wie er wohl auf die Nachricht reagieren würde, dass sie mit ihren Freundinnen in einen Club wollte. Wenn er nun Nein gesagt hätte? Sie wäre natürlich trotzdem gegangen. Auch wenn sie eine vertragliche Abmachung hatten – Himmel, sie konnte dieses Wort Vertrag mittlerweile wirklich nicht mehr hören … sie kam allmählich an den Punkt, wo sie allein den Gedanken an das Papier hasste, das sie unterzeichnet hatte. Nicht weil sie irgendetwas in der Beziehung mit Gabe bereute, es ging eher um das, was der Vertrag repräsentierte. Oder eben nicht repräsentierte. Sie hatte sich schlichtweg nicht mit Gabe streiten wollen. Sie war schließlich heute Abend nicht auf Männerjagd. Sie wollte sich nur mit ihren Freundinnen amüsieren und etwas Zeit mit ihnen verbringen – Zeit, die zu einem kostbaren Gut für sie geworden war, nachdem Gabe die Führung in ihrem Leben übernommen hatte. Ja, sie konnte durchaus verstehen, warum Caroline besorgt war. Hätte eine ihrer Freundinnen eine Beziehung angefangen, bei der sie all ihre Freizeit mit dem Typen verbrachte und damit alle anderen Menschen aus ihrem Leben ausschloss, würde Mia sich auch Gedanken über die Art dieser Beziehung machen. Sie würde sich fragen, ob diese Beziehung gesund für die beteiligte Freundin wäre. Vielleicht war ihre Beziehung zu Gabe nicht gesund für sie. Sie wusste sehr wohl, dass ihre emotionale Abhängigkeit von ihm das eindeutig nicht war. Sie steuerte auf einen schweren Absturz zu, und wenn das passierte, würde sie ihre Freundinnen mehr brauchen denn je, was auch der Grund war, warum sie sie jetzt nicht gänzlich ausschließen konnte. Doch was immer das da war, zwischen Gabe und ihr – sie wollte es. Sie sehnte sich danach. Dabei verschloss sie durchaus nicht die Augen vor den Gegebenheiten, sie hatte nach wie vor eine recht genaue Vorstellung davon, was am Ende passieren konnte. Aber bis dahin würde sie jeden Moment genießen – jede Minute –, bis der Augenblick gekommen war, wo er sie wieder gehen ließ. Sie würde es überleben. Aber vielleicht war es genau das, was sie nicht sehen wollte, denn sie war sich keineswegs sicher, ob sie es überleben würde, wenn Gabe ging. »Du, wir sind da«, sagte Caroline. »Hallo, Erde an Mia.« Mia blinzelte und bemerkte, dass Caroline bereits ausgestiegen war. Sie bezahlte den Taxifahrer und kletterte dann aus dem Wagen. Chessy, Trish und Gina warteten vor dem Club im Meatpacking District, wo sich entlang der Straße bereits eine lange Schlange gebildet hatte. Die Freundinnen scharrten sich um Mia, man umarmte sich und gab sich Küsschen auf die Wangen. Mia nahm die Zuneigungsbekundungen lachend entgegen und ihre Sorge ließ ein wenig nach. Es würde lustig werden. Und ein Abend ohne Gabe war wahrscheinlich auch nicht verkehrt. Wie schnell verfing sie sich doch in der Parallelwelt, die er für sie beide geschaffen hatte. Aber das hier … das hier war real. Das waren ihre Freundinnen und das war ihr Leben. Es war an der Zeit, sich zu besinnen und an diesem Abend einfach nur Spaß zu haben. Caroline führte sie zum VIP-Eingang, wo Mia das erste Mal einen Blick auf Brandon erhaschte. Er war ein großer, muskulöser Mann mit Glatze und einem kleinen Spitzbärtchen. In seinem linken Ohrläppchen blitzte ein Diamant. Sobald sein Blick auf Caroline fiel, ließ er den harten, drohenden Gesichtsausdruck des Türstehers fallen und sah aus, als hätte man einen Welpen vor ihn gesetzt. Er schmolz sichtlich dahin, und wenn Mia noch irgendwelche Zweifel gehabt hatte, ob der Mann wirklich an Caroline interessiert war, waren diese nun verflogen. Er stellte sich zwischen die Schlange der Wartenden und die Tür und winkte Caroline zu sich. Mia und die anderen folgten ihr, während Brandon in seine Tasche griff und fünf VIP-Karten herauszog. Wegen des Straßenlärms konnte Mia nicht verstehen, was Brandon zu Caroline sagte. Er war dicht an Caroline herangerückt und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Doch was es auch gewesen sein mochte, brachte Carolines Gesicht zum Leuchten und ihre Augen funkelten vor Freude. Er lächelte sie sanft an und winkte sie und ihre Freundinnen dann durch. »Der ist heiß, Caro!«, rief Chessy, als sie drinnen waren. Gina und Trish stimmten ihr sofort zu, obwohl ihre Blicke bereits durch den vollen Club schweiften. Die Musik dröhnte laut und hallte von den Wänden wider. Die Tanzfläche war riesig – und voll. Die Location hatte etwas Futuristisches. Bis auf diffuse Neonlämpchen an den Tischen und der Bar war es ziemlich dunkel. Laserstrahlen huschten über den Boden und prallten immer wieder von den sich wiegenden und herumwirbelnden Leibern der Tanzenden ab. »Ich bin dafür, dass wir uns jetzt abschießen«, sagte Trish. »Gute Musik, Tanzen, Drinks und hoffentlich ein paar heiße Typen.« »Ich bin dabei«, verkündete Chessy. »Ich auch«, sagte Gina. Alle drehten sich zu Mia um. »Na, dann mal los«, sagte sie. Alle jauchzten und schoben sich dann auf der Suche nach dem Tisch, den Brandon für sie reserviert hatte, durch die Menge. Caroline hakte sich bei Mia unter und hielt sie leicht zurück, um ihr etwas ins Ohr zu sagen. »Ich gehe hinterher mit zu Brandon. Ist das in Ordnung? Kannst du allein nach Hause fahren? Er hat gesagt, er besorgt dir ein Taxi.« Mia zog die Augenbrauen hoch. »Bist du dir sicher, Caro?« Caro nickte. »Wir unterhalten uns jetzt schon seit einer ganzen Weile. Ich sag ja gar nicht, dass wir miteinander schlafen werden. Wir haben völlig unterschiedliche Arbeitszeiten, deshalb haben wir uns bisher noch nie richtig treffen können.« »Dann geh. Aber sei vorsichtig, ja?« Caroline lächelte und nickte. Sie machten ihren Tisch ausfindig, bestellten Getränke und warteten. Das frenetische Dröhnen der Musik drang in Mias Körper und sie merkte, dass sie anfing, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen, obwohl sie alle noch am Tisch standen. Chessy folgte ihrem Beispiel und schon bald hatten die Mädels ihren eigenen Bereich auf der Tanzfläche in der Nähe ihres Tisches. Noch ehe die Kellnerin mit den Getränken kam, gesellten sich schon zwei Männer zu ihnen, die charmant lächelten und anfingen, sich mit Chessy und Trish zu unterhalten. Mia stellte sich mit Absicht hinter den Tisch mit dem Rücken an ein Geländer, hinter dem etwas erhöht diejenigen standen, die nur auf die Tanzfläche schauen wollten. Sie wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als wäre sie auf der Suche, und hatte auch keine Lust, dem einen oder anderen eine peinliche Abfuhr zu erteilen. Stattdessen richtete sie den Blick auf die Tanzfläche und wippte im Takt der Musik. Ein paar Minuten später kamen ihre Getränke und die beiden Typen verschwanden. Sie nahmen sich ihre Gläser vom Tablett, und dann hielt Caroline ihres hoch, um einen Trinkspruch loszuwerden. »Auf eine fantastische Nacht!«, brüllte sie. Sie stießen an und fingen an zu trinken. Mia hielt sich etwas zurück. Sie vertrug nicht so viel Alkohol wie ihre Freundinnen. Sie pendelten zwischen der Tanzfläche und ihrem Tisch hin und her, während die Kellnerin sie mit einem steten Nachschub an Getränken versorgte. Gegen Mitternacht spürte Mia die Wirkung des Alkohols deutlich und nahm weniger zu sich, während die anderen weiter ausgelassen feierten. Chessy hatte sich einen Kerl geangelt, der den ganzen Abend an ihr klebte. Wo sie hinging, ging auch er hin, und er sorgte dafür, dass die Mädchen alles hatten, was sie wollten. Nach einer Weile kam Brandon kurz vorbei und unterhielt sich ein Stück entfernt ein paar Minuten lang mit Caroline. Als er ging, lag ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht und ihre Augen glänzten. Sie war aufgeregt – versunken im Bann einer möglichen Beziehung, wo alles noch funkelte und blitzte. Mia freute sich für sie. Caro hatte nach ihrer letzten Beziehung etwas Glück verdient. Vielleicht war Brandon ja der Richtige. Gegen zwei Uhr morgens war Mia todmüde und nicht mehr nur ein wenig angeheitert. Da Caroline mit Brandon nach Hause fahren würde, sah Mia keine Veranlassung, noch länger zu bleiben. Sie zog Caroline beiseite und sagte ihr, dass sie nach Hause wollte. Chessy und die anderen waren immer noch auf der Tanzfläche, jede von ihnen hatte sich einen Kerl geangelt, sie würden Mia gar nicht vermissen. »Ich hole Brandon, und dann bringen wir dich zu einem Taxi«, sagte Caroline so laut, dass sie trotz der Musik zu verstehen war. Mia nickte und wartete, während Caroline davonhuschte. Einen Moment später kam sie mit Brandon zurück und Mia folgte den beiden aus dem Club nach draußen. Brandon winkte eines der Taxis, die an der Ecke warteten, für sie heran und öffnete ihr dann die Tür, damit sie einsteigen konnte. »Ich ruf dich morgen an«, sagte Caroline, als sie sich noch einmal kurz ins Wageninnere beugte. »Sei vorsichtig und amüsier dich«, erwiderte Mia. Caroline grinste und schloss die Tür. Mia gab dem Fahrer ihre Adresse und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Sie hatte immer noch einen kräftigen Schwips, obwohl sie vor fast einer Stunde mit dem Trinken aufgehört hatte. Ihr Telefon piepte und sie runzelte die Stirn. Es war nach zwei Uhr morgens. Wer in aller Welt schickte ihr um diese Uhrzeit eine SMS? Sie holte das Handy aus der Tasche, in der es den ganzen Abend gelegen hatte, und zuckte zusammen, als sie sah, dass sie mehr als ein Dutzend Anrufe in Abwesenheit erhalten hatte. Alle von Gabe. Und dann waren da auch noch die SMS-Nachrichten. Die letzte war erst vor ein paar Sekunden eingetroffen. Wo zum Teufel bist du? Auch wenn der Tonfall bei einer Textnachricht nicht zu erkennen war, so konnte sie doch förmlich sehen, dass Gabe vor Wut schäumte. Es gab noch mehrere andere Nachrichten, in denen er wissen wollte, wo sie war und wie sie nach Hause kommen würde. Shit. Sollte sie ihn anrufen? Es war wirklich verdammt spät – oder früh –, aber er war offensichtlich noch auf und genauso offensichtlich verärgert oder besorgt oder beides – ihretwegen. Sie würde warten, bis sie zu Hause war, und ihm dann eine SMS schicken. Zumindest konnte sie dann sagen, dass sie in ihrer Wohnung war. Die Heimfahrt ging deutlich schneller, da zu dieser nachtschlafenden Zeit kaum Verkehr herrschte. Es dauerte nicht lange, da fuhr das Taxi vor ihrer Wohnung vor. Sie bezahlte und stieg aus, wenn auch auf wackeligen Beinen. Das Taxi fuhr an, und sie ging auf die Tür ihres Hauses zu, als sie ihn sah. Ihr stockte der Atem, und ihr Herzschlag beschleunigte sich, bis der Alkohol in ihrem Magen sich bemerkbar machte und ihr übel wurde. Gabe stand an der Tür vor dem Haus, sichtlich wütend. Er kam mit finsterer Miene und gefährlich funkelnden Augen auf sie zugeeilt. »Das wird aber auch Zeit«, stieß er hervor. »Wo zum Teufel bist du gewesen? Und warum hast du verdammt noch mal weder auf meine Anrufe noch auf meine SMS reagiert? Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was für Sorgen ich mir gemacht habe?« Sie schwankte, und er fluchte, während er einen Satz machte und ihren Arm packte, damit sie nicht umkippte. »Du bist besoffen«, stellte er grimmig fest. Sie schüttelte den Kopf, hatte immer noch nicht ihre Stimme wiedergefunden. »N-nein«, schaffte sie es schließlich zu stammeln. »Doch«, sagte er. Er zerrte sie ins Haus, sobald der Pförtner die Tür öffnete, und drängte sie zum Fahrstuhl. Er griff nach dem Schlüssel, den sie in der Hand hielt, und entwand ihn ihren Fingern, als sie in den Fahrstuhl traten und er den Knopf für ihr Stockwerk drückte. »Kannst du überhaupt laufen?«, fragte er und durchbohrte sie förmlich mit seinem Blick. Sie nickte, obwohl sie sich da gar nicht mehr so sicher war. Ihre Beine zitterten, und das Gefühl, sich übergeben zu müssen, wurde immer stärker. Sie war jetzt sehr bleich und auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißperlen. Gabe fluchte wieder, als die Fahrstuhltüren sich öffneten. Er packte ihre Hand und zog sie an seine Seite, um sie auf dem Weg zu ihrer Wohnungstür zu stützen. Er rammte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und stürmte mit ihr hinein. Er warf die Tür zu und raste mit ihr ins Badezimmer. Keinen Moment zu früh. Ihr Magen rebellierte und sie beugte sich gerade noch rechtzeitig über die Toilettenschüssel. Gabe hielt ihr Haar zusammen und zog es zurück, damit es ihr nicht mehr ins Gesicht fiel. Dann strich er beruhigend mit der anderen Hand über ihren Rücken. Er sagte kein Wort – ein Umstand, für den sie sehr dankbar war –, während sie den Inhalt ihres Magens von sich gab. Als der Würgereiz schließlich weniger wurde, ließ er sie kurz allein, um einen Waschlappen unter dem Wasserhahn des Waschbeckens anzufeuchten. Er kam zurück und wischte ihr damit vorsichtig über Gesicht und Stirn. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«, fragte er. »Du weißt doch, dass du Alkohol nicht gut verträgst.« Sie sackte in sich zusammen und lehnte sich mit der Stirn an seine Brust, während sie die Augen schloss und tief ein- und ausatmete. Sie wollte sich nur noch hinlegen, denn ihr war immer noch irgendwie schlecht, obwohl sie sich übergeben hatte. Und sie wusste nicht genau, warum. Sie hatte doch gar nicht so viel getrunken. Oder vielleicht doch? Sie hatte nur noch eine verschwommene Erinnerung an den Abend. Sie hatte getanzt. Sie hatte getrunken. Sie hatte noch ein bisschen mehr getanzt … oder vielleicht hatte sie auch noch ein bisschen mehr getrunken. »Ich will mir die Zähne putzen«, murmelte sie. »Bist du dir sicher, dass du so lange stehen kannst?« Sie nickte. »Ich mache dein Bett schon mal fertig, dann kannst du dich gleich hinlegen«, sagte er. Gabe verließ das Badezimmer. Er war immer noch wütend, doch größer als sein Zorn war die Furcht gewesen. Ein Gefühl, das ihn an seiner schwächsten Stelle getroffen hatte. Wäre sie nicht so sturzbetrunken, hätte er ihr den Hintern gleich hier und jetzt versohlt. Was für ein absolut verantwortungsloses und idiotisches Verhalten! Er schlug die Überdecke zurück, schüttelte die Kissen auf und legte die Bettdecke dann so hin, dass sie gleich darunter schlüpfen konnte. Wäre ihr nicht so übel gewesen, hätte er sie auf der Stelle in seine Wohnung geschafft und sie bis zu ihrem Abflug nach Paris dort behalten. Er ging wieder in Richtung Badezimmer und runzelte die Stirn, als er merkte, dass keine Geräusche nach draußen drangen. »Mia?«, fragte er, als er durch die Tür trat. Er schüttelte den Kopf ob des Anblicks, der sich ihm bot. Mia saß auf dem Boden vor der Toilette. Ihr Arm lag über dem Deckel, ihr Kopf ruhte reglos auf diesem Arm. Seufzend beugte er sich über sie und nahm sie in die Arme. Er trug sie ins Schlafzimmer und legte sie aufs Bett, sodass er sie ausziehen konnte. Als sie nackt war, trat er lange genug zurück, um sich bis auf die Boxershorts zu entkleiden und dann neben sie ins Bett zu krabbeln. Er rückte sie so zurecht, dass sie bequem neben ihm, mit dem Kopf auf seinem Arm, dalag. Sie würden morgen ein verdammt langes Gespräch miteinander führen … Kater hin oder her. 26 Mia öffnete die Augen, und sofort fühlte es sich so an, als würde ihr jemand einen Eispickel mitten in den Augapfel rammen. Sie stöhnte und wandte sich von dem Licht ab, das durchs Fenster strömte, bis sie Gabe bemerkte, der in der Tür zu ihrem Schlafzimmer stand. Er trug Jeans und T-Shirt, seine Hände steckten in den Hosentaschen, sein Blick glitt über ihren Körper. Sie wusste nicht, ob sie so stark auf seinen verführerischen Anblick reagierte, weil sie ihn selten in Jeans sah, oder ob er in seiner Denim nicht einfach unglaublich heiß aussah. »Ein schreckliches Gefühl, nicht wahr?« Sie tat gar nicht erst so, als hätte sie nicht verstanden, was er meinte. Sie nickte und die Bewegung löste gleich noch einmal eine Schmerzattacke aus. Er stieß sich vom Türrahmen ab, trat zu ihr und setzte sich dicht neben ihr auf die Bettkante. »Der Wagen wartet unten. Zieh dich an, damit wir los können.« Sie starrte ihn an. »Wo wollen wir denn hin?« Sie wollte sich nicht bewegen. Sie wollte noch weitere sechs Stunden schlafen. Wenn sie dann wieder wach wurde, würde ihr Kopf vielleicht nicht mehr so entsetzlich schmerzen. »In meine Wohnung«, sagte er kurz angebunden. »Du hast fünf Minuten Zeit. Lass mich nicht warten.« Ihre Lippen verzogen sich mürrisch, als er aufstand und das Schlafzimmer verließ. Wenn er ihr nur fünf Minuten gab, musste er damit rechnen, dass sie wie eine wandelnde Leiche aussah. Sie brauchte eine warme Dusche und genug Zeit, um zu sich zu finden. Verdammt, sie wusste immer noch nicht, welche Laus ihm seit gestern Abend über die Leber gekrochen war. Andererseits konnte sie sich noch nicht einmal daran erinnern, wie sie überhaupt ins Bett gekommen war. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, sich die Zähne geputzt zu haben … und dann daran, aufgewacht zu sein. Gabe war über Nacht bei ihr geblieben, aber hatte er auch geschlafen? Sie wälzte sich aus dem Bett und schleppte sich stöhnend zum Schrank. Sie zerrte ein T-Shirt und eine Jeans heraus und machte sich gar nicht erst die Mühe, nach einem BH oder einer Unterhose zu suchen. Gabe mochte es ja eh nicht, wenn sie unten drunter was anhatte. Sie packte schnell eine Tasche mit Wechselklamotten und dem, was sie eben noch verschmäht hatte – BH und Unterhose –, um dann im Badezimmer zu verschwinden, wo sie ihre Toilettenartikel dazuwarf. Als sie ins Wohnzimmer kam, sah sie Gabe am Fenster stehen und nach draußen schauen. Er drehte sich um, als er sie hörte. »Bist du fertig?« Sie zuckte die Schultern. Eigentlich nicht, aber egal. Er zog sie an seine Seite und legte seine Hand auf ihren Rücken, als er sie aus der Wohnung führte. Kurz darauf verfrachtete er sie in den wartenden Wagen und stieg dazu. Als das Auto anfuhr, winkte er sie zu sich. Er legte den Arm um sie, und sie seufzte, als seine Wärme in ihren Körper drang. Sie schmiegte den Kopf an seine Brust und schloss die Augen. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er ihr einen Vortrag halten oder Tiraden über all die Dinge loslassen würde, über die er sich bei ihr geärgert hatte. Aber überraschenderweise blieb er still – fast, als wüsste er, was für schreckliche Kopfschmerzen sie hatte. Sein Mund strich über ihren Kopf, und er küsste sie auf den Scheitel, während er die wirren Strähnen glättete. »Wenn wir in meiner Wohnung sind, kannst du etwas gegen die Kopfschmerzen einnehmen«, murmelte er. »Du musst auch was essen. Ich werde dir was machen, das dir nicht so schwer im Magen liegt.« Wärme breitete sich in ihrem Bauch aus und kroch langsam nach oben in ihre Brust. Es war so leicht, sich in der Fantasievorstellung zu verlieren, mit Gabe zusammen zu sein, weil er dies leicht machte. Er sorgte in jeder Hinsicht für sie. Er kümmerte sich um all ihre Bedürfnisse. War er fordernd? Meine Güte, ja! Aber er war nicht selbstsüchtig. Er nahm. Er war rücksichtslos in seinen Forderungen. Aber er gab ihr so viel zurück. Nicht nur materiell, sondern auch emotional, obwohl er das wahrscheinlich leugnen würde. Sie war fast eingeschlafen, als der Wagen vor Gabes Appartementhaus zum Stehen kam. Gabe stieg aus und erstaunte sie damit, dass er sie auf den Arm nahm und durch die Tür zum Fahrstuhl trug. Sie legte den Kopf unter sein Kinn und genoss die Kraft, mit der er sie hielt. Er trug sie in den Fahrstuhl und ließ sie die Karte reinschieben, die den Zugang zu seinem Stockwerk freischaltete. Während der Fahrt nach oben lag sie fest an seine Brust geschmiegt in seinen Armen. Im Wohnzimmer setzte er sie auf dem Sofa ab, holte Kissen und eine Decke aus dem Schlafzimmer und packte sie darin ein. Dann verschwand er eine Weile in der Küche und kam mit einem Glas Milch und einer Tablette zurück. Sie runzelte die Stirn und hob den Kopf, um ihn fragend anzuschauen. »Sie hilft deinem Kopf«, sagte er. »Aber trink erst etwas Milch. Die Tablette macht dich ein bisschen benommen, und wenn du nichts im Magen hast, ist die Wirkung noch stärker.« »Was ist es denn?«, fragte sie misstrauisch. »Nimm sie, Mia. Ich würde dir nichts geben, was dir schadet. Und ich kann dir versichern, dass im Büro nicht regelmäßig Drogenkontrollen durchgeführt werden, du kannst sie also ruhig schlucken.« Sie lächelte gerade so viel, wie es die Kopfschmerzen zuließen, und nahm die Tablette. Sie trank erst die Hälfte der Milch, ehe sie die Tablette schluckte, dann trank sie auch den Rest aus und gab ihm das Glas zurück. »Mach es dir bequem. Ich koche uns jetzt etwas und dann essen wir hier«, sagte er. Mia zog sich die Decke bis zum Kinn hoch und legte den Kopf in den Stapel Kissen, den er ihr gebracht hatte. Sie war einverstanden, dass er sie von vorne bis hinten bediente. Und wenn sie diese Behandlung jedes Mal erfahren würde, wenn sie ihn wütend machte, würde sie das viel häufiger tun müssen. Dabei wusste sie nicht einmal, worüber er eigentlich so wütend war. Sie fing gerade an, die Wirkung des Medikaments zu spüren, das er ihr gegeben hatte, als er mit einem Frühstückstablett wieder hereinkam. Der Schmerz hatte nachgelassen und stattdessen strömte jetzt warme Euphorie durch ihren Körper. »Fühlst du dich schon besser?«, fragte er leise, während er sich neben sie setzte. »Ja. Danke. Du bist sehr gut zu mir, Gabe.« Ihre Blicke trafen sich, und sie sahen einander lange tief in die Augen, doch dann wurden seine Lippen sehr schmal. »Das wirst du wahrscheinlich nicht mehr sagen, wenn ich dich wegen der Nummer, die du letzte Nacht abgezogen hast, ausgeschimpft habe.« Sie seufzte. »Was habe ich denn getan? Zugegeben, ich erinnere mich nicht mehr an viel, aber als ich zu Hause ankam, warst du da und sehr wütend. Warum?« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht begreifen, dass du das überhaupt fragst.« Als sie wieder etwas sagen wollte, hob er eine Hand. »Iss, Mia. Wir werden darüber sprechen, wenn du fertig bist und dich besser fühlst.« Er reichte ihr einen Teller mit einem getoasteten Bagel, Frischkäse und einer kleinen Schüssel Obstsalat. Zweifelnd sah sie sich die Mahlzeit an, unsicher, ob ihr Magen überhaupt etwas aufnehmen konnte. Vorsichtig biss sie ein Stück von dem Bagel ab, denn trockenes Brot reizte sie mehr als das saftige Obst. Doch kaum hatte sie den ersten Bissen geschluckt, erwachte ihr Magen knurrend zum Leben. Gestern Abend hatte sie nichts gegessen, und dazu noch der viele Alkohol auf leeren Magen – kein Wunder, dass sie so betrunken gewesen war. »Ich bin am Verhungern«, nuschelte sie. Er stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. »Hast du gestern Abend überhaupt etwas gegessen, ehe du so viel Alkohol getrunken hast?« Sie schüttelte den Kopf und machte sich auf eine heftige Reaktion gefasst. »Verdammt, Mia.« Er sah aus, als würde er gern noch mehr sagen, doch er presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, um sich dann seinem eigenen Frühstück zuzuwenden. Mia gestand sich ein, dass sie sich beim Essen alle Zeit der Welt ließ, obwohl sie am liebsten alles auf einmal in sich hineingeschlungen hätte. Je länger sie aß, desto mehr Zeit verging, ehe Gabe ihr das Fell über die Ohren zog. »Du kannst auch endlich aufessen«, sagte Gabe. »So zögerst du das Unausweichliche nur hinaus, Mia.« Sie grummelte kurz und beugte sich dann vor, um ihren Teller auf den Couchtisch zu stellen. »Ich verstehe einfach nicht so ganz, worüber du eigentlich wütend bist. Ja, ich hab ein bisschen zu viel getrunken. Aber das hast du ja bestimmt auch schon ein- oder zweimal in deinem Leben getan.« Er stellte seinen Teller ebenfalls ab und rückte dann ein Stück vor, sodass er ihr ins Gesicht sehen konnte. »Du glaubst, das ist es, worüber ich so wütend bin?« Sie zuckte die Achseln. »Entweder das, oder weil ich mit meinen Freundinnen in einen Club gegangen bin. Aber egal, worüber du dich auch aufregst, halte ich deine Reaktion für leicht übertrieben.« »Übertrieben.« Er holte zischend Luft und kochte förmlich vor Wut. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und schüttelte den Kopf. »Du hast wirklich keine Ahnung, nicht wahr?« »Klär mich auf, ich bin völlig ratlos.« »Ich wusste, dass du ausgehen wolltest, Mia. An erster Stelle ist mir nicht klar, warum du mir nicht einfach die Wahrheit gesagt hast. Dachtest du, ich würde dir nicht erlauben mitzugehen? Ich weiß, dass du Freundinnen hast.« »Bist du deshalb wütend? Ich weiß nicht, warum ich dir nicht einfach gesagt habe, was genau ich vorhatte, Gabe. Vielleicht hatte ich Sorge, dass du es unter Umständen nicht gut fändest, wenn ich mitgehe.« »Herrgott noch mal, nein, das ist es nicht, worüber ich wütend bin«, stieß er hervor. »Ich bekam einen Anruf von meinem Fahrer, weil der Bescheid ausblieb, dich abzuholen. Nichts. Du warst nicht in deiner Wohnung, also musste ich davon ausgehen, dass du ein Taxi genommen hattest. Du und deine Freundinnen … in einem Club. Schutzlos. In ein Taxi zu steigen, in dem wer weiß wer sitzen kann, sturzbetrunken, allein, in einem Taxi, um zwei Uhr morgens.« Sie sah ihn völlig überrascht an. Diese Antwort hatte sie am allerwenigsten erwartet. »Es geht dabei nicht darum, dass ich dich kontrollieren will oder du meine Erlaubnis brauchst, um auszugehen, Mia. Es geht darum, dass du vorsichtig sein sollst. Es geht darum, dass ich vor Sorge vollkommen außer mir war, weil ich keine Ahnung hatte, wo du warst und ob es dir gut ging. Du hast weder auf meine Anrufe noch auf meine SMS reagiert, sodass ich noch nicht einmal meinen Fahrer losschicken konnte, um auf dich zu warten, weil ich ja nicht wusste, wo du überhaupt bist. Meine Güte, als du auf all meine Anrufe und SMS nicht reagiert hast, fing ich schon an mir vorzustellen, dass du tot in irgendeinem Müllcontainer liegst!« Sie wurde von heftigen Schuldgefühlen ergriffen. Verdammt, er hatte recht. Er hatte sich Sorgen gemacht – sich wirklich Sorgen um sie gemacht –, und sie war in einem Club gewesen und hatte sich amüsiert, während er Angst gehabt hatte, dass ihr etwas passiert sein könnte oder sie gar tot wäre. Puuh. »Es tut mir leid«, sagte sie leise. »Ich habe nicht nachgedacht. Ich meine … es ist mir noch nicht einmal in den Sinn gekommen.« Er runzelte die Stirn. »Und du bist ganz allein nach Hause gekommen. Wenn ich nun nicht da gewesen wäre, Mia? Hättest du es überhaupt bis in deine Wohnung geschafft oder wärest du unter Umständen gleich auf dem Bürgersteig umgekippt und bewusstlos liegen geblieben? »Caroline ist zu jemand anderem nach Hause gegangen«, sagte sie leise. »Er hat mir das Taxi besorgt.« »Na, zumindest das hat er gemacht«, meinte Gabe angewidert. »Du hättest mich anrufen müssen, Mia. Ich wäre gekommen und hätte dich abgeholt, egal wie spät es war.« Ihr wurde warm ums Herz. Neben Zorn und ausgestandener Verzweiflung lag auch echte Sorge in seinem Blick. Er hatte sich Sorgen um sie gemacht. Sie beugte sich vor und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. Dann küsste sie ihn. »Es tut mir leid«, sagte sie wieder. »Das war gedankenlos von mir.« Er ließ seine Hände an ihrem Hals nach oben in ihr Haar gleiten und hielt sie so, dass ihr Mund nur Zentimeter von seinen Lippen entfernt war. »Lass es einfach nicht noch einmal passieren. Es gibt einen Grund, warum ich dir einen Fahrer zugewiesen habe, Mia. Er soll dich nicht nur zur Arbeit und wieder nach Hause bringen, wenn du nicht mit mir zusammen unterwegs bist. Wenn du irgendwo hinwillst – egal wohin –, rufst du ihn an. Verstanden? Wenn du dich je wieder in so einer Situation wie gestern befindest, rufst du mich an. Es ist mir scheißegal, wie spät es ist, aber du rufst mich an. Und wenn du mich nicht erreichst, dann rate ich dir dringend, deinen Bruder oder Ash anzurufen. Hast du das verstanden?« Sie nickte. »Wir müssen beide ein bisschen schlafen«, sagte er und strich mit den Händen über ihr Gesicht. »Du hast nicht gut geschlafen und ich überhaupt nicht. Jetzt will ich mich mit dir ins Bett legen und dich einfach nur im Arm halten, während wir uns ausruhen. Wenn du dich wieder besser fühlst, werde ich dir deinen hübschen Hintern versohlen, weil du mich in so große Sorge versetzt hast.« 27 Mia saß im Schneidersitz auf Gabes Bett und verschlang die Pizza, die er hatte liefern lassen. Sie war einfach perfekt, genau so, wie sie sie mochte. Mit viel Käse, einer leichten Soße und dicker Kruste. Er sah ihr amüsiert zu, wie sie sich die Finger sauber leckte und sich dann seufzend zurück in die Kissen sinken ließ. »Das war herrlich«, sagte sie. »Du verwöhnst mich, Gabe. Das kann man nicht anders sagen.« Seine Augen funkelten verschmitzt. »Ich würde noch ein bisschen damit warten zu behaupten, dass ich dich verwöhne.« Ihr Körper zog sich auf der Stelle zusammen, heiße Glut pumpte durch ihre Adern. So sehr sie es auch versuchte, konnte sie angesichts der von ihm angedrohten Tracht Prügel keinerlei Furcht heraufbeschwören. Wenn überhaupt, dann zitterte sie eher vor freudiger Erregung. Sie fing seinen Blick auf und war sofort ernüchtert. »Es tut mir wirklich leid wegen letzter Nacht. Ich hatte keine Ahnung, dass du dir solche Sorgen gemacht hast. Wenn ich auf mein Handy geschaut hätte, hätte ich dich sofort angerufen oder dir eine SMS geschickt, Gabe. Ich hätte dich nicht ignoriert.« »Ich weiß, dass du das nicht getan hättest«, erwiderte er brummig. »Es geht mir darum, dass du in Zukunft vorsichtiger bist. Wenn du mit deinen Freundinnen alleine ausgehst und ihr euch betrinkt, ist der Ärger quasi vorprogrammiert. Einer Gruppe von jungen Frauen, allein und ohne männlichen Schutz, kann alles Mögliche zustoßen.« Dass er so sehr um ihre Sicherheit besorgt war, hatte etwas ungeheuer Befriedigendes für sie. Er empfand also etwas für sie, jenseits dessen, dass er sie als Sexobjekt betrachtete. »Wenn du jetzt fertig bist, ist noch die Sache mit der Bestrafung zu erledigen«, erklärte er mit seidenweicher Stimme. Gütiger Himmel. Sie schmolz unter seinem Blick dahin, aus dem Lust und Verlangen sprachen. Heftiges, fast schon schmerzhaftes Verlangen strömte durch ihren Körper. Sie schob den Pizzakarton weg, er nahm ihn und legte ihn auf den Nachttisch neben dem Bett. »Zieh dich aus«, forderte er sie unverblümt auf. »Ich will, dass du nichts anhast. Wenn du fertig bist, hock dich auf allen vieren aufs Bett, mit dem Hintern zur Bettkante.« Mit zittrigen Beinen stand sie auf und zog sich schnell das T-Shirt – Gabes T-Shirt – über den Kopf, sodass sie sich seinen Augen völlig entblößt darbot. Sie drehte sich zum Bett um und kehrte ihm so den Rücken zu, als sie die Knie auf die Matratze setzte und dabei ein bisschen balancieren musste, um sie so dicht wie möglich an der Bettkante zu positionieren. Dann stützte sie sich mit den Händen ab, schloss die Augen und atmete tief durch, während sie wartete. Schritte hallten durch den Raum. Eine Schublade wurde aufgezogen. Wieder waren Schritte zu hören, etwas wurde auf den Nachttisch gestellt. Er drückte die Lippen auf eine ihrer Pobacken und kratzte dann mit den Zähnen leicht über ihre Haut, was einen Schauer hervorrief, der Gänsehaut auf ihren Beinen erzeugte. »Gib keinen einzigen Laut von dir«, sagte er. Seiner Stimme war das Verlangen anzuhören, das ihn erfüllte. »Kein Wort. Du wirst deine Bestrafung schweigend über dich ergehen lassen. Hinterher werde ich es dir dann in deinen süßen Hintern besorgen.« Ihre Ellbogen knickten ein und sie hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Sie stemmte sich wieder hoch und drückte die Ellbogen durch. Die Gerte glitt leise wispernd und täuschend sanft über ihren Hintern. Dann löste sie sich, und ein feuriger Blitz raste über ihren Po, als er ihr den ersten Schlag versetzte. Sie biss sich auf die Unterlippe, um ja keinen Laut von sich zu geben. Sie war unvorbereitet gewesen … viel zu verstrickt in ihr Verlangen. Dieses Mal konzentrierte sie sich und machte sich auf den nächsten Schlag gefasst. Er traf keine einzige Stelle zweimal und er zog die Bestrafung auch nicht um der Wirkung willen in die Länge. Er versohlte ihr den Hintern mit einer Folge von Schlägen, die in Kraftaufwand und Wucht variierten. Sie hatte keine Möglichkeit vorauszusehen, was als Nächstes kommen würde, er schlug jedes Mal anders zu. Bei siebzehn hörte sie auf zu zählen. Ihr gesamter Körper kribbelte vor Verlangen. Der anfängliche Schmerz war verschwunden und an seine Stelle war ein stetes, heißes Pochen getreten. Sie nahm nichts mehr von ihrer Umgebung wahr, sondern schwebte in einer völlig anderen Sphäre, wo die Grenze zwischen Lust und Schmerz fließend war. Das Nächste, was sie bewusst wahrnahm, war das warme Gleitmittel, das er um ihren Anus herum auftrug, und dann seine Hände, die beruhigend über ihre Pobacken strichen. »Dein Hintern ist wunderschön«, murmelte Gabe mit so zart-schmelzender Stimme wie Schokolade. »Meine Spuren sind auf ihm zu sehen. Du trägst sie, weil du mir gehörst. Und jetzt werde ich es dir in deinen süßen, kleinen Hintern besorgen, weil er mir gehört, und ich mir noch nicht genommen habe, was mir gehört.« Sie schluckte, senkte den Kopf und schloss die Augen, als seine Hände ihre Hüften packten und dann über ihren Po glitten, um die Backen zu spreizen. Die Spitze seines Schwanzes drängte stumpf gegen sie, um sie dann mit mehr Nachdruck zum ersten Mal leicht zu öffnen. Er ging ganz langsam vor und war sehr geduldig. Viel geduldiger als sie. Sie wollte ihn in sich haben. Das Warten würde sie noch umbringen. »Entspann dich, Baby«, besänftigte er sie. »Du bist viel zu verkrampft. Ich will dir nicht wehtun. Lass mich in dich.« Sie versuchte, seiner Anweisung Folge zu leisten, aber das fiel ihr schwer, weil all ihre Sinne aufs Äußerste gespannt waren und um Erfüllung flehten. Instinktiv drängte sie sich gegen ihn, doch er legte die Hände auf ihren Po und hielt sie zurück. »Sei geduldig, Mia. Ich will nicht zu schnell vorgehen und dir eventuell wehtun.« Er zog sich zurück und drang dann wieder in sie ein, jedes Mal ein Stückchen tiefer. Sie spürte seine Fingerknöchel an ihrem Po, als er die Wurzel seines Schwanzes umfasste, um noch tiefer in sie vorzudringen. Das Brennen war übermächtig. Nicht einmal das tägliche Dehnen mit den Analstöpseln hatte sie darauf vorbereiten können, seinen Schwanz in voller Länge in sich aufzunehmen. Er war dick und vollkommen steif. Sie hatte das Gefühl, mit einem warmen Stahlrohr gepfählt zu werden. »Ich bin fast da«, flüsterte er. »Nur noch ein kleines Stückchen, Mia. Sei ein braves Mädchen und nimm ihn ganz.« Sie mühte sich, jeden Muskel in ihrem Körper zu entspannen, und genau in dem Moment stieß er kräftiger zu, sodass seine Eier gegen ihre Scheidenöffnung klatschten. Er war ganz in ihr. Sie hatte ihn vollständig in sich aufgenommen. »Oh Gott, du fühlst dich so gut an«, sagte Gabe mit gepresster Stimme. »Besorg’s dir selber, Mia. Senk deinen Kopf, leg deine Wange aufs Bett und besorg’s dir mit der Hand, während ich deinen Arsch ficke.« Seine dreckigen Worte erregten sie nur noch mehr. Sie lehnte ihren Oberkörper aufs Bett und fand eine bequeme Stellung, während sein Schwanz stetig fest in ihrem Hintern klemmte. Sie strich mit den Fingern über die Lippen ihrer Scham und begann dann ihre Klitoris so zu stimulieren, dass sie mit Sicherheit kommen würde. Als sie die für sie angenehmste Position gefunden hatte, löste Gabe sich von ihr und zog seinen Schwanz fast vollständig aus ihr heraus, ehe er wieder tief in sie eindrang. Seine Bewegungen waren bedacht und langsam. Zärtlich. Er eilte sich nicht, verlor kein einziges Mal die Kontrolle. Er glitt ein und aus, und jedes Mal, wenn er ganz tief in ihr war, drängten seine Eier fest gegen ihre Scham. »Ich werde in dir kommen, Mia. Ich will, dass du ganz still hältst und dich weiter selbst befriedigst.« Sie stand so kurz vor dem Höhepunkt, dass sie einen Moment von sich ablassen musste, um nicht auf der Stelle zu explodieren. Gabe stieß jetzt schneller und kräftiger zu, doch er mutete ihr nie zu viel zu und war auch nie grob. Dann spürte sie den ersten heißen Schwall, als er in ihr kam. Er zog sich zurück, dabei ergoss er sich auf ihre Haut, über den Schließmuskel und wieder in sie hinein. Mehr und mehr, bis sein Saft aus ihrer Pforte floss und an der Innenseite ihres Schenkels herunterlief. Und dann war er wieder tief und immer noch steif in ihr, versenkte seinen Samen tiefer in ihr. Auch nachdem er längst gekommen war, glitt er noch eine lange Weile in sie. Mia konnte sich nicht mehr länger zurückhalten. Sie strich kurz mit dem Finger über ihre harte Knospe und sofort überwältigte sie die fast schmerzhafte Erlösung mit erbarmungsloser Wucht. Erfasste sie eine Woge und riss sie mit. Ihre Knie gaben unter ihr nach und sie fiel auf den Bauch, sodass sie flach auf dem Bett lag. Gabe glitt sofort aus ihr heraus, um sich aber gleich ihrer neuen Position anzupassen und wieder in sie einzudringen. Sein Körper senkte sich auf ihren Rücken, während sein mächtiges Glied weiter steif und groß in ihrem Hintern steckte. Er knabberte an ihrer Schulter und hauchte einen Pfad aus Küssen bis zu ihrem Hals. »Hast du das jemals zuvor gemacht?«, fragte er leise an ihrem Ohr. »Du bist der Erste in mir«, erwiderte sie und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Schön.« In seiner Stimme schwang große Genugtuung mit. Triumph. Mehrere Minuten lag er nur da, erschlaffte allmählich, sodass die Anspannung und das Gefühl, gedehnt zu werden, nachließen. Schließlich glitt er aus ihr, stand auf und trat zurück. Sie lag einfach nur da und versuchte zu verarbeiten, was gerade passiert war. Ihre Gedanken waren in Aufruhr. Sie war nach diesem atemberaubenden Orgasmus immer noch von einem euphorischen Hochgefühl erfüllt. Ihr Po war wund von den Hieben und seiner vollständigen Inbesitznahme. Sie war noch nie befriedigter gewesen als in diesem Moment. Er kam zurück, um sie mit einem warmen Lappen zu säubern. Dann ging er ins Badezimmer, und sie hörte, dass er die Dusche anstellte. Einen Moment später war er wieder da und hob sie sanft vom Bett hoch. Er trug sie ins Badezimmer und stellte sie vor der Dusche auf den Boden. Dann trat er in die Dusche und zog sie hinter sich hinein. Sie seufzte, als das heiße Wasser auf sie herabregnete. Himmel, welch dekadente Erfahrung, sich ganz Gabes Fürsorge zu überlassen. Er wusch jeden Zentimeter ihres Körpers und widmete dabei ihrem Po, der immer noch rot war, besondere Aufmerksamkeit. Sie war außer Atem und schon wieder von schmerzhafter Sehnsucht erfüllt, als er sie endlich überall eingeseift hatte. Nachdem er sie abgespült hatte, wusch er sich selber und stellte dann das Wasser ab. Er trat zuerst aus der Dusche und hielt ihr ein großes Laken hin, in das er sie hüllte, um sie dann an seine Brust zu ziehen. »Du verwöhnst mich«, hauchte sie. Als sie den Kopf hob, sah sie gerade noch das Lächeln, das seine Lippen verzog. Der Mann war einfach sündhaft verführerisch. Er trocknete ihren gesamten Körper ab und ließ sie sich dann das Tuch um den Kopf wickeln. »Mach dir nicht die Mühe, dich anzuziehen«, rief er ihr hinterher, als sie wieder ins Schlafzimmer trat. Der verheißungsvolle Ton in seiner Stimme ließ sie lächeln. Nein, sie würde wohl vermutlich ziemlich lange nichts anziehen müssen. Es war erst Samstagabend, und bis Montagmorgen hatten sie nichts vor. 28 »Gabe, ich muss diese Papiere eben zu John bringen, damit er sie noch durchsehen kann, bevor wir nach Paris aufbrechen. Außerdem brauche ich die Marketingpläne von ihm. Ich dachte, ich hole uns etwas beim Feinkosthändler, dann können wir hier essen.« Gabe schaute auf und sah Mia mit fragendem Blick vor seinem Tisch stehen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es tatsächlich Mittagessenszeit war. Er und Mia hatten den ganzen Vormittag gearbeitet und Vorbereitungen für ihre Reise nach Paris getroffen, zu der sie am Nachtmittag aufbrechen würden. Er war kurz versucht, sie in seinem Büro abzuschotten, wo er sie ständig sehen und anfassen konnte, und jemand anderen Essen holen zu lassen. Er musste sich richtiggehend zusammenreißen, um diesem Drang nicht nachzugeben. Auch nachdem er das ganze Wochenende mit ihr im Bett verbracht und sie sich bis zur Erschöpfung geliebt hatten, war sein Hunger nach ihr immer noch nicht weniger geworden. »Ja, gut. Geh aber nicht so weit. Der Feinkostladen eine Straße weiter ist nicht schlecht. Du weißt, was ich gern mag.« Sie lächelte, ihre Augen funkelten viel sagend bei seiner Bemerkung. Dieser kleine Plagegeist wusste sehr genau, was er mochte. Und wenn sie jetzt nicht sofort ging, würde er keinerlei Verantwortung für seine Reaktion übernehmen können. »Geh«, sagte er mit heiserer Stimme, voll von Verlangen. »Wenn du nicht aufhörst, mich so anzusehen, kommen wir nie nach Paris.« Ihr leises Lachen füllte den Raum und hallte in seinen Ohren wider, dann wandte sie sich um und verließ den Raum. Er durchlebte einen Moment der Panik, als sie die Tür hinter sich schloss und ihn in dem nunmehr leeren Zimmer allein ließ. Wenn sie nicht da war, sich nicht im gleichen Raum wie er befand, war alles anders. Als hätten sich an einem strahlenden Frühlingstag Wolken vor die Sonne geschoben. Er richtete den Blick wieder auf die vor ihm liegenden Papiere. Er würde auf keinen Fall bis zu Mias Rückkehr ständig auf die Uhr schauen. Als Eleanor sich über die Gegensprechanlage meldete, runzelte er die Stirn. »Was ist denn, Eleanor?« »Sir. Mrs Hamilton ist hier und möchte Sie treffen. Äh, Lisa Hamilton.« Gabe atmete aus und schloss die Augen. Nicht jetzt, um Himmels willen. War denn die ganze Welt verrückt geworden? Sein Vater verfolgte seine Mutter und jetzt drückte sich auch noch Lisa wieder hier herum. Er hatte ihr schon bei ihrem letzten Auftritt unmissverständlich klargemacht, dass er sie nicht wieder sehen wollte und es eine Versöhnung nur über seine Leiche geben würde. Vielleicht hatte er sich ja doch nicht so klar ausgedrückt, wie er gedacht hatte. »Schicken Sie sie rein«, stieß Gabe hervor. Offensichtlich musste er ihr seinen Standpunkt in einer Art und Weise klarmachen, die sie nicht missverstehen konnte. Kurz darauf öffnete Lisa die Tür und kam perfekt gestylt, mit jedem Haar am richtigen Platz, herein. Ihr Aussehen und Auftreten waren schon immer perfekt gewesen. Seine Augen wurden schmal, als er sah, dass sie ihren Ehering trug – den Ring, den er ihr angesteckt hatte. Der Anblick jedweder Erinnerung daran, sie einmal besessen zu haben, widerte ihn an. »Gabe, wir müssen miteinander reden«, sagte sie. Sie setzte sich in den Sessel vor seinem Schreibtisch und wartete gar nicht erst ab, ob er ihr den Platz anbieten oder sie gleich wieder rausschmeißen würde. »Es gibt nichts, was wir zu bereden hätten«, erklärte er ruhig. Sie zog die Augenbrauen zusammen und in ihren Augen wurde ein erster Anflug von Gefühlen sichtbar. »Was muss ich tun, Gabe? Wie lange willst du mich um Gnade winseln lassen? Sag es mir, damit ich es tue, und wir anschließend weitermachen können.« Er zähmte seine Ungeduld und hielt einen Moment inne, um nicht zu schroff zu reagieren. Und dann überkam ihn bei der Vorstellung, er könnte zu schroff reagieren, ein Lachreiz. Sie hatte ihn wie ein Spanferkel aufgespießt. Ihn verraten. Bis heute wusste er nicht, was sie damals dazu getrieben hatte. »Nichts, was du tust oder sagst, wird je dazu führen, dass ich meine Meinung ändere«, erklärte er kurz und bündig. »Wir sind fertig miteinander, Lisa. Es war deine Entscheidung. Du hast dich von mir scheiden lassen. Nicht umgekehrt.« Ihr Gesicht verzog sich und sie wischte theatralisch eine nicht vorhandene Träne weg. »Ich weiß, dass ich dich furchtbar verletzt habe. Es tut mir so leid, Gabe. Ich war so eine Idiotin. Aber wir lieben einander doch noch. Es wäre ein schrecklicher Fehler, es nicht zumindest noch einmal zu versuchen. Ich kann dich glücklich machen. Ich habe dich schon einmal glücklich gemacht. Das kann ich wieder tun.« Er stand kurz davor, die Beherrschung zu verlieren, und wählte seine Worte sorgfältig. »Ich liebe dich nicht«, sagte er unverblümt. Sie zuckte zusammen, und dieses Mal musste sie nicht so tun, als würden ihr Tränen in die Augen steigen. »Ich glaube dir nicht«, sagte sie mit heiserer Stimme. Er seufzte. »Es ist mir eigentlich ziemlich egal, ob du mir glaubst oder nicht. Das ist nicht mein Problem. Du und ich, das gehört der Vergangenheit an, und da bleiben wir auch. Lisa, hör auf, dir das hier anzutun – mir das hier anzutun. Ich muss arbeiten und kann es nicht, wenn ich ständig unterbrochen werde.« »Na, was sagst du zu einem Club-Sandwich?«, sagte Mia, die mit dem Arm voller Essenstüten hereinkam. Sie blieb abrupt stehen, als sie Lisa erblickte, und ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Oh, Entschuldigung«, sagte sie verlegen. Eilig verließ sie mitsamt der Tüten sein Büro. Gabe musste sich förmlich auf die Zunge beißen, um ihr nicht zu befehlen zurückzukommen. Verdammt, er wollte, dass Lisa ging – nicht Mia. Als er den Blick wieder auf Lisa richtete, lag in ihrem Blick Erkenntnis. »Sie ist es, nicht wahr?«, sagte sie leise. Ihr Blick war anklagend, als sie mit zu Fäusten geballten Händen aufstand. »Sie war es schon immer. Ich habe gesehen, wie du sie angeschaut hast, selbst als wir verheiratet waren. Ich habe es immer abgetan. Sie ist Jace’ kleine Schwester, und deshalb dachte ich, du würdest sie nur mit einer ihrem Alter entsprechenden Zuneigung betrachten. Aber um Gottes willen, du wolltest sie sogar damals schon, habe ich recht, du Drecksack? Bist du in sie verliebt?« Gabe stand auf. Die Wut ließ seine Worte schneidend klingen: »Es reicht, Lisa. Du sagst jetzt kein Wort mehr. Mia arbeitet für mich. Du machst dich nur lächerlich.« Lisa gab einen höhnischen Laut von sich. »Ich hatte nie eine Chance, oder, Gabe? Auch wenn ich nicht diejenige gewesen wäre, die gegangen ist.« »In dem Punkt irrst du dich«, sagte er scharf. »Ich war dir immer treu, Lisa. Ich wäre dir immer treu geblieben. Ich fühlte mich unserer Ehe verpflichtet. Du leider nicht.« »Halt dich doch nicht selber zum Narren, Gabe. Ich habe gesehen, wie du sie damals angeschaut hast und wie du sie gerade eben angesehen hast. Ich frage mich, ob sie auch nur die blasseste Ahnung hat, auf was sie sich da einlässt. Vielleicht sollte ich sie warnen.« Gabe kam um den Tisch herum. Er war nicht mehr in der Lage, die Wut zu bremsen, die ihn beherrschte. »Wenn du je in Mias Richtung auch nur ausatmen solltest, werde ich dich vernichten, Lisa. Das Geld, das du immer noch von mir bekommst, wäre mit einem Schlag futsch. Ich würde nicht einmal mit der Wimper zucken und es nicht einmal einen Augenblick lang bedauern. Du bist eine kalte, habgierige Schlampe. Mia ist zehnmal mehr wert als du. Und wenn du der Meinung bist, dass ich noch nicht bedrohlich genug bin, dann warte, bis Jace etwas über deine Pläne in Bezug auf Mia herausfindet. Ich garantiere dir, dass er längst nicht so freundlich oder geduldig mit dir sein wird wie ich.« Ein berechnender Ausdruck trat in Lisas Augen. »Wie viel ist es dir wert, dass ich nicht zu deiner kleinen Assistentin gehe?« Jetzt war sie endlich zum wahren Grund ihres ach so ernst gemeinten Versöhnungsversuchs gekommen. Er war wütend, schaffte es aber, sich zu beherrschen … gerade eben. »Erpressung funktioniert bei mir nicht, Lisa. Das solltest du besser als jeder andere wissen. Ich weiß, warum du wieder angekrochen kommst. Du bist pleite und kommst mit den Unterhaltszahlungen kaum über die Runden. Im Übrigen sollte ich dir wohl mitteilen, dass ich mit meinem Anwalt gesprochen habe. Ich werde auf Herabsetzung der Unterhaltszahlungen klagen. Ich war dir gegenüber bei der Scheidung mehr als großzügig. Vielleicht ist es allmählich an der Zeit, dass du den Hintern hochbekommst und arbeitest oder einen anderen Blödmann findest, der dich unterstützt, denn ich bin mit dir fertig.« Sie wandte sich ab und umklammerte ihre Handtasche wie einen Rettungsring. »Das wirst du bereuen, Gabe.« Er blieb ruhig, ohne den Köder zu schlucken. Er war fertig mit ihr. Als sie an der Tür noch einmal stehen blieb, sagte er: »Du hast hier jetzt Hausverbot, Lisa. Also versuch es auch nicht noch einmal. Die Szene würde dich nur demütigen. Ich werde den Sicherheitsdienst informieren, dass sie dich nicht mehr einlassen, und ich werde Eleanor sagen, dass sie den Sicherheitsdienst alarmieren soll, wenn sie dich auch nur in der Nähe meiner Büroräume sieht.« Seine Stimme wurde bedrohlich leise. »Und so wahr mir Gott helfe … wenn du auch nur in die Nähe von Mia kommst, werde ich dafür sorgen, dass du das bereust. Hast du mich verstanden?« Lisa warf ihm einen Blick zu, so voll von giftigem Hass, der ihm verdeutlichte, dass all seine Vermutungen vollkommen richtig gewesen waren. Sie war pleite und versuchte, den Geldhahn wieder aufzudrehen. »Wie tief der mächtige Gabe gesunken ist«, sagte sie leise. »Verliebt in die kleine Schwester seines besten Freundes. Ich frage mich, ob sie dir das Herz brechen wird.« Mit diesen Worten stürmte sie mit wehenden Haaren aus seinem Büro. Er hoffte inständig, dass er sie heute zum letzten Mal gesehen hatte. Er wollte sich schon auf die Suche nach Mia begeben, als sie in der Tür erschien. Er winkte sie herein und sie stellte die Tüten auf seinen Tisch. Schweigend holte sie die Schachtel mit seinem Sandwich hervor und stellte alles vor ihn hin. Dann ging sie mit ihrem eigenen Essen zu ihrem Tisch. Er beobachtete, wie sie aß und dabei mehrere der Berichte durchlas, deren Inhalt sie sich für die Reise einprägen sollte. Ihm war der Appetit vergangen. Lisas Vorwürfe gingen ihm nicht aus dem Kopf. Ihre Andeutungen gefielen ihm nicht, aber einfach abtun konnte er ihre Beobachtungen nicht. Und das ärgerte ihn am meisten. Während des gesamten Fluges von New York nach Paris war Gabe nachdenklich und in sich gekehrt. So war er eigentlich schon, seitdem Lisa sein Büro verlassen hatte. Mia wusste nicht genau, was zwischen den beiden vorgefallen war, aber Gabe hatte seinen Mitarbeitern und dem Sicherheitsdienst deutlich zu verstehen gegeben, dass Lisa nie wieder das Gebäude betreten durfte. Auch beim Aufbruch zum Flughafen, mit gepackten Taschen, war er kurz angebunden gewesen. Während der Fahrt hatten beide geschwiegen, und Mia war gelinde gesagt froh gewesen, dieses Schweigen auch im Flugzeug beibehalten zu können. Schon bald holte sie ihren iPod und die Kopfhörer heraus und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück, um ihrer Musik zu lauschen. Es war ein langer Flug und sie war noch vom Wochenende mit Gabe erschöpft. Sie musste jetzt schlafen, ihr stand ein langer Tag bevor. Sie würden um acht Uhr morgens Ortszeit in Paris landen, was bedeutete, dass sie erst vierzehn Stunden später würde schlafen können. Sie war sich nicht sicher, warum sie überhaupt mitfuhr. Gabe würde sich mit wichtigen potenziellen Bietern treffen, die nach seiner Vorstellung die drei wichtigsten Investoren für ein neues Hotelprojekt werden sollten. Wenn alles nach Plan lief, würde das Projekt im Frühjahr beginnen. Außerdem würde Gabe sich noch mit einigen ortsansässigen Investoren treffen. Es gab also wirklich keinen Grund für ihre Anwesenheit. Sie würde mit Sicherheit nichts Sinnvolles beitragen können. Der einzige Grund, den sie sich vorstellen konnte, war, dass Gabe nicht so lange ohne Sex auskommen wollte. Mitte des Fluges döste sie ein, während die Musik weiterlief. Die Sitze waren himmlisch bequem und ließen sich ganz zurücklegen, und so war es leicht, der Müdigkeit nachzugeben. Das Nächste, was sie wieder mitbekam, war Gabe, der sie wachrüttelte und ihr bedeutete, ihren Sitz aufzurichten. Sie nahm die Kopfhörer aus den Ohren und sah ihn verschlafen an. »Wir landen gleich«, sagte er. Hatte er überhaupt geschlafen? Er trug immer noch diese nachdenklich grimmige Miene zur Schau, die seit New York auf seinem Gesicht lag. Es würde eine schreckliche Reise werden, wenn seine Laune sich nicht besserte. Sie landeten und fuhren zum Gate. Die Erledigung der Einreiseformalitäten und das Holen des Gepäcks dauerte insgesamt eine Stunde, dann konnten sie endlich in einen Wagen einsteigen und ins Hotel fahren. Mia fand es merkwürdig, im Hotel des größten Konkurrenten abzusteigen, aber Gabe hatte ihr erklärt, dass er sich gern über das Angebot der Konkurrenz auf dem Laufenden hielt, und das sei schließlich am leichtesten, indem man deren Einrichtungen nutzte. Die Suite war luxuriös und nahm fast die Hälfte des obersten Stockwerks ein. Die Aussicht auf den Eiffelturm und den Arc de Triomphe, die man durch die großen Panoramafenster hatte, war einfach atemberaubend. Mia ließ sich auf die breite Couch fallen und sackte in sich zusammen. Auch wenn sie während der Hälfte des Fluges geschlafen hatte, fühlte sie sich müde und verschwitzt. Das ging ihr bei Reisen immer so. Sie brauchte eine heiße Dusche und ein Bett … in dieser Reihenfolge. Aber sie wusste nicht recht, welche Pläne Gabe hatte. Gabe stellte seinen Laptop auf und hieb eine halbe Stunde lang durchgehend auf die Tastatur, ehe er schließlich aufschaute und Mia ansah, die schlapp auf dem Sofa hing. »Du kannst dich gerne ausruhen, wenn du möchtest«, sagte er. »Heute Nachmittag haben wir nichts vor. Wir werden abends essen gehen und hinterher mit ein paar Leuten hier in der Suite etwas trinken. Ich habe dir die Profile aller per E-Mail geschickt, also lies sie dir durch, bevor wir ausgehen.« Sein Tonfall war abweisend, und Mia nahm an, dass ihn die Laus, die ihm über die Leber gelaufen war, immer noch beschäftigte. Also stand sie auf und verließ den Wohnbereich der Suite. Sie hätte gerne ein eigenes Schlafzimmer gehabt, aber es gab nur eins, und in dem stand auch nur ein Bett. Na schön. Sie stellte sich in die Dusche und verbrachte eine geschlagene halbe Stunde unter dem heißen Strahl. Als sie die Dusche verließ, war die Kälte endlich aus ihren Knochen gewichen und ihr Körper rosig von all dem heißen Wasser. Es lagen immer noch mehrere Stunden vor ihr, als sie sich alle Informationen eingeprägt hatte, die Gabe ihr über die Leute gegeben hatte, mit denen er sich treffen wollte. Paradoxerweise war von den drei vermutlich wichtigsten Investoren für den Bau des neuen Pariser Hotels nur einer Franzose. Stéphane Bargeron war ein reicher französischer Bauunternehmer, der in ganz Europa bekannt war. Die anderen beiden – Charles Willis und Tyson »Tex« Cartwright – waren amerikanische Bauunternehmer, mit Dependancen in Europa. Der gut aussehende Charles war etwas jünger. Ungefähr in Gabes Alter oder ein bisschen älter. Er hatte das Unternehmen nach dem Tod seines Vaters geerbt und arbeitete hart daran, sich einen eigenen Ruf aufzubauen. Er war ganz offensichtlich erpicht auf den Deal, und Gabe rechnete damit, dass er ein sehr hohes Gebot abgeben würde. Willis brauchte dieses Projekt. Es würde seine Position stärken und es ihm ermöglichen, andere lukrative Projekte an Land zu ziehen. Tyson Cartwright war Mitte vierzig, ein texanischer Milliardär, der sein Unternehmen auf traditionelle Weise aufgebaut hatte. Von der Pike auf. Sein Werdegang war beeindruckend. Mia hatte die Informationen über ihn besonders interessiert gelesen. Er hatte schon als Jugendlicher angefangen zu arbeiten. Mit Anfang zwanzig war er bereits Besitzer einer kleinen Baufirma im Osten Texas’ und von da an war es ständig bergauf gegangen. Er verkörperte die typische amerikanische Erfolgsgeschichte. Harte Arbeit. Entschlossenheit. Erfolg. Über Stéphane Bargeron wusste sie längst nicht so viel, einfach weil es sich um ein Familienunternehmen handelte, an dem viele Bargerons beteiligt waren. Er war für die Kontaktpflege zuständig, während sein Vater und seine Brüder eher die Knochenarbeit erledigten. Sein Job war der Feinschliff, während sie die Kopfarbeit leisteten. Alle drei würden Gabe nach dem Abendessen auf einen Drink in die Suite begleiten. Sie wusste nicht recht, welche Rolle sie bei dem Ganzen haben sollte, aber vier wirklich gut aussehende Männer anzuschauen, würde ihr ja wohl nicht schwerfallen, oder? Sie wusste, was sie wissen musste, und deshalb würde sie ihren Laptop nicht hervorholen, um alles noch einmal durchzugehen. Nicht, wenn sie stattdessen ein schönes, kleines Nickerchen machen konnte. 29 Gabe beobachtete, wie Mia die Männer während des Abendessens verzauberte. Sie lächelte, plauderte und diskutierte und zog dabei jeden einzelnen in ihren Bann. Die Frage war nur, ob er selbst auch unter ihrem Bann stand? Lisas Frage hallte immer wieder durch seinen Kopf. Bist du in sie verliebt? Er konnte den Zorn oder die Hilflosigkeit, die er bei so einer Frage empfand, nicht einmal erklären. Er hatte den ganzen Tag vor sich hingebrütet und war abwechselnd wütend und frustriert über seine Unfähigkeit gewesen, größeren Abstand zwischen sich und Mia zu bringen. Es versetzte ihn in Rage, dass er Lisas wütende Frage nicht sofort hatte von sich weisen können. Eigentlich hatte er die Vereinbarung sofort beenden, einfach gehen und ihr zusätzlich kündigen wollen. Aber er war dazu nicht in der Lage gewesen und dadurch fühlte er sich noch hilfloser. Er brauchte sie. Gott stehe ihm bei – er brauchte sie. Sein Blick glitt über die potenziellen Investoren – Männer, die später mit in die Suite kommen würden. Sie waren ganz offensichtlich scharf auf Mia – welcher gesunde, heterosexuelle Mann wäre das nicht? Gabe hätte deswegen am liebsten mit den Zähnen geknirscht, doch er unterdrückte die Anwandlung und packte die Gelegenheit, die sich ihm dadurch bot, beim Schopfe. Es war seine Chance, sich zu beweisen, dass seine Besessenheit von Mia nicht unumstößlich war. Dass er sie nicht liebte. Dass er sie nicht brauchte. Die Rahmenbedingungen dafür lieferte der Vertrag, obwohl er bis zum jetzigen Zeitpunkt nie wirklich daran gedacht hatte, sie einem anderen Mann zu überlassen. Allein die Vorstellung ließ Wut und heftige Eifersucht in ihm aufsteigen. Wie auch jetzt. Andererseits hatte sie schon einmal über ihre Neugier diesbezüglich gesprochen. Er wusste, dass sie es nicht strikt ablehnte. Und es war definitiv etwas, was er schon mal gemacht hatte. Er konnte es tun. Er würde es tun. Er konnte nur inständig hoffen, dass er es überlebte und nicht sich selbst – oder sie – damit zerstörte. Gabes Stimmung hatte sich gewandelt. Er war jetzt nicht mehr in sich versunken und wütend, sondern … Sie wusste nicht recht, in was für einer Stimmung er überhaupt war. Es bereitete ihr Sorge, denn jetzt starrte er sie immer wieder an, während er sie vorher kaum beachtet hatte. Diesen Blick kannte sie nicht, es schien fast so, als sehe er sie plötzlich in einem ganz anderen Licht. Als hätten seine Erwartungen eine dramatische Wende erfahren, ohne dass sie allerdings wusste, um welche Erwartungen es überhaupt ging. Während sie vorher froh über das Schweigen zwischen ihnen gewesen war, weil sie die Hintergründe seiner Launenhaftigkeit nicht hatte ergründen wollen, bereitete es ihr jetzt Unbehagen. Sie wollte ein Zeichen von ihm, wollte von ihm beruhigt werden, obwohl sie nicht recht wusste, warum. Während der Fahrt zum Hotel verstärkte sich die Anspannung immer mehr, sodass sie bald meinte, daran zu ersticken. Sie wollte ihn fragen, wollte in ihn dringen, aber etwas an seinem unverwandten Blick ließ sie die Antwort fürchten. In der Suite schloss Gabe sofort die Tür und richtete seinen funkelnden Blick auf sie. Er strotzte förmlich vor Dominanz, wo er ihr gegenüber vorher doch so viel Geduld und Zärtlichkeit gezeigt hatte. »Zieh dich aus.« Sein Tonfall ließ sie zusammenzucken. Er klang nicht wütend. Eher … entschlossen. Das Unbehagen breitete sich weiter in ihr aus, und sie zögerte, was dazu führte, dass er die Augen zu schmalen Schlitzen verengte. »Ich dachte …« Sie schluckte krampfhaft. »Ich dachte, sie kommen noch auf einen Drink herauf.« Waren die Pläne etwa geändert worden? Er nickte. »Das tun sie.« Oh Gott. »Lass es mich dir nicht noch einmal sagen müssen, Mia«, erklärte er mit gefährlich leiser Stimme. Ihre zitternden Händen wanderten zum Saum ihres Kleides, sie zog es sich über den Kopf, um es dann neben sich auf den Boden fallen zu lassen. Sie trat ihre Highheels weg, sodass diese über den Holzfußboden schlidderten. Tausend Dinge lagen ihr auf der Zunge, tausend Fragen brannten ihr auf der Seele, doch er wirkte so … abweisend … sodass sie die Lippen aufeinanderpresste und BH und Höschen auszog. »Geh zum Teppich in der Mitte des Raumes und knie dich hin«, sagte er. Während sie langsam zum Teppich ging, hob er ihre Kleidung und die Schuhe auf und brachte sie ins Badezimmer. Sie ließ sich wie befohlen auf die Knie sinken, der dicke Lammfellteppich strich weich über ihre Haut. Als sie ihn zurückkommen hörte, hob sie den Kopf und holte keuchend Atem wegen des Seils in seiner Hand. Es war kein normales Seil, wie man es in einem Baumarkt kaufen konnte, sondern aus lilafarbenem Satin geflochten. Es wirkte aufreizend und weich, und doch bestand kein Zweifel daran, dass es dafür bestimmt war, sie damit zu fesseln. Er nahm es in beide Hände und ließ die Enden herunterhängen, als er damit zu ihr trat. Er beugte sich über sie und zog ihre Hände wortlos auf den Rücken. Sie schloss die Augen und das Herz schlug ihr bis zum Hals, als er das Seil um ihre Handgelenke schlang und sie aneinanderfesselte. Überrascht stellte sie fest, dass es damit offensichtlich nicht getan war, denn er führte die Enden des Seils zusätzlich um ihre Knöchel, sodass sie sich überhaupt nicht mehr bewegen oder aufstehen konnte. Sie konnte nur noch knien und alles, was er mit ihr vorhatte, über sich ergehen lassen. Und diese Vorstellung erregte sie. Es verwirrte sie, dieses Verlangen, diese Neugier, diese lustvolle Begierde, die sie durchströmten. Sie hätte abwechselnd vor Nervosität aus der Haut fahren und anschließend dem Reiz des Verbotenen verfallen können … dass andere Männer sie berührten und unter Gabes Führung wer weiß was für Dinge taten. Denn nur das hatte er doch im Sinn, oder? Schließlich hatten sie mal darüber geredet. Gerade als er fertig war, ertönte ein Klopfen an der Tür, und sie zuckte zusammen, während ihr Puls so schnell in die Höhe schoss, dass sie ganz benommen war. »Gabe«, wisperte sie. All ihre Unsicherheit floss in diese unausgesprochene Bitte. Er zog noch einmal am letzten Knoten, und noch während er sich erhob, schob er seine Hand in ihr Haar und strich ihr beruhigend über den Kopf. Diese kurze Berührung besänftigte sie mehr, als jede andere Geste es getan hätte. Erleichterung stieg in ihr auf, während er zur Tür ging. Sie hatte von Anfang an über seine Wünsche, über seine Neigungen Bescheid gewusst. Er hatte sie detailliert erläutert. Und sie hatte ihren Namen unter einen Vertrag gesetzt, in dem sie ihm ihre Zustimmung gab, dass er mit ihr machen durfte, was er wollte. Vielleicht hatte sie nicht wirklich geglaubt, dass er das auch tun würde. Vielleicht hatte sie sich insgeheim aber auch erhofft, dass er es doch tun würde. Wie auch immer … jetzt kniete sie auf jeden Fall an Händen und Füßen gefesselt nackt auf einem Lammfellteppich und andere Männer würden sie gleich so sehen. Gabe öffnete die Tür und bat die drei Herren, mit denen sie zu Abend gespeist hatten, herein. Ihre Blicke hefteten sich sofort auf sie, und ihr fiel sofort auf, dass darin keine Überraschung lag. Kein Entsetzen. In ihren Augen waren nur Begierde und Anerkennung zu sehen. Hatten sie es gewusst? Hatte Gabe ihnen gesagt, was sie erwartete? Hatte er ihnen erzählt, sie sei die Attraktion des heutigen Abends? Gabe zollte ihr erst einmal keine Beachtung mehr. Sie hockte ruhig da, während er sich mit den Männern unterhielt und Getränke ausschenkte. Erst nach einer Weile kamen sie mit ihren Drinks in den Wohnbereich. Geschäftliches wurde besprochen. Gabe trug seine Ideen für das neue Hotel vor und erläuterte, in welcher Höhe die Kosten bereits gedeckt waren und welche Summen noch ausstanden. Es lief alles sehr geschäftsmäßig und höflich ab. Nur, dass sie wie ein Truthahn verschnürt dalag und keinen Faden am Leib trug, wollte nicht so recht ins Bild passen. Sie musterte die Männer, die alle gut aussahen und eine männliche Ausstrahlung besaßen. Sie bemerkte, dass ihre Blicke immer mal wieder – auch während der Besprechung geschäftlicher Details – zu ihr schweiften. Sie waren sich ihrer Anwesenheit durchaus bewusst, eine gespannte Erwartung schwebte wie ein lebendig atmendes Wesen durch den Raum. Die Luft war richtiggehend voll davon. Und dann kam Gabe auf sie zu, seine Hände nestelten an seinem Reißverschluss. Er zog ihn herunter und schob seine Hände in ihr Haar, umfasste ihren Kopf, ehe er ihre Wangen streichelte. Er fuhr mit einem Finger über den Rand ihrer Lippen, um ihn dann in ihren Mund zu schieben, wo er ihn an ihrer Zunge befeuchtete. Die anderen Männer sahen gebannt zu. Ihre Blicke hingen, voll deutlich sichtbarer Begierde, unverwandt auf Mia, während sie warteten. Gabe holte seinen Schwanz heraus, legte die Hand auf ihre Stirn und beugte ihren Kopf nach hinten, bis sie ihn im richtigen Winkel hielt. »Mund auf«, befahl er. Sie war sehr nervös, aber auch ein bisschen aufgeregt. Es erregte sie, dass sie es ihm direkt vor den Augen dieser Fremden mit dem Mund besorgen sollte. So viele widersprüchliche Empfindungen tobten in ihr, dass es ihr nicht möglich war zu erkennen, was sie in dieser Situation genau dachte oder fühlte. Aber sie vertraute Gabe, und das genügte, damit sie sich entspannte und sich ihm und seiner Fürsorge überließ. Sie öffnete den Mund, und er glitt zwischen ihre Lippen, um dann gleich tief mit der Kuppel seines Schwanzes bis in ihre Kehle hineinzustoßen. Ihre Wangen zogen sich nach innen und blähten sich gleich wieder, als er sich zurückzog und erneut in sie hineinglitt. In Anbetracht der Stimmung, in der er sich die ganze Zeit befunden hatte, ging er dabei überraschend sanft vor. Sie hatte erwartet, dass er grober, fordernder sein würde. Doch er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, strich mit den Daumen über ihre Wangen, während er weiter langsam und tief in sie drang. »Wunderschön«, murmelte er. »Ja, das ist sie«, sagte einer der Männer, der hinter Gabe stand. Die Stimme verwirrte sie und riss sie aus dem magischen Augenblick. Sie hatte deren Anwesenheit völlig vergessen können, all ihre Sinne waren auf Gabe gerichtet gewesen. Nur auf Gabe. Jetzt war sie sich der Gegenwart der Männer wieder bewusst … dass sie sie beobachteten, sie voller Begierde betrachteten, dass sie am liebsten an Gabes Stelle gewesen wären, den sie befriedigte. »Konzentrier dich nur auf mich«, flüsterte er, während er weiter zustieß und ihren Mund mit seinem Schwanz füllte. Dem Befehl war leicht Folge zu leisten. Sie schloss die Augen und verlor sich völlig in Gabes dominanter Haltung. Er begann sich schneller und kraftvoller zu bewegen. Er stieß zu und verharrte tief in ihrer Kehle. Dann ließ er kurz von ihr ab und strich mit den Händen über ihr Gesicht, während er darauf wartete, dass sie zu Atem kam. »Sie ist echt heiß«, hauchte Tyson. »Davon hätte ich auch gern ein Stückchen ab«, meinte Charles und seine Stimme klang vor Neid und Begierde gepresst. Gabes Griff um ihr Gesicht wurde fester. Er tauchte wieder tief ein und begann dann schnell und fest zuzustoßen, ehe sein Saft hervorschoss, in ihren Hals spritzte, über ihre Zunge strömte und über ihre Lippen floss, während er sich löste und gleich wieder zustieß. »Merde«, murmelte der Franzose. Die feuchten Sauggeräusche hallten fast schon laut und erotisch durch die Stille des Raumes. »Schluck«, befahl Gabe. »Leck mich sauber, Mia.« Er drängte sich immer wieder leicht in ihren Mund und gab ihr Zeit, seiner Anweisung zu gehorchen. Sie leckte und schluckte, bis er seinen von ihrem Mund feuchten Schwanz schließlich aus ihr herauszog. Er griff nach unten, nestelte an den Knoten an ihren Handgelenken und löste schließlich das Seil von Händen und Knöcheln. Ihre Arme und Beine schrien förmlich vor Schmerz auf, als er sie hochzog. Er hielt sie eine ganze Weile einfach nur fest, damit sie wieder zu Kräften kommen konnte. Dann nahm er sie auf seine Arme und trug sie zu dem langen Couchtisch, der vor den Sofas stand. Er legte sie darauf, spreizte ihre Beine und zog dann ihre Arme über ihren Kopf, um sie mit dem Seil um die Handgelenke an die Tischbeine zu binden. Als er sich wieder aufrichtete, wandte er sich an den Mann, der am dichtesten neben Mia saß. »Sie dürfen sie berühren. Sie dürfen ihr Lust bereiten. Aber tun Sie ihr nicht weh und machen Sie ihr auch keine Angst. Das hier ist jetzt nur für Sie. Der Schwanz bleibt in der Hose und dringt nirgendwo ein. Haben wir uns verstanden?« »Aber klar«, sagte Charles und stand auf. 30 Gabe trat von dem Tisch zurück, auf dem Mia lag. Sie bot einen unwiderstehlich verführerischen Anblick. Das lange, dunkle Haar war zerzaust und hing über die Tischkante, ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Lippen nach seinem Ritt noch leicht geschwollen. Charles Willis umkreiste sie wie ein lauernder Geier, während seine Augen den Anblick von Mias nacktem Körper gierig in sich aufsaugten. Gabes Magen zog sich zusammen, als Charles’ Finger über ihren Bauch zu ihren Brüsten glitten. Charles strich über eine der Knospen und massierte sie, bis sie steil aufragte. Stéphane und Tyson traten näher, ließen Charles aber weiter den Vortritt. Sie warteten wie Raubtiere auf ihre Chance, sie zu berühren. Es war falsch. So verdammt falsch. Sein Bauch schrie es förmlich heraus. Sein Kopf erhob Einspruch. Sie gehörte ihm. Kein anderer außer ihm durfte sie berühren und trotzdem hatte er das hier arrangiert. Wofür? Als Test? Wollte er sich damit irgendetwas beweisen? Er kochte innerlich, als Charles weiter Mias wunderschönen Körper erforschte. Einen Körper, der Gabe gehörte. Er war ein besitzergreifender Mann – das wusste er –, und doch hatte er bis jetzt nie ein Problem damit gehabt, anderen Männern zu erlauben, einer Frau Lust zu bereiten, die unter seiner Fürsorge stand. Es war ihm … egal gewesen. Aber nicht bei Mia. Er hasste jede einzelne Minute dieser Inszenierung. Lisas höhnische Frage hallte immer wieder durch seinen Kopf. Bist du in sie verliebt? Er wandte sich ab, weil er den Anblick von Charles’ Händen auf Mias Körper nicht länger ertragen konnte. Ihr leises Keuchen war zu hören. Mit den Händen in den Hosentaschen stand er angespannt auf der anderen Seite des Raumes, er wollte die Folgen seiner eigenen Dummheit weder hören noch sehen. Er war ein Idiot. Ein echter Drecksack. Ein feiges Arschloch. Das hier war nicht richtig. Er durfte nicht zulassen, dass das weiterging. Mit all dem hatte er sich nur bewiesen, dass er Mia nie mit jemand anderem teilen würde, und er wollte verflucht sein, wenn er einem anderen Mann erlaubte zu berühren, was ihm gehörte. Das musste ein Ende haben. Die Männer mussten gehen. Er wollte sich gerade umdrehen und sie rausschmeißen, als er erstarrte. Das Blut gefror in seinen Adern. »Nein!«, schrie Mia. »Gabe!« Sein Name als entsetzter Hilfeschrei. Er wirbelte herum und sah, dass Charles seinen Reißverschluss heruntergezogen hatte. Mit der einen Hand hatte er grob Mias Kopf gepackt, während er versuchte, sich in ihren Mund zu drängen. Rasende Wut stieg in Gabe empor und entlud sich mit der Gewalt eines Vulkanausbruchs. Er stürzte los und musste voller Entsetzen mit ansehen, wie Charles Mia, wütend über ihre Verweigerung, mit dem Handrücken eine Ohrfeige verpasste. Mias Kopf flog zurück. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Aus dem einen Mundwinkel floss sofort Blut. Gabe sah rot. Er riss Charles von Mia weg. Dieser stürzte auf die Couch, und Gabe fiel über ihn her. Die anderen Männer brachten sich eilig in Sicherheit, wobei der eine hastig seinen Reißverschluss hochzog. Charles knickte in der Taille ein, als Gabe ihm einen Fausthieb in den Magen verpasste, und wurde zu Boden geschickt, als ein zweiter Schlag seinen Kiefer traf. Gabe ragte drohend über ihm auf. Eine mörderische Wut kochte in seinen Adern. »Raus hier. Aber schnell. Und du kommst mir besser nie wieder unter die Augen, du Arschloch, sonst werde ich dich vernichten.« Er wollte nichts lieber, als den Mann zu Brei schlagen, doch er musste sich um Mia kümmern. Mia, die er so schrecklich verraten hatte. Mia, die ihm vertraut hatte. Mia, der gegenüber er sich so verwerflich verhalten hatte. Alles nur, weil er ein Feigling war und der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen wollte … sich nicht eingestehen wollte, was sie ihm bedeutete. Die beiden anderen Männer halfen Charles auf, stürmten zusammen aus der Suite und schlugen die Tür hinter sich zu. Gabe eilte zu Mia. Er meinte vor Angst fast zu ersticken. Ihre Lippen und ihr Kinn bebten, Tränen schimmerten in ihren Augen. Sie wirkte ängstlich und verlegen. In ihren von Tränen verschleierten Augen lag Scham, und das zerriss ihm das Herz. Und Blut. Verdammt noch mal. Da war Blut, wo das Schwein sie geschlagen hatte. Er kniete sich hin, um ihre Hände loszubinden, und seine Finger zitterten, während er an den Knoten nestelte. Er drückte den Mund in ihr Haar, an ihre Schläfe und übersäte sie mit Küssen. »Es tut mir so leid, Baby. Es tut mir so leid. Oh Gott, Mia. Ich wollte nicht, dass das passiert.« Sie sagte nichts, und er wusste nicht, ob sie schwieg, weil sie unter Schock stand, oder weil sie so wütend auf ihn war, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte. Keine dieser Reaktionen konnte er ihr vorwerfen. Das war alles seine Schuld. Er hatte ihr das angetan. Er hatte ihr wehgetan. Als er sie losgebunden hatte, nahm er sie in die Arme und hob sie vom Tisch. Er trug sie ins Schlafzimmer und krabbelte mit ihr aufs Bett, während er sie weiter fest an sich drückte. Sie drehte sich in seinen Armen und verbarg ihr Gesicht an seinem Hals. Die heißen Tränen, die seine Haut benetzten, rissen ihm förmlich das Herz aus der Brust. Verdammt noch mal, er war ein Drecksack. Ein komplettes Arschloch. Er drückte sie an sich, während die Verzweiflung über seinen Rücken emporkroch und ihm die Kehle zuschnürte. »Es tut mir leid, Mia. Mein Gott, es tut mir so leid.« Das war alles, was er sagen konnte. Immer wieder. Die Panik traf ihn mit der Wucht eines Faustschlags mitten in den Magen. Wenn sie nun ging? Er könnte ihr das nicht einmal zum Vorwurf machen. Nicht einmal, wenn sie nicht nur einfach ging, sondern förmlich rannte. »Bitte, Baby. Bitte, wein nicht. Es tut mir so leid. Es wird nie wieder vorkommen. Ich hätte es gar nicht erst zulassen sollen.« Er wiegte sie in seinen Armen, während sie sich, am ganzen Leib zitternd, weiter an ihn klammerte. Er wusste nicht, ob vor Angst, Aufregung oder Wut oder vielleicht einer Mischung aus allem. Er hatte alles verdient. Er hatte sie schmählich im Stich gelassen. Er hatte sie nicht beschützt. Er hatte sich nicht so um sie gekümmert, wie er es ihr versprochen hatte. Und alles nur, weil er auf Abstand hatte gehen wollen, weil er sich unbedingt hatte beweisen wollen, dass er sie nicht brauchte. Das war eine große Lüge. Denn er brauchte sie. Er war von ihr besessen, war ihr verfallen und von einer Sehnsucht nach ihr erfüllt, die bis in die Tiefen seiner Seele reichte. Noch nie war er von solch heftigen Gefühlen heimgesucht worden, wenn ein anderer Mann seine Hand an etwas gelegt hatte, das Gabe als sein Eigentum betrachtete. Aber er hatte sie nicht so behandelt, als wäre sie sein. Er hatte sie so behandelt, als wäre sie eine Sache. Ein Spielzeug und nicht eine Frau, die ihm etwas bedeutete. Er strich über ihren bebenden Rücken. Sie zitterte jetzt stärker, und er wollte sie unbedingt trösten, ihr das geben, was er ihr zuvor verwehrt hatte. Sie legte die Hände an seine Schultern und versuchte, sich von ihm zu lösen, doch er hielt sie weiter fest, er wollte sie auf keinen Fall loslassen. Er musste sie berühren, musste sie in seinen Armen spüren. Er hatte Angst, dass er sie nie zurückbekäme, wenn er sie jetzt gehen ließ. »Ich will duschen«, stieß sie schluchzend hervor. »Bitte, ich brauch das jetzt. Ich will mich einfach sauber machen. Er … hat mich angefasst.« Trostlosigkeit, eiskalt und schneidend wie ein Wintersturm, fegte durch Gabe hindurch. Natürlich fühlte sie sich vergewaltigt. Nicht nur von Charles, sondern auch von ihm. Er hatte den schlimmsten Verrat begangen, indem er überhaupt zugelassen hatte, dass das hier geschehen konnte. Er hatte es nicht nur zugelassen, sondern auch noch dazu angeregt. Wie sollte er je darüber hinwegkommen? Wie sollte sie darüber hinwegkommen? »Lass mich die Dusche für dich anstellen«, sagte er und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Ihre Wangen waren nass von Tränen, und in ihren Augen lag ein waidwunder Ausdruck, als sie ihn ansah. Blut sickerte immer noch aus ihrem Mundwinkel. Als sie ihm nicht in die Augen sehen konnte und den Blick abwandte, zog sich sein Magen zusammen. »Bleib hier, Baby. Ich stelle das Wasser an, dann kannst du gleich duschen.« Er entfernte sich vom Bett, obwohl alles in ihm schrie, sie nicht allein zu lassen, nicht einmal für den kurzen Zeitraum, den er brauchte, das Wasser anzustellen. Er fühlte sich vollkommen leer, Panik schnürte ihm die Kehle zu. Noch nie hatte er solch einen emotionalen Zusammenbruch erlebt. Er war völlig aus dem Gleichgewicht. Fast meinte er, den Verstand zu verlieren. So hatte er sich nicht gefühlt, als Lisa ihn verlassen hatte. Nicht, als sie ihn vor der Presse verleumdet, nicht als sie ihre Lügen verbreitet hatte. Nichts kam dem nahe, was ihn jetzt erfüllte, nichts der Furcht, in deren bösartige Klauen er geraten war. Er eilte ins Badezimmer, stellte die Dusche an und prüfte das Wasser, bis es die richtige Temperatur hatte. Er holte einen Bademantel und ein Laken, doch in seiner Hast war er ungelenk. Er fluchte, als das Laken von der Ablage rutschte, und bückte sich, um es aufzuheben, zurückzulegen und darauf zu achten, dass es von der Dusche aus gut erreichbar war. Er ging ins Schlafzimmer zurück und fand dort Mia auf der Bettkante sitzend. Die Beine hatte sie schützend an die Brust gezogen, die Knie lagen unter ihrem Kinn, ihr Kopf war gesenkt und ihr Haar floss wallend über ihre Beine. Sie sah so schrecklich verletzlich aus, dass Gabe am liebsten auf der Stelle tot umgefallen wäre. Er hatte ihr das angetan. Nicht Charles. Nicht irgendein anderer Mann. Sondern er. Um diese Tatsache kam er nicht herum. Er berührte ihre Schulter und erlaubte seinen Fingern, in ihr seidiges Haar zu gleiten. »Mia, Baby, die Dusche ist vorbereitet.« Er zögerte, ehe er weitersprach, ängstlich, dass sie ihn zurückweisen würde, obwohl er wusste, dass er es verdient hatte. »Willst du, dass ich dir helfe?« Sie hob ihr Gesicht und in ihren Augen lag immer noch ein gehetzter Ausdruck. Aber sie sagte nicht Nein. Sie sagte überhaupt nichts. Sie nickte nur. Erleichterung durchströmte ihn, ließ ihn erschüttert und schwach zurück. Er brauchte einen Moment, um wieder zu Kräften zu kommen. Sie hatte ihn nicht zurückgewiesen – noch nicht. Er nahm sie in die Arme, hob sie vorsichtig hoch und drückte sie so fest er konnte an sich, als er sie ins Badezimmer trug. Er stellte sie vor der Dusche auf den Boden und nahm sich gerade mal die Zeit, seine Kleidung abzustreifen, ehe er die Tür öffnete und vor ihr in die Kabine trat. Er streckte ihr die Arme entgegen, nahm ihre Hand und zog sie zu sich unter die Dusche. Ganz lange hielt er sie einfach in den Armen, während sie beide unter dem heißen Strahl standen. Dann wusch er sie, verwöhnte jeden Zentimeter ihres Körpers mit der duftenden Seife. Er ließ nichts aus und spülte vorsichtig alle Erinnerung daran fort, dass die Hände eines anderen Mannes auf ihr gelegen hatten. Er seifte ihr Haar ein, massierte ihre Kopfhaut und spülte dann alles gründlich wieder aus. Danach zog er sie in die Geborgenheit seiner Umarmung und hielt sie fest, während sie schweigend unter dem steten Strahl des warmen Wassers standen. Schließlich stellte er die Dusche ab, öffnete die Tür der Kabine und zog das Laken herein, damit ihr nicht kalt wurde. Er schlang es um sie und zog sie an sich, während er ihren Körper und die Haare trocknete. Um sich selber kümmerte er sich nicht, sondern nahm das Frösteln, das ihn erfasste, als seine Strafe auf sich. Nur sie war wichtig. Nicht er. Er hoffte nur, dass diese Erkenntnis nicht zu spät kam. Als sie vollkommen trocken war, wickelte er das Tuch um ihren Kopf und half ihr in den Bademantel aus dickem, weichem Stoff. Er zog ihn um die Taille fest zusammen, bedeckte ihren gesamten Körper, damit sie sich nicht verletzlich fühlte. Damit sie sich sicher fühlte. Auch vor ihm. Er führte sie ins Schlafzimmer zurück und schnappte sich auf dem Weg ein Handtuch, trocknete sich aber erst ab, nachdem er sie ins Bett gesteckt hatte, und zog sich schließlich ein Paar Boxershorts an. Er griff nach dem Telefonhörer und bestellte kurz angebunden heiße Schokolade. Dann setzte er sich auf die Bettkante und drängte sie, sich aufzusetzen, damit er ihr weiter die Haare abtrocknen konnte. Das Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, während er die einzelnen Strähnen bearbeitete. Nachdem er meinte, einen Großteil der Feuchtigkeit entfernt zu haben, nahm er das Tuch mit ins Badezimmer und holte ihren Kamm. Als er ins Zimmer zurückkam, saß sie noch genau so, wie er sie zurückgelassen hatte. Er kletterte aufs Bett und zog sie so zwischen seine Beine, dass er ihre zerzausten Strähnen entwirren konnte. Er ging unendlich geduldig vor, kämmte Strähne für Strähne, bis ihr Haar schließlich trocken und schlaff über ihren Rücken hing. Nachdem er den Kamm auf den Nachttisch gelegt hatte, griff er nach ihren Schultern und senkte den Kopf, um ihr einen Kuss auf den Nacken zu geben. Sie zitterte, als er sanfte Küsse auf ihrer Schulter verteilte und dann wieder zu ihrem Nacken zurückkehrte. »Es tut mir leid«, flüsterte er. Sie verkrampfte leicht unter seinen Lippen, dann war in der Ferne ein Klopfen zu hören. Widerwillig löste er sich von ihr und stieg vom Bett. »Ich bin gleich wieder da. Mach es dir bequem. Ich bring die heiße Schokolade her.« Sie nickte. Als er sich entfernte, ließ sie sich in die Kissen sinken, an denen er gelehnt hatte, und zog die Decke bis zum Kinn hoch. Er nahm der Bedienung vom Zimmerservice das Tablett ab und ging sofort zu Mia ins Schlafzimmer zurück. Er stellte es auf einen Tisch an der Wand ab und trug einen der dampfenden Becher zu Mia. Sie nahm ihn in beide Hände, als bräuchte sie die Wärme, und führte ihn an die Lippen, pustete auf die dampfende Schokolade und trank vorsichtig einen ersten Schluck. Sie zuckte zusammen, als die heiße Flüssigkeit mit der verletzten Lippe in Berührung kam, und führte den Becher mit einer Grimasse vom Mund. Er nahm ihr den Becher eilig ab, wütend auf sich, dass er daran nicht gedacht hatte. Er hatte nicht daran gedacht, dass die heiße Schokolade ihrem verletzten Mund Schmerzen bereiten würde. »Ich hole dir etwas Eis«, sagte Gabe. »Rühr dich nicht von der Stelle, Baby.« Er lief wieder ins Wohnzimmer, griff nach dem Eiskühler, den der Zimmerservice stehen gelassen hatte, und wickelte etwas Eis in ein Handtuch. Als er ins Schlafzimmer zurückging, saß Mia noch genauso da, wie er sie zurückgelassen hatte. Ihr Blick war leer und in die Ferne gerichtet. Er setzte sich neben sie und wagte es, den Eisbeutel vorsichtig gegen ihren Mund zu drücken. Sie zuckte zusammen und versuchte, sich zu entziehen, doch er blieb hartnäckig, seine Stimme war leise und sanft. »Mia, Liebling, das Eis wird dir guttun. Damit nichts anschwillt.« Sie hob die Hand, nahm ihm das Handtuch ab und rückte dann ein ganzes Stück von ihm ab. Er warf es ihr nicht einmal vor und versuchte auch nicht, sich dem zu widersetzen. Er hatte weit mehr verdient. Er stand auf und entfernte sich ein Stück, ehe er sich umdrehte und sie ansah. Ängstlich und besorgt ging er auf Abstand. Unsicher. Meine Güte, er war doch kein unsicherer Mensch, aber nun bei Mia wurde er von heftiger Unsicherheit erfasst. Das riesige Ausmaß der Scheiße, die er gebaut hatte, erdrückte ihn. Das hier war nichts, wo man »ups, tut mir leid« sagte, und alles war vergeben und vergessen. Er hatte sie in diese Situation gebracht. Er hatte zugelassen, dass ein anderer Mann sie missbrauchte, während sie unter seinem Schutz stand. Er wusste nicht, ob er sich das jemals vergeben könnte oder würde. Wie konnte er da von ihr erwarten, dass sie es tat? Er stand immer noch unschlüssig da, als sich ihr Griff um den Eisbeutel lockerte, der an ihrem Hals herunterrutschte. Sie sah erschöpft und mitgenommen aus. Dass das Licht in ihren wunderschönen Augen erloschen war, ließ ihn innerlich beben. »Ich bin müde«, sagte sie leise. Und sie sah in der Tat vollkommen erschöpft aus. Die Müdigkeit legte einen Schatten auf ihr Gesicht und ihre Augen waren trübe. Er hätte gern mit ihr geredet … um sie um Vergebung zu bitten … um ihr zu versichern, dass so etwas nie wieder passieren würde. Aber er würde sie nicht bedrängen. Sie musste von sich aus bereit dazu sein. Und es war offensichtlich, dass sie kein Verlangen danach hatte, über die Ereignisse des heutigen Abends zu reden. Vielleicht würde sie ja selber damit ins Reine kommen. Vielleicht aber sammelte sie auch einfach nur Mut, ihm zu sagen, dass er sich verpissen sollte. Er nickte mit einem Kloß im Hals. Er schaltete das Licht aus und ließ nur die Lampe auf seinem Nachttisch brennen. Dann stieg er ins Bett und wusste nicht, ob sie nun wollte, dass er sie anfasste oder nicht. Als er unter der Decke war, streckte er die Hand vor und löschte das Licht, das Zimmer lag jetzt in völliger Dunkelheit. Nur die Lichter der Stadt warfen schimmernd einen schwachen Schein auf die Vorhänge. Er drehte sich um und streckte automatisch die Arme nach ihr aus. Aber sie hatte sich bereits auf die Seite gedreht und kehrte ihm den Rücken zu. Sie wies seine Berührung nicht zurück, aber sie suchte auch nicht danach. Trotzdem legte er einen Arm um ihre Taille und zog sie fest an seine Brust. Er wollte, dass sie wusste, dass er da war. Und gütiger Gott … mehr als das brauchte er selber die Gewissheit, dass sie da war. Nach einer Weile stieß sie einen tiefen Seufzer aus und entspannte sich an seiner Brust. Ihre sanften, gleichmäßigen Atemzüge füllten den Raum und zeigten, dass sie eingeschlafen war. Oder zumindest, dass sie dabei war einzuschlafen. Aber er schlief nicht. Er schloss noch nicht einmal die Augen. Denn jedes Mal, wenn er es versuchte, sah er wieder den Ausdruck auf Mias Gesicht, als ein anderer Mann ihr mit Gewalt eine Berührung aufgedrängt hatte. 31 Als Mia am nächsten Morgen erwachte, lag Gabe nicht neben ihr im Bett. Er fehlte ihr, aber sie war auch erleichtert, denn sie wusste nicht, ob sie ihm schon wieder gegenübertreten konnte. Es gab so viel zu sagen, und sie war noch nicht sicher, wie sie es sagen sollte. Das war vielleicht feige, ja. Aber sie wusste, dass das, was sie zu sagen hatte, durchaus das Ende ihrer Beziehung mit Gabe bedeuten konnte. Sie lag immer noch unter der Decke und umarmte eines von Gabes Kissen, während sie überlegte, ob sie aufstehen sollte oder nicht, als Gabe mit einem Frühstückstablett in der Tür erschien. »Hast du Hunger?«, fragte er mit leiser, ernster Stimme. »Ich habe Frühstück bestellt.« Es erstaunte sie, wie nervös er wirkte. In seinem Blick lagen Sorge und echte Anteilnahme. Auch Bedauern war darin zu erkennen, das seine Augen jedes Mal trüb wirken ließ, wenn er sie anschaute. Ihr Herz zog sich zusammen und sie schloss die Augen, um die Bilder des letzten Abends zu verdrängen, die wieder auf sie einstürmten. »Mia?« Sie öffnete die Augen und sah ihn immer noch mit dem Tablett neben dem Bett stehen. Sie stemmte sich hoch und stopfte sich Kissen in den Rücken, um im Sitzen essen zu können. »Danke«, sagte sie, als er das Tablett auf ihre Beine stellte. Er ließ sich neben ihr aufs Bett sinken und strich mit dem Daumen über ihre verletzte Lippe. Sie zuckte zusammen, als er eine besonders empfindliche Stelle berührte, und sofort trat ein entschuldigender Ausdruck in seine Augen. »Wirst du essen können?«, fragte er mit leiser Stimme. Sie nickte. Dann senkte sie den Kopf und griff nach der Gabel, unfähig, ihm in die Augen zu schauen. »Ich habe alle Geschäftstermine abgesagt.« Sofort hob sie den Kopf, sie schien überrascht. Ehe sie etwas sagen konnte, fuhr er fort, als hätte sie gar nicht reagiert. »Ich habe unseren Rückflug auf morgen früh umgebucht. Aber heute will ich dir Paris zeigen. Den Eiffelturm, Notre- Dame, den Louvre und alles, was du sonst noch sehen möchtest. Für heute Abend habe ich um sieben einen Tisch reserviert. Für Pariser Verhältnisse etwas früh, aber wir reisen früh ab, und ich wollte, dass du dann ausgeruht bist.« »Das klingt wunderbar«, sagte sie heiser. Die Freude und Erleichterung, die bei ihrer Antwort in seine Augen trat, war überwältigend. Er öffnete den Mund, als wollte er noch etwas sagen, doch dann schloss er ihn wieder. Sie konnte nicht glauben, dass er sämtliche Geschäftstermine abgesagt hatte. Der einzige Grund für die Reise war doch das neue Hotelprojekt und damit Geschäftliches gewesen. Einen ganzen Tag mit Gabe in Paris zu verbringen, hätte auch direkt einem ihrer Träume entspringen können. Keine Termine. Keine fremden Männer. Nur sie beide, die Spaß hatten und es genossen, den Tag miteinander zu verbringen. Das klang himmlisch. Und einen kurzen Moment konnte sie sogar die Spannungen zwischen ihnen ignorieren. Sie konnte so tun, als hätte es die letzte Nacht gar nicht gegeben. Der Vorfall würde sich nicht in Luft auflösen. Über das Thema musste gesprochen werden. Aber sie nahm den Aufschub dankbar an und würde das, was sie Gabe zu sagen hatte, später ausführen. Doch wenn es so weit war, konnte das sehr wohl das Ende bedeuten. Während Gabe sie weiter mit besorgter Miene ansah, aß sie schnell, um so viel Zeit wie möglich für die Erkundung der Stadt zu haben. Nur ein Tag, um sich Paris anzusehen? Unmöglich. Aber sie würde so viel von Paris mitnehmen, wie sie konnte. Nachdem sie zu Ende gegessen hatte, zog sie sich an und steckte ihr Haar hoch. Sie machte sich nicht die Mühe, sich zu schminken. Sie hatte ihre Lieblingsjeans mitgenommen und war jetzt dankbar, sie anziehen zu können. »Heute Morgen ist es kalt draußen. Hast du etwas Warmes zum Anziehen eingepackt?«, fragte Gabe. Er lehnte am Türrahmen des Badezimmers und sah zu, wie sie ihre Jeans überstreifte. »Wir können alles kaufen, was du brauchst. Ich will nur nicht, dass du dich unwohl fühlst.« Sie lächelte. »Ich habe eine Strickjacke dabei. Wenn wir viel laufen, reicht die aus.« Er atmete laut hörbar aus. »Oh Gott, du bist wunderschön, wenn du lächelst.« Das Kompliment und die tiefe Ernsthaftigkeit in seiner Stimme überraschten sie. Sie lächelte noch breiter und senkte dann verlegen den Kopf. Nachdem sie Socken und Turnschuhe angezogen hatte, holte sie ihre Strickjacke und zog sie an, ließ sie aber vorn offen. Gabe war bereits angezogen und fertig, und so konnten sie gleich nach unten in die Hotelhalle fahren. Gabe ließ sich an der Rezeption einen Stadtplan geben und unterhielt sich noch einen Moment mit dem Angestellten. Dann machten sie sich auf den Weg. Sie traten aus dem Hotel, und Mia stockte fast der Atem, so schön war der Tag. Die Luft war frisch, sodass sie sich sofort belebt fühlte. Es konnte keinen perfekteren Tag für eine Besichtigungstour durch Paris geben. Der Himmel war strahlend blau und keine einzige Wolke war zu sehen. An der ersten Straßenecke zitterte Mia, als sie von einer schneidenden Bö getroffen wurde. Gabe runzelte die Stirn, löste sich von ihr und ging zu einem der Straßenhändler, die hier ihre Stände aufgebaut hatten. Er suchte einen hellen Schal aus, bezahlte und ging zu Mia zurück, die auf dem Bürgersteig stand. Er schlang den Schal um ihren Hals und bedeckte sie bis zu den Ohrläppchen mit dem warmen Stoff. »Besser?«, fragte er. Sie lächelte. »Perfekt.« Er legte einen Arm um ihre Schulter, zog sie an sich und so setzten sie ihren Spaziergang fort. Mia holte tief Luft und schwelgte in der Schönheit der Stadt. Häufig blieb sie stehen, um ein Schaufenster oder das Angebot der Straßenhändler zu betrachten. Gabe war die ganze Zeit ihr geduldiger und aufmerksamer Begleiter. Sobald er den Eindruck hatte, dass Mia etwas gefiel, kaufte Gabe es ihr schnell, mittlerweile waren sie mit mehreren Einkaufstüten beladen. Die Aussicht vom Eiffelturm war herrlich. Sie standen oben und blickten auf die Stadt Paris, während der Wind Mias Haar zerzauste und an den Enden ihres Schals zerrte. Spontan stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste Gabe auf den Mund. Seine Augen verdunkelten sich vor Überraschung, und sie meinte, auch Erleichterung darin zu erkennen. Als ihre Sohlen wieder den Boden berührten, lächelte sie wehmütig. »Es war immer ein Traum von mir, oben auf dem Eiffelturm geküsst zu werden.« »Dann lass es uns richtig machen«, erwiderte Gabe mit rauer Stimme. Er ließ die Tüten fallen und zog sie in seine Arme. Er legte die Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf, sodass ihr Mund den richtigen Winkel für seinen Kuss hatte. Seine Lippen glitten warm über ihre, und dann brachte er noch seine Zunge ins Spiel, mit der er sie lockte, den Mund zu öffnen. Sie seufzte an seinen Lippen, schloss die Augen und saugte jede Sekunde dieses Moments in sich auf. Hier, in einer der romantischsten Städte der Welt, erfüllte sich ein Traum aus Teenagertagen. Welche Frau wollte nicht gern auf dem Eiffelturm geküsst werden? Auch der Rest des Tages war eine Erfüllung ihrer romantischen Träume. Sie sahen sich Paris an, lachten, strahlten und sogen alle Herrlichkeit dieser Stadt in sich auf. Gabe war unglaublich lieb und verwöhnte sie nach Strich und Faden. Irgendwann bestellte er einen Fahrer, der ihre Tüten ins Hotel zurückbringen sollte; es waren zu viele geworden waren, um sie alle tragen zu können. Und am Ende des Tages führte er sie in ein Restaurant, von dem aus man auf die Seine schauen konnte. Die Abenddämmerung hatte eingesetzt und überall funkelten und blinkten Lichter. Sie war müde vom vielen Gehen, aber sie hatte noch nie einen so schönen Tag erlebt. Während sie auf das Essen warteten, griff Gabe unter den Tisch und nahm ihre Füße auf den Schoß. Er löste die Schuhbänder, zog ihr die Schuhe aus und begann, jeden Fuß einzeln zu massieren. Sie seufzte vor Vergnügen, als er Druck auf ihren Spann ausübte und über ihre Fußsohlen rieb. »Wir werden mit einem Taxi zum Hotel zurückfahren«, sagte er. »Du bist heute genug gelaufen. Deine Füße werden morgen bestimmt wehtun.« »Sie tun jetzt schon weh«, meinte sie kläglich. »Aber es war der herrlichste Tag, den ich je erlebt habe, Gabe. Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll.« Sofort wurde er ernst. »Du brauchst mir nicht zu danken, Mia. Ich würde wahrscheinlich alles tun, um dich zum Lächeln zu bringen.« In seinem Blick lag so große Ernsthaftigkeit, so viel Entschlossenheit. Jedes Mal, wenn er sie heute angeschaut hatte, war da eine Weichheit gewesen, die ihr Herz schneller schlagen ließ. Fast konnte sie den Eindruck gewinnen, er würde sich etwas aus ihr machen und mehr in ihr sehen als nur ein Sexobjekt. Ihr Essen wurde serviert, und Mia machte sich mit großem Appetit darüber her, obwohl sie den ganzen Tag über immer wieder köstliche Kuchen, außerdem Brot und Käse zu sich genommen hatten. Zum Ende des Essens hin ließ sie sich mehr Zeit, denn so schön der Tag auch gewesen sein mochte, wusste sie doch, dass das Thema angesprochen werden musste, das sie bisher gemieden hatten, sobald sie wieder im Hotel waren. Sie hatte es überhaupt nicht eilig, den Tag zu beenden. Er würde eine Erinnerung sein, von der sie ihr ganzes Leben lang zehren konnte. Egal, was die Zukunft auch bringen mochte, sie würde nie den Tag vergessen, den sie mit Gabe in Paris verbracht hatte. Als es an der Zeit war zu gehen, nahm Gabe ihre Hand und schob seine Finger zwischen ihre. Sie traten nach draußen auf eine Terrasse, von der aus man auf den Fluss schauen konnte. Ein Restaurantschiff fuhr mit festlich funkelnden Lichtern vorbei. Es war eine herrliche Nacht. Die Luft war kühl, wie ein Vorbote des Winters. Am Himmel war der Mond gerade über den Horizont getreten. Sie seufzte und genoss die Aussicht, die Boote, die Pärchen, die am Fluss entlanggingen. Ja, es war ein perfekter Tag und ein perfekter Abend gewesen. Gabe zog sie an seine Brust und legte die Arme um sie, um sie warm zu halten, während sie weiter auf den Fluss schauten. Er küsste sie auf die Schläfe und zog ihren Kopf dann unter sein Kinn. In ihrer Brust breitete sich ein Schmerz aus, der nicht mehr schwinden wollte. Ach, wenn es doch nur immer so zwischen ihnen sein könnte. Das war eine Hoffnung – eine Traumvorstellung –, die nicht vergehen wollte. Sie schloss die Augen und genoss den Moment. Gabe zu spüren, seine Nähe. Es schien ihm genauso sehr wie ihr zu widerstreben, den Abend zu beenden. Er nahm ihre Hand und führte sie zum Taxistand ein kleines Stück die Straße hinunter. Ein paar Minuten später waren sie auf dem Weg zurück ins Hotel. Zurück in der Realität, die auf sie wartete. 32 Mia saß in einem von Gabes T-Shirts, das ihr fast bis zu den Knien reichte, auf dem Bett. Gabe duschte, und sie wartete nervös darauf, dass er zu Bett gehen würde. Sie hatte eine Weile gebraucht und sich genau überlegt, was sie sagen wollte, hatte nicht übereilt reagieren wollen, als sie so durcheinander gewesen war. Vielleicht hätte sie dann Dinge gesagt, die sie später bereute. Denn dafür war das hier zu wichtig. Doch jetzt hatte sie all ihren Mut zusammengenommen und war bereit, mit Gabe zu reden. Sie wollte ihm kein Ultimatum stellen. Sie wollte ihm die Wahrheit sagen. Die Tür ging auf und er kam mit einem locker um die Hüften geschlungenen Handtuch heraus. Sein Haar war nass, Wassertropfen glitzerten auf seinem Oberkörper. Er war … schön. Anders konnte man es nicht sagen. Das Tuch rutschte herunter, als er Unterwäsche aus seinem Koffer holte, dadurch erhaschte sie einen erstklassigen Blick auf seinen Hintern und, als er sich umdrehte, auch auf seinen Schwanz, der selbst schlaff beeindruckend war. Sie wandte den Blick ab und hatte Schuldgefühle, weil sie ihn so unverhüllt mit den Augen verschlang. Sie wollte sich nicht ablenken lassen. Als er ans Bett trat, holte sie tief Luft und stürzte sich ins Unvermeidliche. Wenn sie es jetzt nicht ansprach, würde sie all die Dinge, die ihr auf der Seele lagen, nie loswerden. Es war besser, sie einfach auszusprechen, egal, wie ungelenk die Formulierungen sein mochten. »Ich hasse das, was gestern Abend passiert ist«, erklärte sie unverblümt, aber mit leiser, leicht zitternder Stimme. Er schloss kurz die Augen und verharrte, obwohl er gerade ins Bett hatte steigen wollen. Stattdessen hockte er sich auf die Kante und bewahrte einen gewissen Abstand zwischen ihnen beiden. »Ich weiß«, sagte er leise. Sie fuhr fort, wusste, dass sie noch mehr zu sagen hatte – noch mehr sagen musste. »Ich habe es gehasst, von ihm angefasst zu werden. Ich weiß, welchen Punkten ich zugestimmt habe, Gabe. Ich weiß, dass ich einen Vertrag unterzeichnet habe. Und ich weiß, dass ich nicht grundsätzlich gegen die Vorstellung war – es zumindest ausprobieren wollte. Aber ich will nicht, dass jemand anders als du mich berührt. Ich habe mich vergewaltigt gefühlt. Ich habe mich schmutzig gefühlt. Und ich will mich in unserer Beziehung nie wieder so fühlen.« »Oh Gott, Baby. Nein«, flüsterte er. Er wirkte gebeutelt, fast schon verwundet. Trotzdem fuhr sie fort, sie war noch nicht bereit, ihn reden zu lassen. »Es ist mir egal, was in dem Vertrag steht«, erklärte sie mit rauer Stimme. »Ich hasse dieses Ding jetzt. Der einzige Mann, der mich überhaupt anschauen soll, bist du. Kein anderer Mann, dem du beschließt, dein Spielzeug auszuleihen.« Ein erstickter Laut drang aus seinem Mund, doch sie hob die Hand, weil sie unbedingt zu Ende führen wollte, was sie zu sagen hatte. Oh nein, sie durfte sich jetzt nicht von ihm unterbrechen lassen, sonst würde sie nie wieder den Mut aufbringen auszusprechen, was sie doch sagen musste. »Ich werde es nicht wieder tun.« Sie schüttelte den Kopf, um ihrem Standpunkt Nachdruck zu verleihen. Damit er wusste, wie ernst sie es meinte. »Ich weiß, dass ich zugestimmt habe, es zuzulassen, aber ich will es nicht. Ich werde es nie wollen. Ich habe jede einzelne Minute davon gehasst. Wenn das je wieder passiert, ist für mich Schluss. Ich werde gehen und nie wieder zurückkommen.« Als könne er sich keine Minute länger zurückhalten, streckte er ihr die Arme entgegen und zog sie an seine Brust. Er drückte sie so fest an sich, dass sie kaum noch atmen konnte. »Es tut mir leid, Mia. Es tut mir so schrecklich leid. Es wird nie wieder passieren. Niemals. Niemand wird dich je wieder anfassen. Oh Gott, ich habe auch jede einzelne Minute gehasst. Ich wollte es gerade beenden, als ich deinen Schrei hörte. Ich hörte die Angst in deiner Stimme und ich hörte dich Nein sagen. Und ich hatte dir geschworen, dass das das einzige Wort wäre, das du je sagen müsstest, damit ich oder jemand anders aufhört. Und dann hat dieser Hurensohn dich geschlagen, ehe ich bei dir war. Heilige Mutter Gottes, ich werde mir das niemals vergeben, Mia. Niemals. Dass du Angst hattest … dass dieses Schwein dich dazu bringen wollte, Dinge zu tun, die du nicht wolltest.« Er zitterte am ganzen Körper. Seine Hände strichen aufgeregt über ihren Rücken. Er zog ihren Kopf nach hinten und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, um ihr tief in die Augen zu sehen. »Es tut mir so leid, Baby. Ich weiß nicht, ob ich mir je verzeihen kann, was ich getan habe. Ich habe es gehasst. Ich habe es gehasst, Mia.« »Aber warum hast du es denn dann getan?« Er wandte den Blick ab und senkte den Kopf, während seine Hände von ihrem Gesicht glitten. Er schloss die Augen, und sie merkte ihm an, wie sehr er sich selber verabscheute. »Weil ich ein elender Feigling bin.« Seine Stimme war so leise, dass sie kaum hörte, was er sagte, und auch dann war sie sich nicht sicher, ob er wirklich gesagt hatte, was sie meinte gehört zu haben. Was hatte das zu bedeuten? Er griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht, dann hob er sie an seine Lippen und drückte einen Kuss auf die Handfläche. »Eines kann ich dir sagen, Mia. Es wird nie wieder vorkommen. Ich bitte dich, etwas zu vergeben, was man eigentlich nicht vergeben kann. Ja, du hast einen Vertrag unterschrieben, aber das, was da drin stand, wolltest du nicht. Gestern Abend nicht. Und auch sonst nie. Und ich glaube, dass ich das auch schon vorher wusste. Ich wusste es und habe diesem Schwein trotzdem die Erlaubnis gegeben, dich zu berühren. Ich hasse mich dafür. Ich trage die Verantwortung zu wissen, was du willst und begehrst, und das über meine eigenen Wünsche zu stellen. Das habe ich letzte Nacht nicht getan.« Das erklärte aber immer noch nicht, warum er es überhaupt getan hatte. Es war aus heiterem Himmel passiert. Sie hatten zwar über diese Möglichkeit gesprochen, aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass er es wirklich tun würde. Sie fragte sich noch immer, was in ihm vorgegangen war, als er diese Männer in die Suite eingeladen hatte. Er war nachdenklich und in einer seltsamen Stimmung gewesen, seit sie New York verlassen hatten. Hatte es etwa mit einer Entscheidung zu tun? Versuchte er, ihr etwas klarzumachen, das sie nicht verstand? Oder hatte es gar nichts mit ihr zu tun? »Es tut mir leid, Baby.« Seine Stimme wurde noch leiser und erstickte fast vor Bedauern. »Bitte, vergib mir. Bitte, sag, dass du bleibst und nicht gehst. Obwohl du natürlich genau das tun solltest. Ich verdiene dich nicht. Ich verdiene deine Lieblichkeit nicht und auch nicht dein Verständnis. Aber ich will es trotzdem haben. Meine Güte – ich weiß nicht einmal, ob ich ohne das leben kann.« So deutlich hatte er noch nie gestanden, dass sie ihm mehr bedeutete als der Sex, den sie miteinander hatten. Sie beugte sich vor, kniete sich hin und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. »Du musst nicht ohne diese Dinge – oder ohne mich – leben«, flüsterte sie. »Ich bin hier, Gabe. Ich gehe nirgendwo hin. Aber es darf nur uns beide geben. Dich und mich. Keine anderen Männer.« Es fiel ihr schwer, den Schauer zu ignorieren, der über ihren Rücken lief. Seine Augen begannen vor Erleichterung zu strahlen. Dann riss er sie an sich und drückte sie fest an sich. Er küsste ihre Schläfe, ihren Scheitel, jede Stelle auf ihrem Kopf, als könne er nicht anders, als sie irgendwie zu berühren. »Nur wir«, raunte er ihr ins Ohr. »Ich schwöre es.« Dann löste er sich gerade so weit von ihr, dass er seine Stirn gegen ihre sinken lassen konnte. »Lass uns nach Hause fahren, Mia. Ich will das alles hinter uns lassen. Ich will, dass du es vergessen und aus deiner Erinnerung streichen kannst. Ich weiß, dass ich dir schrecklich wehgetan habe. Ich schwöre dir, dass ich es wiedergutmachen werde.« Sie genoss das leidenschaftliche Versprechen, klammerte sich fest daran. Das klang so, als gäbe es eine Zukunft für sie, als wolle er mehr als nur den vertraglich vereinbarten Sex. War es dumm von ihr, das zu glauben? Sie schlang die Arme um seinen Hals. »Lieb mich, Gabe. Mach unsere letzte Nacht in Paris zu etwas ganz Besonderem.« »Oh Baby«, sagte er mit stockender Stimme. »Ich werde heute Nacht jeden einzelnen Zentimeter von dir lieben. Und dann werde ich dich während des gesamten Rückflugs in den Armen halten, während du schläfst.« Mia erwachte mitten in der Nacht und blinzelte, um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ein schmaler Lichtstrahl aus dem Badezimmer erhellte Gabes schlafendes Gesicht. Sie lag geborgen an seiner Seite. Er hatte sein Bein über das ihre gelegt, sodass sie sich nicht von der Stelle rühren konnte. Einen Arm hatte er um ihren Körper geschlungen. Sogar im Schlaf war er höchst besitzergreifend. Andererseits hatte er anderen Männern erlaubt, sie anzufassen … wie besitzergreifend war er also wirklich? Doch sein Bedauern und der Schmerz in seiner Miene, als er sich immer wieder bei ihr entschuldigt hatte, waren nicht gespielt gewesen. Sie war immer noch nicht hinter die Gründe für sein Verhalten gekommen, aber sie wusste, dass der Vorfall etwas in ihm verändert hatte. Etwas Gravierendes. Etwas, das er vielleicht sogar selbst nicht verstand. Sie versuchte, sich aus seiner Umarmung zu lösen, und er wurde wach. Verschlafen sah er sie an. »Ich muss ins Badezimmer«, flüsterte sie. »Komm schnell wieder«, murmelte er und rückte etwas von ihr ab, sodass sie aufstehen konnte. Sie ging zur Toilette und betrachtete sich anschließend im Badezimmerspiegel. Sie zuckte zusammen, als sie die immer noch sichtbare Schwellung an ihrem Mund betrachtete, die sich bereits dunkel verfärbt hatte. Wie um Himmels willen sollte sie das Jace erklären? Er würde ausrasten, wenn er das sah. Sie würde Caros Schminkkünste in Anspruch nehmen müssen. Jede Faser ihres Körpers war hochgradig empfindlich, aber nicht aus den üblichen Gründen. Gabe war außerordentlich zärtlich mit ihr umgegangen. Entsetzlich zärtlich. Sonst hatte er immer die Kontrolle über sich verloren, war scharf auf sie gewesen, was sie wiederum scharf auf ihn gemacht hatte. Aber heute Nacht? Er hatte sich unendlich viel Zeit genommen. Er hatte sie gestreichelt und quälend zärtlich und liebevoll erregt. Allein der Gedanke beschleunigte ihren Atem und ließ Schmetterlinge in ihrem Bauch umherschwirren … so schmerzhaft schön war ihr Liebesspiel gewesen. Zum ersten Mal hatte sie nicht das Gefühl gehabt, dass es nur Sex war. Weil sie wusste, dass er nach ihr suchen würde, wenn sie ihn zu lange warten ließ, ging sie ins Schlafzimmer zurück und krabbelte wieder ins Bett. Gabes Augenlider flatterten und er sah sie mit halb geöffneten, verschlafenen Augen an. Er streckte ihr die Arme entgegen, aber sie wich ihm aus und hockte sich stattdessen hin, um ihn im schwachen Lichtschein zu mustern. Er war so unglaublich schön, und sie hatte sich vom ersten Tag an danach gesehnt, ihn zu berühren und zu erkunden. Sie hatte nie richtig die Gelegenheit dazu bekommen, weil Gabe immer, absolut immer die Führung übernommen hatte. Gabe runzelte die Stirn und stützte sich auf einen Ellbogen. Durch die Bewegung glitt die Decke von seinem Körper und entblößte seine Brust, wohingegen sie sich an seinen Hüften bauschte. Er betrachtete sie mit sorgenvollen Falten auf der Stirn. »Mia?« In seiner Stimme schwang Unsicherheit mit … ein Anflug von Furcht, der sie überraschte. »Was ist los?«, fragte er leise. »Nichts«, sagte sie mit heiserer Stimme. Er senkte die Lider. »Warum bist du dann nicht hier?« Er klopfte auf die Mulde, wo ihr Körper vorhin noch gelegen hatte. Sie kam auf die Knie hoch und krabbelte näher an ihn heran. Dann legte sie die Hände auf seine Brust und achtete sorgfältig auf seine Reaktion auf ihre Annäherung. Sein Körper war wie ein Magnet für ihre Hände. Es kribbelte ihr in den Fingern, alle Muskeln und Formen zu erforschen. »Ich will dich berühren, Gabe. Darf ich dich berühren?«, flüsterte sie. Seine Augen funkelten hell im schwachen Licht. Er atmete ruckartig ein, und seine Brust senkte sich, als er schnell wieder ausatmete. »Aber ja.« Sie beugte sich über ihn, bis ihre Haare über seine Haut strichen und ihr Gesicht dicht über seinem war. »Ich will mehr, als dich nur berühren.« Er hob die Hand, legte sie an ihre Wange und strich mit dem Daumen über die Prellung an ihrem Mundwinkel. »Baby, tu, was immer du willst. Ich werde mich nicht beschweren.« »Okay, sehr schön«, hauchte sie. Jetzt, wo sie ihn da hatte, wo sie ihn haben wollte, wusste sie nicht recht, wo sie anfangen sollte. Sie ließ die Hände über seine Brust gleiten, zu den Schultern und dann über seine Arme nach unten, ehe sie sich seinem straff gespannten Bauch zuwandte. Sie zeichnete jeden einzelnen Bauchmuskel mit den Fingern nach und senkte dann den Kopf, um mit ihrer Zunge das gleiche Muster zu malen. Seine Hand fuhr grob in ihr Haar, und seine Finger legten sich fest um ihren Hinterkopf, um sie nach unten zu drücken, damit sie ihren Mund nicht von seiner Haut nahm. Ermutigt davon, dass es ihm offensichtlich gefiel, gewann sie an Selbstvertrauen. Sie zog die Decke herunter und entblößte ihn ganz. Sein Schwanz befand sich in halb erregtem Zustand; lang und dick erhob er sich aus dem dunklen Haar zwischen seinen Beinen. Voller Vorfreude gab sie ein schmatzendes Geräusch von sich und Gabe stöhnte laut auf. »Um Himmels willen, Mia.« Sie schwang ein Bein über ihn und setzte sich rittlings auf seine Oberschenkel, sodass sie sich knapp unterhalb seines Schwanzes befand, der mit jeder Sekunde anschwoll. Er strebte nach oben und reckte sich seinem festen Bauch entgegen. Außerstande, der Versuchung zu widerstehen, griff sie nach unten und legte beide Hände um sein mächtiges Glied. Kaum berührten ihn ihre Finger, zuckte er wie unter Krämpfen zusammen und reckte die Hüften nach oben, um ihr noch weiter entgegenzukommen. Seine Erektion lag fest zwischen ihren Bäuchen, als sie sich über ihn beugte und seinen Mund eroberte. Er drückte sich wie ein Brandeisen pulsierend gegen ihren Unterleib. Sie schob ihre Zunge in seinen Mund und vollführte damit einen provozierend kriegerischen Tanz. Um zu erforschen, wie weit sie gehen konnte, zog sie an seinen Händen und legte sie, wie einst er, neben seinen Kopf und drückte sie mit ihren in die Matratze. Er lächelte an ihrem Mund. »Das Kätzchen wird aggressiv und entwickelt sich zu einem Löwen.« »Stimmt genau«, knurrte sie. »Heute Nacht sage ich, wo’s langgeht.« »Ich mag diese Seite an dir«, murmelte er. »Das turnt mich an, Mia. Du bist wie eine Tigerin. Wild.« »Darauf kannst du wetten«, raunte sie zurück. Und dann brachte sie ihn zum Schweigen, indem sie seinen Mund verschlang, so wie er es so viele Male bei ihr getan hatte. Sie küsste ihn, bis er kaum noch Luft bekam. Seine Brust hob und senkte sich unter stockenden, unregelmäßigen Atemzügen. Sie liebte das. Er war heiß auf sie. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt, er zitterte unter ihrem Körper. In seinen Augen loderte ein Feuer, trotzdem versuchte er nicht, ihr seine Hände zu entziehen. Selbst nachdem sie versuchsweise seine Hände losließ, wagte er nicht, sie von der Stelle zu nehmen, wo sie sie platziert hatte. Er erlaubte ihr, dieses Mal das Steuer in die Hand zu nehmen. Hocherfreut gestaltete sie einen Pfad aus Küssen auf seiner Brust und ließ dabei ihr Haar über seine Haut streichen. Sie rutschte an seinen Beinen nach unten, bis sie in Höhe seiner Knie hockte. Ihre Hände legten sich wieder um seinen harten Schwanz, dann verharrte sie einen Moment, indem sie ihn einfach nur festhielt. Sie schaute zu ihm auf und sah, dass er sie keine Sekunde aus den Augen ließ. Heftige Begierde und Verlangen flackerten in der Tiefe seines Blicks. Mit einem zufriedenen Lächeln senkte sie den Kopf über sein mächtiges Glied und nahm die Kuppel in den Mund. Ihre Zunge flatterte hinüber und glitt dann nach hinten, zu der großen Ader, die in voller Länge deutlich sichtbar war. Er konnte ein lautes Zischen nicht zurückhalten und drückte den Rücken durch, um noch tiefer in ihren Mund einzudringen. »Oh Gott, Mia.« Seine Stimme klang so angespannt, dass seine Worte kaum zu verstehen waren. Sie lächelte. Es war ein zufriedenes, arrogantes Lächeln, ein Zeichen, dass sie wusste, dass ausnahmsweise sie einmal die Führung übernommen hatte. Er war genau da, wo sie ihn haben wollte. Wachs in ihren Händen. Er wollte sie unbedingt, und trotzdem schien er nichts dagegen zu haben, sie alles tun zu lassen, was sie wollte. Alles. Als würde man eine Frau mit PMS an ein Schokoladenbüffet führen. Sie saugte ihn tief in sich hinein und nahm ihn bis in ihre Kehle auf. Dann schluckte sie, sie drückte und massierte seinen Schwanz von allen Seiten. Sie hörte sein lautes Stöhnen, dann fuhren seine Hände in ihr Haar. Sie musste grinsen. Es hatte also nicht lange gedauert, bis er seine Hände von der Stelle entfernt hatte, wo sie sie platziert hatte. Aber das war in Ordnung, denn das Gefühl seiner Hände in ihrem Haar war herrlich. Sie mochte die Dringlichkeit, mit der seine Finger sich um ihre Haare schlossen und daran zogen. Trotzdem überließ er ihr weiter die Führung. Er zog sie nicht auf seinen Schwanz herunter. Seine Hände blieben einfach nur in ihrem Haar, als müsse er mit ihnen etwas machen, um nicht durchzudrehen. Sie nahm ihn wieder tief in sich auf und glitt dann aufwärts, wobei sie eine nasse Spur auf der seidig-glatten Haut hinterließ. »Grundgütiger«, hauchte Gabe. »Verdammt, Mia. So ist’s gut, Baby. Nimm ihn tief in deinen Mund. Ich liebe es, wenn du dabei schluckst.« Erneut senkte sie den Kopf, bis ihre Nase sein Becken berührte, und gab dann einen leisen, zufriedenen Laut von sich, der um seinen Schwanz vibrierte. Seine Hände verkrampften sich in ihrem Haar, und zum ersten Mal stieß er nach oben, sein gesamter Körper war so angespannt, dass sie spüren konnte, wie seine Muskeln zuckten. Als sie den Atem nicht länger anhalten konnte, zog sie seinen Schwanz aus ihrem Mund und holte keuchend Luft, während ihre Finger sich um ihn legten, ihn von oben bis unten massierten und sie Gabe dabei tief in die Augen schaute. Sein sengender Blick hing voller Leidenschaft und hungriger Zustimmung an ihr. Oh ja, es gefiel ihm sehr, was sie tat. Lächelnd hielt sie ihn weiter fest und rückte dabei Zentimeter für Zentimeter nach oben, bis sein Schwanz genau zwischen ihren Schenkeln lag. Dann kam sie ein Stück hoch, schob die Spitze an ihre Öffnung und sank, ohne zu zögern, herab, sodass sie ihn mit einer einzigen schnellen Bewegung tief in sich aufnahm. Gabe gab einen erstickten Laut von sich, seine Hände fuhren zu ihren Hüften und seine Finger bohrten sich tief in ihr Fleisch, als sie sich auf ihm bewegte, auf der Suche nach einer bequemeren Position. »Meine Güte, du bist so schön«, sagte er und sein Blick glitt an ihrem Körper auf und ab. Seine Hände lösten sich von ihren Hüften, legten sich auf ihre Brüste und drückten sie, während seine Daumen über die harten Knospen strichen. Aber hier ging es nicht um sie. Nicht, dass sie das Ganze nicht unendlich genossen hätte, aber das hier war jetzt für ihn. Nur für ihn. Sie wollte seine ganze Welt erschüttern. Wollte ihm ein für alle Mal klarmachen, dass er es nie wieder einem anderen Mann erlauben wollte, sie zu berühren. Stöhnend warf sie ihr Haar zurück und begann, sich mit wellenartigen Bewegungen an ihm zu reiben, während sich ihr Körper in gleichmäßigem Rhythmus hob und senkte. Sie spürte die Anspannung, die von ihm ausging. Sie konnte sehen, wie verkrampft sein Körper war. Wie fest er die Zähne zusammenbiss, sah die angestrengten Linien um Mund und Augen. Und dann schloss er die Augen. »Augen«, sagte sie heiser und wiederholte damit den Befehl, den er ihr so häufig gegeben hatte. »Ich will dir in die Augen sehen, wenn du kommst.« Seine Augen öffneten sich, seine Pupillen waren geweitet, die Nasenflügel flatterten, und er knirschte fast mit den Zähnen, aber er wandte noch nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde den Blick von ihr ab. »Ich tue alles für dich, Baby.« Das machte sie glücklich. Wirklich richtig glücklich. Ein zufriedener Seufzer kam leise über ihre Lippen und sie tauchte ihn in ihre seidige Nässe. Sie erhöhte die Geschwindigkeit, und ihre Bewegungen wurden kräftiger, sodass sie ihn weiter und weiter der Erlösung entgegentrieb, bis er schließlich den Unterkiefer vorschob, seine Augen anfingen zu glitzern und unverständliche Laute über seine Lippen drangen. Sie sah den Moment, in dem er kam. Noch ehe sie seine Erlösung spürte, konnte sie den Höhepunkt in seinen Augen erkennen. Das Auflodern, die plötzliche Leere. Dann legten sich seine Hände fest um ihre Taille, und er packte sie so grob, dass bestimmt Spuren davon bleiben würden. Doch dann glitt eine Hand weiter nach unten und seine Finger schoben sich in die Hautfalten bis zu ihrem Kitzler, den sie rieben, während sie sich weiter auf ihm bewegte. Als sie schon die Augen schließen wollte, ertönte schnell der Befehl, und zum ersten Mal war er wieder der Bestimmende. »Augen. Auf mich, Mia. Wenn du kommst, will ich in deine Augen schauen.« Sie richtete den Blick auf ihn. Ihr Orgasmus rückte immer näher und sie zog sich mit einer alles verzehrenden Heftigkeit zusammen. Rastlos und wild hing sie über ihm, und jetzt war es an ihm, sie zu führen und mit steter Ruhe zu ihrem Höhepunkt zu begleiten. Mit einer Hand strich er über ihren Körper, während er seine Finger weiter sanft über ihren Kitzler rieb. Es war überwältigend. Sie besaß noch nicht einmal mehr die Kraft, aufrecht zu bleiben, als die erlösenden Krämpfe ihren Körper erfassten. Sie spannte sich an und sackte nach vorn, wo er sie mit seinen Armen umschlang, an sich zog und an seiner Brust barg, während der Orgasmus wie ein tosender Sturm durch sie hindurchfegte. Gabe zog sie fest an sich und in seinem Kopf drehte sich alles, angesichts dessen, was er gerade erlebt hatte. Er war voller Ehrfurcht. Er fühlte sich ganz klein. Aber vor allem war er so verflucht dankbar. Er hatte keine Worte für das, was sie gerade für ihn getan hatte. Sie hatte ihn geliebt. Nach allem, was er ihr angetan hatte, vertraute sie ihm immer noch, mehr noch … hatte sie sich ihm so selbstlos geschenkt. Er war völlig überwältigt von dem, was er in den Armen hielt. Der Wunsch, es nie wieder herzugeben, war so heftig, dass es ihn selbst verwunderte. Er hasste sich für das, was er getan hatte. Aber sie tat das nicht. Und das war fast mehr, als er ertragen konnte. Sie hatte ihn an einer Stelle berührt, von der er gemeint hatte, niemand hätte Zugang zu ihr. Ein Teil von ihm, den er jahrelang eifersüchtig gehütet hatte. Und sie war einfach so dorthin vorgedrungen. Sie war in sein Leben und in sein Herz getreten, als würde sie dort hingehören. Und das Verrückte daran war, dass er auch davon überzeugt war, dass das stimmte. 33 Auch wenn der Vorfall in Paris für Mia in vielerlei Hinsicht sicher traumatisch gewesen war, stellte der Abend doch auch eine entscheidende Wende in ihrer Beziehung dar. Gabe war ihr gegenüber jetzt noch fürsorglicher und legte eine Zärtlichkeit – eine gefühlvolle Zärtlichkeit – an den Tag, die vorher nicht da gewesen war. Das ermutigte Mia. Sie wagte es, sich Träumen von einer Beziehung hinzugeben, die irgendwann über die vertragliche Vereinbarung hinausging. Sie liebte Gabe, und mit jedem Tag, der verstrich, geriet sie mehr in seinen Bann. Die Liebe machte sie geduldig. Sie gab ihr Hoffnung. Sie bedauerte nur eines … dass sie ihre Beziehung geheim halten mussten. Vor der Öffentlichkeit. Vor Jace. Vor allem vor Jace. Jace hatte gemerkt, wie durcheinander Mia nach ihrer Rückkehr aus Paris gewesen war. Sie hasste es, ihn anlügen zu müssen, als er fragte, was los sei. Sie hatte es heruntergespielt, hatte von einer Magenverstimmung und Jetlag gesprochen. Nur gut, dass Caroline Expertin in Sachen Schminken war. So hatte sie die Prellung im Gesicht verbergen können, bis sie schließlich verblasst war. Thanksgiving stand vor der Tür und Gabe war zu diesem Anlass von seinen Eltern nach Hause eingeladen worden. So sehr Gabe deren Trennung auch bedauert hatte, schien ihm deren Wiedervereinigung Probleme zu bereiten. Sein Blick sprach von Verrat, wenn er seinen Vater anschaute, und er nahm immer noch eine sehr fürsorgliche Haltung gegenüber seiner Mutter ein. Er warf seinem Vater vor, seiner Mutter wehgetan zu haben. Mia wusste noch nicht so recht, was sie an Thanksgiving machen sollte. Gabe war hin- und hergerissen gewesen, ob er den Feiertag mit seinen Eltern verbringen oder bei Mia bleiben sollte, doch sie hatte darauf bestanden, dass er die Einladung seiner Eltern annahm. Es ging schließlich nur um einen Tag. Wahrscheinlich würde Mia den Tag mit Jace verbringen, vorausgesetzt, er würde zu Hause bleiben. Wenn nicht, würde sie mit Caro zu deren Familie fahren. Gabe gefiel die Vorstellung nicht, dass sie den Feiertag getrennt voneinander verbringen würden, aber welche Wahl hatte er schon? Er müsste ihre Beziehung öffentlich machen – und bisher war er strikt dagegen gewesen. »Hast du schon alle Angebote in die Präsentation eingearbeitet, die ich für das Treffen mit Jace und Ash brauche?«, fragte Gabe von der anderen Seite des Raumes. Mia schaute auf und bemerkte, dass er sie mit einem warmen, zärtlichen Leuchten in den Augen ansah. Ja, er hatte sein Verhalten ihr gegenüber eindeutig geändert. Er war … menschlicher geworden. Jemand, von dem sie glaubte, dass er ihre Liebe erwidern könnte. »Bin gerade dabei«, sagte sie. »Zwei Lücken habe ich gelassen. Sobald ich die Angebote habe, werde ich sie entsprechend einfügen.« Gabe nickte anerkennend. »Wir werden diese Woche unsere Wahl treffen. Es könnte sein, dass ich kurz vor Weihnachten noch einmal nach Paris muss. Würdest du gern mitkommen?« Noch etwas hatte sich bei Gabe verändert. Er hatte sie nie nach ihren Wünschen gefragt oder gar, ob sie ihn auf seinen Reisen begleiten wollte. Er hatte ihr einfach mitgeteilt, wo sie zu sein hatte, und ihr war nichts anderes übrig geblieben, als sich seinen Befehlen zu beugen. Und jetzt? Jetzt verlangte er nie mehr etwas von ihr. Auch wenn sie häufig erkennen konnte, welche Entscheidung er sich von ihr wünschte, fällte er diese dennoch nicht einfach für sie. »Ich würde gerne im Advent nach Paris fliegen«, erwiderte sie mit vor Aufregung piepsiger Stimme. Er lächelte und in seinem Blick lag Erleichterung. »Ich werde alles organisieren und einen zusätzlichen Tag einplanen, damit du dir alles ansehen kannst, was wir beim ersten Mal nicht geschafft haben.« Nachdem sie schon vorher das Gefühl gehabt hatte, außerordentlich verwöhnt zu werden, geschah dies jetzt in einem fast schon absurden Ausmaß. Gabe war einfach ein Traum. So aufmerksam, was ihre Bedürfnisse anging. So empfänglich dafür zu erkennen, was sie sich wünschte oder brauchte. Das war eine Erfahrung, die sie ausgiebig genoss. Sie freute sich über jede sanfte Berührung, jeden besorgten Blick, über die Aufmerksamkeit, die er jedem noch so kleinen Bedürfnis von ihr widmete. Gabes Telefon klingelte und er nahm ab. Schnell merkte sie, dass seine Mutter dran war. Seine Haltung änderte sich, wenn er mit ihr sprach. Das Telefonat würde wahrscheinlich eine Weile dauern. Er und seine Mutter hatten in letzter Zeit viel miteinander geredet, auf ihrer Suche nach dem richtigen Weg in Sachen Versöhnung mit Gabes Vater war sie sehr auf Gabes emotionale Unterstützung angewiesen. Mia sah auf ihre Uhr. Es war bereits Mittag und Gabe hatte den Vormittag durchgearbeitet. Sie ging davon aus, dass er keine Mittagspause machen und vermutlich bis zum Meeting am Nachmittag durcharbeiten wollte. Entschlossen stand sie auf und griff nach ihrer Handtasche. Gabe schaute auf und zog die Augenbrauen fragend hoch, als sie auf die Tür zusteuerte. Mittagessen, sagte sie unhörbar mit den Lippen. Ich bringe dir etwas mit. Er nickte und senkte das Telefon ein wenig, sodass sein Mund frei war. »Zieh dich warm an, Mia. Es ist kalt draußen. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass es schneit, deshalb sei vorsichtig, wenn die Bürgersteige noch nicht geräumt sind.« Sie freute sich über seine Fürsorglichkeit und lächelte. Sie ging zu ihrem Tisch zurück und holte eine Strickjacke hervor, die sie für solche Gelegenheiten hier verwahrte. Dann hauchte sie einen Kuss in seine Richtung, der seine Augen zum Strahlen brachte. Als sie aus dem Gebäude trat, stieg freudige Erregung in ihr auf. Es lag tatsächlich der Geruch von Schnee in der Luft, und in Verbindung mit dem grauen Himmel, der feuchten Luft und der Kälte konnte man wohl tatsächlich mit Schnee rechnen. Das perfekte Wetter für die anstehende Jahreszeit. Sie tanzte förmlich die Straße entlang auf ihrem Weg zu dem Feinkostgeschäft, wo sie und Gabe sich oft etwas zu essen holten. Sie liebte diese Jahreszeit und freute sich jedes Jahr aufs Neue auf Weihnachten. Schon in einer Woche war Thanksgiving und viele Läden schmückten die Schaufenster bereits mit weihnachtlicher Beleuchtung und speziellen Angeboten. Sie zog ihre Jacke fester um sich, als eine kalte Bö sie traf. Schnell schlüpfte sie ins Feinkostgeschäft und gab ihre Bestellung zum Mitnehmen auf. Fünf Minuten später nahm sie ihre Tüten in Empfang und drängte sich durch den vollen Laden, um wieder nach draußen zu treten. Ein Regentropfen traf ihre Nase, und sie beschleunigte ihre Schritte, als Nieselregen einsetzte. Sie hatte nicht daran gedacht, einen Regenschirm mitzunehmen. Schließlich hatte sie nur ein paar Minuten nach draußen gehen wollen. War ja klar, dass es jetzt anfangen musste zu regnen. Hätte Petrus nicht die fünf Minuten warten können, die sie brauchte, um wieder in die Firma zu kommen? Sie eilte mit gesenktem Kopf um die nächste Ecke, als sie mit jemandem zusammenstieß. Eine der Tüten entglitt ihren Fingern, und sie bückte sich mit einer Entschuldigung, um sie wieder aufzuheben. Hoffentlich war nichts kaputt gegangen. Als sie sich wieder aufrichtete, stand die Person, mit der sie zusammengestoßen war, immer noch vor ihr. Übelkeit stieg in ihr auf, als ihr Blick auf das Gesicht des Mannes fiel. Charles. Der Mann, der sich in Gabes Pariser Hotelsuite an ihr vergangen hatte. Es konnte kein Zufall sein, dass sie ihm ausgerechnet vor dem Gebäude, in dem sich die Räumlichkeiten von HCM befanden, in die Arme gelaufen war. Vorsichtig trat sie einen Schritt zurück, aber er packte ihren Arm, zerrte sie aus dem Strom der Fußgänger und drängte sie gegen eine Hauswand. Sie war immer noch mehrere Schritte vom Eingang des Bürogebäudes entfernt. Hektisch musterte sie die Umgebung und überlegte, wie sie sich Charles am besten entziehen könnte. »Fassen Sie mich nicht an«, stieß sie hervor. »Gabe wird Sie dafür umbringen.« Charles’ Gesicht verzog sich zu einer höhnischen Fratze. »Nur, weil du überreagiert hast, ist Gabe ausgerastet. Er will mich völlig aus dem Deal drängen. Er will keine Geschäfte mehr mit mir machen, und das verringert meine Aussichten, mit anderen Geschäfte zu machen. Ich brauche diesen Deal, und du hast ihn mir vermasselt.« »Ich habe ihn vermasselt?«, kreischte sie. »Sie blöder Sack! Sie haben mich geschlagen! Und jetzt meinen Sie, ich hätte es Ihnen vermasselt? Sie sind ein Arschloch!« »Halt die Klappe!«, zischte er und drückte sie noch fester gegen die Wand. »Zurück«, warnte sie ihn. »Lassen Sie mich sofort los.« Sein Griff war grausam fest, und sie wusste, dass sie blaue Flecken davontragen würde. Sie wollte einfach nur von diesem Arschloch weg und zu Gabe zurück. Wo sie in Sicherheit war. Wo er nicht zulassen würde, dass ihr etwas passierte. Regentropfen liefen über ihr Gesicht, und sie blinzelte, um besser sehen zu können. Es war kalt, und ihr wurde immer kälter, als die Feuchtigkeit allmählich Kleidung und Haare durchnässte. »Du und ich, wir müssen uns unterhalten«, fuhr er sie an. »Ich will wissen, was für Angebote abgegeben worden sind. Ich weiß, dass du Zugang zu diesen Informationen hast. Meine einzige Chance besteht darin, ein deutlich niedrigeres Angebot als meine Mitbewerber abzugeben, sodass HCM gar keine andere Wahl hat, als mit mir zusammenzuarbeiten. Vielleicht verliere ich bei diesem Deal dadurch Geld, aber ich ebne den Weg für spätere Geschäfte. Ich brauche diesen Deal, Mia, und du wirst dafür sorgen, dass ich ihn bekomme.« »Sie sind ja völlig verrückt! Ich erzähle Ihnen überhaupt nichts. Gabe würde mich umbringen und mein Bruder auch. Ich werde keinen von beiden hintergehen, schon gar nicht wegen so eines Idioten wie Ihnen. Und jetzt gehen Sie mir aus dem Weg, sonst brülle ich die ganze Straße zusammen.« »Das würde ich an deiner Stelle nicht tun«, sagte er mit leiser Stimme. Er hielt ihr sein Handy hin, und es dauerte ein bisschen, bis sie erkannte, was auf dem Display zu sehen war. Sie keuchte, als ihr voller Entsetzen klar wurde, was sie da sah. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte einfach nicht wahr sein! »Oh mein Gott«, wisperte sie. Wieder stieg Übelkeit in ihr auf. Was sie da sah, machte sie krank. Gefesselt kniete sie auf dem Boden, mit Gabes Schwanz in ihrem Mund. Ihre Wangen waren gebläht, weil er so tief eingedrungen war. Charles drückte eine Taste und das nächste Bild zeigte sie an den Couchtisch gefesselt. Ihre Augen waren geschlossen, ebenso wie ihr Mund, während Charles über ihr stand, seine Hand an ihrem Kopf, die andere Hand um seinen Schwanz gelegt, den er versuchte, in ihren Mund zu schieben. Was bedeutete, dass einer der anderen die Bilder gemacht haben musste. Welcher kranke Drecksack machte denn so etwas? Es gelang ihr nur mit äußerster Mühe, sich nicht gleich an Ort und Stelle zu übergeben. »Sie krankes Hirn!«, zischte sie. Es war nicht nötig, ihn zu fragen, woher er die Bilder hatte. Sie waren im Hotelzimmer in Paris gemacht worden. Die Vorstellung, dass jemand diese Fotos besaß, dass jemand sie angeschaut hatte, erfüllte sie mit Entsetzen. »Der Deal sieht jetzt folgendermaßen aus, Mia«, erklärte Charles. Sein Griff um ihren Arm wurde noch fester, als wüsste er genau, wie erpicht sie darauf war, von ihm wegzukommen. »Du wirst mir die Informationen besorgen, sonst gehe ich mit diesen Bildern an die Öffentlichkeit. Was meinst du, wird dein Bruder sagen, wenn er überall im Internet Bilder von seiner kleinen Schwester sieht? Du wirst berühmt werden, aber nicht so, wie du es dir vorstellst. Oder er.« Kälte kroch in ihre Glieder, kroch bis ins Mark, sodass ihr Körper am Ende nur noch ein Eisblock war. Benommen sah sie Charles an, während ihr das gesamte Ausmaß der Katastrophe klar wurde. Das Arschloch würde es tun. Sie sah die verzweifelte Entschlossenheit in seinem Blick. »Sie Hurensohn!«, sagte sie mit rauer Stimme. »Sie haben sich an mir vergangen! Und jetzt drohen Sie mir mit Bildern, die das auch noch beweisen?« »Denk drüber nach«, erwiderte er grimmig. »Ich erwarte deinen Anruf noch vor dem Wochenende. Wenn du mir die Informationen nicht lieferst, werde ich dafür sorgen, dass die ganze Welt diese Fotos sieht.« Er ließ ihren Arm los, entfernte sich und verschwand im Meer aus Regenschirmen und Fußgängern, die schnell aus dem Regen raus wollten. Sie stand unter Schock wegen der schrecklichen Bilder, die er ihr gezeigt hatte, und rührte sich eine ganze Weile nicht von der Stelle. Regentropfen liefen über ihr Gesicht und durchnässten ihre Kleidung mehr und mehr, aber sie spürte die Kälte gar nicht mehr. Sie nahm überhaupt nichts mehr wahr, außer der Tatsache, dass sie sich in einer unhaltbaren Situation befand. Wenn sie Gabe jetzt hinterging, würde sie ihn für immer verlieren. Er würde sich, ohne zu zögern und ohne es zu bedauern oder überhaupt nur einmal darüber nachzudenken, von ihr trennen. Wenn sie ihn nicht hinterging, würden diese Bilder veröffentlicht werden. Jace würde sie sehen. Die ganze Welt würde sie sehen. Das würde nicht nur das Ende von Jace’ Freundschaft mit Gabe bedeuten, sondern könnte auch dazu führen, dass sie ihre geschäftliche Zusammenarbeit kündigten. Und Gabe würde sich wieder vorwerfen lassen müssen, eine Frau missbraucht zu haben. Einmal konnte man so etwas geraderücken, aber zweimal? Wo Rauch ist, ist auch Feuer … das zumindest war die öffentliche Meinung. Sie drückte die durchweichten Tüten an ihre Brust und stolperte auf den Eingang des Gebäudes zu. Die Panik machte sie unbeholfen. Das Herz schlug ihr schmerzhaft bis zum Hals und so schnell, dass sie nicht mehr denken konnte. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben und mit jedem Atemzug wurde ihre Angst größer. Was sollte sie bloß tun? Ja, sie hatte Zugriff auf die Angebote. Es wäre ein Leichtes, die Informationen an Charles weiterzuleiten. Aber es würde ihr nichts bringen, denn auch wenn er ein deutlich niedrigeres Angebot als seine Mitbewerber abgab, würde Gabe sich niemals für ihn entscheiden. Und dann würde Charles, obwohl sie getan hatte, was er von ihr verlangte, wütend sein und sich wahrscheinlich trotzdem damit rächen, dass er die Bilder veröffentlichte. Was sollte sie bloß tun? Als sie Gabes Büro betrat, hatte er das Telefonat beendet. Sobald sie zur Tür hereinkam, sprang er mit besorgter Miene auf. »Mia, was ist passiert? Du bist ja ganz nass! Hattest du denn keinen Regenschirm mitgenommen?« Er eilte auf sie zu und registrierte fluchend ihre durchnässte Kleidung. Er nahm ihr die Tüten ab und stellte sie ab, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. »Geht’s dir gut? Was ist passiert? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.« »M-mir ist n-nur k-kalt«, stammelte sie. »Ich bin einfach vom Regen überrascht worden. Nichts ist los, Gabe. Wirklich.« »Du frierst«, murmelte er. »Los, ich bring dich nach Hause, damit du dir was Trockenes anziehen kannst. Sonst wirst du noch krank.« Sie schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. Ihr Widerstand war so heftig, dass er sie bestürzt ansah. »Du hast ein Meeting, das du nicht verpassen darfst«, sagte sie. »Es gibt keinen Grund, warum du mitkommen solltest.« »Zur Hölle mit dem Meeting«, erklärte er unverblümt. »Du bist wichtiger.« Wieder schüttelte sie den Kopf. »Bestell den Fahrer her, damit er mich nach Hause bringt. Ich werde heiß duschen und mir was Trockenes anziehen. Das verspreche ich. In anderthalb Stunden bin ich wieder hier.« Dieses Mal war er es, der den Kopf schüttelte. »Nein. Ich will nicht, dass du noch einmal herkommst. Fahr nach Hause und wärm dich auf. Warte dort auf mich. Ich werde gleich nach dem Meeting nachkommen.« Sie nickte, während sie immer mehr fror. Nun, da sie aus dem Regen raus und in seinem warmen Büro war, fing sie unkontrolliert an zu zittern. Sie musste sich zusammenreißen, sonst würde er bemerken, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Sie lächelte ihn strahlend an und zeigte auf die Tüten. »Das Essen ist noch in Ordnung. Du musst etwas zu dir nehmen, Gabe. Du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen.« Er berührte ihre Wange und strich zart über ihre Haut, ehe er sich vorbeugte und ihre kalten Lippen küsste. »Mach dir meinetwegen keine Gedanken. Nimm dein Essen mit nach Hause und ruh dich den Rest des Tages aus. Ich werde so schnell ich kann nach Hause kommen und mich um dich kümmern.« Seine Worte wärmten ihr Herz, schafften es aber nicht, ihr Entsetzen angesichts der ihr bevorstehenden Entscheidung zu lindern. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Schon spürte sie das Herannahen von Kopfschmerzen. Das dumpfe Dröhnen in ihren Schläfen zusammen mit der Tatsache, dass sie völlig durchgefroren war, zehrte immer mehr an ihren Kräften. Er ging zu seinem Tisch, nahm seine Jacke und legte sie ihr um, ehe er anfing, ihre Arme zu reiben. »Dann komm«, sagte er grimmig. »Ich bringe dich nach unten und setze dich ins Auto. Ruf mich an, wenn du etwas brauchst, ja?« Ihr Lächeln war schmal. Gezwungen. »Ich mach das schon, Gabe.« Sie hasste es, ihn anzulügen. 34 Gabe schloss die Tür auf und runzelte die Stirn, als er sah, dass kein Licht brannte. Hatte Mia ihn missverstanden und war zu ihrer eigenen Wohnung gefahren? Seit ihrer Rückkehr aus Paris hatte sie fast jede Nacht bei ihm verbracht. Nur einmal war sie zum Schlafen in ihrer eigenen Wohnung geblieben, nachdem Jace sie zum Essen ausgeführt und sie hinterher zu ihrer Wohnung gebracht hatte. Allein diese eine Nacht ohne sie hatte ihn schon kribbelig gemacht. Am nächsten Morgen war er schlecht gelaunt zur Arbeit gefahren. Er trat ins Wohnzimmer, und seine Anspannung ließ sofort nach, als er Mia tief schlafend zusammengerollt auf der Couch liegen sah. Der elektrische Kamin brannte und sie war von Kopf bis Fuß zugedeckt. Er runzelte die Stirn. Bekam sie etwa eine Erkältung? Er erinnerte sich, dass es ihr noch gut gegangen war, ehe sie aufbrach, um etwas zu essen zu holen. Sie war in fröhlicher Stimmung gewesen und hatte strahlend gelächelt. Sie war voller Freude gewesen … und so schön wie immer. Es machte ihm richtiggehend Angst, wie sehr er mittlerweile ihre Anwesenheit in seinem Büro brauchte, wie sehr sie zu einem wesentlichen Bestandteil seines Tages geworden war. Die meisten Menschen brauchten morgens einen Kaffee. Er brauchte nur Mia. Als er sich über sie beugte, um zu überprüfen, ob sie vielleicht Fieber hatte, stellte er fest, dass ihre Augen rot und verquollen waren. Als hätte sie … geweint. Was war hier bloß los? Was konnte wohl passiert sein? Was verheimlichte sie vor ihm? Er war in großer Versuchung, sie zu wecken und zu fragen, was los war, aber er wollte ihren Schlaf nicht stören. Sie sah müde aus. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Hatte sie gestern Abend auch so müde ausgesehen? War er zu grob mit ihr umgegangen? War er zu fordernd gewesen? War er der Grund, warum sie jetzt krank war? Furcht breitete sich in ihm aus und sein Magen verkrampfte sich. Belastete ihre Beziehung sie zu sehr? Er konnte ihr noch nicht einmal versprechen, es ruhiger angehen zu lassen, sich mehr zurückzuhalten. Statt sich mit der Zeit immer weiter von ihr zu entfernen, wurde sie mit jedem Tag wichtiger für ihn. Die Zeit würde sein Verlangen nach ihr nur noch verstärken. Nicht mindern. Er war ein Narr gewesen zu denken, emotional nicht abhängig von ihr zu sein und es beweisen zu können; zu denken, dass es ihn nicht störte, wenn er einem anderen Mann erlaubte, sie anzufassen. Immer noch wollte er sie jedes Mal um Verzeihung bitten, wenn er sich an jenen Abend in Paris erinnerte. Sie hatte ihm zwar längst vergeben, aber allein die Erinnerung an den Vorfall besaß die Macht, ihn auf die Knie fallen zu lassen. Er war ihrer nicht wert. Das wusste er sehr wohl. Aber es lag nun mal nicht in seiner Macht, das Richtige zu tun und sie gehen zu lassen. Es würde ihn vernichten. Er sah auf seine Uhr und runzelte die Stirn. Er war später als beabsichtigt nach Hause gekommen. Es war Zeit fürs Abendessen, und er fragte sich, ob sie überhaupt etwas gegessen hatte. Er ging in die Küche und sah die Antwort auf der Arbeitsplatte liegen. Sie hatte die Tüte aus dem Feinkostladen noch nicht einmal geöffnet. Er fluchte leise. Sie musste etwas essen. Auf der Suche nach einer Dosensuppe durchwühlte er seine Schränke. Seine Haushälterin sorgte dafür, dass immer Grundnahrungsmittel im Haus waren, und freitags gab er ihr in der Regel eine Einkaufsliste mit, wenn er vorhatte, am Wochenende zu kochen, damit sie alles besorgte. Doch er war einfach zu selten zu Hause, um andere Vorräte auf Lager zu haben. Nachdem er festgestellt hatte, dass nichts Passendes im Haus war, griff er zum Telefon und rief beim Concierge an und diktierte ihm, was er brauchte. Nachdem ihm versichert worden war, dass man sich sofort darum kümmern würde, legte Gabe auf und suchte in seinem Medizinschrank nach einem Thermometer und geeigneten Medikamenten. Das einzige Problem dabei war nur, dass er gar nicht wusste, was sie überhaupt hatte. Es konnte eine Erkältung sein … oder eine Magenverstimmung. Woher sollte er das wissen, bevor er sie überhaupt gefragt hatte? Er beschloss, erst einmal abzuwarten, bis sie wieder wach war – er wollte, dass sie sich so lange wie möglich ausruhte – und ging wieder ins Wohnzimmer. Mias Decke war nach unten gerutscht, sodass ihr Oberkörper nicht mehr bedeckt war. Er zog die Decke wieder hoch und steckte sie um sie herum fest. Dann küsste er Mias Stirn und überprüfte, ob sie vielleicht doch Fieber hatte. Sie war warm, aber nicht fiebrig, und sie atmete gleichmäßig. Er ging zum Kamin, drehte die Flamme ein bisschen höher und verschwand dann in seinem Zimmer, um sich etwas Bequemeres anzuziehen, während er darauf wartete, dass Mias Suppe geliefert wurde. Er hatte noch viel Arbeit zu erledigen. Er war gleich nach dem Meeting gegangen und musste noch Zahlen durchgehen, um sich auf die Sitzung mit Jace und Ash vorzubereiten und die Angebote der Bauunternehmen zu besprechen, doch stattdessen nahm er sein Tablett und setzte sich zu Mia. Sie brachte ihn zur Ruhe. Ihretwegen dachte er jetzt auch an andere Dinge als nur an die Arbeit und die Firma. Es gefiel ihm, einfach nur mit ihr zusammen zu sein, und er genoss es dann umso mehr in stiller Harmonie ein Buch zu lesen. Sie war aufgeregt gewesen, als er ihr einen brandneuen E-Book-Reader geschenkt hatte – das neuste Modell –, zusammen mit einer Sammlung ihrer Lieblingsbücher, die bereits auf dem Gerät gespeichert waren. Sie hatte sich ihm an den Hals geworfen, ihn umarmt und so überschwänglich geküsst, dass er angefangen hatte zu lachen. Und das tat er in ihrer Gegenwart viel. Lachen. Sie hatte etwas wirklich Unwiderstehliches an sich. Ihr Charme war ansteckend. Sie war sein … Sonnenschein. Er zuckte zusammen, weil das so kitschig klang. Er dachte und verhielt sich wie ein theatralischer Teenager. Gott sei Dank konnte niemand seine Gedanken lesen. Er würde sonst nie wieder aufrechten Hauptes in Sitzungen gehen können. Von Männern wie ihm erwartete man, dass sie andere einschüchterten. Kalt waren. Unnahbar. Ja, sogar furchteinflößend. Wenn irgendwer auch nur andeutungsweise erfuhr, dass eine kleine Brünette mit einem Tausend-Watt-Lächeln sein Kryptonit war, würde man ihn lachend aus der Stadt vertreiben. Sein Handy piepste und er holte es aus der Tasche. Der Concierge hatte ihm eine SMS geschickt, dass er gleich mit Gabes Bestellung nach oben kommen würde. Gabe erhob sich von der Couch, um den Mann mitsamt Bestellung an der Fahrstuhltür in Empfang zu nehmen. Die Türen öffneten sich gerade, als er ins Foyer trat. Er dankte dem Concierge und ging mit der Tüte in die Küche. Die Suppe war immer noch dampfend heiß, sodass Gabe sie nicht erst in die Mikrowelle stellte. Er goss sie in eine Schüssel und toastete zwei Scheiben Brot dazu. Dann ging er an den Kühlschrank, um Mias Lieblingsgetränk herauszuholen. Traubenlimonade. Er hatte seiner Haushälterin gesagt, immer für einen Vorrat zu sorgen, weil Mia förmlich süchtig danach war. Es gab viele Dinge, die er jetzt immer auf Lager hatte, weil sie Mia schmeckten. Er hatte sie sich gemerkt und dann darauf geachtet, dass er alles da hatte, was sie gern mochte. Sie sollte keinen Grund haben, nicht bei ihm übernachten zu wollen. Er stellte Suppe, Toast und Getränk auf ein Tablett, trug es ins Wohnzimmer und stellte es vor sie auf den Couchtisch. Er zögerte immer noch, sie zu wecken, aber sie musste etwas essen, und er wollte endlich wissen, wie es ihr ging. Wenn es nötig sein sollte, wollte er seinen Arzt anrufen, damit dieser bei einem Hausbesuch nach Mia sah. »Mia«, sagte er leise. »Mia, wach auf, meine Süße. Ich habe etwas zu essen für dich.« Sie rührte sich, protestierte verschlafen und drehte sich auf die andere Seite, wobei ihre Lider kurz flatterten, ehe sie die Augen wieder schloss. Er kicherte. Sie mochte es nie, wenn man sie beim Schlafen störte. Er berührte ihre Wange, strich mit den Fingern bis zum Kinn und genoss das seidige Gefühl ihrer Haut. »Mia. Wach auf, Baby. Na los. Öffne deine schönen Augen.« Sie machte die Augen auf und richtete ihren verschlafenen Blick auf ihn. Überrascht meinte er, Angst in ihren Augen zu erkennen und noch etwas anderes, was er nicht recht benennen konnte. Sorge? Unruhe? Was war hier los, verdammt noch mal? Sie gähnte, rieb sich die Augen und mied seinen Blick, als sie sich aufsetzte. Als sie auch noch die Decke um sich herum feststopfte, konnte er das nur als Selbsterhaltungstrieb deuten. Er musste sich auf die Zunge beißen, um nicht auf der Stelle Antworten von ihr zu verlangen. Sie hatte etwas unendlich Zerbrechliches an sich. So hatte er sie seit der Nacht in Paris nicht mehr gesehen. Allein bei dem Gedanken zog sich bei ihm alles zusammen. »He, du Schlafmütze«, sagte er sanft. »Ich habe dir ein bisschen Suppe mitgebracht, weil ich gesehen habe, dass du nichts zu Mittag gegessen hast.« Sie verzog das Gesicht. »Mir war kalt und ich wollte mich einfach nur aufwärmen. Mir war nicht nach Essen.« »Wie fühlst du dich? Hast du das Gefühl, krank zu werden? Ich kann meinen Arzt bitten vorbeizukommen.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schüttelte den Kopf. »Es geht mir gut. Wirklich. Als mir endlich wieder warm war, wurde ich so müde, dass ich die Augen nicht mehr offen halten konnte. Aber mir geht’s gut. Ehrenwort.« Er glaubte ihr nicht und wusste nicht genau, warum. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht, auch wenn sie nicht krank war. Und dann war da noch der Umstand, dass es so aussah, als hätte sie geweint. Vielleicht reagierte er übertrieben. Vielleicht hatte sie sich einfach nur die Augen gerieben, ehe sie eingeschlafen war. »Ist dir jetzt nach essen?«, hakte er nach. Sie warf einen Blick auf das Tablett und nickte. »Ich bin am Verhungern.« Als sie sich aufrichtete und vorrückte, streckte er die Hand vor, um ihr zu helfen. Sie schob die Finger in seine Hand und zog sich mit seiner Hilfe hoch, bis sie schließlich auf der Sofakante saß. »Danke«, sagte sie heiser. »Du bist so gut zu mir, Gabe.« Es war nicht das erste Mal, dass sie so etwas sagte, doch jedes Mal, wenn sie es tat, wurde er von Schuldgefühlen überwältigt. Wäre er so gut zu ihr gewesen, wie es sich gehörte, hätte er nie zugelassen, dass sie von einem anderen Mann missbraucht wurde. Er sah ihr beim essen zu, und das Verlangen, sie zu berühren und vor all dem zu beschützen, was ihr Kummer bereitete, wurde mit jeder Minute stärker. Es war ein unersättlicher Drang, über den er keine Kontrolle hatte. Die Heftigkeit, mit der er sich zu ihr hingezogen fühlte, widersprach jeder Logik. Aber in Bezug auf sie war bei ihm mit Vernunft kein Blumentopf zu gewinnen, das war klar. Er war nicht mehr zurechnungsfähig. Er war nicht in der Lage, Abstand zu ihr zu wahren. Als sie mit dem Essen fertig war, schob sie die Decke weg, in die sie immer noch zur Hälfte eingewickelt war. Erstaunt – und voller Freude – nahm er zur Kenntnis, dass sie zu ihm gekrabbelt kam und sich an ihn kuschelte. Er legte den Arm um sie und beugte sich dann vor, um nach der Decke zu greifen, die heruntergerutscht war. Er deckte sie beide damit zu und rückte Mia dann so zurecht, dass sich ihr Körper weich und warm an ihn schmiegte. Er vergrub die Nase in ihrem Haar und genoss es, dass sie so eng an ihm lag. »Danke fürs Essen«, sagte sie. »Ich möchte jetzt nur, dass du mich hältst. Mehr brauche ich nicht, damit es mir wieder besser geht.« Ihre Worte berührten sein Herz zutiefst, wurden sie doch mit so viel Ernsthaftigkeit vorgebracht. Wie schlicht sie es klingen ließ. Sie hatte ihn nie um irgendetwas gebeten. Sie war sehr anspruchslos. Sein Geld oder all die Dinge, die er ihr damit kaufen konnte, interessierte sie nicht. Die einzigen Dinge, um die sie ihn wirklich je gebeten hatte, waren so simpel. Sie zu halten. Berühren. Trösten. Die Vorstellung, dass er so viel Macht über sie besaß, hätte ihn mit Zufriedenheit erfüllen müssen. Das war es doch, was er wollte, oder? Völlige Kontrolle. Sie seinem Willen beugen. Doch stattdessen brachte es ihm nur zu Bewusstsein, dass er die Macht besaß, sie zu vernichten. »Willst du hier vor dem Kamin bleiben oder lieber ins Bett gehen?«, fragte er, während er ihr übers Haar strich. »Mmm«, meinte sie mit verschlafener, zufriedener Stimme. »Ich glaube, ich würde gern noch ein Weilchen hier bleiben. Es ist schön, so vor dem Feuer zu liegen. Ich frage mich, ob es bereits angefangen hat zu schneien.« Er kicherte. »Wenn ja, dann bestimmt nur ein paar Flocken. So früh haben wir noch nie viel Schnee gehabt.« »Mein Kopf tut weh«, murmelte sie, während sie sich enger an ihn kuschelte. Er runzelte die Stirn. »Warum hast du das nicht früher gesagt? Wie schlimm sind die Kopfschmerzen?« Sie zuckte die Achseln. »Schlimm genug. Ich habe vorhin, als ich nach Hause kam, Ibuprofen genommen. Ich hatte gehofft, dass sie weg wären, wenn ich aufwache.« Er schob sie sanft zur Seite und löste sich von ihr und der Decke, ehe er von der Couch stieg. Er ging in die Küche, schüttelte eine verschreibungspflichtige Tablette aus einem Fläschchen und kehrte damit zu Mia zurück. Sie runzelte die Stirn. »Davon werde ich immer so benommen.« »Benommen ist besser, als Schmerzen zu haben«, erklärte er geduldig. »Nimm die Tablette, ich kümmere mich dann um dich. Wir bleiben auf der Couch sitzen, bis du müde wirst, und dann gehen wir ins Bett. Wenn es dir morgen früh nicht besser geht, bleibst du zu Hause.« »Ja, Sir«, sagte sie und ein Grübchen zeigte sich in ihrer Wange. Er gab ihr die Tablette, reichte ihr die halbleere Flasche Traubenlimonade und sah zu, wie sie die Pille herunterschluckte. Dann lehnte er sich zurück und zog sie sofort wieder in seine Arme. Er breitete die Decke über ihren Körper, schlang beide Arme um sie und zog sie fest an sich. Sie gab einen zufriedenen Seufzer von sich, als sie die Stirn an seinen Hals lehnte. »Ich bin froh, mit dir zusammen zu sein, Gabe. Ich bedauere meine Entscheidung nicht einmal eine Sekunde lang.« Sie sagte es so leise, dass er sie kaum verstand. Und als ihm klar wurde, was sie gesagt hatte, ging eine solch gewaltige Woge der Zufriedenheit durch seinen Körper, dass er nicht sofort antworten konnte. Aber irgendetwas an ihrer Bemerkung war auch seltsam. Sie klang nach dem Auftakt zu einem Abschied. Aber diese Möglichkeit wollte er noch nicht einmal in Betracht ziehen. Er würde alles tun, damit sie nirgends hinging, sondern schön bei ihm blieb. »Ich bin auch froh, dass du hier bist, Mia«, erwiderte er leise. 35 Mia zog eine Jacke über ihre Bluse und war bereit, Gabes Wohnung zu verlassen. Er würde sich nicht besonders freuen, wenn sie in der Firma auftauchte. Er war am Morgen mit der strikten Anweisung gegangen, dass sie zu Hause im Bett bleiben und sich ausruhen sollte. Er dachte, sie würde krank werden und ihre Symptome wären erste Hinweise auf eine Erkältung oder eine Magenverstimmung. Fast den ganzen Tag war Mia vor Angst und Entsetzen wie gelähmt gewesen. Sie war panisch gewesen, unfähig zu überlegen, was sie tun sollte. Und ihr lief die Zeit davon. Es war Freitag, und Charles erwartete von ihr, dass sie bis Ende der Woche die Informationen ausspuckte. Die Entscheidung lag ihr wie ein Stein im Magen. Sie war mit den Nerven völlig am Ende, als sie nach unten fuhr, um in den Wagen zu steigen, der sie in Gabes Büro – ihr Büro – bringen würde. Sie hatte alle Möglichkeiten abgewogen und nur eine einzige für wirklich durchführbar befunden: zu Gabe zu gehen, ihm alles zu erzählen und zu hoffen, dass er die Sache regeln konnte. Ihn zu hintergehen, stand nicht zur Disposition. Sie hatte keine Ahnung, wie ihrer beider Zukunft aussehen würde, aber es war an der Zeit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und es Jace zu erzählen, um so Charles alle Macht zu nehmen, die er meinte über sie zu haben. Gestern Abend hatte sie im Bett ihr langärmeliges Pyjama-Oberteil anbehalten und Gabe erzählt, dass ihr kalt wäre. In Wirklichkeit hatte sie verhindern wollen, dass er die blauen Flecken sah, die Charles auf ihren Armen hinterlassen hatte. Gabe hätte sie ganz sicher bemerkt, und sie wäre in Erklärungsnot geraten, noch bevor sie die Sache mit sich geklärt und eine vertretbare Entscheidung getroffen hatte. Sie rieb ihren Arm durch die Lederjacke hindurch und kaute nachdenklich auf der Unterlippe, während der Wagen sich durch den Verkehr schlängelte. Es nieselte immer noch. Kein Schnee, nicht einmal Graupel. Aber es war kalt, der Himmel war grau und verhangen, als würde gleich heftiger Niederschlag einsetzen. Als der Fahrer vor dem Gebäude hielt, stieg Mia schnell aus und eilte zur Tür, um nicht wieder nass zu werden. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben, und ihre Unruhe verstärkte sich mit jedem Stockwerk, das sie höher kroch. Eleanor sah überrascht auf, als Mia durch den Empfangsbereich ging. »Mia, Mr Hamilton sagte, Sie wären heute krank. Geht es Ihnen besser?« Mia schenkte ihr ein blasses Lächeln. »Ein bisschen, ja. Ist Gabe in seinem Büro?« Eleanor nickte. »Bitte, sorgen Sie dafür, dass wir nicht gestört werden, bis er Ihnen Bescheid gibt«, wies Mia sie mit ruhiger Stimme an. »Wir haben etwas Wichtiges zu besprechen.« »Natürlich«, erwiderte Eleanor. »Melden Sie sich bei mir, wenn ich Ihnen etwas zum Mittagessen besorgen soll. Ich werde mich darum kümmern.« Mia antwortete nichts darauf, sondern ging einfach weiter zu Gabes Büro, wobei ihre Angst mit jedem Schritt zunahm. Es machte sie krank, ihm von den Bildern erzählen zu müssen, die sie gesehen hatte, ihm sagen zu müssen, womit Charles ihr gedroht hatte. Sie wollte das, was in Paris vorgefallen war, nicht wieder aufwärmen. Sie und Gabe hatten dieses Thema endgültig abgehakt. Als sie die Tür zu seinem Büro öffnete, schaute Gabe mit genervter Miene auf. Doch als er sah, dass sie es war, stand er sofort auf. Die Missbilligung stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. »Mia? Was machst du denn hier? Geht es dir gut? Du sollst doch zu Hause im Bett liegen.« Er eilte zu ihr, legte die Hände auf ihre Schultern und zog sie an seine Brust, während er in ihrem Gesicht nach Krankheitssymptomen suchte. »Es gibt etwas, über das ich mit dir reden muss, Gabe«, erklärte sie zögernd. »Es geht um gestern … und darum, was wirklich passiert ist.« Gabe wich ein kleines Stück zurück, um ihr ganz ins Gesicht sehen und ihre Miene lesen zu können. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er verzweifelte Angst in ihrem Blick erkannte. Sie sah … furchtbar aus. Und das tat sie sonst nie. Aber heute hatte er den Eindruck, als hätte sie die letzte Nacht kein Auge zugetan. Sie wirkte müde und zerbrechlich. Er erinnerte sich, dass er gestern Abend gedacht hatte, sie könnte geweint haben. Und jetzt deutete sie an, sie hätte ihm nichts von einer Sache – einer großen Sache – erzählt, die gestern vorgefallen war. »Komm, setz dich«, sagte er mit einem Kloß im Hals. Als er sie sanft durchs Zimmer zum Sofa führen wollte, schüttelte sie den Kopf und entzog sich ihm. »Ich kann mich nicht hinsetzen, Gabe. Ich bin zu aufgeregt. Ich muss es dir jetzt erzählen und hoffe inständig, dass du nicht sauer wirst – auf mich.« Jetzt fing er wirklich an, sich Sorgen zu machen. Aller Anstrengung zum Trotz gelang es ihm nicht, die vielen kleinen Puzzleteilchen zusammenzusetzen. Gestern war alles noch so normal gewesen. Bis zum Mittagessen … als sie rausgegangen war, um ihnen etwas zu essen zu besorgen … als sie zurückgekommen war – bis auf die Haut durchnässt – und fast wie unter Schock zu stehen schien. Er runzelte die Stirn noch mehr, als sie seinen Blick erwiderte und die Verletzlichkeit wie ein Leuchtfeuer in ihren Augen brannte. Sie hatte Angst. Es machte ihn ganz krank, dass sie offensichtlich vor ihm Angst hatte oder zumindest vor seiner Reaktion auf das, was sie ihm erzählen würde. Um ihre spürbare Furcht und ihr Unbehagen zu verringern, fuhr er mit den Händen über die Ärmel ihrer Jacke und drückte ihre Arme leicht. Sie zuckte zusammen und entzog ihm den einen Arm, während eine Hand sofort hochschnellte, um die Stelle zu bedecken, die er berührt hatte. Was zum Teufel war hier los? »Zieh die Jacke aus, Mia«, forderte er sie mit fester Stimme auf. Sie zögerte, atmete mit offenem Mund. Verblüfft sah er, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten. Nicht gewillt, auch nur eine Sekunde länger zu warten, streifte er ihr die Jacke von den Schultern und hielt ihren Arm so, dass er den Ärmel herunterziehen konnte, während sie stetig seinem Blick auswich. Er hatte ihr kaum die Jacke ausgezogen, als sein Blick auf ihren Oberarm fiel, bei dessen Berührung sie zusammengezuckt war. Er stieß ein lautes Keuchen aus, als er die blauen Flecken sah. Er hob die Hand, um die Stellen zu berühren, hielt sich dann aber zurück, weil er ihr nicht wehtun wollte. Er griff nach ihrer anderen Hand und zog sie zum Fenster, wo das Licht besser war und er sich die Stelle genauer anschauen konnte. »Wie, verdammt noch mal, ist das passiert, Mia?«, wollte er wissen. Er strich sanft mit den Fingerspitzen über die misshandelte Haut, und ein Nerv begann in seiner Schläfe zu zucken, als er merkte, dass die blauen Flecken sehr nach Fingerabdrücken aussahen. Als hätte jemand sie grob gepackt und festgehalten. Lange Finger an großen Händen. Die Hände eines Mannes. Eine Träne rollte über ihre Wange, die sie hastig mit der freien Hand wegwischte. Entsetzliche Furcht packte ihn. Was war ihr zugestoßen? Sein Magen zog sich zusammen, als sich die Angst in seinen Gedärmen ausbreitete. »Wer hat dir das angetan?« Seine Stimme klang leise und bedrohlich. Er hatte sich kaum noch unter Kontrolle. Er wollte diesen Hurensohn finden, der Hand an Mia gelegt hatte, und das Schwein umbringen. »Charles Willis«, sagte sie und ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern. »Was?« Sie zuckte zusammen, als er so laut auffuhr. Dann hob sie eine Hand und legte sie auf seine Brust. Er bebte vor Wut und sie wusste es. Sie sah mit tränenverhangenen Augen zu ihm auf, ein Flehen lag in ihrem Blick. »Gestern, als ich unser Mittagessen holte, hat er mich auf der Straße abgefangen. Auf dem Rückweg, gar nicht weit vom Eingang. Er sagte, dass ich ihm Informationen über die Höhe der Angebote für das Pariser Projekt zukommen lassen soll. Er wollte seine Mitbewerber unbedingt unterbieten und dich damit zwingen, sein Angebot trotz aller Bedenken anzunehmen.« Eine dunkle Vorahnung machte sich in Gabe breit. »Hast du ihm diese Informationen gegeben?«, fragte er. War sie deshalb so bekümmert und überzeugt, dass er wütend auf sie sein würde? »Nein!«, stieß Mia mit unmissverständlichem Nachdruck hervor. Sie wirkte völlig verstört, dass er diese Frage überhaupt gestellt hatte. »Hat er dir deshalb diese blauen Flecken zugefügt?«, wollte Gabe wissen. »Dafür bringe ich ihn um.« »Da ist noch mehr«, würgte sie hervor. Sie wandte sich mit bebenden Schultern ab, während sie die Arme um sich schlang, um nicht zusammenzubrechen. »Oh Gott, Gabe. Er hat Drohungen ausgestoßen. Er hat mir … Bilder gezeigt.« »Bilder wovon?« Sie drehte sich wieder zu ihm um, ihre Miene ein Abbild ihrer Qualen. »Von uns«, stieß sie hervor. »Von jenem Abend. Wie ich gefesselt vor dir knie und du … in meinem Mund bist.« Sie bebte von Kopf bis Fuß. Ihre Hände zitterten so sehr, dass es so aussah, als würde sie gleich zusammenbrechen. »Und dann war da auch noch ein Bild von mir auf dem Couchtisch, auf dem er gerade versucht, in m-meinen Mund einzudringen.« »So ein Hurensohn!« Seine Reaktion war heftig und voller Wut. Sie zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück, während sie wieder beide Arme um sich schlang. »E-er s-sagte, w-wenn ich ihm die Informationen nicht gebe, g-geht er m-mit den B-bildern an die Öffentlichkeit. Er sagte, dass er es Jace erzählt und dass er dich ruinieren wird.« Gabe war sprachlos. Er war unfähig, etwas zu sagen, obwohl doch tausend Erwiderungen durch seinen Kopf schwirrten. Er war so wütend, dass er noch nicht einmal richtig denken konnte. Er hob eine Hand und fuhr sich damit durchs Haar und dann übers Gesicht, während er versuchte, das Gehörte zu verarbeiten. Da trat Mia wieder auf ihn zu, ihre Miene war flehentlich und ernst. »Ich musste es dir sagen, Gabe. Ich musste damit zu dir kommen. Ich konnte – ich würde – dich nicht hintergehen. Aber er hat diese Bilder – oh Gott, was für Bilder! Er ist wütend und verzweifelt. Er gibt mir bis Ende dieser Woche Zeit, ihn anzurufen und ihm zu geben, was er haben will.« Gabe ließ die Hand sinken, während er sie völlig verblüfft ansah. Sie hatte ihn nicht verraten. Sie war zu ihm gekommen und flehte ihn mit ihren Augen an, alles wieder in Ordnung zu bringen. Das konnte doch nicht wahr sein – sie vertraute ihm … auch nach dem, was er ihr in Paris angetan hatte. Er hatte sich ihr gegenüber falsch verhalten. Es war sein Fehler, dass dieses Arschloch schreckliche Bilder von ihr hatte, die sie in einer Situation zeigten, in die Gabe sie gebracht hatte. Das Herz wollte ihm förmlich aus der Brust springen. Jeder andere Mensch hätte ihn verraten. Verdammt, er hätte es ihr noch nicht einmal zum Vorwurf machen können, hätte sie die Informationen weitergegeben, um sich zu schützen. Aber das hatte sie nicht getan. Sie war zu ihm gekommen und hatte ihm alles erzählt – und dadurch ein großes Risiko auf sich genommen. Er konnte die Dimension gar nicht vollständig erfassen. Er stand einfach nur da, starrte sie an, unfähig zu atmen und zu verarbeiten, was für eine weitreichende Entscheidung sie getroffen hatte. Sie hatte sich für ihn entschieden. Für ihn, und nahm dafür Schande und Demütigung in Kauf. Sie hatte ihn über Jace gestellt. Gott sei Dank, sie hatte ihm vergeben, was eigentlich nicht zu vergeben war, und statt wütend und verletzt zu reagieren, als sie mit Bildern konfrontiert wurde, die in aller Deutlichkeit Gabes Versäumnisse zeigten, hatte sie sich entschieden, ihn nicht zu hintergehen. Sie war zu ihm gekommen und vertraute darauf, dass er sich um das Problem kümmern würde. Sie vertraute darauf, dass er sie beschützte! So viel vertrauensvolle Ergebenheit machte ihn sprachlos. Er war es gewohnt, dass Menschen ihn hintergingen. Herrje, bei den meisten rechnete er förmlich damit. Er hätte ihr nie einen Vorwurf daraus gemacht, hätte sie alles getan, um sich selber zu schützen. Aber sie hatte nichts von all dem getan, was für ihn verständlich gewesen wäre. Stattdessen war sie zu ihm gekommen. Verletzt, verängstigt, verwirrt. Sie war zu ihm gekommen, obwohl er ihr Vertrauen gar nicht verdiente. Er ertrug es nicht länger, von ihr mit solch einer Unsicherheit und Panik in den Augen angesehen zu werden, und zog sie grob an sich. Er drückte sie so fest an seinen Körper, dass er fast zweifelte, dass sie überhaupt noch Luft bekam. Er vergrub das Gesicht in ihrem Haar und schloss die Augen, während er ihren Duft einatmete und in dem Gefühl schwelgte, sie an seinem Körper zu spüren. Sie hatte auf seinem gesamten Körper Spuren hinterlassen. Tiefe Spuren in seinem Herzen, ja, auf seiner Seele. Spuren, die nie wieder verschwinden würden. »Mia, meine süße, liebe Mia«, flüsterte er. »Ich habe dich im Stich gelassen, und trotzdem hast du noch immer so viel Vertrauen, dass du damit zu mir kommst.« Sie drückte ihn weg, sodass der von ihm so verhasste Abstand zwischen ihnen entstand. Ihre Augen waren vor Kummer und Furcht geweitet. Kein Wunder, dass sie gestern unter Schock gestanden hatte. Das Schwein hatte ihr nicht nur wehgetan, sondern sie auch gedemütigt und in Angst und Schrecken versetzt. »Ich könnte dich gar nicht hintergehen«, stieß sie hervor. »Oh Gott, Gabe, ich befinde mich in einer ausweglosen Situation. Verstehst du das? Wenn ich Charles das gebe, was er von mir will, würdest du mich für immer aus deinem Leben verbannen. Wenn ich ihm nicht gebe, was er will, wird er uns beide erniedrigen. Jace wird es erfahren, und das hätte nicht nur schlimme Auswirkungen auf eure Freundschaft, sondern könnte sehr wohl auch eure Geschäftsbeziehung zerstören. Ganz zu schweigen von den Dingen, die über dich gesagt werden würden. Denn auf den Bildern sieht es so aus …« Sie sprach nicht weiter und brach ab, als ein Schluchzen in ihrer Kehle emporstieg. Sie schluckte und gab sich sichtlich Mühe, sich zusammenzureißen. »Es sieht so aus, als würdest du mich zwingen. Als würdest du etwas ganz Schreckliches tun. Diese Bilder sind so belastend.« Wilde Entschlossenheit packte ihn und raste wie ein außer Kontrolle geratener Güterzug durch ihn hindurch. Aber Mia brauchte jetzt einen festen Halt. Sie brauchte Sicherheit und Ruhe. Sie brauchte ihn. Sie traute ihm mehr als je einem anderen Mensch zuvor. Sie hatte ihm ihr bedingungsloses Vertrauen geschenkt. Er wollte verflucht sein, wenn er sie jetzt im Stich ließ. »Ich kümmere mich um die Sache«, sagte er ruhig. »Ich möchte, dass du dir keine Sorgen machst. Ich möchte, dass du gar nicht mehr daran denkst.« Erleichterung flackerte in ihrem Blick auf. Hoffnung keimte, als sie ihn mit tränenüberströmten Wangen ansah. Er hob eine Hand und strich sanft über die feuchten Spuren, dann zog er sie an sich und senkte seinen Mund zu einem fordernden Kuss auf ihre Lippen. Er atmete ihren süßen Duft ein, schwelgte in ihrem Geschmack. Er küsste alle Tränen fort, drückte seine Lippen auf ihre Augenlider, auf ihre Wangen und schließlich wieder auf ihre Lippen. Als er sich von ihr löste, entrang sich ihr ein Schluchzen, und plötzlich schien sie nicht mehr an sich halten zu können. Tränen strömten aus ihren Augen, ihre Schultern bebten. Es zerriss ihm das Herz, sie so schluchzen zu sehen, als breche ihr Herz. »Mia, Baby, ach, Süße, bitte, wein doch nicht«, sagte er und streckte ihr wieder die Arme entgegen. Dieses Mal ließ er ihr keine Wahl. Er zog sie mit zum Sofa und dann auf seinen Schoß, wo er sie einfach nur hielt, während sie an seiner Brust weinte. Sie klammerte sich an ihn. Die Arme hatte sie um seine Schultern geschlungen, während sie ihr Gesicht an seinen Hals drückte. »Ich habe so eine große Angst«, stieß sie hervor. »Ich will nicht, dass Menschen, die mir etwas bedeuten, durch mich leiden. Du, Jace. Ihr beide könntet durch diese Geschichte so sehr verletzt werden.« »Schsch, Baby. Das ist nicht deine Schuld. Verdammt noch mal. Es ist meine. Ich war dumm und nachlässig und habe mich nicht so um dich gekümmert, wie ich es hätte tun müssen. Nichts von alledem wäre passiert, wäre ich nicht so ein gottverdammter Narr gewesen.« »Was wirst du jetzt tun?«, fragte sie mit schmerzerfüllter Stimme. Ihr Gesicht war rot und verquollen, die Augen klein vom Weinen. Sie war blass und sah krank aus. Jeder, der sie so sah, würde denken, sie wäre in die Mangel genommen worden. Er drückte ihren Kopf an sich und strich über ihr weiches Haar. »Ich will nicht, dass du dir darüber Gedanken machst«, murmelte er. »Ich werde mich um die Sache kümmern. Darauf gebe ich dir mein Wort.« Er strich über ihren Arm und die blauen Flecken, die ihr dieses Schwein zugefügt hatte. Gabe war außer sich vor Wut. Es war das zweite Mal, dass Charles Mia Angst eingejagt hatte, dass er ihr etwas antun wollte. Er würde den Hurensohn in der Luft zerreißen und ihn so fertigmachen, dass er sich nie wieder davon erholte. Er küsste ihr Haar und zog sie dann vorsichtig hoch, sodass er ihr in die Augen schauen konnte. »Hör zu, ja? Mach dich hier im Badezimmer frisch. Nimm dir dafür so viel Zeit, wie du brauchst. Ich will nicht, dass jemand dich so sieht. Das würde viele Fragen aufwerfen, und ich will nicht, dass jemand dich so bekümmert sieht. Sobald du fertig bist, fährst du wieder in meine Wohnung und bleibst dort, bis ich auch komme.« Angst und Sorge blitzten in ihren Augen auf. »Und was machst du währenddessen?« Er legte einen Finger auf ihre Lippen und genoss deren samtige Weichheit. Er strich kurz über den Halbmond in ihrer Oberlippe und drückte dann einen schnellen Kuss darauf. »Ich werde dafür sorgen, dass Charles Willis dich nie wieder bedroht.« 36 Gabe stieg in der Lexington Avenue vor dem kleinen Bürogebäude aus, in dem sich Charles Willis’ Geschäftsräume befanden, und ging mit fest geballten Fäusten auf den Eingang zu. Er hatte Mia in einen Wagen gesetzt und sie nach Hause bringen lassen, nachdem sie alle sichtbaren Spuren ihres Kummers beseitigt und ihm auf seine Bitte hin die Fotos, die Charles ihr gezeigt hatte, in allen Einzelheiten beschrieben hatte. Charles’ Firma befand sich im Erdgeschoss. Er teilte sich die Räumlichkeiten mit einem anderen Unternehmen, weil er nur selten in New York City war. Seine weltweit operierende Baufirma hatte Niederlassungen in vielen Ländern, doch Gabe würde nie wieder Geschäfte mit dem Mann machen. Hätte Charles nicht so viele Angestellte – gute Leute, die von ihm abhängig waren, weil sie Familien zu versorgen hatten –, hätte Gabe dafür gesorgt, die Firma komplett zu schließen und Charles aus der Baubranche zu verbannen. Unter den gegebenen Umständen aber würde er nie wieder persönlich oder geschäftlich mit dem Mann zu tun haben. Gabe marschierte an der verwirrten Empfangsdame vorbei und stürmte in Charles’ Büro. Charles schaute überrascht von seinem Tisch auf, und Gabe bemerkte einen Anflug von Furcht in den Augen des Mannes, ehe er sich erhob und eine höfliche Maske aufsetzte. »Gabe«, rief er herzlich. »Was kann ich für Sie tun?« Gabe warf die Tür hinter sich zu und näherte sich Charles, ohne ihn auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Charles fühlte sich sichtlich unwohl unter Gabes unverwandtem Blick. »Dies Mal haben Sie es vermasselt, Charles«, sagte Gabe leise. »Sie haben angefasst, was mir gehört. Sie haben Hand an sie gelegt. Sie haben ihr wehgetan. Sie haben ihr Angst gemacht. Sie haben sie bedroht.« Charles kämpfte gegen die deutlich sichtbare Panik und zuckte arrogant mit den Achseln. »Das ist doch nur ne kleine Hure. Was kümmert Sie das?« Gabe stürzte auf ihn zu und holte aus. Seine geballte Faust traf Charles am Mund und ließ ihn nach hinten gegen ein Bücherregal krachen. Charles’ Finger wanderten zu seinem Mund, und als er sie wegnahm, waren sie voller Blut. »Ich werde Sie wegen Körperverletzung anzeigen!«, rief Charles wütend. »Sie können doch nicht einfach hier reinmarschieren und mich schlagen!« »Sie mieses Stück Scheiße. Sie haben Glück, dass ich Sie nicht mit bloßen Händen umbringe«, zischte Gabe. »Wenn Sie noch einmal auch nur in Mias Nähe kommen, werde ich Sie vernichten. Wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden Sie nichts mehr haben. Keinen Leumund. Keine finanzielle Unterstützung. Keine Verträge. Nichts.« Die aufsteigende Panik ließ Charles’ Gesicht fahl werden. »Ich werde mit diesen Fotos an die Öffentlichkeit gehen!«, drohte er unverständlich lallend, wie ein Betrunkener. Gabe wurde ganz ruhig, aber seine Nasenflügel flatterten. »Wenn Sie das tun, Charles, wenn Sie diese Fotos an die Öffentlichkeit bringen, werde ich Sie wegen Vergewaltigung anzeigen. Das ist genau das, was Sie bei ihr versucht haben, und diese Fotos beweisen es. Es ist mir egal, welche Konsequenzen das für mich oder für meinen Ruf hat. Aber ich werde nicht zulassen, dass Mia von Ihnen oder jemand anderem verletzt oder gedemütigt wird. Ich werde Sie fertigmachen und dafür sorgen, dass Sie die nächsten Jahre im Gefängnis verbringen, wo Ihr Zellennachbar sich dann an Ihrem Hintern vergnügen kann. Wenn Sie mir nicht glauben, versuchen Sie’s ruhig.« Seine Stimme klang drohend. Überzeugend. Charles wäre ein Narr, ihm nicht zu glauben. Gabe hatte in seinem ganzen Leben noch nie etwas so ernst gemeint. Charles wurde blass, und seine Augen flackerten, als der Ernst der Lage in sein Bewusstsein drang. Gabes Drohung war ernst gemeint. Und Charles hatte es begriffen. »Ich werde jeden einzelnen Penny, den ich besitze, dafür einsetzen, dass Sie alles verlieren, was Sie haben«, fuhr Gabe fort. »Und ich habe viele Beziehungen. Viele schulden mir noch einen Gefallen, und ich bin mehr als nur bereit, diesen jetzt einzufordern.« Charles sah aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Er versuchte, am Bücherregal hochzukommen, aber er zitterte so stark, dass es ihm nicht gelang. »Es tut mir leid«, stieß er hervor. »Ich war verzweifelt. Ich wusste, dass Sie mir den Auftrag nach dem, was passiert war, nicht geben würden. Ich brauche diesen Deal, Gabe. Ich muss ihn haben.« Gabe hielt Charles die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Charles sah ihn erst argwöhnisch an, griff aber schließlich nach Gabes Hand. Sobald Charles stand, schickte Gabe ihn mit einem weiteren Fausthieb erneut zu Boden. Vermutlich brach dabei Charles’ Nase, sein Gesicht war blutüberströmt, während er benommen am Bücherregel lehnte. »Das ist dafür, dass Sie Hand an Mia gelegt haben. Blaue Flecken bei ihr hinterlassen haben. Sollten Sie sich jemals wieder in ihre Nähe begeben, werden Sie keinen Felsbrocken finden, der groß genug wäre, um sich hinter ihm zu verstecken. Ich werde Sie überall aufspüren und zur Strecke bringen. Ich kann dafür sorgen, dass Sie verschwinden, Willis. Keiner würde jemals Ihre Leiche finden.« Gabe wusste, dass er seinen Standpunkt ausreichend klar gemacht hatte. Er drehte sich um und verließ das Büro. Charles war zwar ein Dummkopf, aber dennoch schlau genug, um zu begreifen, dass Gabe es todernst meinte. Sollte er eine seiner Drohungen gegenüber Mia in die Tat umsetzen, würde Gabe ihn vernichten. Gabe stieg in seinen Wagen und fuhr zu seiner Wohnung. Er wollte unbedingt so schnell wie möglich zu Mia, um ihr zu versichern, dass er sich um die Sache gekümmert hatte. Es machte ihn sprachlos und zwang ihn förmlich in die Knie, dass sie ihn nicht verraten hatte, dass ihr erster Impuls gewesen war, zu ihm zu kommen und ihn um Hilfe zu bitten … dass sie ihm zutraute, das Problem zu lösen, wo für sie doch so viel auf dem Spiel stand. Was für ein Geschenk war ihm mit Mia gemacht worden! All seine Gedanken drehten sie um sie, während er durch die Stadt fuhr. Es gab vieles, über das er mit ihr sprechen wollte – Themen, von denen er nicht wusste, wie sie darüber dachte. Aber diese Situation hatte ihm deutlich vor Augen geführt, wie leicht man hinter ihr gemeinsames Geheimnis kommen könnte. War der ganze Schwindel die möglichen Folgen wert? Bisher war er mit Mia völlig einer Meinung gewesen, ihre Beziehung vor Jace geheim zu halten. Das war vernünftig, denn Gabe war davon ausgegangen, dass ihre Beziehung nicht von Dauer sein würde. Wenn Jace nichts davon erfuhr, gab es auch keine Unannehmlichkeiten. Keinen Zorn. Sie könnten wie vorher weitermachen und so tun, als hätte es die gemeinsame Zeit nie gegeben … Aber jetzt … Jetzt widerstrebte es Gabe, an ein Ende seiner Übereinkunft mit Mia zu denken. Er wusste nicht recht, wann er angefangen hatte, sie in einem anderen Licht zu sehen. Wann sie zu dem Menschen geworden war, den er nicht weggehen sehen wollte. Zumindest nicht in naher Zukunft. Sie mussten es Jace sagen und sich anschließend mit den Folgen befassen. Es wurde für Gabe immer schwieriger, in der Firma Distanz zu wahren … so zu tun, als wäre Mia nur eine Angestellte oder nur Jace’ kleine Schwester, die er mit einer gewissen Zuneigung betrachtete. Er wusste nicht recht, was Mia von seinem Vorschlag halten würde, zu Jace zu gehen und ihm die Wahrheit zu sagen – oder vielmehr eine gemäßigte Version der Wahrheit. Niemand würde je von ihrem Vertrag erfahren. Das war etwas, wofür Gabe sich mittlerweile schämte, obwohl er früher danach gelebt hatte und nie eine Beziehung ohne einen Vertrag eingegangen wäre. Aber jetzt? Jetzt schien ihm der Vertrag lächerlich und nutzlos. Eine übertriebene Reaktion auf die Demütigungen, die ihm in der Vergangenheit widerfahren waren. Doch wichtiger als all das war es im Moment, dafür zu sorgen, dass Mia beruhigt war und ihre Sorgen hinsichtlich der von Charles ausgestoßenen Drohungen zerstreut waren. Es juckte ihn in den Fingern, sie zu berühren. Er wollte sie an seinem Körper spüren und die gleiche Luft wie sie atmen. Er wollte von ihr kosten und in der süßen Weichheit ihrer Haut schwelgen. In Gedanken drängte er seinen Fahrer, mehr Gas zu geben. Er war Mia zu lange fern gewesen. Er war süchtig nach ihr und litt bereits unter den Auswirkungen des Entzugs. Mia machte sich ununterbrochen Sorgen und Gedanken, während sie darauf wartete, dass Gabe nach Hause kam. Immer wieder sah sie auf die Uhr, doch die Minuten verstrichen in qualvoller Langsamkeit. Was hatte er vor? Wie konnte er wirklich davon ausgehen, die Sache in den Griff zu bekommen? War es richtig gewesen, zu ihm zu gehen? Sie war erschöpft und hatte rasende Kopfschmerzen. Sie hatte bereits Gabes Medizinschrank geplündert und Ibuprofen genommen, doch nichts schien die Schmerzen hinter ihren Schläfen und im Nacken lindern zu können. Und dann hörte sie Schritte im Foyer. Sie sprang von der Couch auf und war schon bei Gabe, als dieser ins Wohnzimmer trat. Sie warf sich in seine Arme, und er zog sie fest an sich, sie konnte ihm nicht nahe genug kommen. Er hob sie hoch, sie schlang die Beine um seine Taille und klammerte sich an seine Schultern. Seine Hände lagen auf ihrem Hintern und hielten sie fest, während er ihr tief in die Augen sah. »Geht’s dir gut?«, fragte er mit leiser Stimme. Sie nickte. »Jetzt ja, wo du wieder zu Hause bist. Ich habe mir solche Sorgen gemacht, Gabe.« Er trug sie zum Sofa und setzte sich mit ihr auf den Armen hin. Er zog ihren Kopf zu sich herunter, um ihr einen Kuss zu geben, dann strich er ihr das Haar aus der Stirn. »Alles ist gut. Ich möchte, dass du fest daran glaubst. Charles wird uns nie wieder Probleme bereiten. Das verspreche ich.« In ihren Augen blitzte Sorge auf und sie schob die Lippen vor. »Was hast du getan?« »Er und ich sind zu einer Übereinkunft gelangt«, erklärte Gabe ruhig. »Es ist vorbei, Mia. Er wird uns keinen Ärger mehr machen.« In diesem Moment fiel ihr Blick auf seine Hand, auf die Kratzer auf seinen Knöcheln und auf einen roten Streifen, als hätte er versucht, Blut wegzuwischen, ohne dass es ihm vollständig gelungen sei. Sie sah ihm wieder in die Augen. »Was hast du getan, Gabe?«, fragte sie vorsichtig. »Er hat Hand an dich gelegt«, erklärte Gabe mit scharfer Stimme. »Er hat sich dir zweimal aufgedrängt, um dir etwas anzutun.« »Wenn er Anzeige erstattet, wird man dich verhaften«, meinte sie unglücklich. »Dann kommt alles heraus. Er ist es nicht wert, dass du seinetwegen ins Gefängnis gehst.« Er stieß ein leises Knurren aus. »Du bist es wert. Ich würde für dich sterben. Natürlich würde ich ins Gefängnis gehen, um zu verhindern, dass irgend so ein Arschloch dir etwas tut.« Die Heftigkeit seiner Worte bewegte sie tief, und sie sah ihn nur völlig verwirrt an. Hoffnung stieg in ihr auf, süß und stark, flatterte in ihrem Herzen und strömte warm durch ihren ganzen Körper. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die drohten, über ihre Wangen zu laufen. Sie hob seine Hand an ihre Lippen und küsste zärtlich die aufgeschürfte Haut. Sein Blick wurde weich, und er legte die Hand an ihre Wange, um sie sanft zu streicheln. »Es gibt noch etwas, das ich mit dir besprechen möchte, Mia.« Sie spürte die Veränderung in seiner Stimme. Er wirkte nicht mehr ganz so selbstsicher und trotzdem klangen seine Worte fest und entschlossen. »Was denn?« »Ich glaube, wir sollten Jace das mit uns erzählen.« Ihre Augen wurden starr vor Entsetzen. »Er muss keine Einzelheiten erfahren. Aber wir laufen ständig Gefahr, entdeckt zu werden. Ich habe keine Lust mehr, immer so zu tun, als würdest du mir nichts bedeuten. Du lebst in ständiger Angst davor, dass er das mit uns herausfinden könnte und vor den entsprechenden Auswirkungen auf unsere Freundschaft und auf deine Beziehung zu ihm. Wenn wir diese Angst besiegen, hat sie keine Macht mehr über uns. Am Anfang wird er vielleicht wütend sein, aber er wird darüber hinwegkommen.« Mia atmete tief aus. Das war … Nun, das war vielleicht ein Ding! Gabe wollte ihre Beziehung öffentlich machen? Sie wagte nicht zu hoffen, was das bedeuten könnte. Sie konnte es sich nicht leisten, etwas hineinzulesen, anzunehmen, dass mehr dahintersteckte, als die Heimlichkeiten zu beenden, die ihre Beziehung immer belastet hatten. »Mia? Bist du einverstanden?« Sie blinzelte verwirrt und richtete den Blick wieder auf Gabe. Sie sah die Entschlossenheit in seinen Zügen. Sie nickte langsam. »Wann?«, fragte sie leise. »Wenn er wieder in der Stadt ist. Er wird Montag oder Dienstag zurückerwartet. Ich werde ihn wissen lassen, dass ich etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen habe.« »Okay«, stimmte sie mit rasendem Herzschlag zu. »So, und nachdem das jetzt besprochen und entschieden ist, genau wie die Sache mit Charles, will ich dir sagen, was wir tun werden«, sagte Gabe. Er berührte ihr Gesicht und schob die Finger in ihr Haar, um es zärtlich zu streicheln. »Ich will, dass wir uns das ganze Wochenende über nichts anderes Gedanken machen als darüber, worauf wir Lust haben. Ich werde Essen für uns bestellen. Das werden wir vor dem Kamin zu uns nehmen und dabei beobachten, wie der Regen sich in Schnee und in Graupelschauer verwandelt.« Sie seufzte, beugte sich vor und schlang die Arme um seinen Hals. »Das klingt herrlich, Gabe. Nach einem perfekten Wochenende.« 37 Gabe behielt Mia während des Wochenendes genau im Auge. Sie zeigte immer noch Anzeichen von Angst und Sorge, und er gab sich alle Mühe, sie jedes Mal abzulenken, wenn er bemerkte, dass sie über die Sache mit Charles nachdachte. Er war sich ganz sicher, Charles seinen Standpunkt klargemacht zu haben. Und dass Charles keine Bedrohung mehr für Mia darstellte. Aber da er nie etwas als gegeben voraussetzte, hatte er mit ein paar diskreten Anrufen trotzdem dafür gesorgt, dass Charles’ Aktivitäten beobachtet wurden. Über diese Vorsichtsmaßnahme hatte er Mia jedoch nicht in Kenntnis gesetzt, denn er wollte ihr keinen Grund geben, an seiner Zuversicht zu zweifeln, dass Charles keine Bedrohung mehr darstellte. Am Sonntag führte er sie zu einem späten Mittagessen oder eher frühen Abendessen in ein Restaurant aus, das schon jetzt, kurz vor Thanksgiving, weihnachtlich geschmückt war. Er wusste, dass sie Weihnachten und alles, was damit zu tun hatte, liebte. Sie strahlte, als sie den festlich geschmückten Saal des Restaurants betraten. Er war sich immer noch nicht sicher, was er an Thanksgiving machen sollte. Viel hing davon ab, wie Jace auf die Nachricht von ihrer Beziehung reagieren würde, sobald sie es ihm im Verlauf dieser Woche erzählten. Gabe wusste die Einladung seiner Eltern zu schätzen, doch so froh er darüber war, dass sie die Situation zwischen sich allmählich bereinigten, fühlte er sich in ihrer Gegenwart doch immer seltsam verlegen. Außerdem wollte er nicht von Mia getrennt sein. Und auf keinen Fall würde er sie allein lassen, falls Jace am Feiertag nicht in der Stadt sein sollte. Als sie aus dem Restaurant traten, hatte sich die Nacht über die Stadt gesenkt, und die nassen Gehsteige glitzerten im Schein der Straßenlaternen und der Ampeln. Mia hob das Gesicht und lachte fröhlich auf, als eine Schneeflocke heruntergeschwebt kam und sich auf ihre Nase setzte. Sie sah bezaubernd aus mit ihrer Strickmütze und dem langen Mantel. Sie drehte sich mit ausgestreckten Armen im Kreis, während ein paar Schneeflocken leicht angeheitert vom Himmel heruntertorkelten. Ihr Anblick zog Gabe vollkommen in seinen Bann. Um den Moment festzuhalten, holte er sein Handy heraus und machte ein Foto von ihr, das er genau wie das andere, welches er sich so häufig ansah, speichern wollte. Sie war so vertieft in ihr Spiel, Schneeflöckchen zu fangen, dass sie gar nicht bemerkte, dass er sie fotografierte. »Es ist eiskalt!«, rief Mia. Sie lief zu Gabe und kuschelte sich unter seinen Mantel, schlang die Arme um seine Taille, während sie von Kopf bis Fuß zitterte. Er zog sie an sich und lächelte, weil sie so ausgelassen war. »Dann wollen wir mal dafür sorgen, dass du wieder ins Warme kommst«, meinte er und führte sie zum wartenden Auto. Sie stiegen in den Fond, wo die Sitzheizung das Leder bereits erwärmt hatte. Mia ließ sich in die Polster sinken und seufzte vor Freude. »Ich liebe modernen Komfort«, sagte sie. Er kicherte. »Ich könnte dich auch aufwärmen.« »Mmmm. Wenn wir wieder in der Wohnung sind, lass ich dich das gerne tun.« Er strich mit der Hand nach oben über ihr Bein und dann zurück zu ihrem Knie. »Wenn wir wieder zu Hause sind, habe ich was mit dir vor.« Interessiert zog sie eine Augenbraue hoch und ihre Augen fingen sofort an zu leuchten. »Ach? Was denn?« Er lächelte. »Das erfährst du, wenn wir da sind.« Sie verzog die Lippen zu einem Schmollmund und sah ihn sichtlich ungeduldig an. Er grinste nur. Oh ja, er hatte etwas vor. Er war deswegen ein bisschen nervös, aber es war wichtig, dass ihre letzte Erinnerung an Fesselspiele durch etwas Sinnliches ersetzt wurde. Etwas Heißes. Leidenschaftliches. Etwas, das ihr gefiel und ihr nicht unangenehm war. Er wusste, dass er es zu einer unglaublich schönen Erfahrung für sie machen konnte, wenn er genug Zeit hatte, aber er würde sie zu nichts zwingen, was sie nicht wollte. Er würde sie dabei immer genau beobachten und sofort aufhören, wenn sie Angst bekam oder ihr etwas unangenehm war. Er hatte schon einmal Mist gebaut. Es lag ihm fern, ihr noch einmal einen Grund zu geben, an ihm zu zweifeln. Vor seinem Haus half er ihr aus dem Wagen und hielt ihre Hand, während sie mit dem Fahrstuhl nach oben fuhren. Sobald sie in der Wohnung waren, nahm er ihr Mantel, Schal und Mütze ab, und sie rieb sich mit den Händen die Arme, als sie ins Wohnzimmer ging. Er hatte den Kamin brennen lassen, während sie weg waren, damit es bei ihrer Rückkehr kuschelig warm war. Nachdem auch er seinen Mantel ausgezogen hatte, folgte er Mia ins Wohnzimmer, wo er sie vor dem Kamin stehen sah. »Bleib da stehen und zieh dich aus«, sagte er mit vor Verlangen heiserer Stimme. Sie hob den Blick, und er suchte nach Hinweisen, dass es ihr widerstrebte, seinem Befehl Folge zu leisten. Doch er sah nur Vertrauen, das ihm aus ihren Augen entgegenstrahlte. »Ich muss ein paar Sachen aus dem Badezimmer holen. Bleib vor dem Kamin, damit dir nicht kalt wird. Ich bin gleich wieder da.« Er ging ins Bad, holte das Seil, einen Analplug und einen Vibrator aus seinem Schrank. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, schimmerte ihre Haut golden im Feuerschein, eingerahmt von den Flammen. Sie war so wunderschön, dass es ihm den Atem raubte. Als ihr Blick auf die Sachen in seiner Hand fiel, riss sie die Augen auf und sah ihn fragend an. Niemals zuvor hatte er sich bei einer Frau damit aufgehalten zu erklären, was er vorhatte. Sie hatten zu gehorchen, ohne Fragen zu stellen. Sie hatten sich mit allem, was er je mit ihnen machen wollte, einverstanden erklärt, als sie den Vertrag unterzeichneten. Aber Mia war anders. Er wollte, dass sie verstand. Er wollte, dass sie wusste, was er dachte. Sie sollte auf keinen Fall Angst bekommen. Er wollte sie nicht in die Flucht schlagen. »Ich will dir zeigen, wie lustvoll das sein kann«, erklärte er mit leiser Stimme. »In Paris habe ich es aus den falschen Gründen getan. Da ging es nicht um dich, egal was ich gesagt habe. Es ging um mich und um meine Gründe – meine dummen Gründe. Gib mir diese Chance, Mia. Ich möchte dir zeigen, wie schön eine gefesselte Frau sein kann. Ich kann es zu einer lustvollen Erfahrung für dich machen. Vertrau mir, dass ich es zu einem perfekten Erlebnis für dich mache.« Ihr Blick wurde weich. »Ich vertraue dir, Gabe. Nur dir. Niemandem sonst. Du warst nie derjenige, den ich abgelehnt habe. Es waren die anderen Männer. Solange nur du mich berührst, habe ich keine Angst.« Meine Güte, wie lieb sie war. Noch nie hatte ihm jemand so sehr vertraut. Weder seine Ex-Frau noch eine der anderen Frauen, mit denen er zusammen gewesen war. Sie hatten immer nur das Materielle gesehen, das er ihnen gab. Hatten immer nur seinen Reichtum, seinen Status gesehen und nicht den Mann, der hinter all dem stand. Diesen Mann hatte keine von ihnen jemals wirklich angenommen. Mia schon. Sie hatte ihn akzeptiert, wie er war. Wollte ihn genauso sehr, wie er sie wollte. Und sein Reichtum und seine Macht interessierten sie nicht. Sie kannte den wahren Gabe, und das war der Mann, den sie wollte. Allmählich begriff er, dass er bei ihr hinter seiner Schutzmauer hervortreten konnte, um ihr zu erlauben, auch den Teil von ihm zu sehen, den noch nie jemand gesehen hatte. Genauso wie sie ihm vertraute, vertraute er auch Mia sein bestgehütetes Gut an. Sein Herz. Er zeigte auf das große Sitzkissen aus Leder und bedeutete ihr, sich auf allen vieren darauf niederzulassen. Dann begann er, das Seil sorgfältig um ihren Körper zu legen. Er führte es oberhalb und unterhalb ihres Busens entlang und achtete dabei darauf, die üppigen Rundungen nicht einzuengen. Dann schlang er das Seil um ihren Rücken und band ihre Hände an der Taille zusammen, während er sie anwies, ihre Wange auf das weiche Leder zu legen. Nachdem er ihre Hände gefesselt hatte, nahm er die Enden des Seils, spreizte ihre Schenkel und wickelte das Seil jeweils um ihre Knöchel, um es dann zwischen Händen und Füßen zu spannen. In dieser Position war sie hilflos und ihm völlig ausgeliefert, sodass er mit ihr machen konnte, was er wollte. Und er wollte verdammt viel von ihr. Sein Schwanz war hart wie Stahl und drängte gegen seine Hose. Doch er war entschlossen, es langsam angehen zu lassen. Er wollte, dass sie ihn auf dem ganzen Weg begleitete, wollte, dass es hierbei um sie und ihre Lust ging, was er vorher nie getan hatte. Er ließ seine Hand über die Rundung ihres Pos bis zu den seidig, nassen Falten zwischen ihren Beinen gleiten. Neckend strich er mit den Fingern um ihre Öffnung, um dann mit einem Finger einzudringen. Sofort spürte er, wie sie ihn heiß umschloss und tiefer einsaugte. Er zog den Finger wieder heraus und trat um sie herum, bis er vor ihrem Kopf stand. Er hielt ihr seinen Finger hin, damit sie ihn in den Mund nahm. »Koste davon«, murmelte er. »Koste und erkenne, wie süß du schmeckst, Mia. Und stell dir dabei vor, es wäre mein Schwanz, an dem du saugst.« Zögernd teilten sich ihre Lippen, und er schob den Finger in ihren Mund, strich über ihre leicht raue Zunge. Ihre Lippen schlossen sich um seinen Finger und saugten zart an ihm, als er ihn auch schon wieder herauszog. Er griff nach Analplug und Vibrator und musste lächeln, als er sah, dass ihre Augen geweitet waren. Er trug Gel auf den Plug und direkt auf den Anus auf und verteilte das Gleitmittel dann innen und außen mit dem Finger. Er setzte den Stöpsel an den zusammengezogenen Muskel und begann du drücken, wobei er sich Zeit ließ, damit ihr Körper sich allmählich an das Fremdkörpergefühl gewöhnte. Fasziniert beobachtete er, wie sie sich weitete, um den Plug aufzunehmen, und er stöhnte, als er sich vorstellte, sein Schwanz würde in sie eindringen und das Loch beim Eintritt weiten. Ihre Brust hob und senkte sich vor Anstrengung, und sie fing an zu keuchen, als er sie immer weiter dehnte. Schließlich drückte er den Stöpsel ganz in sie hinein. Sie stieß einen langen Seufzer aus und sackte auf dem Kissen in sich zusammen. »Das ist erst der Anfang«, sagte er lächelnd. »Könnte sein, dass ich es nicht überlebe«, erklärte sie atemlos. Gabe griff nach dem Vibrator und aktivierte die höchste Stufe. Als er damit ihren Kitzler berührte, schoss sie nach oben und begann am ganzen Körper zu zittern. Aber weil sie so fest verschnürt war, blieb ihr keine andere Wahl, als die intensiven, lustvollen Empfindungen über sich ergehen zu lassen, während er die Kuppel wieder gegen sie drückte, um diesmal über das empfindsame Fleisch bis zum Eingang ihrer Scham zu streichen. Er drang kaum mehr als einen Zentimeter in sie ein und stieß dann immer wieder flach in sie. Sie stöhnte leise, ihrem Gesicht war die Anspannung, unter der sie stand, anzusehen. Er schob den Vibrator tiefer in sie hinein, und sie keuchte, als er vollständig in sie eindrang. Sie war vollständig mit sowohl Plug als auch dem dicken, langen Vibrator ausgefüllt. Sie begann am ganzen Körper zu zittern und ihr Po schoss bei jedem Stoß nach oben. Sie zuckte und wand sich, bis er glaubte, sie würde gleich vom Kissen stürzen. »Gabe, bitte!«, flehte sie. »Du willst kommen?« Sie stöhnte. »Du weißt, dass ich das will!« Er kicherte leise und zog den Vibrator heraus, ehe er sich hinter sie kniete und mit der Zunge von ihrem Kitzler bis zum Eingang ihrer Scham leckte. »Gütiger Himmel!«, schrie sie auf. Er drückte das Gesicht in ihr weiches Fleisch und saugte ihre steife Knospe zart in seinen Mund. Er spürte, wie sie sich wieder anspannte und ihr Saft über seine Zunge strömte, als er noch tiefer leckte, und wusste, dass sie kurz vor der Erlösung stand. Er richtete sich auf, zog seinen Reißverschluss auf und holte seinen steifen Schwanz hervor. Er stellte sich dicht hinter sie, führte ihn an ihre Öffnung und drang tief ein. Sie schrie auf. Mit einem rauen Stöhnen entfleuchte sein Name ihren Lippen. Er packte ihre gefesselten Hände und hielt sich daran fest, als er es ihr mit festen, tiefen Stößen besorgte. Sie wurde nass und weich um ihn herum. Eine heiße Woge, in die er bis zu den Lenden eintauchte. Er musste all seine Beherrschung aufbieten, um nicht auf der Stelle seine Lust zu stillen und sich in ihr zu ergießen. Doch er hatte ihr versprochen, dass es diesmal nur um sie ging, und deshalb würde er warten. Er wollte ihr noch viele Male Lust schenken, ehe der Abend vorbei war. Sie verkrampfte sich um ihn, jeder einzelne Muskel in ihrem Körper spannte sich an, und sie erstarrte vollständig. Dann stieß sie einen erstickten Schrei aus und sackte in sich zusammen, als er wieder tief in sie eintauchte. Er verharrte in dieser Position und wartete, während sie sich von ihrem heftigen Höhepunkt erholte. Später löste er sich vorsichtig von ihr und verstaute seinen Schwanz wieder in der Hose. Er ließ ihr Zeit, zu Atem zu kommen, und holte eine der Gerten aus dem Schrank. Als er zurückkam, lag ihre Wange auf dem Sitzkissen, ihre Augen waren geschlossen. Er berührte ihren Hintern mit der Spitze der Gerte und fuhr damit über die vollen Backen. Sofort öffnete sie die Augen und atmete vor freudiger Erregung tief ein. »Magst du es, wenn ich dir den Hintern versohle, Mia?« »Ja«, wisperte sie. »Fühlt es sich gut an? Dieser durchdringend scharfe Schmerz, der sich auf so einem schmalen Grat zur Lust befindet?« »Ja!«, sagte sie lauter. »Heute versohle ich dir den Hintern nicht zur Bestrafung, sondern hinterlasse meine Spuren nur deshalb auf deinem hübschen Hintern, um uns beiden große Lust zu bereiten. Und wenn ich damit fertig bin, deinen Hintern zu röten, werde ich es dir von hinten besorgen.« Sie stöhnte und dieser Laut beflügelte seine Sinne. Ein äußerst weiblicher Hauch, voll von Erwartung. Er beugte sich vor, um den Plug zu entfernen. Sie zuckte zusammen, als er ihn herauszog, und gab dabei wieder ein lustvolles Stöhnen von sich. Nachdem er den Plug beiseitegelegt hatte, ließ er die Spitze der Gerte wieder über ihren Hintern gleiten, ehe er ihr schließlich den ersten Schlag versetzte. Er ging dabei sehr zartfühlend vor und achtete darauf, sich zurückzunehmen, um sie nicht zu fest zu schlagen. Er wollte sich langsam hocharbeiten, bis die wunderschönen roten Schwielen ihren gesamten Hintern zierten. Wenn er gleich mit zu viel Wucht loslegte, würde sie schnell genug haben, und er wollte doch, dass sie um mehr flehte, und ihn nicht anflehte aufzuhören. Wie schön sie aussah mit gefesselten Händen und Füßen, gespreizten Schenkeln und dem Haar, das über ihren Körper und das Sitzkissen strömte. Jeder Schlag verursachte eine Rötung, die eine Weile blieb, ehe sie verblasste und gleich wieder auftauchte, wenn er ihr den nächsten Schlag verpasste. Sie wand sich ruhelos und zerrte an den Fesseln, während sie gleichzeitig ihren Hintern nach oben reckte, als wolle sie mehr. Nach dem fünfzehnten Hieb verstärkte er seine Schläge, und die Rötungen blieben länger, bis ihr gesamter Hintern rosig schimmerte. Nur noch ein paar Schläge, dann würde er in ihren engen Hintern eindringen und sich in der Schönheit ihrer hingebungsvollen Unterwerfung verlieren. Beim Klatschen des nächsten Schlages dröhnte plötzlich noch ein anderes Geräusch durch den Raum. »Was zum Teufel machst du da?«, brüllte Jace. Gabes Kopf zuckte hoch und der nebelhafte Rausch, in dem er sich befunden hatte, löste sich auf, als er Jace und Ash, hinter denen sich gerade die Fahrstuhltüren schlossen, im Foyer stehen sah. Gabe war so versunken gewesen, dass er das Herannahen des Fahrstuhls gar nicht gehört hatte. Gar nicht bemerkt hatte, wie Jace und Ash aus dem Fahrstuhl traten. Das Entsetzen auf Mias Gesicht traf Gabe wie eine Faust in den Magen. »Oh mein Gott, Gabe. Was hast du getan?« Ashs entsetzte Stimme hallte noch in Gabes Ohren, als Jace sich schon auf Gabe stürzte und mit einem rechten Haken sein Kinn traf. 38 Mias Kreischen erfüllte den Raum, als Gabe durch die Luft flog. Er krachte zu Boden, wo Jace sich auf ihn warf, pure Mordlust in seinem Gesicht. Zorn loderte in seinen Augen, als er erneut ausholte. Rasender Schmerz schoss durch Gabes Nase, und er wälzte sich weg, ohne sich jedoch seinerseits auf Jace zu stürzen. Er konnte es nicht. Ash stand mit besorgter Miene über Mia gebeugt, und versuchte hektisch, sie loszubinden. Gabe wäre zu ihm gegangen, hätte ihm geholfen, um es erklären zu können, hätte Jace nicht über ihm aufgeragt. Nun packte er Gabes Hemd und riss ihn hoch, während er ihn mit gefletschten Zähnen ansah. »Wie konntest du das tun?«, brüllte Jace. »Ich wusste es! Du Hurensohn. Ich kann nicht glauben, dass du ihr das angetan hast.« »Jace, um Gottes willen«, stieß Gabe hervor. »Lass es mich erklären.« »Halt’s Maul. Halt einfach nur das Maul! Was gibt es da zu erklären, verdammt noch mal? Herrgott noch mal! Wie konntest du das tun, Gabe? Willst du wirklich, dass sie denkt, eine Beziehung läuft so? Willst du, dass sie denkt, deine abartigen Bedürfnisse sind normal? Und was, wenn du das Interesse an ihr verlierst, so wie du bisher immer das Interesse an Frauen verloren hast? Was dann? Willst du, dass sie das dann bei einem anderen Mann sucht und von dem Arschloch missbraucht wird?« Gabe wurde von Schuldgefühlen erfasst und konnte Jace nicht in die Augen sehen. Jedes Wort, jeder Vorwurf traf mitten in seine Seele. Er wurde von einer tiefen Erschöpfung erfasst, weil so vieles von dem, was Jace sagte, stimmte. Er hatte Mia ausgenutzt. Er hatte sie bedrängt. Er hatte die Kontrolle über ihr Leben übernommen und zugelassen, dass sie unvorstellbare Schmerzen und Demütigungen ertragen musste. Ganz abgesehen von der emotionalen Anspannung, etwas so Gewaltiges vor der eigenen Familie zu verheimlichen. Himmel, er verdiente sie nicht. Er verdiente ihre Lieblichkeit nicht. Verdiente nicht, in dem Sonnenschein zu baden, den sie ausstrahlte, verdiente nicht, dass seine ganze Welt unter ihrem kostbaren Lächeln erstrahlte. Alles, was mit ihr zu tun hatte, hatte er von Anfang an falsch angepackt. Dieser verdammte Vertrag. Die Heimlichtuerei. Wie er Mia behandelt hatte. Und jetzt war er auch noch für die große Kluft verantwortlich, die zwischen ihr und Jace, zwischen ihm und Jace entstanden war. Eine Kluft, die vielleicht nie wieder überbrückt werden konnte. War es da verwunderlich, dass Jace ausrastete? Er versetzte sich einen kurzen Moment in Jace’ und Ashs Situation und stellte sich vor, wie sie sich gefühlt haben mussten, als sie hereinkamen. Er stellte sich vor, wie die Situation für sie ausgesehen haben musste. Jace’ kleine Schwester hilflos gefesselt am Boden, während Gabe ihren Hintern mit einer Gerte bearbeitete. Ihr Hintern war über und über mit roten Striemen bedeckt gewesen. Er erschauderte, als ihm klar wurde, dass sie auf keinen Fall verstehen würden, wie es wirklich gewesen war. Er erkannte, dass er in ihren Augen unten durch war. Er konnte ihnen das nicht einmal verdenken. Und er schämte sich, Mia einer Situation ausgesetzt zu haben, in der jeder annehmen musste, dass sie missbraucht und misshandelt wurde. Sie verdiente so viel mehr. Jemanden, der sie wie eine Prinzessin behandelte, wie das kostbare Wesen, das sie war. Nicht so einen verkorksten, selbstsüchtigen Mistkerl wie ihn. »Wie konntest du sie so ausnutzen?«, raste Jace. »Du bietest ihr einen Job an und bringst sie in eine Situation, in der sie denkt, sie müsste alles tun, was du willst, weil du ihr gegenüber eine Machtposition innehast? Ich würde dich am liebsten umbringen. Ich kann nicht fassen, dass du nicht mehr Respekt vor ihr hattest, nicht mehr Respekt vor unserer Freundschaft. Du bist nicht der Mensch, für den ich dich gehalten habe, Gabe.« Gabe schloss die Augen. Er war völlig am Ende. Jace bohrte das Messer immer tiefer in die Wunde, und das Schlimme daran war, dass jedes seiner Worte ihm einen weiteren Stich versetzte. Er wusste, dass Jace recht hatte. Er hatte nichts zu seiner Verteidigung vorzubringen. Es gab nichts, was er hätte sagen können. Gabe wusste, dass er sie falsch behandelt hatte, dass er ihr nicht den Respekt hatte angedeihen lassen, den sie verdiente. Was, wenn sie nun wirklich das Gefühl gehabt hatte, sie müsste auf alles eingehen, weil sie für ihn arbeitete, weil er so besessen von ihr war, dass er ihr keine große Wahl gelassen hatte? Er hatte die Kontrolle über ihr Leben an sich gerissen, über ihren Körper. Er hatte so lange von ihr gezehrt, bis nichts mehr übrig geblieben war. Das, was er am meisten gefürchtet hatte – dass er von ihr zehren würde, bis nichts mehr von ihr übrig war, dass er all das an ihr geändert hatte, was ihm die größte Freude bereitete – war eingetreten. Was in Paris vorgefallen war, hatte sie zutiefst bekümmert und traumatisiert. Und das war ganz allein seine Schuld gewesen. Statt gleich Nein zu rufen, war sie anfangs darauf eingegangen, weil sie diesen verdammten Vertrag unterzeichnet und damit all ihre Rechte abgetreten hatte. Sie hatte geglaubt, dazu verpflichtet zu sein, hatte nicht das Gefühl gehabt, eine andere Wahl zu haben. Ja, er hatte ihr zwar gesagt, dass sie Nein sagen könnte, aber um welchen Preis? Wozu hatte er sie noch alles gezwungen? »Ich schwöre bei Gott, dass ich dir das nie verzeihen werde«, erklärte Jace heiser. »Ich nehme sie jetzt sofort mit, und du wirst dich in Zukunft von ihr fernhalten. Versuche nie wieder, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Du wirst vergessen, dass es sie überhaupt gibt.« Ash war es endlich gelungen, Mia loszubinden. Er hob sie auf den Arm, ehe sie etwas sagen oder tun konnte, und trug sie ins Schlafzimmer, wo er sie in eine von Gabes Decken wickelte. Er durchwühlte Gabes Badezimmer, bis er schließlich mit einem Bademantel herauskam, den er ihr anzog und mit einem Doppelknoten schloss. »Um Gottes willen, Mia, geht’s dir gut?«, wollte Ash wissen. Nein, es ging ihr nicht gut. Was für eine blöde Frage. Sie war entsetzt und fühlte sich gedemütigt, weil Ash und ihr Bruder unangekündigt in Gabes Wohnung geplatzt waren und sie nackt und gefesselt gesehen hatten. Die Szene entstammte einem ihrer schlimmsten Alpträume und war noch schlimmer geworden dadurch, dass Jace Gabe windelweich geprügelt und Gabe sich nicht einmal gewehrt hatte … nichts getan hatte, um sich zu verteidigen. Sie zwang sich, sitzen zu bleiben, tief durchzuatmen und Haltung anzunehmen, obwohl sie am liebsten zu Gabe gerannt wäre, um Jace alles zu erklären. So wie sie es geplant hatten, sobald Jace von seiner Geschäftsreise zurück war. Einen Tag noch. Mehr hätten sie nicht gebraucht. Der Schock machte sie benommen. Sie war so benommen, dass sie noch nicht einmal über die einfachsten Dinge nachdenken konnte. Sie wusste nur, dass sie zu Gabe musste. Sie musste dem hier ein Ende setzen. Sie musste es regeln! Herrje, sie musste es in Ordnung bringen. All ihre Befürchtungen waren wahr geworden, und jetzt befanden sich zwei Männer, die ihr Leben lang befreundet gewesen waren, im Krieg gegeneinander. Heiße Tränen brannten in ihren Augen, aber sie drängte sie zurück, denn sie war wild entschlossen, Ruhe zu bewahren. Doch sie zitterte am ganzen Körper. Sie wollte auf keinen Fall, dass Jace und Ash ihre Aufregung bemerkten und den Grund dafür in etwas suchten, das Gabe ihr angetan hatte. »Ash, es geht mir gut«, erklärte Mia mit bebender Stimme. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du dafür sorgen könntest, dass sie sich nicht gegenseitig umbringen.« Ash machte ein finsteres Gesicht. »Ich werde Jace nicht aufhalten, wenn er Gabe windelweich prügeln will. Der Drecksack hat es verdient für das, in das wir hineingeplatzt sind. Meine Güte, Mia, weinst du etwa? Hat er dir wehgetan? Hat er sich dir aufgezwungen? Geht’s dir gut? Musst du ins Krankenhaus?« Hastig wischte Mia sich die Tränen aus den Augen. Die Richtung, in die Ashs Fragen zielten, entsetzte sie. Waren er und Jace wirklich der Meinung, dass nicht einvernehmlich war, was sie gesehen hatten? Ja sicher, es hatte möglicherweise so gewirkt, aber die beiden kannten Gabes Vorlieben doch sicher gut genug, um zu wissen, dass er diesen Neigungen regelmäßig nachging. Vielleicht lag es auch nur daran, dass sie die kleine Schwester war und sie nur gesehen hatten, dass sie gefesselt und nackt auf einem Sitzkissen hockte und versohlt wurde. Sie zuckte zusammen, als sie sich vorstellte, was für einen Anblick sie geboten haben musste. Sie konnte verstehen, warum Jace vollkommen ausgerastet war. Wer wäre das nicht, wenn er irgendwo hereinplatzte und sah, was sie gesehen hatten? Dennoch musste sie es ihnen verständlich machen. Entschlossen, ins Wohnzimmer zurückzugehen, stand sie auf, als Jace mit loderndem Blick ins Schlafzimmer gestürmt kam. Er ging sofort zu ihr und schloss sie in seine Arme. »Geht’s dir gut?«, fragte er. Seine Stimme klang gepresst, ein deutliches Zeichen dafür, dass er zutiefst erschüttert und sehr wütend war. Das Ganze geriet immer mehr außer Kontrolle, und sie wusste nicht, wie sie das verhindern sollte, wie sie ihnen alles begreiflich machen konnte. Die Emotionen kochten über. Keiner der beiden Seiten war mit Vernunft beizukommen. »Jace, es geht mir gut«, sagte sie und zwang sich gelassen zu klingen, um die Situation nicht noch weiter zu verschlimmern. »Was hast du mit Gabe gemacht?« »Nichts, was er nicht verdient hätte«, erwiderte Jace finster. »Los, komm. Ich bring dich von hier weg.« Er nahm ihre Hand und zog sie zur Schlafzimmertür. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Und das war auch in Ordnung, denn sie wollte zu Gabe. Als sie das Wohnzimmer betrat, sah Mia Gabe mit in den Händen vergrabenem Kopf auf dem Sofa hocken. Sofort war sie voller Sorge und wollte zu ihm, aber Jace riss sie zurück. »Wir gehen, Mia«, knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen. Sie runzelte die Stirn und entzog ihm ihre Hand. »Ich gehe nirgendwo hin.« Da schaute Gabe auf, sein Blick war vollkommen kalt und leer, als stecke er in einem Eisblock. Er starrte sie an. Sie eilte zu ihm und kniete sich vor ihn. Sie streckte die Hand vor und berührte vorsichtig seinen Arm, doch er zuckte zusammen und stieß ihre Hand weg. »Bist du okay?«, fragte sie leise. Die Angst schnürte ihr fast die Kehle zu, sodass sie kaum noch Luft bekam. »Mir geht’s gut«, erklärte er mit förmlich-steifer Stimme. »Rede mit ihnen«, flüsterte sie. »Erklär es. Ich werde jetzt nicht gehen, Gabe. Wir müssen es ihnen begreiflich machen. Du darfst nicht zulassen, dass sie denken, was sie denken. Bring das in Ordnung. Wir wollten es ihm doch ohnehin erzählen. Sorg dafür, dass er versteht.« Sie flehte ihn an, denn was hätte sie sonst tun sollen? Die Furcht ließ Verzweiflung in ihr aufsteigen. Sie konnte nicht mehr klar denken. Für Gabe würde sie sogar ihren Stolz aufgeben. Für ihn würde sie alles tun. Gabe erhob sich steif und brachte Abstand zwischen sich und Mia. Verwirrt von seiner Stimmung und seinem Verhalten sprang sie auf. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Ihr gefiel nicht, wie er sie ansah. Die Resignation in seinem Blick. Die Hinnahme. Was hatte er hingenommen? Was Jace zu ihm gesagt hatte? Was hatte Gabe zu Jace gesagt? Und als Gabe dann sprach, gefror ihr Blut zu Eis. Sie erstarrte und konnte ihn nur verblüfft mit großen Augen anstarren. »Du solltest jetzt gehen«, meinte er kurz angebunden. »So ist es besser. Du hattest angefangen, dich emotional zu sehr zu verstricken. Ich will dich nicht verletzen. Es wird nur schwerer, je länger wir warten. Ein sauberer Schnitt ist leichter und sorgt später für weniger … Durcheinander.« »Was zum Teufel redest du denn da?«, wollte Mia wissen. Ihr schockierter Fluch dröhnte laut in der angespannten Stille. »Mia, lass uns einfach gehen«, sagte Ash mit sanfter Stimme. Sie konnte das Mitleid in seiner Stimme hören, wusste, dass sie ihm leidtat, dass er meinte, sie würde sich zum Narren machen. In ihren Augen war sie nur eine weitere Frau, von der Gabe sich trennte, die er beiseiteschob, um sich der nächsten zuzuwenden. Zum Teufel damit. Sie würde nicht ohne eine Erklärung gehen, nicht ohne versucht zu haben, den Mann zu erreichen, der sich hinter der kalten Maske verbarg. Sie kannte den wahren Gabe. Sie hatte seine Wärme und Zärtlichkeit gespürt. Sie wusste, dass sie ihm etwas bedeutete, auch wenn das hier und jetzt nicht zu erkennen war. Sie schüttelte den Kopf und widersetzte sich hartnäckig. »Ich gehe nirgendwo hin, ehe Gabe mir nicht sagt, was der Blödsinn soll, den er da gerade vom Stapel gelassen hat.« Gabe sah mit gleichgültiger Miene einfach durch sie hindurch. Kalt und distanziert. Sie war sicher, dass viele Frauen mit diesem Blick bedacht worden waren, sobald es an der Zeit war, getrennte Wege zu gehen. Es war ein Blick, der sagte: »Ich will dich nicht mehr. Bring dich nicht selber noch mehr in Verlegenheit.« Scheiß drauf. Diesem Mann hatte sie längst all ihren Stolz geopfert. Man konnte sich gar nicht mehr in Verlegenheit bringen, als wenn der eigene Bruder auftauchte, während man gerade Sex mit Fesselspielen trieb. Noch tiefer konnte man sich gar nicht hineinreiten. »Gabe?«, flüsterte sie. Ihre Stimme klang gepresst, weil der Kloß in ihrem Hals immer größer wurde. Sie hasste den flehentlichen Ton in ihrer Stimme, hasste es, ihren Stolz nicht bewahren zu können, wenn es um diesen Mann ging. Sie stand gefährlich nah davor zu betteln, und es war ihr egal. »Es ist vorbei, Mia. Du wusstest, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde. Ich hatte dir von Anfang an gesagt, dass du dich nicht in mich verlieben sollst. Dass ich dir nicht wehtun wollte. Ich hätte es schon längst beenden sollen. Du hast dich zu sehr auf die Sache eingelassen, und das macht es auf lange Sicht nur schlimmer. Geh mit Jace und vergiss mich. Du hast was Besseres verdient.« »So ein Schwachsinn«, stieß Mia hervor und verblüffte alle drei Männer mit ihrer heftigen Erwiderung. »Du bist ein verdammter Feigling, Gabe. Du warst derjenige, der sich immer mehr verstrickt hat, und du bist ein gottverdammter Lügner, wenn du versuchst, das zu leugnen.« »Mia«, sagte Jace leise. Sie beachtete ihn nicht, sondern richtete ihren ganzen Zorn gegen Gabe. »Ich habe für dich alles aufs Spiel gesetzt. Bin jedes Risiko eingegangen. Es ist eine Schande, dass du nicht bereit bist, dasselbe für mich zu tun. Eines Tages wirst du aufwachen und feststellen, dass ich das Beste war, was dir je passiert ist, und dass du den größten Fehler deines Lebens gemacht hast. Und weißt du was, Gabe? Dann wird es zu spät sein. Dann bin ich nämlich nicht mehr da.« Jace legte den Arm um sie, drückte sie an sich und stützte sie, als er sie wegführte. Wegen der Tränen in ihren Augen konnte sie kaum etwas sehen. Sie war so wütend und aufgeregt, dass sie am ganzen Leib zitterte. Jace murmelte ihr etwas ins Ohr, dann trat Ash an ihre andere Seite, und beide führten sie zum Fahrstuhl. Auf halbem Wege drehte sie sich noch einmal um und bemerkte, dass Gabe sie immer noch mit diesem leeren, unnahbaren Ausdruck im Gesicht anstarrte. Das machte sie nur noch wütender. Sie wischte die Tränen ab, die ihr über die Wangen liefen, und hob das Kinn, entschlossen, seinetwegen keine Träne mehr zu vergießen. Sie hatte gedacht, dass er es wert wäre. Er ihres Stolzes wert wäre. Sie hatte sich geirrt. »Solltest du je erwachen und beschließen, dass du mich zurückhaben willst, musst du kriechen.« Als sie sich diesmal umdrehte, löste sie sich aus Ashs und Jace’ Griff. Es war ihre eigene Entscheidung zu gehen. Sie trat in den Fahrstuhl und schaute nicht einmal zurück, als sich die Türen hinter ihr schlossen. Sie blickte an sich herunter und war entsetzt, dass sie nur den Bademantel anhatte, den Ash ihr übergestreift hatte. »Mach dir deswegen keine Gedanken, Mia«, beruhigte Jace sie. »Ich werde den Wagen vorne vorfahren lassen. Ash und ich werden dich in die Mitte nehmen und ganz schnell zum Auto bringen. Ich nehme dich mit zu mir nach Hause.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will zu mir nach Hause. In meine Wohnung.« Ash und Jace tauschten schnell einen besorgten Blick. Als die Fahrstuhltüren sich unten öffneten, eilte Jace voraus, Ash und Mia folgten ihm langsam. Als sie beim Ausgang ankamen, war Jace bereits zurück und die beiden liefen wie versprochen so dicht neben ihr her, dass kaum zu erkennen war, wer sie war oder was sie anhatte. Schnell stiegen sie in den Wagen und schlossen die Türen hinter sich. Erleichtert hörte Mia, dass Jace dem Fahrer die Adresse ihrer Wohnung gab. »Wie lange lief das zwischen euch?«, wollte Jace wissen. »Das geht dich nichts an«, erwiderte Mia mit versteinerter Miene. Jace’ Miene verfinsterte sich. »Nichts da. Dieser Hurensohn hat dich missbraucht und ausgenutzt.« »Verdammt noch mal. Das hat er nicht. Es war eine absolut einvernehmliche Beziehung, Jace. Komm mal eine Minute von deinem selbstgefälligen Sockel herunter. Er hat nichts getan, was ich nicht gewollt hätte. Er war ganz klar und deutlich, und ich wusste genau, auf was ich mich einließ, als wir unsere Beziehung begannen. Du hast nur Blödsinn von dir gegeben. Ich bin erwachsen, ob du das nun glauben willst oder nicht. Eine Erwachsene, die genau weiß, was sie will, und ich wollte Gabe.« »Ich kann nicht fassen, dass er das getan hat. Ich kann nicht fassen, dass er wollte, du denkst, das wäre normal. Wenn du jetzt was mit einem anderen Mann anfängst und den gleichen Mist willst? Wenn du nun an irgendeinen Loser gerätst, der dich misshandelt und missbraucht?« Mia verdrehte die Augen und wurde wütend. »Ihr beiden seid ja so was von scheinheilig.« Ash blinzelte überrascht, dass sie ihn mit in die Beleidigung einbezog. »Wollt ihr eure Frauen glauben lassen, es wäre normal, mit zwei Männern ins Bett zu gehen, oder dass ihr euch immer eine Frau teilen wollt? Was erwarten die denn dann? Was passiert, wenn die eine neue Beziehung eingehen? Sollen sie denken, es wäre in Ordnung, dass zwei Männer es ihr gleichzeitig besorgen wollen?« »Oh Gott, Mia. Wo hast du das denn her?«, wollte Ash wissen. Sie zuckte die Achseln. »Das ist in der Firma ein offenes Geheimnis. Und an dem Abend, an dem wir zusammen essen waren und die Brünette auftauchte, wurde es ja auch bestätigt.« »Wir reden hier nicht über mich und Ash«, knurrte Jace. »Wir reden über dich und Gabe. Er ist vierzehn Jahre älter als du, Mia. Er lässt jede Frau, mit der er zusammen ist, einen Vertrag unterschreiben. Ist das die Beziehung, die du willst? Meinst du nicht, du hättest was Besseres verdient?« »Genau richtig. Ich habe was Besseres verdient«, erwiderte sie leise. Sie fühlte sich verletzt, und der Verrat wog so schwer, dass sie meinte, daran zu ersticken. Jeder Atemzug schmerzte. Bei jedem Atemzug hatte sie das Gefühl, gleich zu sterben. Sie spürte es hautnah. Noch nie hatte sie so einen Schmerz erlebt. Er rieb sie auf. Sie konnte fühlen, wie sie innerlich in tausend kleine Stücke zerbrach. Sie zog den Bademantel enger um sich, und ihre Lippen zitterten, als sie ihren Bruder und Ash anschaute. »Ich verdiene einen Mann, der aufsteht und um mich kämpft, einen Mann, der mich immer beschützt. Gabe hat nichts von all dem getan. Wir hatten vor, dir von unserer Beziehung zu erzählen, sobald du wieder hier warst. Komisch, nicht wahr? Ich frage mich, wie es wohl gelaufen wäre, wenn wir es dir von uns aus erzählt hätten, anstatt dass du es erfährst, indem du in seine Wohnung hereinplatzt. Das werde ich wohl nie erfahren.« Ash wirkte verärgert und verzog das Gesicht. Jace sah einfach nur sauer aus. Sie lachte bitter auf. »Ich werde mich jetzt wohl auch nach einer anderen Arbeit umschauen müssen. Zu dumm, denn der Job hat mir wirklich gefallen.« »Du kannst für mich arbeiten«, erklärte Jace mit fester Stimme. »Das hättest du von Anfang an tun sollen.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Ich werde keinen Fuß mehr in diese Firma setzen. Ich werde mich doch nicht tagtäglich der Qual aussetzen, Gabe zu sehen.« »Was willst du dann machen?«, fragte Ash sanft. Sie presste die Lippen aufeinander und Verbitterung stieg in ihr auf. »Das weiß ich jetzt noch nicht. Ich werde vermutlich viel Zeit haben, mir das zu überlegen.« 39 Als Mia nur mit einem Bademantel bekleidet und mit Ash und Jace im Schlepptau ihre Wohnung betrat, eilte Caroline mit besorgter Miene auf sie zu. »Mia? Was ist passiert? Geht’s dir gut?« Mia umarmte ihre Freundin und brach zu ihrem eigenen Entsetzen in Tränen aus, unfähig, die Fassung zu wahren. Caroline drückte sie fest an sich und fuhr gleichzeitig Ash und Jace an, was sie Mia angetan hätten. »Sie sollen einfach gehen, Caro. Mach, dass sie gehen«, stieß Mia schluchzend hervor. »Jetzt, wo ich bei dir bin, geht’s mir wieder gut.« Caroline führte sie zur Couch und half ihr sich hinzusetzen, ehe sie sich mit finsterem Blick zu Jace und Ash umdrehte. »Sie haben sie gehört. Raus. Ich kümmere mich jetzt um sie.« Jace blickte finster drein und ging zu Mia auf der Couch. Er sah sie lange an, dann seufzte er und zog sie in seine Arme. »Es tut mir leid, Kleines. Ich weiß, dass es wehtut. Ich schwöre bei Gott, dass das überhaupt nicht unsere Absicht war. Wir hatten keine Ahnung, dass du bei Gabe warst. Er hatte mir eine SMS geschickt und geschrieben, dass er nach meiner Rückkehr etwas Wichtiges mit mir zu besprechen hätte. Deshalb bin ich zu ihm in seine Wohnung gefahren. Ash und ich haben Schlüsselkarten zu seinem Stockwerk. Verdammt, ich dachte, es ginge um etwas Geschäftliches. Es klang dringend, deshalb sind wir sofort nach der Landung zu ihm gefahren.« Mia klammerte sich an ihren großen Bruder und ließ den Tränen freien Lauf. So wie sie es früher als Kind und Teenager so häufig getan hatte. »Ich bin nicht wütend auf dich«, flüsterte sie. »Ich bin wütend auf ihn. Wenn er nicht den Mut hat, sich gegen dich und Ash zu behaupten und für mich einzustehen, dann will ich ihn nicht. Ich habe was Besseres verdient.« Jace strich ihr übers Haar. »Du hast auf jeden Fall was Besseres verdient, Kleines. Gabe ist – oder eher war – mein Freund, aber ich werde ihn nicht in Schutz nehmen. In Bezug auf Frauen macht er, was er will, und wenn man nicht tut, was er sagt, kann man gehen.« »Aber du bist da anders, ja?«, fragte Mia vorwurfsvoll, während sie sich von ihm löste. Jace seufzte und sah Ash an, der genauso betreten wirkte. »Ich möchte nicht mit dir darüber reden«, erklärte Jace sanft. »Es hat für das, was heute Abend passiert ist, keine Bedeutung.« Mia verdrehte die Augen. Das war mal wieder ein typisch männliches Ausweichmanöver. Hätten Jace und Ash Gabe mit einer anderen Frau angetroffen, wären sie leise gegangen oder wer weiß … vielleicht wären sie auch geblieben und hätten zugeschaut. Sie hätten noch nicht einmal einen flüchtigen Gedanken an die Frau verschwendet und Gabe wahrscheinlich noch bestätigend auf den Rücken geklopft. Aber es war nicht irgendeine andere Frau gewesen. Sondern sie. Jace’ Schwester und, so gesehen, auch Ashs Schwester. Was bedeutete, dass plötzlich andere Regeln galten. »Bitte, geht jetzt einfach«, sagte sie ruhig. »Caro ist da und kümmert sich um mich.« Jace ließ den Blick mit zweifelnder Miene zwischen den beiden Frauen hin- und herschweifen. »Ich will nicht, dass du allein bist, Mia.« »Sie ist nicht allein«, erklärte Caroline verärgert. »Glauben Sie wirklich, ich würde sie in diesem Zustand allein lassen?« »Aber Sie müssen doch zur Arbeit«, meinte Ash mit einem Stirnrunzeln. Mia schüttelte den Kopf. »Herrgott noch mal. Meint ihr, ich schneide mir die Pulsadern auf, oder was? Ich bin wütend und traurig, aber doch nicht dumm oder lebensmüde.« »Ich komme morgen vorbei und sehe nach dir«, sagte Jace. »Und Thanksgiving wirst du mit mir und Ash verbringen. Verstanden? Ich will nicht, dass du wegen Gabe Trübsal bläst.« Mia seufzte. »Meinetwegen. Geht jetzt. Ich will allein sein und weinen, ohne dass ihr beiden die ganze Zeit an mir klebt. Das Ganze ist schon peinlich genug. Ich bin heute genug gedemütigt worden. Das reicht für ein ganzes Leben.« Ash zuckte zusammen. »Okay, verstanden.« Zögernd erhob Jace sich vom Sofa und ging auf die Tür zu. Er hielt noch einmal inne und drehte sich um. »Ich komme morgen vorbei. Wir gehen zusammen essen. Ash und ich überlegen uns etwas für Thanksgiving, wir sagen dir dann Bescheid.« Mia nickte erschöpft. Sie wollte nur, dass die beiden endlich gingen, damit sie sich bei Caro ausheulen konnte. Sobald sie die Wohnung verlassen hatten, setzte Caroline sich neben Mia auf die Couch und zog sie in ihre Arme. Mia musste gleich wieder anfangen zu weinen. »Was ist passiert?«, fragte Caroline, während sie Mia in ihren Armen wiegte. »Sollen die Mädels vorbeikommen?« Mia schniefte und putzte sich die Nase, während sie sich von Caro löste. Verdammt, unter dem Bademantel – Gabes Bademantel – war sie immer noch nackt. Plötzlich wollte sie ihn nur noch loswerden. »Ich muss erst mal duschen«, meinte sie. »Dann erzähle ich dir alles. Ich muss mir was anziehen … vorzugsweise etwas, das nicht von Gabe ist.« »Ich mache uns heiße Schokolade«, sagte Caroline, deren Miene voller Sorge und Mitleid war. »Das klingt toll«, erwiderte Mia und ein blasses Lächeln trat auf ihr Gesicht. »Danke, Caro. Du bist die Beste.« Mia schleppte sich ins Badezimmer und streifte den Bademantel ab. Nach kurzem Zögern stopfte sie ihn in ihren Schrank, statt ihn wegzuwerfen. Bestimmt würde sie etwas so Erbärmliches tun, wie ihn zu tragen, nur weil er Gabe gehörte. Sie brachte es nicht über sich, ihn wegzuwerfen. Zumindest noch nicht. Nach der heißen Dusche, unter der sie förmlich gekocht worden war, zog sie einen Pyjama an und wickelte sich ein Handtuch um die nassen Haare. Es war ihr egal, dass sie sich dabei völlig verhedderten. Caroline wartete bereits mit zwei Bechern heißer Schokolade im Wohnzimmer, wo Mia sich neben ihr aufs Sofa fallen ließ. Caroline reichte ihr einen Becher, und Mia griff dankbar mit beiden Händen danach, um ihre Finger an dem heißen Gefäß zu wärmen. »Wie läuft’s mit dir und Brandon?«, fragte Mia. Sie hatte entsetzliche Schuldgefühle, weil sie in letzter Zeit jede freie Minute, jede Stunde mit Gabe verbracht hatte. Sie hatte eine Woche lang nicht einmal ein Wort mit Caroline gewechselt. Caroline lächelte. »Gut. Wir treffen uns noch. Wegen unserer unterschiedlichen Arbeitszeiten ist das schwierig, aber wir bemühen uns, dass es klappt.« »Das freut mich«, sagte Mia. »Was ist passiert, Mia?«, fragte Caroline mit sanfter Stimme. »Er hat dir ganz offensichtlich sehr wehgetan. Wie um Himmels willen sind Jace und Ash da hineingeraten und warum kommst du nur mit einem Bademantel bekleidet nach Hause?« Mia seufzte. »Das ist eine lange Geschichte. Ich war nicht ganz ehrlich zu dir, was meine Beziehung zu Gabe betrifft. Das Ganze war viel komplizierter.« Caroline betrachtete sie nachdenklich. »Ich höre.« Mia sprudelte die gesamte Geschichte hervor, sie ließ nichts aus. Als sie endlich bei der Katastrophe des Abends angelangt war, wurden Carolines Augen zunächst groß, dann verengten sie sich vor Empörung zu schmalen Schlitzen. »Ich fasse es nicht, dass er dich so hat hängen lassen. Ihr hattet euch doch vorgenommen, Jace alles zu erzählen.« Mia nickte langsam. »Er stand da und log mich an, Caro. Ich weiß, dass er etwas für mich empfindet. Aber er stand einfach nur da und gab diesen Blödsinn von sich … dass ich mich emotional zu sehr verstricken würde, blablabla. Ich hätte ihn am liebsten erwürgt.« »So ein Schisser«, meinte Caroline grob. »Du hast was Besseres verdient, Mia. Du verdienst jemanden, der sich zu dir bekennt und genau wie du alles riskiert.« »Genau«, sagte Mia. »Ich habe ihm gesagt, wenn er eines Tages aufwacht und feststellt, was für einen Fehler er gemacht hat, müsse er angekrochen kommen, um mich zurückzugewinnen.« Caroline lachte. »Braves Mädchen. Und er sollte um Gnade winseln.« Bestätigend hob Mia ihren Becher. »Ja, genau.« Carolines Miene wurde wieder ernst. »Und was meinst du, passiert jetzt zwischen Jace und Gabe? Sie sind sowohl Geschäftspartner als auch beste Freunde. Jace scheint ziemlich sauer zu sein.« »Ich weiß es nicht«, erwiderte Mia ehrlich. »Das ist der Grund, warum ich nicht wollte, dass Jace es je erfährt. Vielleicht war ich naiv, aber vielleicht habe ich auch einfach nicht damit gerechnet, dass es so heiß hergehen würde zwischen mir und Gabe. Ich dachte, es wäre vor Jace leicht zu verheimlichen. Wahrscheinlich dachte ich, Gabe würde mich ein paar Mal die Woche sehen wollen und die restliche Zeit könnte ich dann wie immer verbringen. Darum wollten wir Jace auch von uns erzählen, wir wollten es nicht länger verheimlichen.« Wieder fing sie vor Wut an zu kochen, färbte die Wut ihre Wangen rosig. »Verdammt. Und dann scheitert es am Timing, das darf doch nicht wahr sein! Wir hätten nur einen einzigen Tag mehr gebraucht. Wenn Jace Gabe einfach nur angerufen hätte, um ihm zu sagen, dass er wieder da ist, hätten wir es ihm gemeinsam sagen können und alles wäre gut gewesen. Gabe war dabei, sich in mich zu verlieben, Caro. Er war dabei, sich in mich zu verlieben, und das hat ihm höllische Angst eingejagt. Und dann kommt Jace hereingestürmt und redet all diese schrecklichen Sachen. Gabe fühlte sich schuldig. Das konnte ich deutlich erkennen. Vor allem nach dem, was in Paris passiert ist.« Carolines Gesicht verzog sich vor Mitgefühl. »Es tut mir leid, Mia. Das ist alles so schrecklich. Aber du hast was Besseres als Gabe Hamilton verdient.« »Ja, das stimmt«, sagte Mia leise. »Ganz sicher verdiene ich was Besseres. Aber ich wollte ihn so sehr. Ich liebe ihn, Caro. Und ich kann nichts daran ändern.« 40 Mia trat aus der Konditorei. Sie war bedrückt, ihre Seele von Trauer erfüllt. Dabei sollte sie doch eigentlich glücklich sein. Sie hatte ihren alten Job im La Patisserie wieder. Louisa und Greg hatten sich so über ihre Rückkehr gefreut, dass sie ihr flexible Arbeitszeiten angeboten hatten. Mia aber wollte am liebsten so viel wie möglich arbeiten, damit sie nicht zum Nachdenken kam. Damit sie nicht jede Minute des Tages damit verbrachte, sich jeden einzelnen Moment, den sie mit Gabe verbracht hatte, wieder in Erinnerung zu rufen. Und das Café war diesmal wirklich nur eine Übergangslösung. Sie hatte Louisa und Greg deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nach einer anderen Stelle suchte. Sie würde im Café arbeiten, während sie verschiedene Möglichkeiten durchdachte, um dann den entsprechenden Schritt zu wagen; sie würde aus ihrem Versteck hervorkommen und ihre Zukunft mit offenen Armen willkommen heißen. Eine Zukunft ohne Gabe Hamilton. Die feuchte Kälte ließ sie zittern. Es war ein grauer, wolkenverhangener, trostloser Tag, der genau zu ihrer Stimmung passte. Letzte Nacht hatte sie kein Auge zugetan – wie hätte sie auch schlafen können? Caroline war mit ihr aufgeblieben, bis sie schließlich angefangen hatte zu gähnen und Mia sie ins Bett gescheucht hatte. Dann hatte sie in ihrem eigenen Bett gelegen, die Decke angestarrt und sich an jede Minute ihrer Beziehung mit Gabe erinnert. Sie sah auf die Uhr und stellte fest, dass sie ein Taxi nehmen musste, statt wie beabsichtigt zu Fuß zu gehen. Jace würde bald in ihrer Wohnung sein, und sie wollte nicht, dass er ihretwegen wieder ausrastete. Sie zog ihre Jacke enger um sich und drängte sich an den anderen Fußgängern vorbei zur nächsten Straßenecke, wo sie ein Taxi herbeiwinken würde. Was ihr am meisten zu schaffen machte, war der Umstand, dass sie in eine Routine zurückkehren musste, die sie einmal als angenehm beruhigend empfunden hatte. Damals hatte sie nicht über den Tellerrand geschaut. Sie war keine Risiken eingegangen. Durch Gabe war sie eindeutig aus dem Bereich herausgetreten, in dem sie sich sicher gefühlt hatte, und hatte angefangen zu leben, hatte angefangen, die Welt um sich herum wahrzunehmen und neue Dinge auszuprobieren. Nein, es würde ihr nicht am meisten zu schaffen machen, wieder in die alte Routine zurückzufinden, sondern ihr Leben ohne Gabe fortzusetzen. Sie hatte jeden Augenblick mit ihm genossen. Sie hatten eine gute Zeit miteinander gehabt. Er war ein elender Lügner, wenn er meinte, nicht genauso emotional verstrickt zu sein wie sie. Sie kannte ihn besser. Sie wusste, dass er angefangen hatte, Gefühle für sie zu entwickeln. Und vielleicht war genau das ihr größtes Verbrechen gewesen. Dass sie ihn dazu gebracht hatte, sich in sie zu verlieben. Wahrscheinlich wären sie noch zusammen, wenn er nicht stärkere Gefühle für sie entwickelt hätte. Nachdem drei Taxis an ihr vorbeigefahren waren, hielt endlich eines an der Bordsteinkante und sie stieg ein, froh, aus der Kälte heraus zu sein. Nachdem sie dem Fahrer ihre Adresse genannt hatte, lehnte sie sich zurück und sah aus dem Fenster, während die Stadt an ihr vorbeiglitt. Was machte Gabe jetzt gerade? War er heute zur Arbeit gegangen? Machte er so weiter wie bisher, als hätte sie nie einen Platz in seinem Leben eingenommen? Oder ging es ihm genauso schlecht wie ihr? Sie hoffte das inständig. Wenn es irgendeine Gerechtigkeit auf dieser Welt gab, dann litt er jetzt genauso sehr wie sie. Als sie vor ihrem Wohnhaus vorfuhr, sah sie sofort Jace’ Wagen. Ash stand neben der offenen Wagentür und winkte Mia zu, die aus dem Taxi stieg. »Jace ist gerade nach oben gegangen, um dich zu holen«, sagte Ash. »Ich ruf ihn an und sage ihm, dass du unten bist.« Während Ash sein Handy hervorholte, ließ er sie auf der Rückbank Platz nehmen und schloss die Tür hinter ihr. Einen Moment später stieg er vorne ein und setzte sich auf den Beifahrersitz. »Geht’s dir gut, Liebes?«, fragte Ash. »Danke, ja«, log sie. Jace ließ sich auf den Fahrersitz gleiten und sah Mia im Rückspiegel an. »Wo bist du gewesen, Kleines?« »Hab mir einen Job gesucht.« Jace und Ash runzelten beide die Stirn. »Ich halte es für keine gute Idee, so schnell wieder zu arbeiten«, meinte Jace. »Du solltest dir ein bisschen Zeit für dich nehmen. Du weißt, dass ich dir aushelfe.« »Ich fange erst nach Thanksgiving an zu arbeiten«, erwiderte sie. Ash drehte sich zu ihr um, während Jace sich in den Verkehr einfädelte. »Und wo?« »Ich habe meinen alten Job in der Konditorei wieder. Louisa und Greg sind nett zu mir und ich arbeite gern für die beiden.« Jace seufzte. »Du bist zu mehr geschaffen, als in einer Konditorei zu schuften, Mia.« »Vorsicht, Jace«, sagte sie. »Dieser Gedankengang hat mich dazu gebracht, für Gabe zu arbeiten, erinnerst du dich?« Ash zuckte zusammen und Jace stieß einen unterdrückten Fluch aus. »Davon abgesehen ist es nur für eine Übergangszeit«, erklärte sie leise. »Ich werde mich auch nach anderen Stellen umsehen. Aber ich muss jetzt erst einmal arbeiten. Ich muss etwas zu tun haben. Greg und Louisa wissen, dass ich gehe, wenn ich etwas anderes finde. Sie sehen das entspannt.« Die Frage nach Gabe lag ihr auf der Zunge, aber sie verkniff sie sich, wollte der Versuchung nicht nachgeben. Sie wollte nicht wie eine verzweifelte, klammernde Tussi klingen, auch wenn sie sich gerade so fühlte. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, drehte Ash sich wieder zu ihr um. »Ach, übrigens … falls du dich damit besser fühlen solltest … Gabe sah heute völlig fertig aus. Er klang auch genauso übel wie du.« Es fiel ihr schwer, nicht auf Ashs Worte einzugehen. Sie musste alle Kraft aufbieten, um gefasst zu wirken und so zu tun, als wäre es ihr egal. Sie wollte jemanden – egal wen – anbrüllen und herausschreien, dass es so nicht hätte kommen müssen. Gabe hätte nur etwas sagen müssen; ihr irgendein Zeichen geben müssen, dass er sie wollte. Sie hätte ihn nie verlassen. Sie wäre auch jetzt mit ihm zusammen, wenn er nur die geringste Andeutung gemacht hätte, dass er das auch wollte. Stattdessen hatte er diesen Mist von sich gegeben, dass es so besser wäre. Besser für wen? Für sie war es garantiert nicht besser. Und es klang auch nicht so, als wäre es für ihn irgendwie toll. »Ich will nicht über ihn reden«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ich will auch seinen Namen nicht hören.« Jace nickte zustimmend und warf Ash einen durchdringenden Blick zu. Ash zuckte die Achseln. »Ich dachte, sie will es vielleicht wissen.« Das wollte sie. Natürlich wollte sie das. Aber sie würde es nie zugeben. Sie hatte auch ihren Stolz, auch wenn sie ihn Gabe geopfert hatte. »Wir machen über Thanksgiving eine kleine Reise«, sagte Jace und warf ihr dabei wieder durch den Rückspiegel einen Blick zu. »Es geht am Mittwoch los und am Sonntag sind wir wieder zurück.« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Wo geht’s denn hin?« »In die Karibik. Irgendwohin, wo es schön warm ist. Sonnenschein und Strand. Das wird dich aufheitern.« Das bezweifelte sie, aber sie wollte keine Spielverderberin sein. Jace sah sie erwartungsvoll an. Er versuchte wirklich alles, um die Situation wieder zu normalisieren. Er hatte es nie ertragen können, wenn sie über irgendetwas traurig war, und hatte immer alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit es ihr wieder besser ging. »Und hey … du wirst mich in Badehose sehen«, meinte Ash mit einem verschmitzten Grinsen. »Das wird dir Kraft für ein ganzes Jahr geben.« Sie verdrehte die Augen, und ein leichtes Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. Aber innerlich stieß sie auch einen traurigen Seufzer aus, weil Ash Thanksgiving wieder nicht mit seiner Familie verbringen würde. Das tat er nie. Er verbrachte die Feiertage entweder allein, mit ihr und Jace oder mit Gabe. Das tat ihr in der Seele weh, denn bis auf sie drei hatte Ash niemanden und sie wusste sehr genau, was für ein Gefühl es war, so allein zu sein. Es war ein schreckliches Gefühl. »Schon besser«, sagte Jace anerkennend und sah sie erleichtert an. »Ich will dich wieder lächeln sehen, Kleines.« Das Lächeln fühlte sich so an, als wäre es auf ihrem Gesicht erstarrt. Mit gebrochenem Herzen lächelte es sich verdammt schwer. Das mochte zwar ein bisschen theatralisch klingen, entsprach aber den Tatsachen. »Musst du für die Reise noch was kaufen?«, fragte Ash einschmeichelnd. »Jace und ich haben den Rest der Woche frei, bis auf ein paar Kleinigkeiten. Wir könnten morgen mit dir shoppen gehen, wenn du irgendetwas für den Strand brauchst.« Die beiden bemühten sich so sehr, dass sie es ihnen nicht noch schwerer machen wollte. Deshalb lächelte sie und nickte. »Das hört sich gut an.« Die Erleichterung in Jace’ Augen, sagte ihr, dass sie das Richtige getan hatte. Ihm Sorgen zu bereiten, war das Letzte, was sie wollte – und er sorgte sich wirklich. Er und Ash würden sie über Thanksgiving beschäftigt halten. Und am Montag würde sie dann zu ihrem alten Leben zurückkehren. Arbeiten im La Patisserie. Mit Caroline in ihrer Wohnung leben. Versuchen zu vergessen, dass sie kurze Zeit Gabe Hamilton alles bedeutet hatte … oder dass er ihr immer noch alles bedeutete. 41 Gabe saß grübelnd im Büro. In seinem Kopf pochte ein dumpfer Schmerz und das Herz schlug träge in der Brust. Es war früh, und er war nach den Feiertagen allein in der Firma, aber seitdem Mia seine Wohnung verlassen hatte, mit dem so deutlich sichtbaren Gefühl, verletzt und verraten worden zu sein, hatte er nicht mehr geschlafen. Er betrachtete die beiden Fotos auf seinem Handy. Eines davon hatte er ausgedruckt und gerahmt. Es lag in seiner Schreibtischschublade. Häufig zog er die Schublade nur auf, um ihr Lächeln zu sehen. Und er war bis zum Äußersten gegangen, um genau die Mia auf diesen Bildern zu zerstören. Die Lebensfreude, die sonst immer in ihren Augen zu sehen gewesen war, hatte er ihr geraubt … und ihr Lächeln gleich noch dazu. Er fuhr mit dem Finger über das Bild, das sie im Schnee zeigte, auf dem sie mit lachend erhobenen Händen Schneeflocken fing. Sie war so wunderschön auf diesem Bild, dass es ihm schier den Atem raubte. Er hatte Thanksgiving mit seinen Eltern verbracht und ihr Glück und ihr stetig wachsendes Vertrauen zueinander kaum ertragen können. Es fiel ihm schwer, sich darüber zu freuen, dass sie sich auf dem Weg der Versöhnung befanden, wo doch sein Leben in Scherben lag. Und daran trug nur er allein die Schuld. Nach dem Besuch bei seinen Eltern war er in seine leere, trostlose Wohnung zurückgekehrt. Und er hatte etwas getan, was er sonst nur sehr selten tat. Er hatte sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken und versucht, seinen Kummer mit einer Flasche – oder eher drei Flaschen – zu ertränken. Er hatte sich das ganze Wochenende mit Medikamenten zugedröhnt, war unruhig, weil er wusste, dass Jace und Ash Mia zu einem Kurzurlaub in die Karibik eingeladen hatten. Sie war nicht nur physisch, sondern auch emotional außer Reichweite. Er hatte sie verletzt, auch wenn er geschworen hatte, das nie wieder zu tun. Er hatte ihr Vertrauen missbraucht. Er hatte ihr den Rücken gekehrt, weil seine Schuldgefühle und sein Selbsthass wegen der Art und Weise, wie er sie behandelt hatte, zu groß geworden waren. Als wäre sie ein schmutziges Geheimnis, dessen er sich schämte. Verflucht noch mal. Die ganze Welt sollte wissen, dass sie ihm gehörte. Es war ihm egal, was Jace dachte. Es war ihm egal, ob es Jace gefiel. Das Einzige, was ihn interessierte, war, Mia glücklich zu machen, sie zum Lächeln und ihre Augen zum Leuchten zu bringen, wenn sie mit ihm zusammen war. Doch dieses Leuchten hatte er gelöscht, als er ihr sagte, dass es vorbei sei … als langweile sie ihn schon und als sei er gewillt, sich eine neue Herausforderung zu suchen. Sie würde ihn nie langweilen und er würde auch nie über sie hinwegkommen. Das wusste er ohne jeden Zweifel und ohne auch nur darüber nachdenken zu müssen. Er liebte sie. So innig, wie man einen anderen Menschen nur lieben konnte. Und, oh Gott, er wollte sie. Jeden Tag seines Lebens. Sie sollte ein Teil von ihm sein, so wie er ein Teil von ihr sein sollte. Ohne Regeln, ohne Bedingungen. Zur Hölle mit dem verdammten Vertrag. Wie viele Möglichkeiten gab es wohl für einen Mann, das Beste, was ihm je passiert war, zu zerstören? Mia hatte ja so Recht. Das hatte er schon in dem Moment gewusst, als ihre Worte ihn an seiner empfindlichsten Stelle getroffen hatten. Sie war das Beste, was ihm je widerfahren war. Es brauchte weder Zeit noch räumliche Distanz, das zu erkennen. Er hätte sie an jenem Abend nicht mit Jace und Ash aus der Wohnung gehen lassen dürfen. Als sie vor ihm gekniet und ihn angefleht hatte, Jace alles zu erklären, hätte er den Mund aufmachen müssen. Sie hatte recht. Er hatte nicht um sie gekämpft. Er war viel zu benommen und voll von Schuldgefühlen gewesen, wegen all der Dinge, die er zugelassen hatte. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Das war ein für ihn unbekanntes Gefühl, fremd und vereinnahmend. Wenn Mia ihm nun nicht vergab? Wenn sie ihn nun nicht zurücknahm? Er musste ihr begreiflich machen, dass dies keine bedeutungslose Affäre war. Er wollte dies für immer. Was hatte er ihr zu bieten? Er hatte schon einmal in einer Ehe versagt. Er war deutlich älter als sie. Sie sollte eher mit Leuten ihres Alters Spaß haben, die Welt erkunden und nicht an einen fordernden, herrischen Mann wie ihn gebunden sein. Es gab ein Dutzend Gründe, warum er sie in Ruhe und ihr eigenes Leben führen lassen sollte. Aber er war nicht stark genug, sie gehen zu lassen. Sie war die einzige Frau, die ihn je glücklich machen würde, bei der er das Gefühl hätte, in sich zu ruhen. Er konnte sie nicht einfach aus seinem Leben verschwinden lassen. Zumindest nicht ohne alle Hebel in Bewegung gesetzt und wenigstens den Versuch gemacht zu haben, sie zurückzugewinnen. Er sah auf seine Uhr und fluchte, weil die Zeit so langsam verging. Aber dann summte die Gegensprechanlage und Eleanors sanfte Stimme hallte durch sein Büro. »Mr Hamilton, Mr Crestwell ist gerade eingetroffen.« Gabe erwiderte nichts. Er hatte Eleanor aufgetragen, ihm Bescheid zu geben, sobald Jace in der Firma auftauchte. Seit jenem Abend hatten die beiden nicht mehr miteinander geredet, waren einander am nächsten Tag in der Firma aus dem Weg gegangen. Und den Rest der Woche waren beide wegen des Feiertags nicht zur Arbeit gekommen. Davon abgesehen hatte Gabe ihm so schnell nach dem verhängnisvollen Abend nicht gegenübertreten wollen. Es waren immer noch zu viele Emotionen im Spiel. Aber jetzt konnte er keine Minute länger warten. Er und Jace mussten diese Sache bereinigen, und Gabe musste Jace klarmachen, dass er sich nicht zurückziehen würde. Ob nun mit oder ohne Jace’ Segen … er würde Mia nicht aufgeben. Und wenn das das Ende ihrer Freundschaft und Geschäftsbeziehung bedeutete, dann war das eben so. Das war Mia wert. Er lief den Flur entlang, wohl wissend, dass er furchtbar aussah. Es war ihm egal. Er musste es sich von der Seele reden. Er stieß Jace’ Tür auf, ohne anzuklopfen. Jace schaute hoch und seine Miene wurde abweisend. Mit kaltem Blick sah er Gabe an. »Wir müssen reden«, erklärte Gabe kurz angebunden. »Es gibt nichts, was ich mit dir bereden will«, knurrte Jace. Gabe machte die Tür hinter sich zu und schloss sie ab. »Das ist wirklich schade, denn ich habe dir sehr viel zu sagen.« Er legte die Hände flach auf Jace’ Schreibtisch, beugte sich vor und sah seinem Freund in die Augen. »Ich liebe Mia«, erklärte er unverblümt. Erstaunen blitzte kurz in Jace’ Blick auf, ehe er sich zurücklehnte und Gabe durchdringend ansah. »Du hast eine wirklich seltsame Art, das zu zeigen«, stieß er voller Abscheu hervor. »Ich hab Mist gebaut, ja. Aber ich werde sie nicht aufgeben. Du und ich müssen zu einer Einigung kommen, weil ich nicht will, dass sie noch mehr verletzt wird. Ich will, dass sie glücklich ist, und sie kann nicht glücklich sein, wenn wir einander an die Gurgel gehen.« »Du hast dich keinen Deut um unsere Freundschaft geschert, als du mit meiner Schwester ins Bett gehüpft bist«, erklärte Jace kalt. »Du wusstest, dass ich sauer sein würde. Verdammt, ich hatte dich sogar gleich am ersten Tag gewarnt, Gabe, und du hast mich angelogen.« »Mia wollte nicht, dass du etwas davon erfährst«, erwiderte Gabe. »Sie wollte dich nicht verletzen, und sie wollte nicht, dass du durchdrehst. Ich bin nur darauf eingegangen, weil ich sie unbedingt haben wollte, und es mir völlig egal war, was ich dafür tun musste.« »Was ist sie für dich, Gabe? Ein netter Zeitvertreib? Eine Herausforderung, weil sie eigentlich tabu ist? Sie ist außerhalb deines Universums, und das weißt du verdammt genau.« Gabe schlug mit der Faust auf den Tisch und sah Jace finster an. »Verdammt noch mal … ich will sie heiraten.« Jace zog eine Augenbraue hoch. »Nach Lisa hattest du geschworen, nie wieder zu heiraten.« Gabe stieß sich vom Schreibtisch ab und ging vor Jace’ Schreibtisch auf und ab. »Ich habe so vieles gesagt. Und keine andere Frau hat mich je dazu gebracht, es zu überdenken. Aber Mia … Sie ist anders. Ich kann nicht ohne sie leben, Jace. Mit oder ohne deinen Segen werde ich versuchen, sie zurückzugewinnen. Ohne sie werde ich nie glücklich werden. Ich will mein restliches Leben mit ihr verbringen. Jeden einzelnen Tag. Ich will mich um sie kümmern, dafür sorgen, dass sie alles bekommt, was ich ihr geben kann. Verdammt noch mal, ich denke sogar an Kinder. In meinem Alter. Ich kann nur noch an Töchter denken, die genauso aussehen wie sie. Ich stelle mir vor, dass sie von mir schwanger ist, und das ist das schönste Gefühl auf der ganzen Welt. Ich hatte so vielem abgeschworen, aber ihretwegen sehe ich das jetzt alles anders. Nur ihretwegen. So habe ich noch nie bei einer Frau empfunden. Und ich werde es auch nie wieder.« »Wow«, stieß Jace hervor. »Setz dich. Du machst mich ganz verrückt, wenn du ständig auf und ab gehst.« Gabe blieb stehen und ließ sich schließlich in den Sessel vor Jace’ Schreibtisch sinken, obwohl er innerlich äußerst unruhig war und sich dadurch eingeengt fühlte. Er wollte nicht hier sitzen. Er wollte bei Mia sein. Er wollte zu ihr gehen und sich ihrer Gnade ausliefern. Sie hatte gesagt, er würde kriechen müssen. Verdammt noch mal … dann würde er eben kriechen. »Es ist dir ernst mit ihr«, stellte Jace fest. Ihm war seine Fassungslosigkeit deutlich anzumerken. »Du bist in sie verliebt. Sie ist kein Techtelmechtel für dich, in dem du dich amüsierst, um dann zur nächsten überzugehen.« »Du machst mich echt sauer, wenn du so was sagst«, knurrte Gabe. Jace schüttelte den Kopf. »Heiliger Bimbam. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Tag noch erlebe. Wie konnte das passieren? Bin ich denn total blind, dass ich das nicht bemerkt habe?« »Wir sollten dieses Gespräch nicht vertiefen, du wirst nur sauer«, meinte Gabe. »Es ist unwichtig, wie lange das schon geht. Wichtig ist nur, dass ich sie liebe, und ich hoffe inständig, dass sie mich auch immer noch liebt und mir vergeben kann.« Jace zuckte zusammen. »Ich weiß nicht, Mann. Sie ist ziemlich sauer. Du hast ihr wehgetan. Sehr sogar. Du musstest dich noch nie anstrengen, um eine Frau rumzukriegen. Sie haben sich dir immer an den Hals geschmissen. Mia … ist anders. Sie ist der Meinung, dass sie einen Mann verdient, der für sie einsteht und um sie kämpft. Beides hast du nicht getan, und das wird sie nicht so schnell vergessen.« »Meinst du etwa, das wüsste ich nicht?«, sagte Gabe frustriert. »Verdammt, ich würde ihr keinen Vorwurf daraus machen, wenn sie nie wieder mit mir reden wollte. Aber ich muss es versuchen. Ich kann sie nicht einfach so gehen lassen.« Jace rieb sich den Nacken. »Meine Güte, Mann, du machst es dir wohl nie leicht, was? Ich muss wirklich mit dem Klammerbeutel gepudert sein, dass ich dich nicht windelweich prügele und aus meinem Büro werfe. Ich kann gar nicht glauben, dass du mir im Moment tatsächlich irgendwie leidtust.« Etwas von dem Druck, der Gabe auf der Seele gelegen hatte, wich. Er erwiderte Jace’ Blick. »Es tut mir leid, Mann. Ich habe die Sache ganz falsch angepackt. Du sollst wissen, dass ich nie absichtlich etwas tun würde, was unserer Freundschaft schadet. Und genauso würde ich nie etwas tun, was Mia wehtut. Nicht noch einmal. Nie wieder. Ich habe ihr schon zu häufig wehgetan. Wenn sie mir vergibt, werde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, dafür zu sorgen, dass sie nie wieder einen Grund hat zu weinen.« »Mehr will ich nicht für sie«, sagte Jace sanft. »Ich will, dass sie glücklich ist. Wenn du das schaffst, ist zwischen uns alles wieder gut.« »Ich werde es auf jeden Fall versuchen«, sagte Gabe mit wild entschlossener Stimme. »Viel Glück«, antwortete Jace. »Irgendwie glaube ich, dass du es brauchen wirst.« 42 Einen Block von ihrer Wohnung entfernt, zog Mia die Jacke fester um sich. Es war eine Herausforderung gewesen, bei der Kälte zur Arbeit zu gehen, nachdem sie die letzten Tage in der Karibik am Strand gelegen hatte. Jace und Ash hatten sich sehr bemüht, sie aufzumuntern und dafür zu sorgen, dass sie die Tage genoss. Und sie musste gestehen, dass sie viel Spaß mit den beiden gehabt hatte. Es war schon eine Weile her, seit sie und Jace zusammen richtig Urlaub gemacht hatten, und durch Ashs Anwesenheit war der Aufenthalt unbeschwert und heiter gewesen. Das bedeutete nicht, dass sie nicht einen Großteil der Zeit über Gabe nachgedacht hatte, aber sie hatte es trotzdem geschafft, die Tage zu genießen. Hätte irgendjemand behauptet, dass sie so schnell nach der Trennung von Gabe wieder Spaß haben würde, sie hätte es nicht geglaubt. Trotzdem war es schwer gewesen, heute Morgen ins La Patisserie zu gehen und nicht zu HCM. Es war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen, gekoppelt an die Erinnerung, dass Gabe sie verraten hatte. Sie hatte ihren Job bei Gabe gemocht. Er hatte zwar anfangs nur als Vorwand gedient, um ihre Affäre zu verheimlichen, aber im Laufe der Zeit hatte sie mehr Verantwortung übernommen und die Stelle ausgefüllt. Sie hatte sich bewiesen, dass sie eine Herausforderung annehmen und bewältigen konnte. Ab heute verkaufte sie wieder Teigwaren und füllte Kaffeebecher. Aber was ihr früher nie etwas ausgemacht hatte, irritierte sie jetzt. Sie wollte mehr. Etwas, das sie stärker forderte. Sie musste endlich ihre Angst ablegen und der Welt entgegentreten, sich eine Zukunft aufbauen. Das würde kein anderer für sie tun. Sie hatte schon begonnen, sich über berufliche Möglichkeiten zu informieren und nach Jobangeboten zu suchen, die ihrer Qualifikation und Erfahrung – die überschaubar war – entsprachen. Vielleicht sollte sie mal mit Jace darüber reden. Nicht darüber, für ihn zu arbeiten. Sie würde auf keinen Fall je wieder für HCM arbeiten, wo sie Gabe jeden Tag über den Weg lief. Oder womöglich der Frau, mit der er sie ersetzt hatte. Das war dann doch eindeutig zu viel verlangt von ihr. Aber vielleicht hatte Jace ja eine Idee oder kannte sogar Leute, die ihr helfen könnten. Allein in den Vereinigten Staaten besaß HCM ein Dutzend Hotels, ganz zu schweigen von denen in Übersee. In jedem dieser Hotels könnte sie arbeiten und müsste sich nie wieder Gedanken darüber machen, Gabe womöglich wiederzusehen. Dafür würde sie allerdings umziehen müssen. Die Frage war nur, ob sie dazu bereit war. Sie war es gewohnt, in der Stadt zu leben. In der Nähe von Jace. Noch nie hatte sie etwas allein in Angriff genommen. Jace hatte sie immer unterstützt. Er hatte ihr die Wohnung gekauft. Wann wollte sie je unabhängig werden? Vielleicht war es an der Zeit, auf eigene Faust loszuziehen und ihr Leben in die Hand zu nehmen. Ob sie es schaffte oder nicht, stand auf einem anderen Blatt, aber der Erfolg wäre dann ihr eigener Verdienst. Diese Idee war zwar in der Theorie sehr reizvoll, aber die Vorstellung, alles hinter sich zu lassen, machte sie traurig. Caroline. Jace. Ash. Ihre Wohnung, ihr Leben. Verdammt, nein. Sie würde sich von Gabe nicht aus der Stadt vertreiben lassen. Sie würde hier einen besseren Job finden, ihr Leben weiterführen und ihn vergessen. Auch das klang in der Theorie sehr nett, in Bezug auf die Umsetzung aber hegte Mia so ihre Zweifel. Als sie die Eingangstür ihres Wohnhauses erreichte, sah sie im Glas der Scheibe, wie Gabe aus seinem an der Bordsteinkante geparkten Wagen stieg. Und mit großen Schritten auf sie zueilte Oh, verdammt, nein! Ohne sich umzudrehen – so verführerisch sein Anblick auch sein mochte –, stürmte sie ins Haus und eilte zum Fahrstuhl. Kaum öffneten sich die Türen, sprang sie hinein und betätigte den Knopf zum manuellen Schließen der Türen. Als sie aufschaute, sah sie Gabe mit entschlossener Miene am Pförtner vorbeirennen, der versuchte, ihn aufzuhalten. Geh zu, geh zu, geh zu, flehte sie innerlich. Die Tür schloss sich ganz langsam, und Gabe machte noch einen Satz, aber er kam zu spät. Gott sei Dank. Was machte er überhaupt hier? Sie stieg aus dem Fahrstuhl und schloss ihre Wohnung auf. Drinnen war es vollkommen still, und sie ließ ihre Handtasche neben der Tür fallen. Es würde noch ein bisschen dauern, bis Caroline nach Hause kam, und wahrscheinlich würde sie später noch ins Vibe gehen, um Brandon zu treffen. Sie zuckte zusammen, als es laut an der Tür klopfte. Dann seufzte sie. Sie hatte den Ausdruck auf Gabes Gesicht gesehen und wusste, dass er nicht einfach wieder gehen würde, nur weil sie ihm mit dem Fahrstuhl entkommen war. Was er wohl wollte? Mit steifen Schritten ging sie zur Tür, entriegelte das Schloss und riss die Tür auf. Vor ihr stand Gabe. Erleichterung blitzte in seinen Augen auf, und er wollte schon einen Schritt nach vorn machen, als sie ihm den Zutritt verwehrte, indem sie die Tür zur Hälfte schloss. »Was willst du?«, fragte sie unverblümt. »Ich muss mit dir reden, Mia«, sagte er. Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben nichts zu bereden.« »Du irrst dich, verdammt noch mal. Lass mich rein.« Sie steckte den Kopf zur Tür hinaus, damit er ihr Gesicht sehen und darin lesen konnte, dass sie es ernst meinte. »Dann lass es mich so formulieren. Ich habe nichts mit dir zu bereden«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. »Überhaupt nichts. Alles, was ich zu sagen hatte, habe ich bereits in deiner Wohnung gesagt. Es war deine Entscheidung, mich gehen zu lassen – meine Güte, du hast mich herausgestoßen. Ich verdiene was Besseres, Gabe, und ich werde mich ganz gewiss nicht mit weniger zufriedengeben.« Sie schlug die Tür zu und schloss wieder ab. Sollte er noch einmal klopfen, wollte sie es auf keinen Fall hören, deshalb ging sie ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie war erschöpft und wollte nichts als ein heißes Bad nehmen, um sich von innen zu wärmen. Doch sie befürchtete, dass nichts je die Kälte vertreiben würde, die sein Verlust hervorgerufen hatte. Außer er selber. Am nächsten Tag brachte Mia einem Stammkunden gerade dessen Lieblingskaffee, als Gabe die Konditorei betrat und sich an denselben Tisch setzte, an dem er vor vielen Wochen Platz genommen hatte. Sein Verhalten war einfach unfassbar. Wie sollte sie arbeiten, wenn er sich im gleichen Raum wie sie befand? Zähneknirschend ging sie zu seinem Tisch und musterte ihn kalt. »Was willst du hier?« Sein Blick glitt über sie, und der Ausdruck in seinen Augen wurde weich, als er ihr Gesicht sah. Bemerkte er, wie müde sie war? Wie elend sie sich fühlte? Hatte sie etwa ein Schild um den Hals hängen, auf dem stand, wie unglücklich sie ohne ihn war? »Ich kann auch nicht schlafen, Mia«, sagte er leise. »Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe es vermasselt. Gib mir eine zweite Chance, dann bringe ich alles wieder in Ordnung.« Sie schloss die Augen und ballte die Hände zur Faust. »Mach mir nicht alles kaputt, Gabe. Bitte. Ich brauche diesen Job, bis ich mich entschieden habe, was ich machen will. Und ich kann es nicht gebrauchen, dass du mich bei meiner Arbeit störst.« Er griff nach ihrer fest geballten Faust und streckte ihre Finger. Dann zog er ihre Hand an seinen Mund und küsste ihre Handfläche. »Du hast einen Job, Mia. Er wartet auf dich. Er geht nicht weg.« Sie entriss ihm ihre Hand, als hätte sie sich verbrannt. »Geh einfach, Gabe. Ich kann das hier nicht. Du sorgst noch dafür, dass ich rausgeschmissen werde. Wenn du irgendetwas in Ordnung bringen willst, dann geh jetzt weg und bleib auch weg.« Sie stand gefährlich nahe vor einem Zusammenbruch. Sie schwankte so schrecklich in ihren Gefühlen. Warum konnte sie nicht stark sein? Warum ließ sie überhaupt zu, dass er sah, in was für einem Zustand sie sich befand? Sie wandte sich ab und kümmerte sich nicht um den schlechten Eindruck, den ihre Unhöflichkeit gegenüber einem Gast machte. Es waren noch andere Gäste da, die sie bedienen musste. Doch er blieb weiter sitzen, beobachtete sie und ließ sie keinen Moment aus den Augen, während sie sich um die anderen Kunden der Konditorei kümmerte. Diese kamen und gingen, und er saß immer noch da, bis sie das Gefühl hatte, gejagt zu werden … als würde ein Raubtier auf der Lauer liegen. Schließlich ging sie nach hinten und bat Louisa um eine Pause. Sie half Greg bei den Bestellungen, während Louisa im Verkaufsraum bediente. Als sie eine Stunde später wieder nach vorne kam, war Gabe gegangen. Sie wusste nicht, ob sie nun erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Sie wusste nur, dass sie innerlich leer war und auch keine Hoffnung hatte, dass sich daran je etwas ändern würde. Abends fand sie vor ihrer Wohnungstür ein riesiges Blumenbukett. Seufzend nahm sie die Karte, die zwischen den Blumen steckte, und entzifferte die Nachricht. Es tut mir leid. Bitte, gib mir die Gelegenheit, alles zu erklären. Gabe Sie musste den kindischen Drang unterdrücken, die Blumen in den Müll zu werfen. Der Strauß war wunderschön und würde Caroline und ihr in der Wohnung Freude bereiten. Sie würde einfach so tun, als hätte jemand anders ihn ihr geschenkt. Sie stellte die Blumen auf die Arbeitsplatte in der Küche und fragte sich, warum Gabe sich so bemühte. Warum tat er das? Er war doch derjenige gewesen, der gesagt hatte, dass ein sauberer Schnitt das Beste wäre. Warum es unnötig in die Länge ziehen, wenn er nicht die Absicht hatte, eine dauerhafte Beziehung mit ihr einzugehen? Sollte sie am Ende das etwa alles noch einmal durchmachen, wenn er keine Lust mehr auf sie hatte? Es war sehr aufschlussreich für sie gewesen, mit Jace und Ash offen über Gabe und seine Beziehungen zu sprechen. Sie hatte zwar Vermutungen oder sogar eine recht genaue Vorstellung davon gehabt, wie er mit Frauen umgegangen war. Doch während ihres Aufenthalts in der Karibik hatten die beiden ihr Dinge erzählt, die sie vorher nicht gewusst hatte. Gabe schloss immer einen Vertrag mit der Frau, mit der er gerade zusammen war. Das wusste sie. Nichts gewusst hatte sie von der Vielzahl der Frauen und der Kürze der jeweiligen Beziehungen. Da war ihr klar geworden, dass auch bei ihr die Uhr getickt hatte. Sie lag bäuchlings auf ihrem Bett, als Caroline in ihr Schlafzimmer trat. »Hallo Mia, von wem sind die Blumen?« »Gabe«, brummte sie. Caroline ließ sich aufs Bett fallen, auf ihrem Gesicht lag eine Mischung aus Verwirrung und Zorn. »Warum zum Teufel schickt er dir Blumen?« Mia drehte sich auf den Rücken. »Ach, das ist noch lange nicht alles. Er war gestern Abend hier und heute ist er im Café aufgetaucht.« »Was soll das denn?« »Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Mia müde. »Vielleicht will er mich in den Wahnsinn treiben? Wer weiß. Gestern Abend habe ich ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Heute hab ich ihn einfach ignoriert.« »Gut gemacht«, lobte Caroline. »Möchtest du, dass ich ihm auch noch in den Hintern trete?«, fragte sie schonungslos. Mia lachte und richtete sich auf, um ihre Freundin zu umarmen. »Ich hab dich lieb, Caro. Ich bin so froh, dass ich dich habe.« Caroline drückte Mia. »Dafür sind Freunde doch da. Und noch was: Wenn du beschließen solltest, ihn umzubringen, helfe ich dir dabei, die Leiche verschwinden zu lassen.« Mia prustete wieder los und fühlte sich viel besser als noch vor ein paar Minuten. »Sag mal, was willst du heute Abend essen? Ich wollte etwas bestellen, aber wenn du Lust hast, können wir auch zum Pub gehen und dort eine Kleinigkeit zu uns nehmen.« Caroline musterte Mia durchdringend. »Bist du sicher? Ich kann uns gerne was kochen, wenn du gern zu Hause bleiben möchtest.« Mia schüttelte den Kopf. »Nein, lass uns ausgehen. Ich kann nicht in der Wohnung sitzen und die ganze Zeit über Gabe nachdenken.« Als Mia sich vom Bett erhob, schwieg Caroline einen Moment und sah Mia dann ernst an. »Vielleicht will er dich zurück, Mia. Hast du darüber schon mal nachgedacht? Solltest du dir nicht zumindest anhören, was er zu sagen hat?« Mia verzog verächtlich die Lippen. »Ich habe ihm gesagt, dass er kriechen muss, wenn er mich je zurückhaben will. Noch kriecht er nicht, und eher friert die Hölle zu, als dass ich es ihm leicht mache.« 43 Am Ende der Woche war Mia völlig ratlos, was sie in Bezug auf Gabe tun sollte. Er kam jeden Tag in die Konditorei und bestellte Kaffee und ein Croissant. Da er immer zu unterschiedlichen Zeiten auftauchte, konnte sie ihm nicht aus dem Weg gehen, indem sie sich in die Backstube verzog. Seine ständige Anwesenheit zehrte an ihren Nerven … und an ihrem Widerstand. Und als wäre das nicht genug, bombardierte er sie förmlich mit Blumen und Geschenken. Auf der Arbeit. Und zu Hause. Erst gestern hatte ein Bote ein riesiges Blumenarrangement in die Konditorei getragen und sie mit dem Verlesen der kurzen Nachricht vor allen in Verlegenheit gebracht. Vergib mir. Ich kann ohne dich nicht leben. Gabe Heute hatte ein anderer Bote eine Schachtel mit einem Paar pelzgefütterter Handschuhe und einem kleinen Briefchen gebracht, in dem stand: Damit deine Hände auf dem Nachhauseweg warm bleiben. Gabe Louisa und Greg amüsierten sich darüber und waren glücklicherweise nicht sauer, und sogar die Stammgäste hatten angefangen, jedes Mal scherzend zu fragen, was denn wohl als Nächstes kommen würde. Draußen hatte es aufgeklart, aber die Kälte war geblieben. Der Himmel war strahlend blau, ohne eine einzige Wolke, und der Wind schnitt förmlich durch die Kleidung. Auf dem Heimweg war Mia dankbar für die warmen Handschuhe. Die Abenddämmerung setzte jeden Tag früher ein und es wurde bereits dunkel. Als sie auf dem Weg zu ihrer Wohnung um die letzte Ecke bog, fiel ihr Blick auf die elektronische Leuchttafel eines Hotels. Wie hätte sie sie auch übersehen können? In großen, blinkenden Buchstaben stand darauf zu lesen: Ich liebe dich Mia. Komm nach Hause. Gabe Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Was sollte sie tun? Nie hatte er zu ihr gesagt, dass er sie liebte. Wollte er sie manipulieren, indem er seine Gefühle der ganzen Welt verkündete? Und es auf eine Tafel in der Nähe ihrer Wohnung schrieb, wo ihr nicht entgehen konnte, was er damit meinte? Komm nach Hause. Nicht in ihre Wohnung. Sondern zu ihm. Das machte sie wahnsinnig. Er machte sie wahnsinnig. Obwohl er noch gar nicht wieder versucht hatte, direkt Kontakt zu ihr aufzunehmen … seit sie ihm das letzte Mal gesagt hatte, er solle sie in Ruhe lassen. Aber er war immer noch da. Vor ihrer Nase. Wo er sie immer wieder an seine Gegenwart erinnerte. Diese Seite von Gabe verwirrte sie völlig. Diese Seite hatte er sie nie sehen lassen – niemanden sehen lassen. Erschöpft und elend betrat sie ihre Wohnung. Sie war überzeugt davon, etwas auszubrüten, konnte aber nicht sagen, ob es sich um eine echte Krankheit handelte oder nur um die Folge zu vieler schlafloser Nächte und ihres katastrophalen seelischen Zustands. Am nächsten Morgen musste sie sich schließlich eingestehen, dass sie wirklich krank war. Sie ging zur Arbeit und erledigte all ihre Aufgaben mechanisch. Als der Nachmittag anbrach, musterten Louisa und Greg sie voller Sorge, und als sie dann noch eine Kanne Kaffee fallen ließ, rief Louisa sie in die Backstube. Sie nahm Mias Arm und legte ihr die Hand auf die Stirn. »Um Gottes willen, Mia. Sie brennen ja förmlich. Warum haben Sie denn nichts gesagt? So können Sie doch nicht arbeiten. Ab nach Hause und ins Bett mit Ihnen.« Mia erhob keine Einwände. Glücklicherweise war Freitag und sie nicht fürs Wochenende eingeteilt. Das ganze Wochenende im Bett zu verbringen, klang geradezu himmlisch. Außerdem müsste sie dann nicht wieder Dinge in Empfang nehmen, die Gabe ihr schickte. Sie könnte sich vor ihm und allen anderen verstecken und versuchen, mit sich und diesem ganzen Chaos ins Reine zu kommen. Sie hielt es nicht mehr aus. Es war eine Zentnerlast, die ihr auf der Seele lag. Sie wollte unbedingt mit einem Taxi nach Hause fahren, weil sie sich überhaupt nicht vorstellen konnte, in ihrem jetzigen Zustand zu Fuß zu gehen. Aber als sie auf die Uhr sah, stöhnte sie. Um diese Tageszeit ein Taxi zu bekommen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Jeder war jetzt auf dem Weg nach Hause. Sie seufzte resigniert und machte sich auf den langen Weg, auf dem ihr die Kälte in die Knochen kroch. Sie zitterte, ihre Zähne klapperten und der Bürgersteig verschwamm vor ihren Augen. Sie brauchte doppelt so lange wie sonst, doch als sie um die Ecke bog und die blöde Leuchttafel sah, seufzte sie erleichtert, denn jetzt war es nicht mehr weit. Jemand stieß sie an und sie verlor das Gleichgewicht. Fast hätte sie sich noch gefangen, aber dann wurde sie von der anderen Seite angerempelt, und sie sank auf die Knie, während ihre Augen sich mit Tränen füllten. Sie hatte nicht einmal mehr die Kraft aufzustehen, dabei war sie doch schon fast zu Hause. Sie schlug die Hände vors Gesicht und fing an zu weinen. »Mia? Was ist mit dir? Bist du okay?« Gabe. Oh Gott, das war Gabe. Seine Arme legten sich um sie und er half ihr auf die Beine. »Um Gottes willen, Baby, was ist denn los?«, wollte er wissen. »Warum weinst du? Hat jemand dir wehgetan?« »Bin krank«, krächzte sie, bevor schon wieder ein Schwall Tränen aus ihren Augen schoss. Ihr Kopf schmerzte, ihre Kehle brannte, sie fror und war so müde, dass sie den Gedanken nicht ertragen konnte, auch nur noch einen Schritt gehen zu müssen. Gabe fluchte und hob sie dann auf seine Arme, um schnellen Schrittes auf ihr Wohnhaus zuzueilen. »Ich will kein Wort hören, verstanden? Du bist krank und brauchst jemanden, der sich um dich kümmert. Mein Gott, wenn ich nun nicht da gewesen wäre? Wenn du nun einfach auf dem Bürgersteig zusammengebrochen wärest und niemand dir geholfen hätte?« Sie gab keinen Laut von sich und lehnte stattdessen den Kopf an seine Schulter und atmete seinen Duft ein. Sie spürte seine Wärme, die sie umhüllte und ihre Schmerzen linderte. Ach, es war so lange her. Ihr war nicht mehr warm gewesen, seit er sie verlassen hatte. Oder sie ihn verlassen hatte. Im Grunde war es egal, denn das Endergebnis war immer das Gleiche. Sie war allein. Er trug sie nach oben in ihre Wohnung und dann gleich ins Badezimmer. Dort wühlte er in ihrer Kommode, bis er einen warmen Pyjama gefunden hatte. »Hier«, sagte er. »Zieh dich um und mach es dir bequem. Ich mache dir jetzt eine Suppe und werde dafür sorgen, dass du ein Medikament nimmst. Du brennst ja förmlich vor Fieber.« Sie musste all ihre Kraft aufbieten, um ihre Kleidung abzulegen und in den Pyjama zu steigen. Danach sank sie völlig erschöpft auf die Bettkante und wollte nur noch unter die Decke kriechen. Einen Moment später kam Gabe zurück und sorgte sofort dafür, dass sie genau das tat. Er verfrachtete sie ins Bett und deckte sie zu, dann gab er ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie schloss die Augen und genoss die kurze Berührung. Doch er blieb nicht bei ihr. Er stopfte Kissen hinter ihren Rücken, damit sie sich hinsetzen und essen konnte, verschwand gleich darauf aber wieder. Als er das nächste Mal hereinkam, hatte er eine Schüssel mit Suppe und zwei Fläschchen mit Medikamenten dabei. Er stellte die Suppe auf dem Nachttisch ab und schüttelte dann die Tabletten in seine Hand, bevor er die Flasche mit dem Erkältungssaft öffnete und die entsprechende Menge in einen kleinen Messbecher goss. Er ließ sie den Saft und die Tabletten einnehmen, ehe er ihr die Suppe reichte. »Wie lange bist du schon krank?«, fragte er grimmig. Da schaute sie ihn das erste Mal an. Sah ihn richtig an … und war von seinem Anblick schockiert. Er sah so schlecht aus, wie sie sich fühlte. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Auf seiner Stirn und um den Mund herum waren neue Fältchen dazugekommen. Er wirkte … müde. Erschöpft. Emotional verausgabt. Hatte sie ihm das angetan? »Seit gestern«, krächzte sie. »Ich weiß nicht, was los ist. Ich bin einfach so müde. Schon die ganze Woche. Es war einfach zu viel.« Ein Schatten huschte über sein Gesicht und ein schuldbewusster Ausdruck trat in seine Augen. »Trink deine Brühe. Die Medikamente fangen bald an zu wirken und dann musst du schlafen.« »Geh nicht«, flüsterte sie, als er aufstand. »Bitte. Nicht heute. Geh nicht.« Er drehte sich zu ihr um und sah sie bekümmert an. »Ich verlasse dich nicht, Mia. Dieses Mal nicht.« Nachdem sie die Suppe getrunken hatte, nahm Gabe ihr die kleine Schüssel ab und ging in die Küche zurück. Als sie anfing zu zittern, rutschte sie tiefer unter die Decke. Noch nicht einmal die Suppe hatte sie wärmen können. Ihre Lider wurden schwer, aber sie mühte sich, die Augen nicht zu schließen. Einen Moment später sank die Matratze leicht ein und Mia bemerkte überrascht, dass Gabe sich zu ihr legte und sie fest in die Arme nahm. »Schlaf jetzt, Mia«, murmelte er. »Ich bin da, wenn du irgendetwas brauchst. Ich will nur, dass es dir besser geht.« Sie vergaß alles, bis auf die Tatsache, dass sie wieder in seinen Armen lag, und drängte sich so dicht wie möglich an ihn, ehe sie sich entspannte und von seiner Wärme einhüllen ließ. Er war besser als jede Arznei. Leise seufzend schloss sie die Augen und gab sich seiner verlockenden Wärme und Anwesenheit hin. Als Mia am nächsten Morgen erwachte, war das Bett leer, und sie fragte sich, ob sie aufgrund des Fiebers einfach nur wirr geträumt hatte. Vielleicht hatte sie sich alles nur eingebildet. Doch dann drehte sie sich auf die Seite und kuschelte die Wange in das Kissen, auf dem Gabe geschlafen hatte. Und sah den Zettel, den er vor dem Kissen auf die Matratze gelegt hatte. Nimm die Medikamente. Jace wird heute im Laufe des Tages nach dir sehen. Erhol dich übers Wochenende, damit es dir bald besser geht. Alles Liebe, Gabe Neben dem Zettel lagen mehrere Ibuprofen-Tabletten und auf dem Nachttisch stand der bereits fertig abgemessene Erkältungssaft. Stirnrunzelnd setzte sie sich auf. Sie hatte nicht gedacht, dass er gehen würde. Er war so … hartnäckig gewesen. Plötzlich wurde sie wieder von Schüttelfrost erfasst. Sie griff nach den Tabletten und spülte sie mit dem Wasser herunter, das er ihr hingestellt hatte. Sie ließ sich wieder aufs Bett sinken und legte den Kopf auf das Kissen, das Gabe benutzt hatte. Sie schloss die Augen. Sein Geruch hing noch im Stoff, und sie konnte immer noch die Wärme spüren, in die er sie gehüllt hatte. Himmel, sie vermisste ihn so sehr. War ihr Stolz es wert, dass sie beide so litten? Liebte er sie wirklich und wollte es noch einmal versuchen? Alles deutete darauf hin, aber sie hatte Angst, ihm zu vertrauen. Sie hatte Angst, ihm eine zweite Chance zu geben, nachdem er ihr so wehgetan hatte, indem er nicht von Anfang an um sie gekämpft hatte. Gabe stand in der Eingangshalle von Jace’ Appartementhaus und wartete darauf, dass sein Freund seinen Anruf annahm. Als Jace kurz darauf den Hörer abnahm, ließ Gabe ihm keine Zeit für Fragen. »Jace, ich bin’s, Gabe. Ich muss mit dir reden. Es geht um Mia.« Einen Augenblick später fuhr Gabe mit dem Fahrstuhl zu Jace’ Penthousewohnung. Jace wartete bereits auf ihn, als er aus dem Fahrstuhl trat. Leichte Sorge war in seiner Miene zu erkennen. »Was ist los?«, fragte Jace. Gabe trat in die Wohnung und hielt sich nicht damit auf, seine Jacke auszuziehen. Er würde nicht lange bleiben. Es gab zu viel, was er erledigen musste, ehe das Wochenende vorbei war. »Mia ist krank«, erklärte er kurz angebunden. »Ich habe sie gestern auf dem Heimweg von der Arbeit vom Bürgersteig aufgelesen. Sie hatte hohes Fieber, und irgendein Blödmann hatte sie angerempelt und umgestoßen. Sie hatte noch nicht einmal mehr die Kraft, allein bis zu ihrer Wohnung zu gehen.« »Ach du lieber Gott! Geht es ihr gut?« Gabe hob abwehrend die Hand. »Ich bin letzte Nacht bei ihr geblieben. Habe sie Medikamente schlucken lassen und ihr welche hingestellt, ehe ich heute Morgen gegangen bin. Ich hab ihr einen Zettel dagelassen mit der Nachricht, dass du später nach ihr sehen wirst.« Jace runzelte jetzt noch stärker die Stirn. »Du bist nicht bei ihr geblieben? Verdammt, Gabe. Da hast du ihr die ganze Zeit hartnäckig nachgestellt, und jetzt, wo sich dir eine Gelegenheit bietet, wo sie dir keine Abfuhr erteilt, lässt du sie krank in ihrer Wohnung zurück?« Gabe seufzte. »Ich habe sie zu sehr bedrängt. Ich bin mit ein Grund, warum sie so fertig und krank ist. Ich will sie nicht erdrücken. Das hier sind nicht die Umstände, unter denen sie zu mir kommen soll oder unter denen wie zusammenkommen. Ich muss mich ein wenig zurückziehen und ihr Zeit geben, sich zu erholen. Ich will, dass du zu ihr gehst und dich am Wochenende um sie kümmerst. Montagabend muss es ihr wieder gut gehen, denn dann will ich verdammt noch mal vor ihr kriechen.« Überrascht zog Jace die Augenbrauen hoch. »Wie bitte?« Gabe fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich muss dieses Wochenende einen Ring kaufen und noch ein paar andere Sachen erledigen. Du musst nur dafür sorgen, dass sie Montagabend beim Weihnachtsbaum vorm Rockefeller Center ist. Vermassel es nicht, Jace. Und wenn du sie hintragen musst – sieh zu, dass sie auf jeden Fall da ist.« 44 Mia verbrachte das Wochenende mit Jace, oder genauer gesagt, er verbrachte es mit ihr. Ash ging ein und aus, brachte Essen vorbei und veranstaltete einen Riesenwirbel um sie. Die beiden Männer brachten ihr Filme und sahen mit ihr zusammen auf dem Sofa fern, bis Mia wieder in einen fiebrigen Schlaf fiel. Montagmorgen fühlte sie sich besser, aber noch nicht gut genug, um zur Arbeit zu gehen. Sie rief Louisa und Greg an und sagte Bescheid, dass sie nicht kommen würde. Jace und Ash fuhren in die Firma, erklärten ihr aber, dass sie für den Abend etwas Besonderes mit ihr vorhätten. Während des gesamten Wochenendes hatte sie nicht einen Ton von Gabe gehört. Es kamen auch keine Blumen oder Geschenke. Absolute Funkstille. Das verunsicherte sie und ließ sie erneut jede Entscheidung, die sie in Bezug auf ihn gefällt hatte, infrage stellen. Sie brachte es nicht übers Herz, Jace zu sagen, dass ihr das, was er und Ash geplant hatten, eigentlich zu viel war. Sie hatten sich das ganze Wochenende über so lieb um sie gekümmert, sie ohne Ende verhätschelt und sich so sehr bemüht, sie aufzumuntern. Also würde sie alles mitmachen und mit einem Lächeln über sich ergehen lassen. Jace hatte ihr gesagt, sie solle sich warm anziehen, deshalb ging sie davon aus, dass das, was sie planten, draußen stattfinden würde. Glücklicherweise hatte sie kein Fieber mehr, sonst hätte ihr allein die Vorstellung auf einen Aufenthalt in der Kälte den Rest gegeben. Am Nachmittag duschte sie ausgiebig und bemühte sich dann redlich um eine Frisur und das Make-up, damit sie nicht völlig fertig aussah. Aber sogar die Schminke stieß heute an ihre Grenzen. Um sechs trafen Jace und Ash mit verschmitzt funkelnden Augen ein. Sie stöhnte innerlich, es war offensichtlich, dass sie etwas im Schilde führten. Und sie war Teil der Aktion, also würde auch sie ausbaden müssen, was die beiden ausgeheckt hatten. Jace hatte heute Abend einen Fahrer gebucht, was ungewöhnlich war, weil er sonst immer selber fuhr, wenn sie zusammen unterwegs waren. Doch jetzt verfrachteten Jace und Ash sie in den Wagen, nicht ohne ihr noch einmal Medikamente verabreicht zu haben, falls das Fieber doch zurückkommen sollte. »Wo fahren wir hin?«, fragte sie leicht beunruhigt. »Das wird nicht verraten«, erklärte Jace selbstgefällig. Er und Ash wirkten wie Kinder an Weihnachten, ihre Augen funkelten vor nicht gerade unschuldiger Freude. Mia entspannte sich und ließ sich in die Polster sinken, während sie sich einredete, dass das Kommende ihr sicher gefallen würde. Auch wenn ihr Herz immer noch schmerzte, weil es so leer war. Gabe war verschwunden, nachdem er die Nacht auf Samstag in ihrer Wohnung verbracht hatte. Kein Wort hatte sie mehr von ihm gehört. Hatte er aufgegeben? Als sie schließlich vor Saks an der Fifth Avenue genau gegenüber dem Rockefeller Center anhielten, juchzte sie vor Freude über den riesigen erleuchteten Weihnachtsbaum, der sich über der Eislaufbahn erhob. Er war so schön, und sie erinnerte sich wieder an die vielen Male in ihrer Kindheit, in denen Jace sie hergebracht hatte. Sie waren jedes Mal dabei gewesen, wenn die Lichter gezündet worden waren … nur dieses Jahr nicht. »Oh, Jace«, flüsterte sie, als er ihr aus dem Wagen half. »Er ist genauso schön wie immer.« Jace schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln, und dann setzten sie sich zusammen in Bewegung, um zur Menge zu gelangen, die sich um den Baum versammelt hatte. Der Baum ragte mit Tausenden von bunten Lichtern geschmückt über ihnen auf. Weihnachtsmusik ertönte, und dann war die wohlklingende Stimme eines Mannes zu hören, der »We wish you a Merry Christmas« sang. »Gibt es ein Konzert?«, fragte Mia aufgeregt und drehte sich dabei zu Jace um. Er nickte und führte sie dann lächelnd weiter nach vorn. Seltsamerweise erhob keiner der anderen Zuschauer Einwände, als sie sich vordrängten, eine Gruppe machte ihnen sogar ganz vorne, wo es zur Bühne hinaufging, Platz. »Das ist ja perfekt!«, rief Mia. Ash und Jace kicherten, und Mia richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Sänger, der Weihnachtslieder vortrug. Ach, das weckte so viele schöne Erinnerungen an sie und Jace. Sie streckte Jace den Arm entgegen und drückte seine Hand. Das Herz wollte ihr schier überquellen vor Liebe zu ihrem Bruder. Immer war er ihr Fels in der Brandung gewesen und war es auch jetzt noch. Sie hätte die Trennung von Gabe nie überstanden, wären Jace und Ash nicht dagewesen. »Danke«, wisperte sie ihm ins Ohr. »Ich hab dich lieb.« Jace lächelte. »Ich hab dich auch lieb, Kleines. Ich möchte, dass dieser Abend etwas Besonderes für dich ist.« Ein trauriger Ausdruck huschte kurz über sein Gesicht, und ehe sie fragen konnte, was er mit seinen Worten meinte, war das Lied zu Ende und der Sänger begann mit einer Rede an die Zuschauer. Es dauerte einen Moment, ehe sie merkte, dass er ihren Namen gesagt hatte. Sie blinzelte überrascht, und dann war auch schon ein Scheinwerfer auf sie gerichtet, der sie in einen Lichtkegel hüllte. Erstaunt sah sie zu Jace auf, aber er und Ash traten beide zurück, sodass sie allein im Lichtkreis stand. »Frohe Weihnachten und die besten Wünsche für wunderschöne Festtage gehen an Miss Mia Crestwell«, sagte der Mann. »Gabe Hamilton möchte, dass Sie wissen, wie sehr er Sie liebt und wie sehr er sich wünscht, dass Sie diese Feiertage mit ihm verbringen. Aber glauben Sie nicht mir … er ist hier und will es Ihnen selber sagen.« Sie riss die Augen auf, als Gabe an der Treppe erschien, die zur Bühne hinaufführte, wo der Mann eben noch gestanden hatte. Gabes Blick ruhte fest auf ihr. In der Hand hielt er eine in Geschenkpapier gewickelte Schachtel, die mit einer großen Schleife verziert war. Die Zuschauer jubelten, als Gabe zu ihr trat und dann auf einem Bein vor ihr niederkniete, die Schachtel immer noch in der Hand. »Frohe Weihnachten, Mia«, sagte er mit heiserer Stimme. »Es tut mir leid, dass ich so ein Idiot war. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass du gehst. Du hast recht. Du verdienst jemanden, der immer um dich kämpft, und ich will dieser Mann sein, wenn du mir eine zweite Chance dazu gibst.« Sie wusste nicht, was sie sagen, was sie erwidern sollte. Heiße Tränen brannten in ihren Augen und drängten darauf zu fließen. »Ich liebe dich«, erklärte er mit Nachdruck. »Ich liebe dich so sehr, dass es schmerzt, wenn ich nicht mit dir zusammen bin. Ich will nie von dir getrennt sein. Ich will ein gemeinsames Leben mit dir führen. Verstehst du mich, Baby? Ich will, dass du mich heiratest. Ich will für immer mit dir zusammen sein.« Er hielt ihr die Schachtel hin und sie nahm sie mit zitternden Fingern. Unbeholfen zupfte sie an der Schleife, entfernte das Papier und versuchte, den Deckel abzunehmen. Im Inneren befand sich ein Schmuckkästchen. Es fiel ihr fast aus der Hand, als sie es herausnahm. Um sie herum blitzte es. Die Leute fingen den Moment mit den Kameras ihrer Handys ein. Man hörte laute Jubelschreie und aufmunternde Rufe. Doch sie blendete alles aus, bis auf den Mann vor ihr. Nichts sonst war wichtig. Sie öffnete das Kästchen und erblickte einen herrlichen Diamantring, der auf Samt gebettet war. Er funkelte und blitzte, das konnte sie trotz des Tränenschleiers erkennen. Dann richtete sie den Blick auf den Mann, der vor ihr kniete. Er flehte sie mit seinen Augen an. Himmel, er kroch tatsächlich. »Ach, Gabe.« Sie ließ sich vor ihm auf die Knie sinken, sodass sie auf gleicher Höhe waren. Sie schlang ihre Arme um seine Schultern und hielt dabei das Kästchen mit dem Ring fest umklammert. »Ich liebe dich«, hauchte sie. »Ich liebe dich so sehr. Ich will nie mehr ohne dich sein.« Er packte ihre Schultern und schob sie ein Stückchen zurück, sodass er sie mit Augen, die vor Liebe und Fürsorge brannten, anschauen konnte. Dann griff er in seine Jacke und holte ein dickes Dokument hervor. Oh Gott, das war ihr Vertrag! Ohne sie auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, zerriss er ihn. »Von jetzt an gibt es keine Regeln mehr in unserer Beziehung«, erklärte er heiser. »Sie wird nur noch aus dem bestehen, was du und ich daraus machen. Was wir daraus machen wollen. Keine Zwänge. Nur unsere Liebe. Die einzige Unterschrift, die ich von dir will, soll auf unserer Heiratsurkunde stehen.« Er nahm ihr das Schmuckkästchen aus der Hand und zog den Ring heraus. Dann griff er nach ihrer linken Hand und schob den funkelnden Diamantring auf ihren Ringfinger. Die Menge brach in lauten Jubel aus, und Gabe zog sie zu einem leidenschaftlichen Kuss an sich, den sie genauso leidenschaftlich erwiderte. Sie ging in diesem Augenblick auf und verwahrte ihn als eine ihrer kostbarsten Erinnerungen. Solange sie lebte, würde sie diesen Moment nie vergessen. Wenn sie und Gabe alt und grau waren, würde sie sich an diesen Abend erinnern und darin schwelgen. Es war eine Geschichte, die sie ihren Kindern, ihren Töchtern erzählen würden. Dabei wusste sie doch noch nicht einmal, ob er überhaupt Kinder haben wollte. »Ich will Babys«, platzte sie heraus. Heiße Röte breitete sich auf ihren Wangen aus, als ihr klar wurde, dass auch einige der Umstehenden ihre Worte gehört hatten. Einige lachten und einer rief laut: »Gib sie ihr, Mann!« Gabe lächelte sie mit einem so zärtlichen Ausdruck auf dem Gesicht an, dass ihr das Herz schmolz und ihr innerlich so warm wurde, dass sie die Kälte nicht mehr wahrnahm. »Ich will auch Babys«, sagte er heiser. »Töchter, die so schön sind wie du.« Sie grinste so breit, dass sie das Gefühl hatte, ihre Lippen würden gleich einreißen. »Ich liebe dich, Mia«, sagte er mit schroffer, leicht unsicherer Stimme. Er sah so verletzlich aus, wie er da vor ihr kniete. »Ich werde dich bis in alle Ewigkeit lieben. Ich hoffe, das ist gut genug für dich. Ich habe so viele Fehler gemacht, seitdem du in mein Leben getreten bist. Aber ich schwöre dir, dass ich den Rest meines Lebens damit verbringen werde, es wiedergutzumachen. Niemand wird dich je mehr lieben als ich.« Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie den Mann ansah, der sich vor ihr und der halben Stadt so erniedrigt hatte. »Ich liebe dich auch, Gabe. Ich habe dich immer geliebt«, erwiderte sie leise. »Ich habe fast mein ganzes Leben lang auf dich gewartet.« Langsam stand er auf und hielt ihr die Hand hin, um ihr auch aufzuhelfen. Dann zog er sie in seine Arme und drückte sie fest an sich, während die Musik wieder einsetzte. »Ich habe genauso lange auf dich gewartet, Mia. Vielleicht habe ich nicht immer gewusst, was mir fehlt … das warst du. Immer nur du.« Er drehte sich mit ihr um, sodass sie Jace und Ash sehen konnten. Mia hatte die Anwesenheit der beiden vollkommen vergessen. Jetzt ging ihr auf, dass die beiden von Anfang an eingeweiht gewesen sein mussten. Ihr ging auf, was es eigentlich bedeutete, dass sie eingeweiht gewesen waren. Eine Welle der Freude durchfuhr sie, und sie stürzte sich auf Jace, der fast ins Taumeln geriet, als sie ihn umarmte. »Danke«, raunte sie ihm ins Ohr. »Danke, dass du es verstehst und akzeptierst, Jace. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet.« Er drückte sie an sich und die Rührung ließ auch seine Stimme gepresst klingen. »Ich hab dich lieb, Kleines. Ich will nur, dass du glücklich bist. Gabe hat mich davon überzeugt, dass er der Richtige dafür ist. Mehr kann ein großer Bruder nicht verlangen.« Sie drehte sich zu Ash um, warf sich in seine Arme und küsste ihn auf die Wange. »Dich hab ich auch lieb, du Lieber, du. Und danke, dass du mir in den letzten Wochen beigestanden hast.« Ash grinste und küsste sie auf die Wange, ehe er sie wieder in Gabes Arme entließ. Liebevoll zerzauste er ihr das Haar. »Immer doch, Kleine. Wir wollen nur, dass du glücklich bist. Ach ja, und ich will der Pate von dem Baby sein.« Jace sah ihn finster an. »He, nein. Das ist mein Job. Ich bin der Onkel.« Mia verdrehte die Augen und drückte sich an Gabe, während Ash und Jace anfingen, miteinander zu streiten. Gabe kicherte und legte seinen Arm dann fester um ihre Taille. Lächelnd sah er auf sie hinunter und seine Liebe strahlte heller als der Stern an der Spitze des Rockefeller Weihnachtsbaums. »Was hältst du davon, wenn wir nach Hause gehen und schon mal für das Baby üben, um das sie sich dann streiten können?« Danksagung Ich danke meiner Familie, die so viel Geduld mit mir hatte, seit mir im Urlaub diese Idee kam, die mich fortan nicht mehr losließ. Außerdem danke ich Kim, die mir zuhörte, als ich ihr erklärte, es gäbe da etwas, das ich eher heute als morgen in die Tat umsetzen müsse; und die dafür sorgte, dass genau das geschah. Lillie danke ich, dass sie mich auf diesem Weg bei jedem Schritt begleitet hat. Und schließlich danke ich Cindy, die sich in so großartiger Weise für mich eingesetzt hat. Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel Rush bei The Berkley Publishing Group, a division of Penguin Group Inc., New York, USA. Deutschsprachige Erstausgabe April 2013 bei LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH, Gertrudenstr. 30–36, 50667 Köln Copyright © 2013 by Maya Banks All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with The Berkley Publishing Group, a member of Penguin Group (USA) Inc. 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