MAYA BANKS Breathless Verheißungsvolle Sehnsucht Roman Ins Deutsche übertragen von Jana Kowalski Über dieses Buch »Ich habe so lange hierauf gewartet. Dich in meinem Bett zu haben, deinen Mund an meinem zu spüren. Dass du das Erste bist, was ich am Morgen koste. Das Warten auf dich hat mich fast in den Wahnsinn getrieben, Josie. Und jetzt gehörst du endlich mir. Ich werde dich nicht mehr loslassen.« Ash McIntyre ist einer der einflussreichsten Männer des Landes. Er ist sexy, dominant, und er weiß, was er will – und wie er es bekommt. Doch seit seine besten Freunde Gabe und Jace glückliche Beziehungen führen, hat Ash das Gefühl, dass etwas in seinem Leben fehlt. Er ist rastlos. Belangloser Sex reizt ihn nicht mehr. Da trifft er auf die wunderschöne Josie Carlysle, die ihn augenblicklich fasziniert. Die junge Künstlerin weckt ein Verlangen in ihm, das ihm den Verstand zu rauben, ihn an den Rand seiner Vernunft zu treiben droht. Denn Josie ist nicht wie die anderen Frauen, die Ash kennt. Statt sich ihm bedingungslos hinzugeben, nimmt sie nur sehr zögerlich seine Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen an. Zu schmerzhaft sind ihre Erinnerungen an den letzten Mann, dem sie sich unterworfen hatte. Doch Ash akzeptiert kein Nein, nicht von Josie, die ihn auf eine Weise fesselt, wie er es noch nie zuvor erlebt hat. Er braucht sie mehr, als er jemals etwas in seinem Leben zuvor gebraucht hat. Und er beschließt, alles dafür zu tun, um die Geister ihrer Vergangenheit zu vertreiben … Meiner »Familie« gewidmet – nicht blutsverwandt, doch im Herzen verbunden 1 Ash McIntyre stand auf einem der asphaltierten Wege im Bryant Park, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und atmete die laue Frühlingsluft ein. Der Wind ließ die wärmere Jahreszeit schon erahnen, auch wenn ihm noch ein Hauch von Winter anhaftete. Fast alle Parkbänke waren besetzt, ebenso wie die zahlreichen kleinen Tische, an denen Menschen Kaffee tranken, über Kopfhörer Musik hörten und auf ihren Laptops arbeiteten … Es war ein herrlicher Tag, auch wenn Ash sich sonst eigentlich nie im Park aufhielt oder spazieren ging. Schon gar nicht während der Arbeitszeit, in der er normalerweise in seinem Büro am Telefon hing, E-Mails schrieb oder Geschäftsreisen plante. Er war einfach nicht der Typ dafür, von Rose zu Rose zu schlendern und daran schnuppern. Doch heute verspürte er eine ungewöhnliche Rastlosigkeit. In seinem Kopf kreisten die Gedanken unablässig umher, und so hatte er sich plötzlich, ohne es geplant zu haben, in diesem Park wiedergefunden. Mia und Gabe würden in wenigen Tagen heiraten, und sein Geschäftspartner steckte bis über beide Ohren in den Vorbereitungen, um seiner Auserwählten die ersehnte Traumhochzeit zu bereiten. Und Jace? Sein zweiter Geschäftspartner und Freund befand sich in einer sehr dauerhaften Beziehung mit seiner Verlobten Bethany. Seine beiden besten Freunde waren also anderweitig beschäftigt. Wenn sie nicht gerade arbeiteten, waren sie mit ihren Frauen zusammen. Ash begegnete ihnen folglich nur noch im Büro und bei gelegentlichen gemeinsamen Treffen außerhalb der Geschäftszeit. Aber auch wenn sie sich immer noch sehr nahestanden und Gabe und Jace ihn in ihre veränderten Lebensumstände einbezogen, war es nicht mehr wie früher. So schön die Umstände für seine Freunde sein mochten – Ash hatte sich noch nicht so recht damit abgefunden, dass sich ihr Leben in den letzten acht Monaten gewandelt hatte. Die Veränderungen waren schon verrückt, auch wenn er selbst nicht unmittelbar betroffen war. Nicht dass er sich nicht für seine Freunde freute. Sie waren glücklich, und das machte ihn glücklich. Sie waren seine Familie, und zwar mehr als seine eigene, völlig bescheuerte Familie, der er so oft wie möglich aus dem Weg ging. Aber zum ersten Mal seit dem Beginn ihrer Freundschaft war er außen vor, auch wenn seine Freunde ihm in diesem Punkt sicher heftig widersprochen hätten. Gabe, Mia, Jace und Bethany würden nie bestätigen, dass er nicht mehr richtig dazugehörte, vor allem Gabe und Jace nicht. Sie waren seine Brüder, in jeglicher Hinsicht, und sogar mehr als das. Das Band zwischen ihnen war unzerstörbar. Aber die Beziehung hatte sich verändert. Er war jetzt tatsächlich außen vor. Er gehörte zwar immer noch dazu, aber nicht mehr im selben Maße wie früher. Jahrelang hatten sie nach dem Motto Spiel mit dem Feuer, genieß das Leben gelebt. Aber Menschen veränderten sich nun mal, wenn sie eine Beziehung eingingen. Sie setzten andere Prioritäten. Ash wusste das. Und er konnte es nachvollziehen. Gabe und Jace wären in seinem Ansehen sogar gesunken, wenn sie ihre Frauen nicht als das Wichtigste in ihrem Leben betrachten würden. Doch dadurch gehörte Ash nicht mehr dazu. Er war das fünfte Rad am Wagen. Und diese Rolle gefiel ihm nicht. Dazu kam noch der Umstand, dass er und Jace in der Zeit vor Bethany viele Frauen meist gemeinsam genossen hatten. Nicht selten waren sie mit derselben Frau ins Bett gegangen. Auch wenn es vielleicht bescheuert klang, dass Ash außerhalb einer Dreiecksbeziehung nichts mit sich anzufangen wusste … aber so war es. Er war unruhig und gereizt. Ihm fehlte etwas, und er wusste nicht genau, was. Er verspürte keinerlei Sehnsucht nach dem, was Gabe und Jace hatten – oder vielleicht tat er das doch, wollte es aber nicht wahrhaben. Sicher war, dass er vollkommen neben sich stand, und das gefiel ihm überhaupt nicht. Normalerweise war er zielstrebig. Wusste genau, was er wollte. Und hatte die Macht und die Mittel, es zu bekommen. Es gab mehr als genug Frauen, die bereit waren, Ash das zu geben, was er brauchte oder wollte. Aber was nutzte das, wenn er selbst überhaupt nicht wusste, was er gerade brauchte oder wollte? Er ließ den Blick durch den Park schweifen und auf den vielen Kinderwagen ruhen, die von Müttern oder Kindermädchen über die Wege geschoben wurden. Er versuchte sich vorzustellen, selbst Kinder zu haben, und schauderte fast bei dem Gedanken. Er war jetzt achtunddreißig, fast schon neununddreißig. Ein Alter, in dem die meisten Männer bereits verheiratet waren und Kinder in die Welt gesetzt hatten, während er sich seit seinem zwanzigsten Lebensjahr mit seinen Partnern abgestrampelt und aus ihrer Firma das heute so erfolgreiche Unternehmen gemacht hatte. Und zwar ohne das Geld seiner Familie, ohne deren Beziehungen und vor allem ohne deren Hilfe. Vielleicht war das der Grund dafür, dass seine Familie ihn so sehr hasste. Er hatte sie überflügelt und ihr damit im Grunde bedeutet zu verschwinden. Doch seine größte Sünde bestand darin, noch erfolgreicher zu sein als sie, und das auch noch ohne ihre Hilfe. Er besaß sogar noch mehr Macht und Geld als der alte Herr, sein Großvater. Was hatte der Rest seiner Familie eigentlich je anderes getan, als von dessen Geld zu leben? Sein Großvater hatte das erfolgreiche Unternehmen verkauft, als Ash noch ein Kind gewesen war. Kein Mitglied seiner Familie hatte je auch nur einen einzigen Tag im Leben gearbeitet. Ash schüttelte den Kopf. Verdammte Blutsauger! Alle miteinander! Er brauchte sie nicht. Und er war sich auch vollkommen sicher, dass er sie nicht wollte. Jetzt, wo er sie alle – auch seinen Großvater – überflügelt hatte, war es für ihn außerhalb jeglicher Diskussion, sie jemals wieder in sein Leben zu lassen; sie würden kein einziges Stück von dem Kuchen bekommen, den er kreiert hatte. Ash wandte sich abrupt um. Er hatte schließlich noch einen Haufen Dinge zu erledigen, zu denen sicher nicht gehörte, in einem dämlichen Park herumzustehen und sich irgendwelchen Überlegungen hinzugeben, die doch fast den Eindruck erweckten, er bräuchte einen Seelenklempner. Er würde sich endlich am Riemen reißen und anfangen müssen, sich auf das zu konzentrieren, was sich nicht geändert hatte. Auf das Unternehmen. Die Projekte von HCM Global Resorts befanden sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Der Deal mit dem Pariser Hotel war endlich unter Dach und Fach, nachdem sie in aller Eile Ersatz für einige Investoren hatten finden können, die abgesprungen waren. Alles lief glatt und reibungslos. Er durfte die Dinge jetzt nur nicht schleifen lassen, gerade auch weil Gabe und Jace sich ihrer Arbeit im Moment nicht im gleichen Maße wie früher widmen konnten. Ash war der Einzige, der nicht durch persönliche Belange abgelenkt war, und deshalb musste er jetzt mehr tun, um seinen Freunden etwas von ihrer Arbeit abzunehmen, damit sie das Leben außerhalb der Firma genießen konnten. Als er gerade mit langen Schritten in die Richtung zurückgehen wollte, aus der er gekommen war, erblickte er an einem der Tische plötzlich, allein und etwas abseits von den anderen, eine junge Frau. Er verharrte mitten in der Bewegung und musterte sie genauer. Das lange, blonde Haar wehte leicht im Wind und gab den Blick auf ein verblüffend schönes Gesicht mit atemberaubenden Augen frei, das war sogar aus dieser Entfernung zu erkennen. Sie trug einen flippigen, langen Rock, der sich mit dem Wind bewegte und immer wieder eines ihrer langen Beine enthüllte. Ihre Füße mit den hellrosa lackierten Zehen steckten in leuchtend bunten Flip-Flops, und ein Zehenring funkelte, als sie den Fuß bewegte, um ihre Sitzposition zu ändern. Die Sonne fiel auf ein silbernes Knöchelkettchen, das einmal mehr seinen Blick auf ihr schlankes Bein lenkte. Sie arbeitete konzentriert und mit zusammengezogenen Augenbrauen an einer Zeichnung, ihr Bleistift flog förmlich über das Blatt. Neben ihr stand eine große Tasche, aus der zahlreiche lange Papierrollen ragten. Doch was seine Aufmerksamkeit schließlich fesselte, war der Reif um ihren Hals … Eng umschloss der Choker ihre Kehle, lag genau über ihrer zarten Halsbeuge. Er passte nicht zu ihr. Das fiel ihm sofort auf. Er spiegelte in keiner Weise ihre Persönlichkeit wider. Der Reif war mit Diamanten besetzt, kein Modeschmuck und offensichtlich teuer, aber er harmonierte nicht mit ihrer sonstigen Aufmachung. Er wirkte protzig und auffallend deplatziert. Ashs Neugier war geweckt, denn der Anblick eines solchen Schmuckstücks am Hals einer Frau beinhaltete für ihn etwas vollkommen anderes als für die meisten anderen Menschen. Er musste herausfinden, ob es sich tatsächlich um ein Halsband handelte oder ob der Reif nur eine vollkommen normale, von ihr selbst gewählte Zierde war. Wenn seine Vermutung stimmte und das dort ein Halsband war, hatte der Mann, der es für sie ausgesucht hatte, eine erbärmliche Wahl getroffen. Der Kerl kannte sie offensichtlich nicht, oder vielleicht war es ihm auch egal, ob so ein wichtiges Requisit zu der Frau passte, die er sein Eigen nannte. Wie war es möglich, dass ein Mann, der mit ihr schlief, das nicht bemerkte, wenn es selbst Ash schon nach einer kurzen Musterung auffiel? Vielleicht spiegelte das Halsband ja auch ihre Dominanz wider, was allerdings arrogant und töricht wäre. Ein Halsband sollte eigentlich die Fürsorge des Doms für seine Sub widerspiegeln, sollte zeigen, wie nah er ihr war, und zu der Frau passen, die es trug. Meine Güte, was stellte er hier für Vermutungen an! Vielleicht handelte es sich auch einfach um eine Zierde, die sie sich selbst ausgesucht hatte. Aber für einen Mann wie Ash war so ein Schmuckstück mehr als nur ein Accessoire. Er hatte sie schon eine ganze Weile angestarrt, da hob sie plötzlich den Kopf, als hätte sie seinen Blick gespürt. Sie riss sofort die Augen auf, in denen er meinte, so etwas wie Panik zu erkennen. Eilig schlug sie ihr Skizzenbuch zu und schob es noch im Aufstehen in ihre große Tasche. Ihm ging auf, dass sie gehen wollte, und er setzte sich sofort, ohne nachzudenken, in Bewegung. Adrenalin strömte durch seine Adern. Er war auf der Jagd. Die Beute war in greifbarer Nähe. Sie forderte ihn heraus. Sein Interesse war geweckt. Er wollte wissen, wer diese Frau war und was es mit dem Halsband auf sich hatte. Noch während er mit langen Schritten auf sie zuging, realisierte er die Tragweite seines Tuns. Wenn das Halsband das repräsentierte, was er vermutete, dann drang er in das Revier eines anderen Mannes ein. Und, schlimmer noch: Es war ihm egal. Das Verbot, sich an die Sub eines anderen Doms heranzumachen, war ein ungeschriebenes Gesetz, aber Ash hatte sich noch nie groß um Regeln gekümmert. Zumindest nicht um solche, die er nicht selbst aufgestellt hatte. Und diese Frau war schön. Faszinierend. Und vielleicht genau das, wonach er suchte. Das allerdings würde er nur herausfinden, wenn sie ihm jetzt nicht entwischte. Als er sie fast erreicht hatte, wirbelte sie plötzlich herum und prallte mit der Tasche in der Hand mit ihm zusammen. Hoppla, er war ihr eindeutig zu nahe getreten, und er konnte von Glück sagen, wenn sie nicht den ganzen Park zusammenschrie. Man hätte ihn leicht für einen Stalker in Aktion halten können. Er hörte, wie sie zischend Luft holte, während sie einen Schritt zurückwich und dabei mit der Tasche gegen den Stuhl stieß, auf dem sie eben noch gesessen hatte. Der Beutel schwankte, ihre Finger glitten ab, und der gesamte Inhalt – Stifte, Pinsel und Papiere – verstreute sich großflächig. »Verdammt!«, stieß sie leise hervor. Sie bückte sich und griff nach den Papieren, während er einem Blatt hinterherjagte, das vom Wind erfasst und ein paar Schritte weit weggeweht worden war. »Ich sammle schon alles wieder ein«, rief sie. »Bitte, machen Sie sich keine Umstände.« Er fing die Zeichnung und drehte sich damit zu ihr um. »Es macht keine Umstände. Es tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe.« Sie stieß ein zittriges Lachen aus und streckte die Hand nach dem Blatt aus. »Ja, das haben Sie wirklich.« Er senkte den Blick auf die Zeichnung und blinzelte überrascht, als er sich selbst darauf erkannte. »Was ist denn das?«, murmelte er, ohne ihren hastigen Griff nach der Zeichnung zu beachten. »Bitte, geben Sie mir das Blatt«, sagte sie leise drängend. Sie klang verängstigt, als fürchtete sie, er könnte gleich explodieren, doch er war mehr mit dem schmalen Streifen Haut beschäftigt, das ihr kurzes Oberteil freigegeben hatte, als sie den Arm nach dem Blatt ausstreckte. Für einen Moment hatte ein farbenfrohes Tattoo aufgeleuchtet, das genauso ansteckend lebendig wirkte wie sie selbst. Es war etwas Blumenartiges gewesen, etwas im Stile einer Ranke, etwas, das sich höchstwahrscheinlich noch viel weiter über ihren Körper zog. Wahrscheinlich nach oben und nach unten. Er wünschte sich sehnlichst, noch mehr davon zu Gesicht zu bekommen, aber sie ließ den Arm fallen, und der Saum des Oberteils schloss wieder mit dem Bündchen des wallenden Rockes und verwehrte ihm einen weiteren Blick. »Warum haben Sie mich gezeichnet?«, fragte er neugierig. Ihre Wangen nahmen einen rosigen Farbton an. Ihre Haut war sehr hell und noch kaum von der Sonne gebräunt, doch mit dem blonden Haar und den herrlichen, strahlend blauen Augen war das wunderschön. Sie war wunderschön. Und offensichtlich sehr talentiert. Sie hatte ihn perfekt getroffen. Er erkannte sich mühelos in der Bleistiftzeichnung wieder. Die nachdenkliche Miene, der distanzierte Ausdruck in seinem Blick. Sie hatte ihn in dem Moment eingefangen, als er mit den Händen in den Hosentaschen einfach nur dagestanden hatte. In jenem Moment der Selbstreflexion, die jetzt in der Zeichnung ganz deutlich zu erkennen war. Er fühlte sich verletzlich und fand das unangenehm, weil eine vollkommen fremde Person in der Lage gewesen war, seine Stimmung in nur wenigen Augenblicken zu erfassen. Weil sie ihn in diesem verletzlichen Moment gesehen und etwas erkannt hatte, das er vor dem Rest der Welt verbarg. »Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht«, verteidigte sie sich. »Ich zeichne viele Menschen. Oder Sachen. Alles, was meine Aufmerksamkeit erregt.« Er lächelte, ohne den Blick von ihr zu wenden. Ihre Augen waren so ausdrucksvoll, es waren Augen, die einen Mann dazu verlocken konnten, in sie eintauchen zu wollen. Und dieser verdammte Choker starrte ihn die ganze Zeit über höhnisch an. »Dann habe ich also Ihre Aufmerksamkeit erregt.« Sie wurde wieder rot. Es war ein schuldbewusstes Erröten, aber auch ein sehr aufschlussreiches. Sie hatte ihn genauso eingehend gemustert wie er sie. Vielleicht etwas diskreter, aber diskretes Feingefühl hatte nie zu seinen Stärken gehört. »Sie wirkten irgendwie fehl am Platz«, sprudelte es aus ihr heraus. »Sie haben sehr ausgeprägte Gesichtszüge. Es juckte mich in den Fingern, die aufs Papier zu bringen. Sie haben ein interessantes Gesicht, und es war offensichtlich, dass Ihnen viel durch den Kopf ging. Ich finde, Menschen sind viel weniger verschlossen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Hätten Sie eine bestimmte Pose eingenommen, wäre bei der Zeichnung etwas ganz anderes herausgekommen.« »Sie ist sehr gut«, sagte er langsam, während er den Blick noch einmal auf die Zeichnung richtete. »Sie haben viel Talent.« »Kann ich sie jetzt zurückhaben?«, fragte sie. »Ich bin spät dran.« Er schaute wieder auf und sah sie fragend an. »Sie schienen es aber gar nicht eilig zu haben, bis Sie merkten, dass ich auf Sie zukam.« »Das ist jetzt mehrere Minuten her, und da war ich noch nicht spät dran. Jetzt aber schon.« »Wofür sind Sie zu spät dran?« Sie sah ihn verwirrt an, dann blitzte Ärger in ihren Augen auf. »Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht.« »Ash«, sagte er, als sie verstummte. »Ich heiße Ash.« Sie nickte, ohne jedoch seinen Namen zu wiederholen. Und da merkte er, dass er alles darum gegeben hätte, seinen Namen aus ihrem Mund zu hören. Er streckte die Hand aus und strich mit den Fingern über ihr Halsband. »Hat es etwas mit dem hier zu tun, weshalb Sie spät dran sind?« Sie wich einen Schritt zurück und sah ihn noch verwirrter an. »Wartet Ihr Dom auf Sie?« Sie riss die Augen auf, und ihre Finger wanderten unwillkürlich zu der Stelle, die er eben noch berührt hatte. »Wie heißen Sie?«, fragte er, als sie weiter schwieg. »Ich habe Ihnen meinen Namen gesagt. Es gehört sich eigentlich, diese Geste der Höflichkeit zu erwidern.« »Josie«, sagte sie, und ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. »Josie Carlysle.« »Und wem gehören Sie, Josie?« Sie zog die Augenbrauen zusammen, umklammerte ihre Tasche und schob die restlichen Stifte hinein. »Ich gehöre niemandem.« »Dann habe ich die Bedeutung des Halsbandes, das Sie tragen, vermutlich missverstanden, oder?« Sie strich wieder über den Choker, und er konnte sich nur mit Mühe beherrschen, ihn ihr nicht abzunehmen. Er passte nicht zu ihr. So ein Halsband musste sorgfältig für die jeweilige Sub ausgewählt werden. Es musste zu ihrer Persönlichkeit passen. Ein Stück, das ausschließlich für sie angefertigt wurde. Und nicht für irgendeine beliebige Frau. »Sie haben es nicht missverstanden«, erwiderte sie heiser, was ihm einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Sie konnte einen Mann allein mit ihrer Stimme innerhalb von Sekunden verführen. »Aber trotzdem gehöre ich niemandem, Ash.« Da war er. Sein Name aus ihrem Mund. Er drang tief in ihn und erfüllte ihn mit einer unerklärlichen Befriedigung. Er wollte ihn wieder hören. Während er ihr Lust bereitete. Während er sie mit seinen Händen und seinem Mund verwöhnte und ihr damit leise, zufriedene Seufzer entlockte. Er zog eine Augenbraue hoch. »Dann sind Sie also diejenige, die die Bedeutung dieses Halsbandes missversteht?« Sie lachte. »Nein, aber er besitzt mich nicht. Niemand besitzt mich. Das Halsband war ein Geschenk. Ein Geschenk, das zu tragen ich mich entschieden habe. Mehr nicht.« Er beugte sich vor, und dieses Mal wich sie nicht zurück. Ihr Blick ruhte neugierig und auch ein wenig erwartungsvoll auf ihm. Auch sie schien sie zu spüren, diese fast schon magische Anziehungskraft zwischen ihnen. Sie hätte schon blind sein oder die Augen vor der Wahrheit verschließen müssen, um sie nicht zu spüren. »Wenn Sie mein Halsband tragen würden, wüssten Sie ganz genau, dass Sie mir gehören«, knurrte er. »Sie würden nicht einen Moment lang bedauern, sich mir ganz und gar hingegeben zu haben. Wären Sie in meiner Obhut, würden Sie mir ganz sicher gehören. Daran gäbe es überhaupt keinen Zweifel. Sie würden auf die Frage nach Ihrem Dom nicht zögern, und Sie würden auch nicht behaupten, dass das Halsband ein Geschenk sei … nichts weiter als ein Schmuckstück, das gedankenlos aus einer Laune heraus gewählt worden ist. Das Halsband würde etwas bedeuten, Josie. Es würde verdammt noch mal alles bedeuten, und das wissen Sie ganz genau.« Sie sah ihn erstaunt an und lachte dann. Ihre Augen funkelten. »Dann ist es ja ganz schön dumm, dass ich Ihnen nicht gehöre.« Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und hastete mit der Tasche über der Schulter davon, während er einfach nur dastand, mit der Zeichnung in der Hand, die sie von ihm gemacht hatte. Er sah ihr nach, beobachtete das Haar, das über ihren Rücken herunterhing und leicht im Wind wehte, ließ seinen Blick zu den Flip-Flops und dem Knöchelkettchen wandern, das bei jeder Bewegung leise rasselte, bevor er sich wieder in die Zeichnung vertiefte. »Wirklich zu dumm«, murmelte er. 2 Ash saß bei geschlossener Tür in seinem Büro und brütete über einem Bericht. Was da vor ihm lag, waren keine Geschäftsunterlagen. Es war keine Finanzübersicht. Keine E-Mail, auf die er hätte antworten müssen. Es war ein Dokument, das sich mit Josie Carlysle beschäftigte. Er hatte nicht lange gezögert und einen Gefallen bei der gleichen Agentur eingefordert, die er schon mit der Überprüfung von Bethany beauftragt hatte, was Jace damals sehr verärgert hatte. Die Agentur war gut, aber noch wichtiger: Sie war schnell. Er hatte Josie seit der Begegnung im Park nicht vergessen können. Ebenso wenig war er in der Lage gewesen, die fast schon an Besessenheit grenzende Fixierung auf sie abzuschütteln. Er wusste noch nicht einmal genau, wie er dieses Gefühl benennen sollte, erkannte aber, dass er sich fast genau wie Jace verhielt, als dieser Bethany kennengelernt hatte. Damals hatte er nicht gezögert, seinen Freund auf dessen törichtes Verhalten und seine Unbesonnenheit hinzuweisen. Was würde Jace wohl von ihm denken, wenn er wüsste, dass Ash Josie im Grunde schon ausspionierte? Sein Freund würde denken, dass er den Verstand verloren hatte. Genau wie Jace selbst damals – und heute – wegen Bethany. Laut dem Bericht vor ihm war Josie achtundzwanzig und hatte ein Kunststudium absolviert. Sie lebte in einer Atelierwohnung im Souterrain eines Stadthauses auf der Upper East Side. Der Mietvertrag lief auf ihren Namen. Nicht auf den eines Mannes. Im Grunde lieferte der Bericht nur wenige Hinweise auf einen Mann, die sich zudem darauf beschränkten, dass er sie in unregelmäßigen Abständen abholte. Der Bericht umfasste lediglich eine Zeitspanne von wenigen Tagen, da Ash die Informationen sofort nach dem ersten Treffen mit Josie angefordert hatte und dieses noch nicht länger zurücklag. Ihre Zeit verbrachte sie größtenteils in dem Park, wo sie malte oder zeichnete. Einige ihrer Arbeiten waren in einer kleinen Kunstgalerie auf der Madison ausgestellt, doch keine davon war verkauft worden. Zumindest nicht, seitdem Ash jemanden mit der Beschattung beauftragt hatte. Sie entwarf außerdem ausgefallenen Schmuck und unterhielt eine Website sowie einen Onlineshop, über den sie die von ihr angefertigten Stücke verkaufte. Allem Anschein nach war sie ein freier Geist. Ohne geregelte Arbeitszeit. Überhaupt ohne geregeltes Leben. Sie kam und ging offenbar, wie es ihr gefiel. Sie war vermutlich eine Einzelgängerin, so viel konnte man selbst nach dieser kurzen Zeitspanne der Beobachtung wohl folgern. Sie war bisher nur mit dem Mann gesehen worden, von dem Ash annahm, dass er ihr Dom war. Doch das ergab für ihn keinen Sinn. Wenn Josie diesem Mann gehörte, würde er ganz bestimmt mehr Zeit mit ihr verbringen, außerdem wäre sie nicht so viel allein. Der Typ schien zwar scharf auf Josie zu sein, doch die Beziehung wurde entweder von ihm oder von ihr nicht ernst genommen. War das Ganze nur ein Spiel? Ash hatte zwar nichts dagegen, wenn Leute das taten, worauf sie gerade Lust hatten, aber Unterwerfung war für ihn kein Spiel. Unterwerfung war alles. Er hatte keine Zeit dafür, und diese Art von Spielchen nervten ihn einfach. Wenn eine Frau sich nicht voll und ganz darauf einließ, war er weg. Wenn sie Sexspielchen wollte, bei denen sie so tat, als wäre sie eine Sub – inklusive niedlichen Rollenspielen und Zerren an seiner Kette, um »bestraft« zu werden –, dann gab er ihr ganz schnell den Laufpass. Allerdings hatte er die meisten Frauen, mit denen er geschlafen hatte, mit Jace geteilt. Es hatte klare Regeln gegeben, und die Frauen hatten von Anfang an Bescheid gewusst. Aber Bethany hatte das über den Haufen geworfen, hatte alle Regeln gebrochen. Jace hatte nicht mehr teilen wollen, und Ash hatte es schließlich verstanden. Zwar nicht sofort, aber jetzt war es ihm klar. Was aber nicht bedeutete, dass er diese Verbindung mit seinem besten Freund nicht vermisste. Andererseits hatte jetzt, da Jace nicht mehr dabei war, Ash allein das Sagen. Er musste sich keine Gedanken mehr darüber machen, seinem besten Freund nicht ins Gehege zu kommen, ihn nicht zu verärgern oder andere als seine eigenen Regeln zu befolgen. Das gefiel ihm. Das gefiel ihm sehr. Ihm war immer klar gewesen, dass viele ihn falsch einschätzten. Im Vergleich zu Gabe und Jace hielt man Ash immer für locker und unbeschwert, für den Das-ist-mir-scheißegal-Typen. Ein Cooler, der vielleicht sogar leicht herumzukriegen war. Nichts davon stimmte. Von den dreien war er derjenige mit den heftigsten Gefühlsregungen, da war er sich sicher. Er hatte sich immer zurückgehalten, wenn er und Jace mit derselben Frau zusammen waren, weil er wusste, dass er viel weiter gehen würde, als sein Freund je zu gehen bereit sein würde. Deshalb hatte er sich an Jace’ Regeln orientiert und diese Seite seiner Persönlichkeit unter Verschluss gehalten … den Teil seiner Persönlichkeit, der sonst die Kontrolle an sich reißen würde. Und, nun ja, es hatte eigentlich auch nie eine Frau gegeben, die ihn in Versuchung geführt hätte, diese Seite ganz auszuleben. Bis jetzt. Und das war dumm. Er kannte Josie doch überhaupt nicht. Er wusste zwar über sie Bescheid, das schon, der Bericht ging sehr ins Detail. Aber er kannte sie nicht. Er wusste nicht, ob ihr überhaupt gefiel, was Ash ihr gäbe. Was er nähme. Und darum ging es. Um das, was er sich nähme. Denn er würde sich viel nehmen. Er würde auch viel geben, aber seine Forderungen würden selbst jemandem, der mit seinem Lebensstil vertraut war, gewaltig erscheinen. Er senkte den Blick wieder auf den Bericht und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Er hatte bereits einen Mann auf sie angesetzt. Die Vorstellung, dass sie so viel allein war, störte ihn. Es war für ihn eigentlich vollkommen in Ordnung, wenn eine Frau in der Stadt machte, was sie wollte. Aber bei Josie störte es ihn. Sehr. Hatte ihr vermeintlicher Dom überhaupt eine Ahnung davon, wo sie tagsüber war? Beschützte er sie? Oder gab er sich nur dann mit ihr ab, wenn er jemanden fürs Bett brauchte? Ein leises Knurren stieg in ihm auf, das er eilig unterdrückte. Er würde sich endlich beruhigen und die Sache regeln müssen. Diese Frau bedeutete ihm nichts. Aber kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, wusste er, dass er sich belog. Sie bedeutete ihm durchaus etwas. Er wusste nur noch nicht was. Sein Handy klingelte, und er runzelte die Stirn, als er den Namen des Anrufers auf dem Display sah: Es war der Mann, der Josie beschattete. »Ash«, meldete er sich kurz angebunden. »Mr McIntyre. Ich bin’s, Johnny. Ich wollte Ihnen nur kurz mitteilen, was ich gerade gesehen habe. Nach allem, was Sie mir erzählt haben, wollen Sie vermutlich wissen, was hier gerade passiert ist.« Ash setzte sich alarmiert auf. »Was ist los? Ist sie verletzt?« »Nein, Sir. Sie war nur gerade bei einem Pfandleihhaus. Sie hat irgendwelchen Schmuck verkauft, ich war im Laden und habe das Gespräch mit dem Pfandleiher belauscht. Sie sagte, sie bräuchte Bargeld, um ihre Miete zu bezahlen. Er fragte, ob sie den Schmuck verkaufen oder beleihen wollte, und sie antwortete, verkaufen, weil sie Zweifel daran hatte, ihn je wieder auslösen zu können … dafür müsste sich schon irgendetwas grundlegend ändern. Sie sagte nicht, was für eine Veränderung das sein würde, aber ich dachte mir, Sie wüssten vielleicht gerne, was sie treibt.« Wut stieg in ihm auf. Was zum Teufel sollte das denn? Warum verkaufte Josie ihren Schmuck an einen Pfandleiher? Warum gab ihr verdammter Dom ihr kein Geld, wenn sie welches brauchte? Warum beschützte er sie nicht besser? Würde sie ihm gehören, müsste sie nie im Leben einen Fuß in ein schäbiges Pfandleihhaus setzen. »Kaufen Sie den Schmuck«, stieß Ash hervor. »Jedes einzelne Stück. Egal, was er kostet. Und dann bringen Sie ihn her.« »Ja, Sir«, sagte Johnny. Ash beendete das Gespräch und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Die Gedanken rasten in seinem Kopf. Mit dem Handy am Ohr sprang er auf und befahl seinem Fahrer, sich vor dem Gebäude für ihn bereitzuhalten. Im Flur wäre er fast mit Gabe zusammengestoßen. »Ash, hast du eine Sekunde Zeit?«, rief Gabe, als Ash ohne anzuhalten weiterging. »Jetzt nicht«, stieß Ash hervor. »Hab was zu erledigen. Ich komme später zu dir, okay?« »Ash?« Ash blieb stehen. Er brodelte innerlich vor Ungeduld, als er sich zu seinem Freund umdrehte. Gabe musterte ihn eingehend mit sorgenvollem Blick. »Alles in Ordnung?« Ash nickte. »Ja, alles gut. Du, ich muss los. Ich melde mich später bei dir.« Gabe nickte, aber Ash las den Zweifel in seinem Blick. Er würde Gabe auf keinen Fall erzählen, was ihn so sehr beschäftigte. Gabe hatte schon genug mit seiner Hochzeit zu tun. Verdammt … die war ja schon morgen! Wahrscheinlich wollte Gabe sich in aller Ausführlichkeit mit ihm über die Hochzeit und die Zeremonie unterhalten. Ash blieb am anderen Ende des Ganges stehen und drehte sich noch einmal zu seinem Freund um. »Läuft bei den Hochzeitsvorbereitungen alles glatt? Geht’s Mia gut? Brauchst du irgendwas?« Gabe blieb an seiner Bürotür stehen und lächelte. »Alles in Ordnung. Oder zumindest wird alles in Ordnung sein, wenn ich diese verdammte Zeremonie endlich hinter mir habe und sie mir gehört. Steht die Verabredung für heute Abend noch? Jace ist wild entschlossen, einen Junggesellenabschied für mich zu schmeißen, was Mia gar nicht freut. Bethany ist wahrscheinlich auch nicht froh darüber. Aber er schwört, dass wir nur im Rick’s was trinken und nichts tun werden, was eine der Frauen verärgern wird.« Verdammt. Das hatte Ash vollkommen vergessen. Er war gedanklich so mit Josie beschäftigt gewesen, dass er die Hochzeit und den Abend mit Gabe und Jace völlig verdrängt hatte. »Klar, ich komme. Acht Uhr? Mit dir und Jace im Rick’s.« Gabe nickte. »Okay, bis dann. Ich hoffe, dass sich alles klärt.« Ash ignorierte Gabes bohrende Frage und drehte sich zum Fahrstuhl um. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, wenn er die Galerie noch vor Geschäftsschluss erreichen wollte. Ash betrat die kleine Kunstgalerie und schaute sich kurz um. Es war offensichtlich, dass es sich um einen unbedeutenden Kunsthandel drehte, bei dem nicht gerade die bekanntesten Künstler ausstellten. Der Eigentümer verhandelte wahrscheinlich mit freien Künstlern. Die erst noch entdeckt werden mussten. Die ausstellten, weil sie hofften, entdeckt zu werden. Sein Blick fiel sofort auf ein Bild an der Wand. Er musste nicht erst nachschauen, um zu erkennen, dass es eines von Josies Werken war. Es war genau wie sie. Hell. Lebhaft. Sorglos. Er konnte sie beim Betrachten des Bildes förmlich spüren. Er sah sie, erinnerte sich daran, wie sie roch und wie sie gelächelt hatte … an diese strahlend blauen Augen, in denen er zu ertrinken meinte. Ja, dieses Bild war eindeutig von ihr, Irrtum ausgeschlossen. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« Ash wandte sich um und fand sich einem älteren Herrn gegenüber, der ihn anlächelte. Er trug einen leicht abgewetzten Anzug und ausgetretene Schuhe. Seine Brille lenkte den Blick auf die Falten auf der Stirn und um die Augen. »Josie Carlysle«, erklärte Ash schroff. »Stellen Sie ihre Arbeiten hier aus?« Der Mann wirkte überrascht, doch dann lächelte er wieder und deutete auf die Wand. »Ja, das tue ich. Sie ist gut. Aber nicht fokussiert genug. Ich glaube, deshalb ist sie auch nicht erfolgreich. Ihr Spektrum ist zu breit gefächert, und sie hat noch keinen eigenen Stil entwickelt. Zumindest keinen, den man wiedererkennt, wenn Sie verstehen, was ich meine.« »Nein, das tue ich nicht«, erwiderte Ash ungeduldig. »Der Stil gefällt mir. Ich mag ihre Arbeiten. Ist das Bild an der Wand dort das Einzige, das Sie von ihr haben?« Der Mann blickte ihn überrascht an. »Nein. Keineswegs. Ich habe mehrere Bilder von ihr, aber ich muss den Platz für die Bilder nutzen, die sich verkaufen, und von ihren Sachen habe ich bisher leider nur ein oder zwei verkauft. Ich stelle jetzt weniger von ihr aus, weil ihre Bilder nicht gut laufen.« »Ich will alle haben.« Dem Mann stand seine Überraschung immer noch deutlich ins Gesicht geschrieben, aber er eilte sofort zur Wand, um das Bild herunterzunehmen. Es war gerahmt, wenn auch nicht besonders sorgfältig, und Ash würde diesen Rahmen gegen einen tauschen, der ihrem Talent angemessen war. Aber zuerst würde er all ihre Arbeiten aufkaufen und den Händler wissen lassen, dass alles, was Josie ihm brachte, fortan ihm gehörte. Nach einigen Minuten hatte der Mann alle Bilder abgehängt. Auf dem Weg zum Verkaufstisch vorn in der Galerie zögerte er plötzlich, bevor er sich mit einem nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht umwandte. »Ich habe noch eins. Hinten, sie hat es mir erst vor zwei Tagen gebracht. Ich hatte keinen Platz, um es aufzuhängen, habe es aber nicht über mich gebracht, es abzulehnen. Obwohl ich ihr schon gesagt hatte, dass ich erst wieder welche nehmen würde, wenn ich etwas verkauft habe.« »Das nehme ich auch mit«, erklärte Ash kurz angebunden. »Unbesehen?« Ash nickte. »Wenn sie es gemalt hat, will ich es haben. Ich will jedes ihrer Bilder, das Sie haben.« Die Miene des Mannes leuchtete auf. »Okay. Gut. Sie wird begeistert sein! Ich kann es kaum erwarten, ihr das zu erzählen.« Ash hob eine Hand. »Erzählen Sie ihr, was Sie wollen, aber verraten Sie ihr weder meinen Namen noch irgendwelche Informationen über mich. Ich will vollkommen anonym bleiben, sonst platzt unser Deal. Verstanden? Außerdem werde ich Ihnen meine Karte hierlassen. Wenn sie Ihnen wieder etwas bringt, rufen Sie mich an. Ich will alles, was sie Ihnen bringt. Ich bezahle Ihnen heute für jedes ihrer Bilder hier das Doppelte, und Sie sorgen dafür, dass sie ihren Anteil bekommt. Und falls Sie ihr etwas vorenthalten, werde ich das herausfinden, also denken Sie nicht einmal daran. Der Aufschlag gibt mir das Vorkaufsrecht für alles, was sie Ihnen bringt – und ich werde alles von ihr kaufen –, deshalb ist es in Ihrem eigenen Interesse, nichts von dem zurückzuweisen, was sie hierherschleppt.« »Na-natürlich«, stieß der Mann stammelnd hervor. »Ich werde alles so machen, wie Sie es wünschen. Sie wird nur erfahren, dass jemand Gefallen an ihren Arbeiten gefunden und alles gekauft hat, was hier war. Sie wird begeistert sein. Und dann werde ich ihr natürlich noch sagen, dass sie mir jederzeit alles bringen kann, was sie hat.« Ash nickte. »Schön. Dann haben wir einander verstanden.« »Vollkommen. Lassen Sie mich nur schnell das Bild von hinten holen. Möchten Sie die Werke gleich heute mitnehmen, oder soll ich sie Ihnen liefern?« »Ich nehme das eine da mit«, murmelte Ash und zeigte auf das Bild, das ihm als Erstes ins Auge gefallen war. »Die anderen können Sie mir in mein Apartment bringen lassen.« Der Mann nickte und eilte nach hinten, um gleich darauf mit einem ungerahmten Bild zu erscheinen, das in eine Schutzhülle gewickelt war. Kurz danach reichte Ash dem Händler seine Kreditkarte und sah zu, wie dieser die Posten addierte. Er wusste nichts über die Provisionskonditionen der Galerie, doch die Summe, die er letztendlich zahlte, würde zumindest kurzfristig Josies sämtliche Geldprobleme lösen. Und langfristig? Darüber machte Ash sich eigentlich wenig Gedanken, denn auch wenn Josie nichts von Ashs Absichten wusste – noch nicht –, hatte er durchaus vor, langfristig in nicht unerheblichem Maße Anteil an ihrem Leben zu nehmen. 3 Zehn Minuten nach acht trat Ash in den abgetrennten Raum, in dem Gabe und Jace bereits ihre Drinks genossen. Sie schauten auf, als er hereinkam, und Jace winkte zur Begrüßung. »Welches Gift wählst du heute Abend? Das übliche?«, fragte Jace, als Ash sich neben ihn setzte. Eine Frau mit einem aufreizenden Lächeln trat zu ihnen und legte einen Arm auf Gabes Schulter. »Echt schade, dass ihr nicht mehr auf dem Markt seid«, meinte sie kokett. Gabe warf demonstrativ einen Blick auf ihren Arm, sagte aber nichts. Sie ließ schnell von ihm ab und wandte sich an Ash. »Was kann ich dir bringen?« Er war nicht in der Stimmung für Alkohol, wollte seinen Freunden aber auch nicht den Abend verderben. Dies war in der Tat ihr letzter Abend als Junggesellen. Nun ja, Jace und er waren zwar nicht verheiratet, aber Jace würde es bald sein. Es war der letzte Abend, an dem sie alle drei noch Junggesellen waren, und er markierte das Ende von fast zwanzig Jahren, in denen sie mit dem Feuer gespielt und das Leben genossen hatten. Seine Freunde würden behaupten, dass sie gar nicht mehr mit dem Feuer spielen wollten. Er war sicher, dass die beiden genau das Richtige taten. Mia und Bethany waren keine Belastung für sie, und sie hatten eindeutig keine Bedenken, eine dauerhafte Beziehung einzugehen. »Scotch«, sagte Ash schließlich. »War das heute etwa eine schwere Geburt?«, fragte Jace gedehnt. Ash grinste, hatte aber das Gefühl, dass sein Gesicht dabei eher einer Grimasse ähnelte. Kurz darauf kam die Kellnerin mit Ashs Drink zurück, und er prostete seinen beiden Freunden damit zu. »Auf Gabe, der als Erster springt. Nun ja, als Erster und Zweiter«, korrigierte Ash sich, denn Gabe war schon einmal verheiratet gewesen. Er neigte dazu, das zu vergessen, und war sicher, dass Gabe das sogar lieb wäre. Die Ehe hatte nicht lange gehalten und kein schönes Ende genommen. Gabe verzog wie befürchtet das Gesicht, hob aber sein Glas. »Mia ist die Einzige, die zählt«, erklärte Gabe. Jace nickte. »Definitiv eine Verbesserung nach Lisa. Du hast das Richtige getan.« »Sagt der Bruder der Braut«, schnaubte Ash. Jace sah Ash fragend an. »Willst du damit etwa andeuten, dass Mia keine gute Wahl ist?« »Wer’s glaubt, wird selig! Gib Gabe ja keinen Grund, sich mit mir anzulegen. Ich will doch nicht, dass der Mann morgen an seinem großen Tag mit einem blauen Auge vor den Altar tritt.« Gabe schnaubte. »Wer sagt denn, dass ich derjenige mit dem blauen Auge sein werde? Ich werde den Boden mit dir wischen, wenn du nicht gleich den Mund hältst.« Ash verdrehte die Augen und ließ sich in dem bequemen Sessel nach hinten sinken. »Soso, darauf läuft es jetzt also hinaus: Dass wir in der Nacht vor der Hochzeit einfach nur wie alte Knacker herumsitzen?« »Tja, du hast ja keine Frau zu Hause, der du anschließend erklären musst, dass es ein bisschen wilder zugegangen ist«, meinte Jace trocken. »Mia und Bethany würden uns was erzählen, wenn wir heute Abend etwas veranstalten, das auch nur im Ansatz Ähnlichkeit mit einer richtigen Junggesellenabschiedsparty hätte. Also … stimmt. Wilder wird’s nicht. Sorry.« »Wir sind allmählich sowieso zu alt für diesen Blödsinn«, murmelte Gabe. »Mich zu verhalten wie ein Haufen unterbelichteter Jungspunde auf der Jagd nach dem ersten Rock entspricht nicht mehr meiner Vorstellung von einem unterhaltsamen Abend.« »Darauf trinke ich«, sagte Jace. »Tja, wenn du es so formulierst, muss ich dir zustimmen«, meinte Ash. »Verdammt, haben wir jemals so über die Stränge geschlagen?« Gabe lachte. »Wir waren ein bisschen anspruchsvoller, aber ja, doch … du kannst mir nicht erzählen, dass du dich nicht mehr an unsere Zeit auf dem College erinnern kannst. Viel Alkohol und Sex. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.« »Zumindest erinnere ich mich noch an alle Frauen, mit denen ich geschlafen habe«, meinte Jace. »Aber nur, weil du Ash hast, der deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen kann«, schoss Gabe zurück. »Ich mach es nicht im Team. Deshalb hab ich auch keinen, der mich an alle erinnern kann, denen ich es besorgt habe, weil ich es ihnen nicht zusammen mit meinen besten Freunden besorgt habe.« »Was für eine Vorstellung«, meinte Ash gedehnt. »Das ist vermutlich das Einzige, was wir nie gemacht haben. Ein Vierer.« Jace lachte. Sogar Gabe konnte ein leises Lachen nicht zurückhalten, während sie weiterblödelten. Mehrere Drinks später sah Gabe immer wieder auf seine Uhr, und das amüsierte Ash. Der Mann konnte es nicht erwarten, zu Mia nach Hause zu kommen. Gabe pfiff auf die Tradition, die Braut in der Nacht und am Tag vor der Hochzeit nicht zu sehen, und würde mit Mia heute Abend noch ins Bett gehen, am nächsten Tag gemeinsam mit ihr erwachen und wahrscheinlich dafür sorgen, dass sie sich bei ihrer eigenen Hochzeit verspätete, weil er die Hochzeitsnacht schon mal vorwegnahm. »Lass dich von uns nicht aufhalten«, meinte Ash trocken. Gabes Kopf schoss hoch, und er wirkte leicht schuldbewusst, während Jace lachte. »Wie lange werdet ihr flittern?«, fragte Jace. »Du hast dich dazu bisher nicht geäußert, und im Kalender steht auch nichts.« Gabe verzog das Gesicht. »Ich werde zwei Wochen lang nicht arbeiten. Ich nehme noch nicht einmal mein Handy oder meinen Laptop mit. Wenn die Firma also während meiner Abwesenheit vor die Hunde geht, wird mich das nicht gerade fröhlich stimmen.« »Du mich auch«, murmelte Ash. »Jace und ich machen doch eh die ganze Arbeit. Du lehnst dich nur zurück und kontrollierst uns fast schon zwanghaft.« »Ich bin überrascht, dass du nur zwei Wochen weg bist«, sagte Jace. »Ich dachte eigentlich, wir würden dich mindestens einen Monat lang nicht sehen.« »Ich bin durchaus in Versuchung. Aber zwei Wochen reichen jetzt erst einmal. Davon abgesehen möchte ich von jetzt an viel mehr Urlaub machen. Es gibt so viele Orte, die Mia sehen möchte, und ich werde das mit ihr in die Tat umsetzen.« »Das hast du dir verdient«, erklärte Ash plötzlich ernst. »Du hast dich fast totgearbeitet. Und eine gescheiterte Ehe hinter dir. Jetzt hast du eine nette Frau gefunden und mehr Geld, als du je ausgeben kannst. Es ist an der Zeit auszuziehen und die Früchte deiner Arbeit zu genießen. Achte darauf, dass du das mit Mia nicht vermasselst. Sie wird dich bis in alle Ewigkeit lieben, was mehr ist, als ich von deiner Schlampe von Ex behaupten kann.« »Verdirb uns nicht den Abend, indem wir über meine Ex reden«, knurrte Gabe. »Habt ihr schon Pläne, was eventuellen Nachwuchs betrifft?«, fragte Jace. »Hat sie dich mittlerweile rumgekriegt?« »Sie braucht mich nicht zu überreden«, erwiderte Gabe mit einem Achselzucken. »Ich werde nicht jünger. Meine einzige Sorge war, ob sie schon bereit für Kinder ist. Sie ist noch jung. Es liegen noch so viele Jahre vor ihr. Ich würde ja warten, wenn es sie glücklich macht, aber sie besteht darauf, eine große Familie zu haben. Und das eher jetzt als gleich.« »Mit anderen Worten: Du wirst alles tun, was in deiner Macht steht, um sie so bald wie möglich zu schwängern«, sagte Ash schleppend. Gabe prostete Ash zu, und Jace zuckte zusammen. Er schüttelte sich und nahm dann einen großen Schluck von seinem Drink. »Das reicht! Wir reden da über meine Schwester! Wenn ich nach Hause komme, muss ich mir erstmal die Augen ausspülen, um die Bilder zu vertreiben, die ihr mit eurem Gequatsche heraufbeschworen habt.« Gabe verdrehte die Augen, und Ash lachte leise. Doch dann wurde Gabe wieder ernst und sah Jace und Ash an. »Ich bin froh, dass ich euch zwei habe. Es bedeutet Mia sehr viel, dass ihr morgen dabei seid, aber mir bedeutet es noch mehr. Wir sind schon ziemlich viele Jahre befreundet. Bei niemandem sonst ist es mir wichtig, dass er bei meiner Hochzeit dabei ist. Es wäre mir sogar egal, wenn nur ihr und Mia da wäret. Und Bethany natürlich.« »Was für eine eloquente Ansprache«, erklärte Jace, dem die Belustigung deutlich anzuhören war. »Ich meine es ernst«, stellte Gabe schlicht fest. Ash streckte den Arm mit geballter Faust aus und stieß sie gegen Gabes Faust. »Alles Gute. Ich freue mich für dich. Pass auf Mia auf und mach dir keine Sorgen … Jace und ich werden dir immer den Rücken stärken.« Jace nickte. »Aber jetzt erzähl mal … was war denn vorhin mit dir los?«, fragte Gabe. Ash blinzelte verwirrt. Die Wendung des Gesprächs war ihm unangenehm, und er rutschte auf seinem Sessel herum, als auch Jace den Blick auf ihn richtete. »Nichts«, erwiderte er. »Hatte einfach nur wahnsinnig viel zu tun.« »Du sahst ziemlich geladen aus, als du aus deinem Büro geschossen kamst und mich fast über den Haufen gerannt hast«, ließ Gabe nicht locker. »Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte, ehe ich für zwei Wochen nicht erreichbar bin?« »Es hatte nichts mit der Firma zu tun«, erklärte Ash mit ruhiger Stimme. »Mehr brauchst du nicht zu wissen.« »Verdammt«, brummte Jace. »Geht es wieder um deine blöde Familie? Schleichen die immer noch um dich herum? Ich dachte, du hättest ihnen beim letzten Essen mit dem alten Herrn gesagt, sie sollen sich verpissen.« Ash schüttelte den Kopf. »Ich hab seit Wochen nicht mehr mit einem von ihnen geredet. Ich hab den alten Herrn besucht und eine gute Tat vollbracht, indem ich den pflichtbewussten Enkel gespielt habe. Dann habe ich meinen Eltern gesagt, dass sie sich verpissen sollen.« Gabe lachte leise. »Da hätte ich ja wirklich gern Mäuschen gespielt.« Jace wirkte immer noch sauer. Ash wusste es sehr zu schätzen, dass seine Freunde seinetwegen so verärgert waren, wenn seine Familie ihn mal wieder mit irgendwelchem Blödsinn nervte. Gabe und Jace hatten im Zusammenhang mit seiner Familie immer zu ihm gehalten, aber in letzter Zeit hatte er sie nicht mehr mit diesem Thema belästigen wollen. Er wollte nicht, dass Mia oder Bethany die gehässige Art seiner Familie kennenlernten. Denn gerade Bethany, die sehr verletzlich war, würde unter den ständigen giftigen Angriffen leiden. »Und du bist sicher, dass sie nicht irgendetwas aushecken?«, wollte Jace wissen. »Gabe wird zwar wegen der Flitterwochen nicht in der Stadt sein, aber Bethany und ich sind da. Du weißt, dass wir dir in jeder Situation beistehen.« »Ich bin schon erwachsen«, erwiderte Ash. »Ich werde auch allein mit Mami und Papi fertig. Aber ich weiß eure Sorge zu schätzen. Und, nein, sie hecken nichts aus. Sie sind im Moment verdächtig ruhig. Ich warte förmlich auf die nächste Hiobsbotschaft.« »Nun, wenn alles in Ordnung ist und ihr beiden nichts dagegen habt, die nächsten zwei Wochen das Schiff ohne mich zu steuern, mache ich mich jetzt auf den Weg nach Hause zu Mia. Je schneller diese Nacht vorüber ist, desto schneller wird sie meine Frau sein und desto eher können wir in die Flitterwochen aufbrechen«, erklärte Gabe. »Wo wir gerade von Schiffen reden, die gesteuert werden müssen«, meinte Ash, ehe sich alle erhoben, um ihrer Wege zu gehen. »Du hast uns nie verraten, warum wir Charles Willis als potenziellen Investor wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen haben. Nachdem er aus dem Spiel war und auch die anderen beiden Investoren weg waren, haben wir den Paris-Deal nur mit Mühe und Not unter Dach und Fach bringen können. Gibt es da etwas, was du uns verschwiegen hast?« Ein verschlossener Ausdruck legte sich auf Gabes Miene, und er presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Jace sah Gabe ebenfalls fragend an. Gabe hatte damals nur gesagt, dass Willis nicht mehr dabei wäre, und dann waren die beiden anderen Investoren auch noch ohne jegliche Erklärung abgesprungen. Dabei hatten sie es sich eigentlich nicht leisten können, speziell den einen – einen reichen Texaner – zu verlieren. Doch im Verlauf der schnell eingeleiteten, hektischen Suche nach anderen Investoren hatten weder Jace noch Ash Fragen gestellt. Sie hatten die Ärmel hochgekrempelt und alles getan, um wieder ins richtige Fahrwasser zu kommen. »Er war nicht der Richtige für den Job«, erklärte Gabe vieldeutig. »Das habe ich bei unserem Treffen in Paris gemerkt. Ich habe erkannt, dass ich nicht mit ihm zusammenarbeiten kann und dass auch die Höhe seines Gebots nichts daran ändern würde. Es war eine rein geschäftliche Entscheidung. Ich habe das getan, was für die Firma am besten war. Ich habe es allein entschieden. Ich weiß, dass ihr meine Partner seid, aber wir hatten keine Zeit, uns mit den Gründen auseinanderzusetzen. Wir mussten nach vorn sehen, um die Situation in den Griff zu bekommen und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.« Jace runzelte die Stirn. Er nahm Gabe die Erklärung nicht ab, das war deutlich zu erkennen. Auch Ash glaubte ihm kein Wort, aber Gabes Miene war unnachgiebig. Seine Aussage, es sei eine rein geschäftliche Entscheidung gewesen, war Blödsinn. Es war dabei um etwas Persönliches gegangen. Ash hatte keine Ahnung, was in Paris vorgefallen war. Doch was immer es auch gewesen sein mochte, es hatte Gabe unwiderruflich gegen Charles Willis eingestellt. Der Mann war wie vom Erdboden verschluckt, seit er nicht mehr an den Projekten von HCM beteiligt war. Ash zuckte die Achseln. Ihm war nur wichtig, dass sie das Chaos hinterher wieder in den Griff bekommen hatten. Er würde nicht weiter bohren, was genau Gabe an der Sache so gegen den Strich gegangen war. Das lag jetzt hinter ihnen. Ende gut, alles gut. »Wenn wir alles besprochen haben, würde ich jetzt wirklich gern nach Hause zu meiner zukünftigen Frau fahren«, knurrte Gabe. Er stand auf, und Jace tat es ihm sofort gleich. Himmel, sie wurden wirklich alt. Es war noch nicht einmal zehn, und sie bauten schon die Zelte ab und schleppten sich nach Hause. Andererseits hatten sie Frauen, die zu Hause auf sie warteten. An ihrer Stelle wäre Ash auch nicht erpicht darauf, sich den Abend mit Freunden um die Ohren zu schlagen. Er ging mit ihnen nach draußen und sah zu, wie Gabe in seinen Wagen stieg. Jace drehte sich zu Ash um. »Soll ich dich zu Hause absetzen, oder wartet dein Fahrer nur auf deinen Anruf?« Ash zögerte. Er war nicht in der Stimmung, sich während der Fahrt zu unterhalten, und Gabes Fragen hatten sicher Jace’ Neugier geweckt. Doch wenn er das Angebot jetzt ablehnte, würde Jace noch fester davon überzeugt sein, dass ihm irgendetwas zu schaffen machte. Es war vermutlich besser, das Angebot anzunehmen und die Fahrt klaglos über sich ergehen zu lassen. »Wie geht es Bethany?«, fragte Ash, nachdem sie eingestiegen waren. Er ging davon aus, dass Jace sich nicht weiter in seine Angelegenheiten mischen würde, wenn er ihn dazu brachte, über Bethany zu reden. Jace’ Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Es geht ihr gut. Sie ist aufgeregt wegen der Schule.« »Was gibt es Neues von Kingston? Ist er immer noch so ein Blödmann?« Jack Kingston war Bethanys Pflegebruder. Und er war derjenige, der ziemlich kurz davor gestanden hatte, Bethany umzubringen. Zurzeit machte er eine Entziehungskur. Ash persönlich war der Meinung, dass Jace viel zu sanft mit dem Mann umgesprungen war. Er an seiner Stelle hätte ihn windelweich geprügelt und ihn an die Wand genagelt. Doch Jace hatte im Bemühen, Bethany nicht noch mehr Kummer zu bereiten, als sie sowieso schon hatte, Jack dabei geholfen, vor Gericht einen Deal auszuhandeln: Er ließ sich in eine Entzugsklinik einweisen, und im Gegenzug wurde die Strafe ausgesetzt. »Wir haben lange nichts von ihm gehört, und das ist mir nur recht«, erwiderte Jace. Ash sah ihn nachdenklich an. »Ist es denn auch Bethany recht?« Jace seufzte. »Sie hat gute und schlechte Tage. Wenn es mir gelingt, ihre Gedanken nur um mich und unsere Beziehung kreisen zu lassen, läuft alles gut. Wenn sie Zeit hat nachzudenken, fängt sie an, sich Sorgen zu machen. Sie weiß, dass er Mist gebaut hat, und ist noch nicht darüber hinweg. Ich bezweifle, dass sie das je sein wird. Denn sie liebt ihn immer noch, und allein der Gedanke an das, was er getan hat, macht sie krank.« »Das ist echt ätzend«, murmelte Ash. »Ja.« Sie hielten vor Ashs Apartmenthaus an, und Ash war erleichtert, dass Jace keine Zeit gehabt hatte, ihn mit Fragen zu löchern. Denn das hätte er mit Sicherheit getan, genau wie er selbst, wenn er gespürt hätte, dass bei Jace irgendetwas nicht stimmte. Aber nur, weil er wusste, dass er das Gleiche getan hätte, würde er sich nicht freiwillig von Jace ausfragen lassen. Was ihn zu einem waschechten Heuchler machte? »Dann sehen wir uns morgen, oder?«, fragte Jace, als Ash aus dem Wagen aussteigen wollte. »Klar, das lasse ich mir nicht entgehen. Führst du Mia zum Altar?« Jace’ Miene wurde weich. »Ja.« »Hätten wir das nicht eigentlich proben müssen oder so?«, fragte Ash. Seine Erfahrung mit Hochzeiten beschränkte sich zugegebenermaßen auf Gabes erste Eheschließung, aber bei einer so großen Feier, wie Mia und Gabe sie planten, war eine Probe doch bestimmt üblich. Jace lachte. »Klar doch. Gestern Abend. Aber du hast dich ja nicht blicken lassen. Nicht dass du irgendwie groß was tun musst, du sollst ja nur neben Gabe stehen. Aber Mia wird dich richtig herunterputzen, weil du dich gedrückt hast. Ich hab dir Deckung gegeben und ihr erzählt, dass du unheimlich viel zu tun hättest und im Büro geblieben wärest, damit Gabe zur Probe kann. Das hat sie ein bisschen beruhigt.« »Himmel«, stöhnte Ash. »Ich komme mir vor wie ein Idiot. Ich schwöre dir, ich habe es völlig vergessen! Ich hätte sogar vergessen, dass die Hochzeit schon morgen ist, wenn ich Gabe nicht vorhin im Büro gesehen hätte.« »Du warst in letzter Zeit wenig da«, meinte Jace, und in seiner Stimme schwang Neugier mit. »Ist bei dir alles in Ordnung? In der Firma läuft es im Moment meines Wissens ja nicht schlecht, es sei denn, du verschweigst mir da was. Aber eigentlich ist doch alles ziemlich ruhig, seit Gabe sich so bemüht hat, vor seinen Flitterwochen noch alles zu erledigen.« »Ich war einfach ein bisschen beschäftigt. Keine große Sache.« Jace beugte sich vor, ehe Ash die Tür schließen konnte. »Hör mal … ich weiß, dass es früher … anders war. Vor Bethany und mir. Das ist mir klar. Aber ich will nicht, dass sich etwas ändert. Du gehörst zur Familie.« »Die Dinge haben sich nun einmal geändert«, sagte Ash leise. »Da kann man nichts machen. Ich komm damit klar. Sieh keine Probleme, wo keine sind, Jace. Sei glücklich und mach Bethany glücklich.« »Also alles okay?«, fragte Jace. »Du warst in letzter Zeit häufig weg. Und das ist nicht nur mir aufgefallen.« Ash zwang sich zu einem Lächeln. »Klar, Mann, alles okay. Hör auf, dich wie ein Kindermädchen aufzuführen. Fahr nach Hause zu deiner Frau. Wir sehen uns morgen im Smoking. Diesen Mist mache ich nur wegen Mia mit.« Jace lachte. »Ja, das kannst du laut sagen. Bethany und ich werden einfach durchbrennen.« »Habt ihr schon einen Termin festgelegt?« Jace und Bethany hatten sich zwar an Bethanys vierundzwanzigstem Geburtstag miteinander verlobt, aber noch keinen Termin für die Hochzeit bestimmt. Zumindest, soweit er wusste. »Noch nicht«, sagte Jace. »Ich wollte warten, bis die Sache mit Jack durch ist. Ich will nicht, dass das über ihr schwebt, wenn wir heiraten. Wenn er den Entzug hinter sich und alles geregelt hat, will ich irgendwo an einen Strand fahren und heiraten.« »Klingt großartig. Dann also bis morgen.« Ash schloss die Tür und klopfte kurz aufs Wagendach, als Zeichen für den Fahrer, dass er losfahren konnte. Dann drehte er sich um und ging auf das Gebäude zu, in dem er wohnte. In seiner Wohnung ging er sofort ins Schlafzimmer, wo sein Blick auf das eingepackte Bild fiel, das der Galeriebesitzer aus einem der hinteren Räume geholt hatte. Das Bild, das noch nicht ausgestellt worden war. Die anderen Bilder hatte er im Wohnzimmer an die Wand gelehnt. Nur dieses eine hatte er ins Schlafzimmer gebracht, um es sich nach seiner Rückkehr anzuschauen. Jetzt platzte er fast vor Neugier. Vorsichtig löste er die Verpackung und drehte das Bild um. »Heiliger Bimbam!«, sagte er leise. Es war … atemberaubend. Provozierend und absolut sexy. Auf dem Bild war sie. Oder eher ihr Tattoo beziehungsweise das, was er für ihr Tattoo hielt. Er hatte zwar nur einen kurzen Blick darauf erhaschen können, als ein schmaler Streifen Haut mit einer Art Blumenranke an ihrer Taille sichtbar gewesen war. Das Bild zeigte eine nackte Frau im Profil. Man sah die eine Hüfte und die Arme, die ihren Busen bedeckten, von dem unter dem Oberarm andeutungsweise eine verführerische, weiche Rundung hervorschaute. Das bunte Blumentattoo zog sich über die gesamte Seite des Körpers und verschwand zwischen den Beinen. Das Tattoo musste auch an der Innenseite ihres Schenkels entlanglaufen, und jetzt wollte er unbedingt wissen, ob das Bild eine exakte Kopie ihres Tattoos war. Des Tattoos, das er bei ihr gesehen hatte. Himmel, er musste es wissen. Er musste die Zeichnung auf ihrer Haut unbedingt mit Fingern und Zunge erkunden. Er starrte das Bild an und nahm jedes Detail in sich auf. Wie dumm von dem Galeriebesitzer, dieses Bild nicht auszustellen! Ob er es sich überhaupt angeschaut hatte? Es war höchst erotisch und trotzdem geschmackvoll. Das lange, blonde Haar floss über ihren Rücken, die Spitzen standen leicht ab, als würden sie von einer sanften Brise umweht. Die Arme hatte sie um den Leib geschlungen, sie bedeckten ihren Busen, die Finger ruhten auf dem Oberarm. Köstlich. Äußerst weiblich. Und so wunderschön, dass seine Lenden anfingen zu schmerzen. Heiliger Himmel, er war also tatsächlich von einer Frau besessen, die er erst ein Mal in Fleisch und Blut gesehen hatte. Und dieses Bild konnte ihm da auch nicht helfen. Morgen würde er es rahmen lassen und über seinem Bett aufhängen, sodass er es jedes Mal beim Betreten des Schlafzimmers sofort sah. Oder, noch besser, er hängte es an die Wand gegenüber vom Bett, sodass es das Erste war, das er morgens sah, wenn er aufwachte, und das Letzte, wenn er sich abends schlafen legte. Nun, das war schon keine Besessenheit mehr. Er war dieser Frau vollkommen verfallen. Er musste die Situation in den Griff bekommen. Johnny würde ihren Schmuck übermorgen ins Büro bringen, morgen war die Firma wegen Gabes Hochzeit geschlossen. Dann musste Ash sich überlegen, wie er ihr den Schmuck wieder zukommen lassen konnte. Er konnte ihn ihr natürlich einfach zuschicken, aber dabei würde er ihr nicht begegnen. Und er hatte auf jeden Fall vor, sie wiederzusehen. Bald. 4 Ash saß am Tag nach Gabes Hochzeit in seinem Büro und sah sich die kleine Schachtel mit dem Schmuck an, den Josie versetzt hatte. Er untersuchte alle Stücke genau, ehe er sie wieder in Stoff wickelte, damit sie nicht beschädigt wurden. Es handelte sich um hochwertigen Schmuck. Er war zwar kein Fachmann, aber die Stücke wirkten erlesen und echt. Es war eindeutig kein Modeschmuck. Und die Stücke waren weit mehr wert, als Josie dafür bekommen hatte. Der Pfandleiher hatte das gewusst, wenn man bedachte, wie viel Ash hatte bezahlen müssen, um ihn auszulösen. Das Maß an Verzweiflung, das sie vermutlich zu diesem Schritt getrieben hatte, gefiel ihm nicht. Sie hatte diesen Schmuck versetzt, um schnell an Geld zu kommen, und hatte viel weniger dafür bekommen, als er wert war, weil sie keine andere Wahl gehabt hatte. Er würde ihr diese Wahlmöglichkeit zurückgeben. Aber was andere Entscheidungsmöglichkeiten betraf … die würden eher begrenzt sein, wenn er ein Wörtchen mitzureden hatte. Das mochte vielleicht arrogant und fordernd klingen, aber er wusste selbst, dass er beides war, und deshalb störte es ihn nicht. Er war nun einmal der, der er war. Er wusste, was er wollte, und er wollte Josie. Jetzt musste er den Stein nur noch ins Rollen bringen. Die Gegensprechanlage summte, und er hob verärgert den Kopf. »Mr McIntyre, Ihre Schwester ist hier und möchte Sie sprechen«, teilte Eleanor, die Empfangsdame, spröde mit. Sie klang genervt. Das war nicht verwunderlich, denn es war kein Geheimnis, wie Ash zu seiner Familie stand, ebenso wie Gabe und Jace. Eleanor war schon seit Jahren bei ihnen, und es hatte ihr wahrscheinlich nicht gefallen, diese Information über die Gegensprechanlage an ihn weitergeben zu müssen. Was zum Teufel wollte Brittany hier? Hatte seine Mutter beschlossen, seine Schwester die Drecksarbeit für sich erledigen zu lassen? Er spürte, wie sein Blutdruck in die Höhe schoss, und wusste gleichzeitig, dass er seiner Familie eigentlich nicht erlauben sollte, so viel Macht über ihn zu haben. »Schicken Sie sie rein«, sagte Ash grimmig. Er würde Familienangelegenheiten auf jeden Fall nur in seinem Büro erörtern, wo er ungestört war. Er würde Brittany die paar Minuten geben, zu sagen, was sie wollte. Aber dann würde er sie wissen lassen, dass sie in seinem Büro nicht willkommen war. Kein Mitglied seiner Familie war bei ihm willkommen, was sie wohl mittlerweile verstanden hatten, hatte doch keiner von ihnen je die Geschäftsräume von HCM betreten. Sie sparten sich ihre gehässigen Bemerkungen für Feiertage und Familientreffen auf. Wenn sie einen Fuß in die Firma setzten, würden sie seinen Erfolg zur Kenntnis nehmen müssen und könnten das Ganze nicht mehr wie ein schmutziges, kleines Geheimnis behandeln, über das niemand sprach. Sie müssten erkennen, dass er sie nicht brauchte und dass er die Erfolgsleiter ohne ihre Hilfe oder ihren Einfluss erklommen hatte. Nichts von alledem würden sie je tun. Es klopfte leise an seiner Tür und er rief: »Herein.« Die Tür ging langsam auf, und seine Schwester trat ein. Ihre gesamte Gestalt strahlte Angst aus, sie wirkte nicht etwa nervös, sondern schien vielmehr erstarrt vor Entsetzen. »Ash?«, fragte sie leise. »Kann ich eine Minute mit dir reden?« Brittany war eine Kopie seiner Mutter. Seine Mutter war durchaus eine schöne Frau. Zweifelsohne. Und Brittany war genauso schön, wenn nicht sogar noch schöner als ihre Mutter. Das Problem war nur, dass seine Mutter im Inneren hässlich war, und das trübte seine Wahrnehmung ihres Äußeren. Er wusste, wie es hinter dem hübschen Gesicht aussah, dort befand sich ein kalter, berechnender Kopf. Er war fest davon überzeugt, dass sie unfähig war, jemand anderen als sich selbst zu lieben. Es war ihm ein Rätsel, warum sie je Kinder in die Welt gesetzt hatte. Und dann nicht nur eins, sondern gleich vier. Neben Brittany hatte Ash noch zwei ältere Geschwister, zwei Brüder, die vollständig unter der Fuchtel ihrer Mutter und ihres Vaters standen. Brittany war zwar jünger, näherte sich aber auch schon den dreißig. Oder war sie vielleicht schon dreißig geworden? Er konnte sich nicht erinnern, verspürte darüber aber auch nicht den Hauch von Trauer. Sie stand genauso sehr unter dem Pantoffel der Familie wie ihre Brüder. Vielleicht sogar noch mehr. Ihre Mutter hatte den Ehemann für Brittany ausgesucht. Ihre Wahl war auf einen älteren Mann gefallen, mit dem Brittany verheiratet worden war, kaum dass sie das College verlassen hatte. Ein reicher Mann. Mit Einfluss. Und den richtigen Verbindungen. Die Ehe hatte nicht einmal zwei Jahre gehalten, und Ashs Mutter gab Brittany die Schuld an deren Scheitern, ohne zu berücksichtigen, dass Ash bei seinen Nachforschungen vorab eine Menge Leichen im Keller von Robert Hanover gefunden hatte. Er war nicht der Typ Mann, mit dem er seine Schwester – oder irgendeine andere Frau – verheiratet sehen wollte. Aber Brittany hatte sich widerstandslos den Wünschen ihrer Mutter gefügt, obwohl Ash sie gewarnt hatte, dass Robert nicht der Mann war, der zu sein er vorgab. Zumindest hatte sie den Mut gehabt, aus der Ehe auszubrechen. Das hatte ihn überrascht. »Was ist los?«, fragte Ash ruhig. Er bedeutete ihr, sich in den Sessel zu setzen, der vor seinem Tisch stand. Sie ließ sich darauf nieder, hockte aber nur vorsichtig auf der Kante. »Ich brauche deine Hilfe«, hauchte sie. Er sah sie fragend an. »Was ist passiert? Hast du dich mit unserer herzallerliebsten Mutter gestritten?« Zorn flammte in Brittanys Augen auf, als sie Ashs Blick erwiderte. »Lass das bitte, Ash. Ich weiß, dass ich deinen Spott und Hohn verdient habe. Ich habe vieles verdient. Aber ich will da raus. Und ich brauche deine Hilfe, um das zu schaffen. Ich schäme mich, dass ich zu dir kommen und um Hilfe bitten muss, aber ich weiß nicht, wo ich sonst hingehen soll oder an wen ich mich wenden könnte. Wenn ich zu Großvater gehe, würde er es Mom sofort erzählen und mir wahrscheinlich ohnehin nicht helfen. Du bist sein Liebling. Uns andere kann er nicht ausstehen.« Ihre Ernsthaftigkeit – und Dringlichkeit – überraschten ihn. Er beugte sich vor und sah sie an. »Du willst raus. Was heißt das genau, Brittany?« »Ich will weg von ihnen«, erklärte sie mit zittriger Stimme. »Von allen.« »Was zum Teufel haben sie dir getan?«, wollte Ash wissen. Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich meine … nicht mehr als sonst auch. Du weißt, wie sie sind, Ash. Ich habe dich immer so sehr beneidet. Du hast ihnen gesagt, dass sie dir egal sind, und bist deinen Weg gegangen. Ich dagegen habe nur einen Mann geheiratet, den meine Mutter für mich ausgesucht hat, und habe versucht, das Beste daraus zu machen. Ich habe kläglich versagt. Bei der Scheidung bin ich vollkommen leer ausgegangen, aber das hat mich nicht gestört. Ich wollte nur weg. Aber ohne die Unterstützung von Mom und Dad habe ich nichts. Und ihre Hilfe ist an Bedingungen geknüpft. Ich bin dreißig Jahre alt, aber was habe ich vorzuweisen? Kein Leben, kein Geld. Nichts.« Die Trostlosigkeit, die in ihrer Stimme mitschwang, traf Ash tief. Er wusste genau, was sie meinte. Er hätte leicht in der gleichen Situation stecken können, so wie auch seine Brüder. Brittanys dunkler Blick und der vollkommen mutlose Ausdruck in ihrem Gesicht gefielen ihm nicht. Sie war zweifelsohne ein Biest gewesen, das ihre Mutter nachahmte, aber selbst das hätte er dem geprügelten Wesen vorgezogen, das jetzt vor ihm saß. »Was hast du vor?«, fragte er ruhig. »Ist es nicht erbärmlich, dass ich das nicht weiß? Ich weiß noch nicht einmal, wo ich anfangen soll. Ich bin zu dir gekommen, weil ich sonst niemanden kenne. Meine Freunde sind keine Freunde, wenn es hart auf hart kommt. Sie sind nur zu gern bereit, mir zu helfen, wenn alles gut ist, aber echte Hilfe kann ich nicht von ihnen erwarten.« »Ich werde dir helfen«, erklärte er ruhig. »Jace besitzt eine Wohnung, in der Mia mal gewohnt hat; zuletzt wurde sie von seiner Verlobten genutzt, aber im Moment steht sie leer. Ich kann sie ihm wahrscheinlich abkaufen oder sie zumindest nutzen, bis wir dich irgendwo anders untergebracht haben.« Sie starrte ihn mit großen Augen an. »Hast du einen Job?«, fragte er. Sie errötete und senkte den Blick. »Ich kritisiere dich nicht, Brittany«, sagte er sanft. »Ich frage nur, um herauszufinden, wo du Hilfe brauchst.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe einfach nur mit Mom und Dad zusammengelebt. Ich habe ja nichts dagegen zu arbeiten, aber was kann ich denn schon?« »Du kannst vieles«, sagte Ash. »Du bist intelligent. Du hast einen Abschluss. Du hast nur Angst, dich ins wahre Leben zu stürzen.« Sie nickte langsam. »Ich kann dir eine Stelle in einem der Hotels besorgen. Aber eines musst du wissen, Brittany: Das ist dann ein richtiger Job mit richtiger Verantwortung. Ich kann dafür sorgen, dass man dich einstellt, aber wenn du den Job nicht gut machst, wirst du ihn wieder verlieren. Verstanden?« »Ja, ich habe verstanden. Danke, Ash. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wir – ich – war widerlich zu dir.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie sah Ash ernst an. »Sie hassen dich, weil sie dich nicht lenken können. Und ich habe mich von ihnen lenken lassen. Wenn ich das jetzt nicht mehr zulasse, werden sie mich auch hassen.« Ash streckte den Arm aus und griff nach ihrer Hand, um sie beruhigend zu drücken. »Du brauchst sie nicht, Brittany. Du bist jung und intelligent. Du kannst es alleine schaffen. Du brauchst dabei nur ein bisschen Unterstützung. Aber sei gewappnet. Du wirst stark sein müssen. Unsere Mutter ist ein Biest, und sie wird nicht zögern, alle Waffen in ihrem Arsenal gegen dich einzusetzen, sobald sie merkt, was du vorhast.« »Danke«, wisperte sie. »Ich werde es dir irgendwie zurückgeben, Ash. Das schwöre ich.« Er drückte wieder ihre Hand. »Am meisten würde ich mir wünschen, dass du dein eigenes Leben lebst und dich nicht wieder von ihnen unterkriegen lässt. Ich werde dir dabei helfen. Ich werde tun, was ich kann, um dich gegen diesen Mist abzuschirmen. Aber es wird auch dir eine Menge Kraft abverlangen. Ich möchte gerne, dass wir füreinander wieder eine Familie sein können.« Sie schloss beide Hände um seine, und ihre Augen glänzten, als sie seinen Blick erwiderte. »Das würde ich auch gern, Ash.« »Ich rufe jetzt gleich Jace an, um herauszufinden, was er mit der Wohnung vorhat. Wenn wir dich dort nicht unterbringen können, müssen wir uns nach etwas anderem umschauen. Soll ich dich begleiten, wenn du deine Sachen bei Mom und Dad abholst?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe schon alles gepackt. Meine Klamotten und Kleinkram. Sonst gibt es nichts zu packen. Ich habe alles mitgebracht. Meine Koffer stehen vorne im Empfangsbereich. Ich bin mit einem Taxi hergekommen. Ich habe allerdings keine Ahnung, was ich getan hätte, wenn du dich geweigert hättest, mich zu sehen.« »Okay, ich rufe jetzt Jace an, und dann holen wir dein Gepäck. Heute Nacht kommst du in einem unserer Hotels unter. Die Vorräte in der Wohnung müssen sicher aufgefüllt werden, ich kümmere mich heute darum. Außerdem werde ich ein Konto mit ausreichend Geld für dich einrichten, damit du bis zum ersten Gehaltsscheck über die Runden kommst. Nimm dir ein paar Tage Zeit, um dich einzuleben, und dann sprechen wir noch mal über den Job. Bis dahin habe ich etwas für dich arrangiert.« Sie stand auf und rannte plötzlich um den Schreibtisch herum und warf sich in seine Arme. Er fing sie auf und hielt sie fest, als er sich erhob und die Umarmung erwiderte. »Du bist der Allerbeste, Ash. Himmel, ich habe dich so sehr vermisst. Es tut mir leid, wie ich dich behandelt habe. Es wäre dir nicht zu verdenken, wenn du mich einfach rausgeworfen und mich nie wieder hättest sehen wollen. Ich werde dir nie vergessen, dass du das für mich tust. Niemals.« Die Inbrunst, mit der sie sprach, ließ Ash lächeln, während er geduldig darauf wartete, dass sie sich aus der Umarmung löste. Wer hätte schon ahnen können, dass heute seine Schwester zu einer Art Familientreffen hereinschneien würde? Gabe und Jace würden ihm kein Wort glauben. Allerdings würde es noch zwei Wochen dauern, bis Gabe überhaupt davon erfuhr. Jace hielt ihn bestimmt für verrückt, dass er seiner Schwester half. Aber Ash konnte ihr einfach nicht die kalte Schulter zeigen. Auch wenn es genau das war, was seine Familie mit ihm gemacht hatte. Trotzdem war Brittany immer noch seine kleine Schwester, und vielleicht begann ja für sie beide jetzt ein neues Kapitel. Ash war die Kluft zuwider, die zwischen ihm und seiner Familie bestand. Aber man hatte ihm keine andere Wahl gelassen. Er wollte das, was für jeden anderen selbstverständlich war. Einen festen Familienzusammenhalt, Menschen, die ihm den Rücken stärkten, Menschen, die ihn bedingungslos liebten und unterstützten. Genau das verband ihn mit Gabe und Jace und jetzt auch mit Mia und Bethany. Aber zu seinen Verwandten hatte er diese enge Beziehung nie gehabt. Vielleicht würde sich das mit Brittany jetzt ändern. Auch wenn sie nie eine große, glückliche Familie sein würden, konnten er und seine Schwester doch zumindest eine Geschwisterbeziehung haben. »Ich lasse dich von meinem Fahrer zum Hotel bringen. Ich werde Eleanor bitten, ihn hochzurufen, damit er deine Sachen runterträgt. Außerdem wird sie im Hotel anrufen, um dafür zu sorgen, dass ein Zimmer für dich vorbereitet ist, wenn du dort ankommst. Dann wirst du noch zur Bank müssen, um ein Konto zu eröffnen. Ich werde Eleanor sagen, dass sie dir auch dabei behilflich sein soll. Aber geh erst einmal alles ganz ruhig an. Versuch dich auszuruhen, dann bringen wir dich morgen in einer Wohnung unter.« Er lächelte nachsichtig, als sie ihn wieder umarmte. Hastig wischte sie sich eine Träne aus dem Auge. »Das bedeutet mir viel, Ash. Es bedeutet alles für mich. Und ich schwöre dir, dass ich mich dafür bei dir revanchieren werde.« »Sei einfach glücklich und lass dich nicht wieder von ihnen fertigmachen«, erwiderte Ash ernst. »Mutter wird dich nicht so einfach ziehen lassen, Brittany. Davon kannst du ausgehen und darauf musst du vorbereitet sein. Wenn sie Mist macht, kommst du zu mir. Ich regele das dann.« Brittany lächelte matt und setzte sich dann in Richtung Tür in Bewegung. Beim Griff nach der Türklinke zögerte sie. »Ich habe dich immer bewundert, Ash. Und wenn ich ehrlich bin, war ich immer eifersüchtig auf dich. Aber du bist nicht so, wie sie sagen. Ich hasse sie für das, was sie dir angetan haben. Mir angetan haben. Und ich hasse mich selber dafür, dass ich es zugelassen habe.« »Sie sind deinen Hass nicht wert«, erwiderte Ash ruhig. »Gib ihnen nicht diese Macht über dich. Ich will nicht behaupten, dass es leicht wird. Aber du darfst dich von ihnen nicht herumschubsen lassen.« Sie nickte und lächelte dann schwach. »Dann bis bald. Das meine ich wirklich. Ich würde gern mehr Zeit mit dir verbringen. Vielleicht zum Abendessen. Oder ich könnte in der Wohnung etwas nur für uns beide kochen.« »Ich würde auch gern mehr Zeit mit dir verbringen«, erwiderte er ernst. »Pass auf dich auf, Brittany. Und ruf mich an, wenn du irgendetwas brauchst.« Sobald sie das Büro verlassen hatte, informierte er Eleanor über die Gegensprechanlage über die Dinge, die zu erledigen waren. Er wies sie an, Brittany bei der Eröffnung eines Kontos behilflich zu sein und die Kontodaten dann umgehend an ihn weiterzuleiten, damit er Geld überweisen konnte. Was für ein Tag. Brittany hatte also doch ein Rückgrat. Es hatte lange genug gedauert, bis sie sich dessen bewusst geworden war, aber besser spät als nie. Ihre beiden älteren Brüder hatten nie den Mut oder den Wunsch gehabt, gegen ihre Eltern und den alten Herrn aufzubegehren. Ash wusste nichts mit ihnen anzufangen. Beide waren über vierzig und nicht in der Lage, sich selbst oder ihre eigene Familie zu ernähren. Verdammt noch mal … Ash hatte Neffen und Nichten, die er so gut wie nie getroffen hatte. Er wusste nichts über seine Schwägerinnen, außer dass sie mit Schwächlingen verheiratet waren, die immer noch unter der Fuchtel ihrer Eltern standen. Er selbst war nicht so. Er würde auch nie so sein. Und wenn er dabei ein Wörtchen mitzureden hatte, dann galt das ab jetzt auch für Brittany. Es blieb abzuwarten, ob sie wirklich die innere Stärke besaß, einen sauberen Schnitt zu machen und sich der Kontrolle ihrer Eltern zu entziehen. Er war gerne bereit, ihr zu helfen, wenn das tatsächlich ihr Ziel war. Sie war jung und schön. Und zudem intelligent, auch wenn sie ein paar riesengroße Fehler gemacht hatte. Sie hatte mehr als genug Zeit, diese Fehler zu korrigieren und ihr Leben in die richtige Spur zu bringen. Jeder machte Fehler, und jeder verdiente die Chance, sie wiedergutzumachen. Er hoffte nur inständig, dass Brittany das jetzt auch wirklich tat und dass sie damit Erfolg haben würde. Er öffnete die Schublade, um die Schachtel mit dem Schmuck zu betrachten, die er schnell darin verstaut hatte, als Eleanor ihn über Brittanys Besuch informiert hatte. Er strich mit einem Finger über die Kanten und betrachtete die kleine Kiste nachdenklich. Die Sache mit Brittany hatte er geregelt, jetzt war es an der Zeit, sich wieder seiner Hauptbeschäftigung zuzuwenden. Josie. 5 »Was meinen Sie mit ›Er ist verkauft‹?«, fragte Josie. Sie hörte selbst, wie schrill ihre Stimme klang, und starrte den Pfandleiher an, dem sie vor ein paar Tagen den Schmuck ihrer Mutter gebracht hatte … Ruhig erwiderte er ihren Blick. »Ich meine damit, dass ich den Schmuck verkauft habe. Einem Kunden gefielen die Sachen.« Aufgeregt rang Josie die Hände. »Können Sie mir seine Adresse nennen? Seinen Namen? Seine Telefonnummer? Irgendwas? Ich möchte den Schmuck zurückkaufen.« »Sie hatten doch die Möglichkeit, ihn nur zu beleihen, Miss Carlysle«, sagte der Mann geduldig. »Ich habe Sie noch ausdrücklich gefragt, ob Sie ihn nur beleihen wollen, um später die Möglichkeit zu haben, ihn wieder auslösen zu können.« »Aber die Summe, die ich dann bekommen hätte, wäre viel zu klein gewesen«, widersprach sie. »Ich brauchte das Geld. Ich konnte nicht warten. Aber jetzt hat sich die Situation geändert. Ich habe das Geld, und ich muss den Schmuck meiner Mutter zurückbekommen! Es ist das Einzige, was sie mir hinterlassen hat. Er gehörte meiner Großmutter. Gütiger Himmel, ich kann einfach nicht fassen, dass Sie ihn so schnell verkauft haben.« Der Mann bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick, sagte jedoch nichts. Vielleicht glaubte er, es mit einer Verrückten zu tun zu haben, das hätte Josie nicht gewundert. »Können Sie mir Informationen zu der Person geben, an die Sie den Schmuck verkauft haben?«, fragte Josie noch einmal verzweifelt. »Ihnen ist sicher bekannt, dass ich das nicht kann«, erwiderte der Mann. Aufgeregt fuhr sie sich mit einer Hand übers Gesicht. Wenn sie damals doch nur einen Tag länger mit ihrem Gang zum Pfandleihhaus gewartet hätte! Aber wie hätte sie ahnen können, dass jemand in die Kunstgalerie spazieren und sich in ihre Arbeiten verlieben würde … in alle ihre Arbeiten … um dem Händler dann mehr zu bezahlen, als er dafür verlangt hatte? Das war doch einfach verrückt. Natürlich war sie außerordentlich glücklich darüber. Aber hätte sie nur einen Tag länger gewartet, wäre sie nicht zum Pfandleihhaus gegangen … wo sie nun schon wieder händeringend stand, um den Schmuck zurückzubekommen. »Würden Sie sich dann wenigstens mit dem Käufer in Verbindung setzen und ihm meine Telefonnummer geben? Sie können ihn doch bitten, mich anzurufen. Sagen Sie ihm, dass ich ihm das Doppelte von dem gebe, was er dafür bezahlt hat. Ich muss den Schmuck einfach wiederhaben.« Seufzend schob er ihr einen Zettel und einen Stift über den Verkaufstisch. »Ich kann nichts versprechen, aber schreiben Sie trotzdem alles auf, ich werde es weiterleiten. So etwas mache ich normalerweise nicht. Sobald etwas verkauft ist, habe ich nichts mehr damit zu tun. Genau wie Sie alle Ansprüche abgetreten haben, als Sie mir den Schmuck verkauft haben.« »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Josie, während sie schnell ihren Namen und ihre Telefonnummer auf dem Zettel notierte. »Ich behaupte ja nicht, dass es Ihre Schuld ist oder dass Sie irgendetwas falsch gemacht haben. Ich werfe mir selbst vor, so überstürzt gehandelt zu haben. Aber ich fände es wirklich schön, wenn Sie diesen Menschen anrufen und ihm mitteilen könnten, dass ich den Schmuck unbedingt wiederhaben möchte.« Er zuckte die Achseln, als sie ihm den Zettel zurückschob. »Ich werde tun, was ich kann.« »Danke«, flüsterte sie. Betrübt drehte sie sich um und verließ das Pfandleihhaus. Eigentlich hätte sie beschwingt sein müssen, schließlich waren ihre Bilder verkauft worden – alle! Und Mr Downing hatte sie gebeten, ihm noch mehr Arbeiten zu bringen, egal was. Er hatte einen Kunden, zu dem er keine näheren Angaben machen wollte, der an allem interessiert war, was sie malte. Was ihren Tag trübte, war die Tatsache, dass der Schmuck ihrer Mutter weg war. Sie hatte keine Ahnung, wer ihn gekauft hatte und ob sie ihn jemals zurückbekommen würde. Sie war so glücklich gewesen, als Mr Downing ihr den Scheck übergeben hatte. Die Summe war viel größer gewesen, als sie sich erhofft hatte. Sie reichte, um davon die Miete für die nächsten Monate und Lebensmittel zu bezahlen. Sie hatte mit anderen Worten ausreichend Zeit, weitere Arbeiten für die Galerie anzufertigen. Wichtiger aber war, dass die Summe hoch genug war, um auch den Schmuck zurückzukaufen, selbst wenn sie wusste, dass sie das mehr kosten würde, als sie dafür bekommen hatte. Sie hatte den Scheck bei ihrer Bank eingereicht und war sofort zum Pfandleihhaus gegangen. Auf dem Weg hatte sie sich geschworen, sich nie wieder von dem Schmuck zu trennen, wie prekär ihre Situation auch sein mochte. Doch jetzt war er fort, und mit ihm das letzte Band, das sie mit ihrer Mutter verbunden hatte. Sie trat aus dem Gebäude auf die belebte Straße und wusste nicht, welchen Weg sie einschlagen sollte. Als sie sich nach rechts wandte, stand sie plötzlich einem vertrauten Gesicht gegenüber. Sie blinzelte, bevor sie den Blick des Mannes erwiderte, den sie vor ein paar Tagen im Park kennengelernt hatte. Er stand einfach da und wirkte kein bisschen überrascht. Tatsächlich machte er den Eindruck, auf sie gewartet zu haben. Der Gedanke war natürlich verrückt, aber der Mann schien ihr kein bisschen erstaunt ob des unerwarteten Treffens zu sein. »Josie«, sagte er leise. »H-hallo«, stammelte sie. »Ich glaube, ich habe etwas, das Ihnen gehört.« Er hielt ihr eine geöffnete Schachtel hin. Kaum hatte sie einen Blick hineingeworfen, stockte ihr der Atem. Sie hob den Kopf und sah ihn verwirrt an. »Woher haben Sie den Schmuck? Ich verstehe das nicht. Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen? Woher wussten Sie davon?« Er lächelte, doch sein Blick blieb kalt. In den grünen Augen war noch nicht einmal der Anflug eines Lächelns zu erkennen. »Ich habe ihn gekauft, nachdem Sie ihn beim Pfandleiher versetzt hatten. Da Sie gerade dort herausgekommen sind, nehme ich an, dass Sie ihn zurückhaben wollen.« »Ja, natürlich will ich ihn zurück. Aber das beantwortet die Frage nicht, wie Sie dazu gekommen sind?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Das habe ich doch gerade gesagt. Ich habe ihn gekauft, nachdem Sie ihn versetzt hatten.« Ungeduldig schüttelte sie den Kopf, und in dem Moment fiel sein Blick auf ihren Hals. Ihren bloßen Hals. Seine Augen begannen sofort interessiert zu glitzern. Automatisch hob sie eine Hand an die Stelle, wo einmal das Halsband gelegen hatte. Er würde bemerken, dass sie es eine Weile getragen hatte. Wo früher das Halsband gewesen war, war jetzt ein hellerer Streifen Haut zu sehen. »Das erklärt nicht, woher Sie es überhaupt wussten«, sagte sie heiser. »Spielt das denn eine Rolle?«, fragte er sanft. »Ja, das tut es! Haben Sie mich verfolgt?« »Ich selbst? Nein.« »Soll ich mich jetzt etwa besser fühlen, weil mich jemand anderes in Ihrem Auftrag verfolgt hat?«, fragte sie. »Das ist einfach … unheimlich!« »Wollen Sie den Schmuck wiederhaben?«, fragte er schroff. »Natürlich will ich das«, sagte sie ärgerlich. »Wie viel wollen Sie dafür haben?« »Ich will kein Geld.« Sie trat einen Schritt zurück und sah sich vorsichtig um. Sie befanden sich auf einer belebten Straße, überall um sie herum waren Leute. Aber das war wohl kaum von Bedeutung, wenn er ein geistesgestörter Irrer war, der ihr etwas antun wollte. »Was wollen Sie dann?« »Ein Essen. Heute Abend. Ich werde den Schmuck mitbringen, und dann können Sie ihn haben. Dafür will ich nicht mehr, als dass Sie mir heute Abend Gesellschaft leisten.« Sie schüttelte den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Ich kenne Sie doch überhaupt nicht. Ich weiß nichts über Sie.« Er lächelte geduldig. »Deswegen will ich ja, dass wir zusammen zu Abend essen. Damit Sie mich besser kennenlernen. Und ich Sie dann auch besser kennenlernen kann.« »Sie wissen anscheinend ziemlich viel über mich«, fuhr sie ihn an. »Unter anderem, wo man mich findet, wo ich war und was ich gemacht habe.« »Warum tragen Sie das Halsband nicht mehr?«, fragte er, während sein Blick erneut über ihren Hals glitt. Seine Frage löste ein seltsames Gefühl der Verletzlichkeit in ihr aus. Als stünde sie völlig unbekleidet vor ihm. Deshalb legte sie ihre Hand flach auf ihren Hals, als wolle sie ihre nackte Haut vor seinem Blick verbergen. »Ich glaube nicht, dass diese Angelegenheit Sie etwas angeht«, meinte sie leise. »Ich habe vor, sie zu meiner Angelegenheit zu machen.« Sie riss die Augen auf. »Glauben Sie ernsthaft, dass ich mich bereit erkläre, mit Ihnen essen zu gehen? Sie haben mich verfolgt, oder besser gesagt, mich verfolgen lassen. Sie stellen mir intime Fragen und versuchen im Grunde, mich mit dem Schmuck meiner Mutter zu erpressen.« »Dann hat er also Ihrer Mutter gehört«, entgegnete er leise. »Er muss Ihnen sehr wichtig sein.« Schmerz stieg in ihr auf, und sie musste tief Luft holen, um Haltung zu bewahren. »Ja, ja, das ist er«, sagte sie leise. »Es war schrecklich für mich, ihn verkaufen zu müssen. Wenn ich doch nur einen Tag länger damit gewartet hätte. Ich muss ihn zurückhaben. Er ist das Einzige, was mir von ihr geblieben ist. Sagen Sie mir, was Sie dafür bezahlt haben, dann gebe ich Ihnen das Geld. Bitte.« »Ich will Ihr Geld nicht, Josie. Ich will etwas von Ihrer Zeit. Heute zum Abendessen. An einem öffentlichen Ort. Ohne weitere Bedingungen. Ich bringe den Schmuck mit. Sie brauchen nur zu kommen.« »Und hinterher? Lassen Sie mich dann in Ruhe?« »Das kann ich nicht versprechen«, erklärte er sanft. »Wenn ich etwas will, lasse ich nicht locker. Hätte ich jedes Mal aufgegeben, sobald sich Schwierigkeiten ergaben, wäre ich ja wohl kaum so erfolgreich geworden, oder?« »Sie kennen mich doch gar nicht«, erwiderte sie fast schon verzweifelt. »Sie wollen mich doch gar nicht. Wie denn auch? Sie wissen nichts über mich.« »Deshalb möchte ich Sie heute Abend zum Essen ausführen«, erklärte er. Sie konnte sehen, dass er allmählich die Geduld verlor. Seine Augen funkelten vor Ungeduld, auch wenn sein Tonfall ruhig blieb. Er war eindeutig ein Mensch, der es gewohnt war sich durchzusetzen. Das war auf den ersten Blick erkennbar. Was also wollte er von ihr? Was hatte sie denn schon zu bieten, das für ihn so interessant war? Dieser Mann konnte doch jede haben, die Frauen standen vor seiner Tür doch bestimmt Schlange. Er war offensichtlich reich. Er hatte dieses elegante Auftreten, das deutlich von Reichtum und Privilegien zeugte. Dazu strahlte er noch ein gelassenes Selbstvertrauen aus – eine Arroganz –, die erkennen ließ, dass er nicht nur immer bekam, was er wollte, sondern das auch ganz genau wusste. Arroganz war eine Eigenschaft, die sie nicht sonderlich anziehend fand. Aber bei ihm sah sie gut aus. Ihm stand sie. Genau wie seine Kleidung und sein gesamtes Auftreten. Und dazu hatte sein Blick etwas an sich, das sie tief im Innern berührte. Schon beim ersten Treffen hatte sie Schmetterlinge im Bauch gehabt und über Dinge nachgedacht, mit denen sie sich noch nie beschäftigt hatte. Er hatte in ihr eine Sehnsucht nach Dingen geweckt, die sie nie zuvor begehrt hatte, zumindest nicht bewusst. Und dafür hasste sie ihn. Weil er ihr geregeltes Leben auf den Kopf gestellt hatte. Das eigentlich gar nicht so geregelt war. Sie hatte keinen festgelegten Tagesablauf, und genau das gefiel ihr. Sie war zufrieden mit ihrem Leben, sie wusste, wer sie war und was sie wollte. Bis er aufgetaucht war. Bis zu dieser Begegnung im Park, die sie dazu gebracht hatte, alles infrage zu stellen. Er war kein Mann, der Ruhe ausstrahlte. Er würde ihr Dasein auf den Kopf stellen, sobald sie ihn in ihr Leben ließ, das spürte sie deutlich. Er war ein Mensch, für den Kontrolle zählte, der Kontrolle forderte. Das war mehr als deutlich, an der Art, wie er sprach, an seiner gesamten Haltung. Er hatte erkannt, was das Halsband bedeutete, er wusste, wofür es stand. Er hatte in einer Art und Weise darüber gesprochen, die zeigte, dass er mit dem Lebensstil, der mit einem solchen Halsband verbunden war, durchaus vertraut war. Aber er würde nicht wie Michael sein. Nicht ansatzweise wie Michael. Und das ängstigte und faszinierte sie gleichermaßen. Ja, sie war neugierig, das musste sie zugeben. Sie konnte auch nicht leugnen, dass er sie dazu gebracht hatte, alles an sich selbst – auch die Beziehung zu Michael – infrage zu stellen. Dass er der Grund war, weshalb sie das Halsband nicht mehr trug. Und jetzt stand er vor ihr, mit dem Schmuck ihrer Mutter in der Hand, und verlangte als Gegenleistung für die Rückgabe, dass sie mit ihm zu Abend aß. Aber sein Blick verhieß noch viel mehr. Es wäre geradezu dumm zu glauben, dass er sich mit einem Abendessen abspeisen ließ. Sie war nicht blöd. Sie hatte die Anziehungskraft gespürt, diesen Funken, der entfacht war, und war sich sicher, dass auch er es gespürt hatte. Es war ihr völlig schleierhaft, warum er sich überhaupt für sie interessierte, und doch war sie sicher, dass dem so war. Aber wie lange würde dieses Interesse anhalten? Frauen wie sie konnten die Aufmerksamkeit von Männern wie ihm nicht lange fesseln. Und sie verspürte keinerlei Drang, ein flüchtiges Spielzeug zu sein. Doch er war offensichtlich entschlossen, ihren Widerstand zu brechen. »Josie?«, hakte er nach. »Heute? Abendessen?« Sie seufzte und senkte den Blick aufgewühlt auf die Schachtel, die er immer noch in der Hand hielt. Sie wollte den Schmuck zurückhaben. Für sie war er unbezahlbar. Eigentlich sollte sie erleichtert sein, dass er dafür kein Geld von ihr verlangte. Der Erlös aus dem Verkauf ihrer Bilder reichte für die nächsten Monate, und sie spürte deutlich, wie viel lieber es ihr wäre, wenn er einfach das Geld nehmen, ihr den Schmuck geben und verschwinden würde. Aus ihrem Leben. Weil dieser Mann sonst alles durcheinanderbringen würde. Ganz sicher. Er wollte lediglich ein Abendessen. Ein einfaches Date. Es wäre nicht ihr erstes. Sie würden ausgehen, essen, sich ein bisschen unterhalten. Anschließend würde sie gehen und ihm sehr deutlich machen, dass sie ihn nicht wiedersehen wollte. »Na gut«, gab sie schließlich nach. »Wo und wann?« »Ich hole Sie um sieben ab.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich treffe Sie im Restaurant. Sagen Sie mir nur, wo und zu welcher Uhrzeit.« Er lachte leise. »Sie sind ganz schön kompliziert. Na gut, ich will mal nicht so sein. Aber ich warne Sie: Das wird vermutlich das letzte Mal sein, dass Sie meine Nachgiebigkeit erleben.« Sie sah ihn aus schmalen Augen an. »Sie bieten mir nicht gerade einen guten Grund, mit Ihnen essen zu gehen.« Er lächelte. »Ich marschiere nur direkt auf mein Ziel zu, Josie.« »Zeit? Ort?«, hakte sie nach. »Halb acht«, antwortete er ruhig. »Im Bentley Hotel. Wir treffen uns in der Lobby.« »Und Sie bringen den Schmuck mit?« Er senkte den Blick auf die Schachtel in seiner Hand und schaute dann wieder zu ihr auf, wobei seine Augen vor Erheiterung funkelten. »Wäre ich nicht so sicher, dass Sie mich heute Abend versetzen, würde ich Ihnen den Schmuck ja geben. Ich habe kein Interesse daran, etwas zu behalten, das Ihnen offensichtlich so viel bedeutet. Aber wenn der Schmuck mir ein Abendessen mit Ihnen verschafft, behalte ich ihn vorsichtshalber noch. Und ja, ich werde ihn mitbringen. Ich halte meine Versprechen, Josie. Wenn Sie mit mir zu Abend essen, bekommen Sie den Schmuck. Egal, was passiert.« Erleichtert atmete sie aus. »Na gut. Dann sehen wir uns um halb acht.« Er streckte die Hand aus, um ihre Wange zu berühren, und ließ seine Finger sanft über ihre Haut streichen. »Ich freue mich darauf. Wir haben viel zu besprechen.« Mit seinen letzten Worten ließ er seine Hand nach unten bis zu ihrer Halsbeuge gleiten, wo zuvor das Halsband gelegen hatte. Seine Worte waren nicht misszuverstehen. Er wollte wissen, ob sie gebunden war, was mit dem Halsband passiert war und warum sie es nicht mehr trug. Sie seufzte, wandte sich um und ging. Wie in aller Welt sollte sie ihm erklären, dass er passiert war? 6 Ash stand in der Lobby des Bentley Hotels, das wie so viele andere HCM gehörte, und schaute auf die Uhr. Er atmete verärgert aus, während sein Blick wieder zum Eingang glitt. Sie kam zu spät. Oder vielleicht gar nicht. Er hätte sein gesamtes Geld darauf verwettet, dass sie auftauchen würde. Der Schmuck ihrer Mutter bedeutete ihr offensichtlich sehr viel, und obwohl er sie wie ein Mistkerl damit erpresst hatte, bedauerte er sein Verhalten nicht wirklich. Nicht wenn er dadurch das bekam, was er wollte. Ein paar Stunden in Josies Gesellschaft. Ihm schwirrten unendlich viele Fragen im Kopf herum. Er wollte wissen, warum sie das Halsband nicht mehr trug. Er wollte wissen, ob der Kerl, der es ihr gegeben hatte, jetzt aus dem Spiel war. Es würde zwar nichts an seinen Plänen ändern, wenn sie dem Typen nicht den Laufpass gegeben hatte, aber alles wäre verdammt viel einfacher, wenn sie ungebunden war. Um Viertel vor acht streckte Ash seine Glieder. Ihm dämmerte allmählich, dass sie nicht kommen würde. Die Enttäuschung durchspülte ihn wie eine Welle, es war ein Gefühl, das ihm nicht sonderlich vertraut war. Aber wenn sie glaubte, er würde sich abschrecken lassen, nur weil sie ihn versetzte, dann lag sie falsch. Im Gegenteil, es bestärkte ihn noch in seiner Entschlossenheit. Er wollte schon nach seinem Handy greifen, um seinen Fahrer anzurufen, als Josie durch den Haupteingang des Hotels stürzte. Ihre Wangen waren gerötet und ihr Haar zerzaust, als hätte sie sich beeilt und der Wind die langen Strähnen völlig durcheinandergebracht. Ihr Blick fiel auf ihn, und sie blieb einige Schritte von ihm entfernt stehen. Während sie einander tief in die Augen schauten, merkte er, dass er sich in Bewegung setzte, obwohl er normalerweise nicht derjenige war, der den ersten Schritt tat. Die Leute kamen sonst immer auf ihn zu, nicht umgekehrt. Doch jetzt wollte er schnell zu ihr hin, ehe sie es sich vielleicht anders überlegte und durch die Tür das Weite suchte. »Josie«, begrüßte er sie mit ruhiger Stimme. »Tut mir leid, dass ich zu spät bin«, erwiderte sie atemlos. »Ich habe gemalt und war dabei so vertieft, dass ich die Zeit völlig aus den Augen verloren habe.« Er musterte die riesige Tasche, die über ihre Schulter hing, und die Farbflecken an ihren Fingern. Dann betrachtete er sie eingehend und prägte sich jedes Detail bis hin zu ihren Zehenspitzen ein. »Ist schon in Ordnung. Man wird unseren Tisch nicht anderweitig vergeben«, sagte er. »Möchten Sie gern gleich essen oder erst einen Drink zu sich nehmen?« Sie verzog das Gesicht. »Ich trinke nicht besonders viel. Ich meine, ich hab nichts dagegen und genehmige mir gelegentlich einen Drink, aber ich bin ziemlich wählerisch und mag eher Mädchen-Cocktails. Aber ab und zu genieße ich schon mal ein Glas Wein.« Er lachte leise. »Sie würden gut zu Mia, Bethany und deren Freundinnen passen.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Wer sind Mia und Bethany?« Er streckte die Hand nach ihrem Arm aus und hakte sie unter, als er sie zum Restaurant führte. »Mia ist die Frau meines Geschäftspartners Gabe und die Schwester meines anderen Geschäftspartners Jace. Bethany ist mit Jace verlobt.« »Das klingt nach einer großen, glücklichen Familie«, sagte sie leise. »In gewisser Weise ja.« Sie betraten das Restaurant, und der Oberkellner führte sie sofort zu dem Tisch, der immer für ihn, Gabe oder Jace reserviert war, wenn sie hier aßen. Josie ließ sich gegenüber von Ash auf ihren Stuhl sinken, war aber immer noch angespannt. Sie hockte auf der vorderen Kante und ließ ihren Blick rastlos umherschweifen. Sie schien sich nicht wohlzufühlen und wirkte so, als wäre sie lieber an einem anderen Ort, als hier mit ihm, was seinem Ego einen ordentlichen Dämpfer versetzte. Normalerweise musste er Frauen nicht erpressen, damit sie sich auf eine Verabredung mit ihm einließen. »Möchten Sie gerne ein Glas Wein trinken?«, fragte er, als der Kellner kurz darauf an ihrem Tisch stand. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich nehme gerne ein Wasser. Danke.« »Zwei Mal, bitte«, sagte Ash zum Kellner. »Lassen Sie sich von mir nicht davon abhalten, einen Wein zu bestellen, wenn Sie den lieber mögen«, sagte sie. »Ich will nur keinen Alkohol trinken und dann in dem Zustand noch nach Hause finden müssen. Alkohol macht mich immer ziemlich benommen, und ich verspüre keinerlei Drang danach, im Dunkeln durch Manhattan zu taumeln.« »Sie vertragen also nichts, und wenn Sie doch etwas trinken, dann etwas für kleine Mädchen. Das muss ich mir merken.« Es zuckte um ihre Lippen, und ihre Augen blitzten auf. Nun hätte er sie doch beinahe dazu gebracht zu lächeln. Aber eben nur beinahe. War er denn so ein Ungeheuer? Er war es gewohnt, dass Frauen seinem Charme reihenweise erlagen. Doch zu Josies Verteidigung musste er gestehen, in ihrer Gegenwart bisher nicht sonderlich charmant gewesen zu sein. Sie hatte etwas an sich, das seine Urzeitinstinkte weckte. Er konnte von Glück reden, dass er überhaupt in der Lage war, verständliche Sätze von sich zu geben, ohne zu knurren, auf seine Brust zu trommeln oder sie an den Haaren in seine Höhle zu zerren. Das würde ihr vermutlich nicht gefallen …Er würde sich damit nicht nur zum Affen machen, sondern sie auch nie wiedersehen. Der Kellner nahm ihre Bestellungen auf und verschwand dann schnell wieder. Kaum waren sie allein, hob Josie fragend den Blick. »Haben Sie den Schmuck mitgebracht?«, fragte sie leise. Er griff in die Brusttasche seines Jacketts und zog einen kleinen Samtbeutel hervor, den er auf den Tisch legte und zu ihr schob, ohne ihn jedoch loszulassen, als sie ihn nehmen wollte. »Die Absprache sah ein Abendessen vor«, sagte er. »Ich gebe Ihnen den Schmuck jetzt schon und hoffe, dass Sie das Treffen nicht in dem Moment abbrechen, wenn Sie ihn haben.« Sie wurde rot. Ob aus Verlegenheit oder weil sie sich ertappt fühlte, konnte er nicht sagen. Vielleicht hatte sie tatsächlich mit diesem Gedanken gespielt. »Sie versetzen meinem Ego einen ordentlichen Dämpfer«, sagte er und sprach damit aus, was er zuvor gedacht hatte. »Bin ich so unattraktiv, Josie? Ich habe mir Ihre Reaktion im Park doch nicht eingebildet. Sie haben doch genau wie ich gespürt, dass die Chemie zwischen uns beiden stimmt. Aber jetzt verhalten Sie sich so, als hätte ich die Pest und als wollten Sie nicht die gleiche Luft atmen wie ich.« Ihre Finger schlossen sich um das Beutelchen und streiften dabei seine Hand. Die Wärme breitete sich sofort durch seinen Arm bis hinauf in die Schulter aus. Allein durch ihre Berührung. Eine so schlichte Sache. Mit nichts dahinter. Es war rein zufällig passiert, und trotzdem lag plötzlich eine Spannung in der Luft. Er war gewiss nicht der Einzige, der sie spürte, aber er war der Einzige, der sie mit offenen Armen begrüßte. »Ich nehme an, Sie wissen, dass Sie nicht unattraktiv sind«, erwiderte sie leichthin. »Das muss ich Ihnen nicht sagen. Ich bin mir sicher, dass Sie das ständig zu hören bekommen. Die Frauen überschlagen sich wahrscheinlich geradezu, um Sie mit Komplimenten zu überhäufen.« »Es ist mir völlig gleichgültig, was andere Frauen denken«, erwiderte er schroff. »Mich interessiert eher, was Sie denken.« Vorsichtig zog sie ihre Hand zurück. Den Beutel mit dem Schmuck hielt sie fest umklammert, als hätte sie Angst, Ash könnte sie aufhalten. Als er keine Anstalten machte, ihn ihr wieder abzunehmen, öffnete sie schnell den Beutel und holte vorsichtig die beiden Ringe, eine Halskette und ein Armband hervor. Die Erleichterung war ihr deutlich anzumerken. Ihre himmelblauen Augen leuchteten auf, als sie liebevoll über den Schmuck strich. Ein versonnener Ausdruck trat in ihren Blick, und als sie den Kopf hob, glitzerten Tränen in ihren Augen. »Danke, dass Sie mir meine Mutter zurückgegeben haben«, flüsterte sie. »Das ist alles, was ich noch von ihr habe. Genau wie von meiner Großmutter. Eines Tages möchte ich den Schmuck an meine Tochter weiterreichen. Meine Großmutter und meine Mutter waren außergewöhnliche Frauen. Ich möchte, dass meine Tochter dieses Vermächtnis erhält. Meine Tochter kann sie zwar nicht mehr kennenlernen, aber ich möchte, dass sie alles über sie weiß. Wer sie waren und welch große Bedeutung sie für mich hatten.« »Was ist mit Ihrer Mutter passiert?«, fragte Ash sanft. Ihre Lippen bebten, aber sie bewahrte Haltung und hielt seinem Blick stand, auch wenn ihre Augen noch voller Tränen waren. »Krebs«, erwiderte sie mit einer Stimme, in der all ihr Kummer mitschwang. »Vor Kurzem?«, fragte er noch sanfter. Er wollte sie wirklich nicht aus der Fassung bringen, aber es bereitete ihm absurderweise Freude, dass sie sich ihm anvertraute. Mit ihm redete. Das war zumindest ein Anfang. Der Anfang von etwas Dauerhafterem, wenn es nach ihm ging. Und er war fest entschlossen, dass es nach ihm ging. Er würde nur unendlich viel mehr Geduld brauchen als sonst. Das Adrenalin schoss durch seinen Körper, strömte durch seine Adern. Sie war eine Herausforderung. Eine Herausforderung, die zu meistern er sich freute. Er war schon lange nicht mehr so aufgeregt gewesen … Ein Gefühl, das Josie hervorgerufen hatte. »Vor zwei Jahren«, sagte Josie, die ihn mit tieftraurigem Blick ansah. »Aber sie war schon viel länger krank. Am Ende …« Ihre Stimme brach, und sie verstummte. »Am Ende …?«, hakte er sanft nach. »Am Ende war es eine Erleichterung, als sie ging, auch wenn es für mich schrecklich war loszulassen und von ihr Abschied zu nehmen. Sie hatte so starke Schmerzen. Es tat weh, sie in diesem Zustand zu sehen. Es tat auch ihr weh. Sie hasste, dass ich sie so sah und mich um sie kümmern musste. Ständig machte sie sich Sorgen, dass sie zu viel von meiner Zeit in Anspruch nahm, dass sie mich darin hinderte mein eigenes Leben zu führen und mich mit der Verantwortung belastete, für sie zu sorgen. Aber gütiger Himmel, sie war meine Mutter. Ich hätte alles für sie getan. Ich habe nie auch nur einen Moment, den wir miteinander verbracht haben, bedauert. Und am Ende war sie bereit zu gehen. Sie hatte so lange, so hart gekämpft. Sie war erschöpft und hatte nicht mehr die Kraft zu kämpfen. Das war am schwersten für mich. Zuzusehen, wie meine tolle Mutter langsam dahinschwand. Ich wollte nur noch, dass ihre Schmerzen endlich aufhörten und sie Frieden fand. Deshalb war ich erleichtert, als sie starb. Und ich weiß, dass sich das schrecklich anhört.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, das klingt nicht schrecklich, Josie. Das klingt menschlich. Sie war Ihre Mutter, und Sie haben sie geliebt. Keiner sieht gern zu, wenn die, die wir liebhaben, Kummer und Schmerz erleiden.« Josie nickte und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Ihre Finger zitterten, als sie die Hand wieder auf den Tisch sinken ließ. »Puh, nicht gerade das erfreulichste Thema für ein Abendessen, nicht wahr? Es tut mir leid, dass ich so viel darüber geredet habe.« »Ich habe gefragt«, erwiderte er schlicht. »Was ist mit Ihrem Vater? Haben Sie Geschwister oder sind Sie Einzelkind?« Sie stieß einen unglücklichen Seufzer aus. »Ich bin Einzelkind. Meine Eltern wollten mehr Kinder, aber nach mir konnte meine Mutter keine mehr bekommen. Sie hatte schon einmal davor Krebs gehabt und konnte nicht nur wegen der vielen Behandlungen kein weiteres Kind austragen, sie war auch zu schwach dafür. Ich dachte – wir hatten gedacht –, sie hätte es geschafft. Zwanzig Jahre lang war die Krankheit weg, und dann kam sie plötzlich wieder. Doch dieses Mal war es viel schlimmer. Sie sprach nicht mehr wie damals auf die Behandlungen an.« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich habe das Thema schon wieder angesprochen.« Er streckte den Arm aus und legte seine Hand auf ihre. »Wir unterhalten uns, Josie. Das tut man, wenn man miteinander ausgeht. Hören Sie auf sich zu entschuldigen. Wenn es mich nicht interessieren würde, hätte ich nicht gefragt. Aber wenn das Thema zu schmerzhaft für Sie ist, können wir natürlich auch über andere Dinge reden. Ich interessiere mich für alles, was Sie betrifft. Ich möchte gern alles über Sie erfahren … über Ihr Leben, Ihre Familie, über die Dinge, die Sie bewegen.« Sie lächelte. Und entzog ihm nicht die Hand, ein Umstand, der ihn absurderweise mit Triumph erfüllte. »So … Sie sprachen von Ihren Eltern. Ist Ihr Vater auch gestorben?« Ihre Lippen verengten sich zu einem Strich, und ihr Blick war jetzt kalt und ließ ihre Augen einen dunkleren Blauton annehmen, fast wie bei einer mit Frost überzogenen Fensterscheibe. »Er hat sie – uns – verlassen, als der Krebs das erste Mal ausbrach. Nicht sofort. Er wartete, bis sie wieder so weit war, sich selbst um alles kümmern zu können, dann trennte er sich von ihr. Und aus welchem Grund? Er konnte den Kummer nicht ertragen, sie an den Krebs zu verlieren. Er wollte nicht zusehen, wie sie starb. Stattdessen verließ er sie lieber. Ist das nicht das Schwachsinnigste, was Sie je gehört haben? Es ergibt für mich keinen Sinn. Es war mir immer völlig unverständlich, wie er Frau und Kind verlassen konnte, nur weil er Angst hatte, sie könnte sterben. Er hätte sie so oder so verloren, aber durch seine Entscheidung verlor er auch mich. Das habe ich ihm nie verziehen. Dass er uns verließ, als wir ihn so sehr brauchten. Vor allem meine Mutter, die sich nach der langen Behandlung eine Arbeit suchen musste, um mich versorgen und die Medikamente bezahlen zu können.« »Ja, das ist schwachsinnig«, stimmte Ash ihr finster zu. »Dann haben Sie ihn seitdem nicht mehr gesehen? Vor wie vielen Jahren war das alles?« »Achtzehn«, erwiderte sie gepresst. Ungeachtet der Wut – die er durchaus verstehen konnte – schwang vor allem Schmerz in ihrer Stimme mit. Sie fühlte sich verraten. Er strich mit dem Daumen über ihre Knöchel, um sie zu besänftigen und schweigend zum Weiterreden zu ermutigen. Er wollte, dass sie redete, wollte, dass sie sich entspannte und sich ihm weiter öffnete. »Ich war zehn, als er ging. Er hat lange Zeit nicht einmal versucht, mit ihr oder mir in Kontakt zu treten. Als ich mit der Highschool fertig war, rief er mich an, er wollte mir gratulieren und mir ein Geschenk schicken. Ich habe ihm deutlich gemacht, wo er sich sein kostbares Geschenk hinstecken konnte.« Mit jedem Wort wurde ihr Blick dunkler, jetzt verzog sie die Lippen. »Er hat erst wieder Kontakt zu mir aufgenommen, als Mom tot war.« Tränen glitzerten in ihren Augen, und sie rieb sich mit dem Daumen ihrer freien Hand über den Augenwinkel, aus dem einige Tropfen gelaufen waren. »Entschuldigung«, sagte sie wieder leise. »Ich rede sonst nie darüber. Genau genommen habe ich noch nie mit jemandem darüber geredet. Jetzt kommt alles raus, und ich wusste gar nicht, wie wütend ich über all das noch bin.« »Das ist doch verständlich«, sagte er. »Sie haben das Ganze sehr lange in sich verschlossen gehalten.« Sie nickte. »Dann hat er sich also mit Ihnen in Verbindung gesetzt, als Ihre Mutter gestorben war? Hat er gewusst, dass sie wieder krank war?« »Er hat es gewusst«, würgte Josie hervor. »Aber er hat sie nie besucht. Er hat nie angerufen. Hat nie wieder mit ihr geredet. Nachdem sie tot war, rief er an, weil er mich sehen wollte. Er sagte, dass die Sache mit Mom ihm leidtue, aber dass wir wieder eine Familie sein sollten. Ich erklärte ihm, dass eine Familie nicht so einen Mist baut, wie er es getan hatte, und dass meine Familie tot ist. Das war vor zwei Jahren. Er hat nie wieder versucht, Kontakt aufzunehmen. Ich weiß noch nicht einmal, wo er wohnt. Er ist nach der Scheidung von Mom häufig umgezogen. Bedingt durch seine Arbeit ist er viel unterwegs.« »Bedauern Sie manchmal, dass Sie keinen Kontakt zu ihm haben?« Die Frage schien sie zu überraschen. »Nein. Überhaupt nicht. Ich glaube nicht, dass ich ihm gegenübertreten könnte, ohne einen Wutanfall zu bekommen. Gerade nach Moms Tod. Ich glaube, ich wäre auf ihn losgegangen, wenn er plötzlich vor mir gestanden hätte. Ich war wütend und am Boden zerstört. Und ich war sauer … sauer, dass er so ein Feigling gewesen war, der nicht geholfen hat, als meine Mutter ihn am meisten brauchte.« »Ich verstehe das. Glauben Sie mir … wirklich. Ich habe keinen Kontakt zu meiner Familie. Nun ja, kaum. Vor Kurzem hat meine Schwester mich aufgesucht, aber bis dahin hatte ich mit keinem aus meiner Familie etwas zu tun.« Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn. Ihre Hände berührten sich immer noch, und er zeichnete unterschiedliche Muster auf ihre Haut, indem er seinen Daumen von den Knöcheln zum Handgelenk und zurück gleiten ließ. Es gefiel ihm, sie zu berühren. Er hätte sie die ganze Nacht berühren können. Und daran war nichts Sexuelles. Er genoss ganz einfach die seidige Glätte ihrer Hand … und ihrer Finger, deren Kuppen jeweils einen anderen Farbfleck aufwiesen. »Was hat Ihre Familie getan?«, fragte sie leise. »Das ist eine lange Geschichte. Ich werde sie Ihnen irgendwann einmal erzählen. Aber jetzt möchte ich viel lieber alles über Sie erfahren.« Sie runzelte die Stirn. »Das ist nicht fair. Ich habe Ihnen von meiner Familie erzählt. Ich werde erst weiterreden, wenn Sie mir auch etwas über Ihre erzählt haben.« Er lachte leise, und seine Finger legten sich fester um ihre Hand. Sie riss die Augen auf und senkte schnell den Blick auf ihre jetzt ineinander verwobenen Finger. Ja, sie spürte es ebenso wie er. Aber sie kämpfte im Gegensatz zu ihm dagegen an. »Na gut. Ich erzähle Ihnen ein bisschen, und dann sind Sie wieder dran.« Sie runzelte die Stirn. »Das hängt davon ab, für wie wertvoll ich Ihre Informationen erachte. Sie müssen mir schon etwas bieten, das in etwa den gleichen Wert hat wie das, was ich Ihnen erzählt habe.« »Nun, das ist unmöglich«, murmelte er. Er sah ihr tief in die Augen, und wieder hatte er das Gefühl, in deren Tiefen zu ertrinken. »Nichts von dem, was ich erzähle, kann so wertvoll sein wie das, was Sie mir anvertrauen.« Ihre Wangen röteten sich, und sie senkte den Blick. Ihre Hand zuckte in seiner, aber er hielt sie so fest, dass sie sie ihm nicht entziehen konnte. »Es mag sein, dass Sie das so sehen«, erklärte sie heiser. »Aber vielleicht finde ich das, was Sie mir erzählen, viel wertvoller. Schauen Sie … Sie sind mir gegenüber im Vorteil. Sie haben Informationen über mich eingeholt, haben mich beschatten lassen. Sie wissen bestimmt viel mehr über mich, als mir lieb ist. Deshalb ist es nur fair, einen Ausgleich herzustellen, indem Sie mir all Ihre dunklen Geheimnisse verraten.« Sie flirtete mit ihm. Auf eine schüchterne, entzückende Art, als wüsste sie nicht genau, wie man so etwas macht. Er war noch nie so … aufgeregt gewesen. Und da war auch Lust. Eindeutig. Er begehrte sie, wie er noch nie zuvor eine Frau begehrt hatte. Aber da war noch mehr. Er interessierte sich für sie. Wollte wissen, wie sie dachte. Er wollte genauso sehr in ihren Kopf eindringen, wie er in ihren Körper wollte. Aber vor allem wollte er, dass sie ihm vertraute, auch wenn er sich das bisher durch nichts verdient hatte. Er würde es ihr mit der Zeit beweisen. Wenn sie ihm nur die Gelegenheit dazu gab. »Dunkle Geheimnisse, puh. Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen. Ich bin schrecklich langweilig. Ich bin mit meiner Arbeit verheiratet und verabscheue meine Familie fast so sehr, wie sie mich verabscheut. Meine richtige Familie sind meine Geschäftspartner und deren Frauen.« »Mit der Ausnahme, dass Ihre Schwester Sie vor Kurzem aufgesucht hat. Haben Sie wieder zueinandergefunden?« Er ließ ihre Hand los und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Sein Blick schweifte für einen Moment in die Ferne, ehe er Josie wieder ins Gesicht sah. »Das könnte man wohl so sehen. Allerdings bin ich noch nicht vollständig von ihrer Ernsthaftigkeit überzeugt. Ich würde gerne glauben, dass sie endlich mit dem Wolfsrudel gebrochen hat, aber das wird die Zeit zeigen.« »Was hat Ihre Familie denn gemacht? Mit Ihnen beiden?« Ash seufzte. »Uns zur Welt gebracht? Wenn ich das nur wüsste. Meine Mutter hat überhaupt keine Muttergefühle und trotzdem vier Kinder in die Welt gesetzt. Es verwirrt mich, dass eine so egoistische Frau immer noch mehr Kinder bekommen hat, die sie doch generell als Belastung ansieht.« Josies Nase kräuselte sich und sie sah ihn voller Mitgefühl an. »Sind Sie nie mit Ihrer Familie ausgekommen? Auch nicht als Kind?« »Ich habe sie kaum gesehen, als ich ein Kind war«, erwiderte er trocken. »Wir wurden im Internat untergebracht und waren nur während der Ferien zu Hause. Und sogar dann kümmerte sich nur das Kindermädchen um uns. Meistens waren meine Mutter und mein Vater gar nicht da. Entweder waren sie verreist oder gingen gesellschaftlichen Verpflichtungen nach. Mein Großvater hat im Laufe seines Lebens viel Geld verdient, wir entstammen also keinem alten Geldadel. Man würde uns wohl als neureich bezeichnen, und darüber ist meine Mutter nie hinweggekommen.« »Verzeihen Sie mir diese anmaßende Bemerkung … aber das klingt nach einer abscheulichen Person.« »Das ist nicht anmaßend. Beide, sie und mein Vater, sind abscheuliche Menschen. Nicht nur abscheuliche Eltern, sondern abscheulich in jeglicher Hinsicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Mutter nur deshalb so viele Kinder bekommen hat, weil mein Großvater aus einer großen Familie mit mehreren Geschwistern stammt und er von meiner Mutter viele Enkel wollte. Denn eines will meine Mutter auf gar keinen Fall: meinen Großvater verärgern, sie ist schließlich finanziell von ihm abhängig. Deshalb bekam sie uns, und er bezahlte für unsere Erziehung. Sie und Dad verbrachten nur dann Zeit mit uns, wenn der alte Herr anwesend war. Ich weiß nicht, was schlimmer war: dass sie schreckliche Eltern waren oder dass sie im Beisein von anderen so taten, als wären sie fürsorgliche Eltern.« »Das ist wirklich widerlich«, meinte Josie. »Ich habe meine Mutter vergöttert. Und meine Großmutter. Beide waren wundervolle Frauen. Aber was ist denn nun mit Ihrer Schwester passiert? Wie alt ist sie?« »Brittany ist die Jüngste von uns. Sie ist jetzt dreißig. Meine Mutter hat sie gleich nach dem College mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet, der den richtigen Stammbaum vorweisen konnte. Die Ehe hielt zwei Jahre, ehe Brittany sich trennte. Sie ging bei der Scheidung leer aus, was meine Mutter noch mehr geärgert hat. Um es mit ihren Worten zu sagen: Sie hätte verdammt hart dafür gearbeitet, einen Ehemann für Brittany zu ergattern, und das Mindeste, was die hätte tun können, wäre doch, die Zähne zusammenzubeißen und bis zum Tod ihres Mannes die pflichtbewusste Ehefrau zu spielen, um als reiche Witwe ihren Eltern Geld zukommen lassen zu können.« »Wow«, hauchte Josie. »Das ist ja Wahnsinn. So etwas kommt doch nur in irgendwelchen uralten Legenden vor. Ich hätte nie gedacht, dass es heute, in unserer Zeit, noch solche Menschen gibt.« Er lächelte. »Tut mir leid, dass ich Sie Ihrer Illusionen beraubt habe.« »Und was hat Brittany nun dazu gebracht, Sie aufzusuchen?« »Sie will da raus«, erklärte er ruhig. »Wie ich schon sagte: Sie ist bei der Scheidung leer ausgegangen und hat seitdem bei meinen Eltern gelebt. Sie hat zwar einen Collegeabschluss, hat aber nie gearbeitet. Sie ist zu mir gekommen, um mich um Hilfe zu bitten. In erster Linie finanziell, aber ich glaube, sie hat auch nach einem Verbündeten gesucht, also nach emotionaler Unterstützung.« »Und, haben Sie ihr geholfen?« »Natürlich. Ich habe sie in einem Apartment untergebracht und ein Konto für sie eingerichtet. Sie hat ausreichend Geld, bis sie anfängt zu arbeiten. In ein paar Tagen tritt sie eine Stelle in einem meiner Hotels an. Alles andere liegt dann an ihr. Ich habe ihr die Voraussetzungen dafür geschaffen, ein neues Leben zu beginnen, aber was sie daraus macht, ist ihre Sache. Meine Mutter wird versuchen, sie fertigzumachen. Sie will, dass Brittany wieder unter ihrer Fuchtel steht, damit sie die Fäden ziehen kann. Ich hoffe nur, dass Brittany den Mut hat, sich durchzusetzen.« »Ich finde es wundervoll, dass Sie so viel für sie getan haben. Sie muss das Gefühl gehabt haben, sich an niemanden wenden zu können.« Ash schüttelte den Kopf. »Hatte sie ja auch nicht. Und egal, wie schlecht sie sich früher mir gegenüber verhalten haben mag, mir ist durchaus klar, dass sie kaum eine andere Wahl hatte. Mom hätte nichts anderes geduldet. Sie scheint es jetzt ernst zu meinen, und wenn das so ist, werde ich alles tun, was in meiner Macht steht, um ihr zu helfen. Es ist mir egal, was meine Eltern und meine anderen Geschwister von mir denken. Brittany ist noch nicht an diesem Punkt angelangt, aber das wird sie schon noch.« »Andere Geschwister? Wie viele haben Sie denn?« »Drei mit Brittany. Ich habe noch zwei ältere Brüder, beide über vierzig, von denen keiner seine Familie ohne die Unterstützung meiner Eltern und des alten Herrn unterhalten kann.« »Das ist traurig. Aber wie haben Sie es denn geschafft, ohne Kontakt zu ihnen? Ich meine, Sie sind ja offensichtlich erfolgreich.« »Ich glaube, jetzt sind Sie wieder an der Reihe«, erklärte er. »Ich habe Ihnen mein Herz ausgeschüttet, während ich über Sie bisher nur weiß, dass Ihr Vater ein Arschloch ist und Ihre Mutter nach einem langen Kampf gegen den Krebs gestorben ist.« »Sie dürfen mir eine Frage stellen, wenn Sie mir eine letzte Frage beantworten.« Er sah sie neugierig an. »Dann darf ich aber zwei stellen, denn Sie haben Ihr Kontingent bereits erschöpft.« Ihre Lippen zuckten amüsiert. »Ist Ihnen eigentlich klar, wie unproduktiv diese Unterhaltung ist, wenn wir ständig versuchen, einen Gleichstand herzustellen?« »Die Unterhaltung muss deswegen nicht unproduktiv sein. Aber in Ordnung, ich werde antworten. Aber das ist die vorerst letzte Frage, bis Sie mich wieder eingeholt haben.« »Abgemacht«, sagte sie lächelnd. »Gabe Hamilton, Jace Crestwell und ich haben uns auf dem College angefreundet. Jace’ Eltern starben bei einem Unfall, als er zwanzig war, und er musste sich von da an um seine viel jüngere Schwester kümmern. Danach änderte sich unsere Sicht aufs Leben. Vorher war uns alles egal gewesen, wir machten unsere Scheine und interessierten uns vor allem für Bier und Frauen. Sobald wir das College verlassen hatten, gründeten wir unsere Firma. Wir haben mit einem Hotel angefangen und viel Herzblut sowie jeden Penny, den wir zusammenkratzen oder leihen konnten, in dieses Projekt fließen lassen. Wir warteten ein Jahr und expandierten dann. Das erste Hotel setzten wir bei der Bank als Sicherheit ein und erhielten so das Geld für die Finanzierung weiterer Objekte. Von da an konnten wir uns mithilfe der ersten Hotels und dem zugehörigen Erfolg schnell vergrößern, es wurde immer leichter, Investoren zu finden.« »Dann hat Ihre Familie also gar nichts mit Ihrem Erfolg zu tun.« »Kein bisschen«, stieß er hervor. »Ich würde nicht einmal einen einzigen Cent von ihr annehmen. Ich wollte nicht, dass sie mich zu ihrer Marionette macht. Und ich wollte sie nicht in meiner Firma haben.« »Das hat ihnen bestimmt nicht sonderlich gut gefallen«, murmelte sie. Er grinste. »Nein. Alle waren sauer, weil ich es erstens ohne sie geschafft hatte und weil ich zweitens mein Geld nicht mit ihnen teilte. Es ist ein bisschen so, als wenn Ihr Vater plötzlich morgen auftauchen würde, um eine glückliche Familie zu mimen.« Ihr Blick flackerte wütend, und sie presste bei der Erwähnung ihres Vaters die Lippen aufeinander. Er beugte sich vor und streckte den Arm aus, um nach ihrer Hand zu greifen. Ein Muskel zuckte in ihrem Arm, und sie erzitterte. »Jetzt bin ich dran. Ich darf Ihnen zwanzig Fragen stellen.« »He, das waren doch noch gar keine zwanzig.« »Aber fast«, brummte er. Sie seufzte. »Na gut. Nun fragen Sie schon.« Sein Blick wanderte sofort zu ihrem Hals. Zu dem schmalen Streifen heller Haut, auf dem das Halsband gelegen hatte. Sein Fehlen war ihm als Erstes aufgefallen, als sie aus dem Pfandleihhaus getreten war, aber er hatte sich keine falschen Hoffnungen machen wollen. Doch die Tatsache, dass sie seine Einladung angenommen hatte, wenn auch durch Erpressung, und dass sie das Halsband auch heute Abend nicht trug, bedeutete ihm, dass sie von dem, was zwischen ihnen war, zumindest fasziniert war. Was auch immer es sein mochte. »Warum tragen Sie das Halsband nicht?«, fragte er sanft. Ihre freie Hand fuhr sofort an ihren Hals, und sie sah ihn bestürzt an. Aber sie blieb stumm und presste die Lippen fest aufeinander. »Josie? Warum tragen Sie das Halsband nicht?« Sie seufzte. »Ich treffe mich nicht mehr mit ihm.« Er musste sich sehr zusammenreißen, um eine Reaktion auf diese Information zu unterdrücken. Er hatte das zwar schon vermutet, aber keine voreiligen Schlüsse ziehen wollen. »Was ist passiert?« Sie entzog ihm ihre Hand und ließ sie auf ihren Schoß fallen. Sie hielt den Blick gesenkt und vermied es stetig, ihm ins Gesicht zu sehen. Er wartete und ließ sie nicht vom Haken. Das hier war zu wichtig. Er wollte alles wissen. »Haben Sie den Schlussstrich gezogen oder er?«, fragte er schließlich. »Ich.« »Wollen Sie mir sagen, warum? Was ist passiert, Josie?« Ihr Kopf fuhr hoch und sie sah ihn mit blitzenden Augen an. »Sie sind passiert, Ash, Sie.« 7 Ashs Überraschung war nicht gespielt. Ihr Ausbruch hatte ihn vollkommen unvorbereitet getroffen. Er runzelte die Stirn und beugte sich noch weiter über den Tisch. Er hielt ihre eine Hand und bedeckte nun auch die andere mit seinen Fingern, ließ seine Handfläche über ihre Knöchel streichen. Der Mann war gefährlich. Jede seiner Berührungen war eine Verführung, und sie bezweifelte, dass er das überhaupt wusste. Oder vielleicht wusste er es doch. Vielleicht wusste er ganz genau, was er tat. »Ich bin nicht passiert«, sagte er leise. »Denn wenn ich passiert wäre, lägst du jetzt in meinem Bett.« Seine Stimme war nur noch ein heiseres Knurren, das über ihre Haut strich, bis sich ihre Nackenhaare aufrichteten. Sie versuchte, ihm ihre Hände zu entziehen, doch er hielt sie fest. »Du bist passiert«, widersprach sie ihm. »An jenem Tag im Park. Du hast mich alles infrage stellen lassen. Und die Antworten haben mir nicht gefallen.« »Die da wären?« Sie wand sich verlegen, weil er nicht lockerließ. Sie wollte diese Unterhaltung nicht führen. Sie war ihr zu intim. Dabei kamen zu viele Dinge zum Vorschein. Ash war ein Mensch, der die ganze Hand nahm, wenn man ihm den kleinen Finger reichte. »Was habe ich dich infrage stellen lassen, Josie?« Er würde zweifelsohne nicht lockerlassen. »Die Dinge, für die das Halsband stand«, lenkte sie schließlich ein. »Was meinst du damit?«, hakte er sanft nach. Sie atmete tief durch. »Die Sachen, die du gesagt hast … was das Halsband für dich bedeuten würde und was es für mich bedeuten sollte. Das habe ich verstanden. Hinterher. Ich habe viel darüber nachgedacht. Und dann bin ich zu Michael gegangen, um herauszufinden, was für eine Bedeutung das Halsband für ihn hat. Er hat nicht einmal bemerkt, dass ich es nicht trug. Tja, vielleicht täusche ich mich ja, aber ich dachte eigentlich, dass es dem Mann nicht gefällt, wenn die Frau das Halsband abnimmt. Ich meine, falls es all das bedeutet, was du angedeutet hast.« »Du täuschst dich nicht«, sagte Ash. »Für ihn ist es ein Spiel. Vielleicht war es das für mich auch«, wisperte sie. »Er meinte, ich würde alles viel zu ernst nehmen. Dass das Halsband ein Scherz wäre und keine Bedeutung hätte. Es ist, als hätte er nur ein Rollenspiel veranstaltet, nichts von alledem war echt. Und als mir das klar wurde, erkannte ich auch, dass ich keine Spielchen will. Aber gleichzeitig weiß ich auch nicht, ob ich so etwas in echt möchte. Ich glaube … mit dir … wäre es vollkommen anders. Ich meine, mit einem Mann wie dir.« »Natürlich hat so ein Halsband eine Bedeutung«, knurrte Ash mit finsterer Miene. »Und mit mir wäre es auf jeden Fall anders. Und weißt du was? Es wäre echt. Und es würde etwas bedeuten.« »Was würde es bedeuten?«, fragte sie mit zitternden Lippen, während sie seinen durchdringenden Blick erwiderte. »Es würde bedeuten, dass du mir gehörst. Nur mir. Es würde bedeuten, dass du dich mir unterwirfst. Dass ich für dich sorgen würde, dich unterstützen und mit dir schlafen würde.« Er konnte nicht wissen, welche Wirkung seine Worte auf sie hatten. Sie drangen tief in ihr Innerstes und rührten eine Seite von ihr, deren Existenz sie nicht einmal geahnt hatte. Mit Michael war es nur ein Spiel gewesen, das war ihr jetzt klar. Zwei Menschen, die eine Rolle spielten … nur so taten, als ob, weil es sie erregte. Das war nicht verwerflich, doch es war nicht das, was sie wollte. Aber die Vorstellung, mit Ash zusammen zu sein, ihm in der von ihm beschriebenen Weise zu gehören, machte ihr Angst. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes von ihm überwältigt. »Ich glaube, du weißt, dass ich dich will, Josie. Ich habe sicher kein Geheimnis daraus gemacht. Die Frage ist, ob du mich willst oder nicht, und was ich dir geben kann. Denk aber auch an all das, was ich mir nehmen würde. Denn ich nehme viel. Ich gebe mehr, nehme aber alles.« Sie schluckte, und ihre Hände zitterten unter seinen. Er legte seine Finger fester um ihre Hände und drückte sie leicht. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« »Sag, dass du darüber nachdenken wirst«, erwiderte er leise. »Gib mir zumindest das.« Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen, und ihre Brust hob und senkte sich im Rhythmus ihres schnellen Atems. Das Versprechen, darüber nachzudenken, war keine Zusage. Und es bedeutete nicht, dass sie es durchziehen musste. Aber sie brauchte auf jeden Fall Zeit, um über die Situation nachzudenken, in die sie sich damit brachte. »Ich werde darüber nachdenken«, stimmte sie schließlich zu. Seine Augen leuchteten befriedigt, nein, triumphierend auf. Er verhielt sich so, als hätte sie schon ihr Einverständnis erklärt. Vielleicht glaubte er ja, das hätte sie mit ihrer Antwort, darüber nachzudenken, gegeben. Vielleicht wollte er ein Nein als Antwort auch einfach nicht hinnehmen. Der Kellner kam mit dem Essen. Ash schwieg, bis die Teller vor ihnen standen und der Kellner wieder weg war. »So, jetzt erzähl mir mehr über dich. Du bist offensichtlich Künstlerin.« Sie nickte und bemerkte, dass das Essen, das sie sich in den Mund schob, vollkommen geschmacklos war. Das Steak roch herrlich und war so zart, dass sie es mit ihrer Gabel hätte zerteilen können. Doch kaum lag es auf ihrer Zunge, waren alle Geschmacksempfindungen weg. Sie war viel zu konzentriert auf Ash und den Vorschlag, den er ihr gemacht hatte. »Kannst du davon leben?«, fragte er. Das war eine sehr persönliche Frage, andererseits schien Ash nicht der Typ Mensch zu sein, der Grenzen respektierte oder besonderen Wert auf Schicklichkeit und Anstand legte. »Jetzt schon besser«, sagte sie zögerlich. »Aber eigentlich habe ich immer davon leben können. Es ist zwar nicht einfach, doch ein Job mit einer geregelten Arbeitszeit ist nichts für mich. Ich habe es ausprobiert. Meine Kunst gibt mir viel mehr. Ich habe hin und wieder ein Bild verkauft, außerdem entwerfe ich Schmuck, den ich über das Internet verkaufe. Es reicht, um die Miete zu bezahlen. Meistens«, fügte sie hinzu und verzog das Gesicht. »Diesen Monat war es sehr eng. Die Anzahl an Bestellungen übers Internet, die normalerweise regelmäßig reinkommen, war zurückgegangen, und ich hatte sechs Wochen lang keines der Bilder, die ich in einer Galerie ausstelle, verkauft. Deshalb bin ich zum Pfandhaus gegangen, um den Schmuck meiner Mutter zu verkaufen. Das war schrecklich für mich, aber ich sah keine andere Möglichkeit, meine Rechnungen zu bezahlen. Ich hätte die Stücke beleihen können, aber das hätte mir auch nicht geholfen, wenn ich kein Geld gehabt hätte, um ihn wieder auszulösen, und dazu noch die Zinsen hätte bezahlen müssen.« »Wo zum Teufel war Michael während dieser Zeit?«, wollte Ash wissen. Die Heftigkeit in seiner Stimme und die Wut, die sie in seinen Augen funkeln sah, ließen sie zusammenfahren. »Ich weiß nicht genau, was du meinst.« Ashs Lippen zuckten vor Verärgerung. »Du hattest finanzielle Probleme, die dich dazu zwangen, den Schmuck deiner Mutter zu verkaufen, an dem du offensichtlich sehr hängst. Ansonsten hättest du die Miete nicht zahlen können und wärest ziemlich schnell auf der Straße gelandet. Michael hätte dir helfen müssen.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. So ist das nicht. Ich will nicht, dass er mich unterstützt. Er verdient gut, aber das spielte in unserer Beziehung keine Rolle. Ich hätte kein Geld von ihm annehmen können. Das wäre ja, als würde er mich für den Sex bezahlen.« Ash wirkte jetzt noch ärgerlicher. »Deine Gedankengänge sind wirklich seltsam, Josie. Wenn du die Wahl hast, entweder auf der Straße zu landen oder Geld von einem Mann anzunehmen, der sich wirklich besser um dich hätte kümmern müssen, dann ist es doch außerhalb jeglicher Diskussion, dass er dich unterstützen muss. Du hättest nicht einmal darum bitten müssen. Wenn er mit dir zusammen war, wenn er dein Dom war und deshalb eigentlich alles über dich wissen müsste, wäre ihm klar gewesen, dass du in Schwierigkeiten steckst. Er hätte wissen müssen, dass du zu einem verdammten Pfandleihhaus rennst, um über die Runden zu kommen. Und dann hätte er verdammt noch mal einschreiten und sich um dich kümmern müssen. Wenn er sich richtig um dich gekümmert hätte, wäre es dir nicht unangenehm gewesen, dir von ihm helfen zu lassen. Du sollst dem Mann völlig vertrauen, dem du dich unterworfen hast. Und er soll das wertschätzen, indem er dafür sorgt, dass du keine Sorgen hast … weder finanzielle noch sonst welche.« »So habe ich das wohl nie gesehen«, murmelte sie. »Ab jetzt wirst du es so sehen«, sagte er. Die Entschlossenheit, die in seiner Stimme mitschwang, ließ sie verstummen. Er war sich seiner selbst so sicher. Er war sich ihrer so sicher … war sich sicher, dass es irgendwann ein »Wir« geben würde. »Wie ist dein Essen?«, fragte er und lenkte damit das Gespräch in eine völlig andere Richtung. Sie starrte auf ihren Teller und stellte fest, dass sie ihr Steak zur Hälfte gegessen hatte, ihr die Erinnerung daran aber völlig fehlte. »Es ist gut«, erwiderte sie schnell. »Wirklich hervorragend. Ich war hier noch nie, es entspricht irgendwie nicht meiner Gehaltsklasse. Warum hast du dich für gerade dieses Restaurant entschieden?« Er lächelte. »Dieses Hotel gehört mir. Und es beherbergt ein Restaurant, in dem ich gerne esse. Ich freue mich, dass das Steak dir schmeckt.« Sie sah ihn mit offenem Mund an. »Dieses Hotel gehört dir?« Er sah sie erstaunt an. »Du klingst überrascht. Ich habe dir doch erzählt, dass meinen Partnern und mir mehrere Hotels gehören.« »Ich dachte, du meinst eine Hotelkette oder irgendetwas Kleines. Dieses Hotel ist aber …« Sie suchte nach dem richtigen Wort, um nicht völlig dämlich dazustehen. »Ist aber was?«, fragte er. »Es ist so schick und offensichtlich auf reiche Gäste ausgerichtet. Ich dachte irgendwie, dass du etwas weniger Bombastisches besitzt«, murmelte sie. »Stört dich das?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Es hat mich einfach nur überrascht. Also, du wirkst schon reich, aber vielleicht habe ich nicht geglaubt, dass du so erfolgreich bist.« »Und jetzt befürchtest du, dass du zu einer Frau wirst, die nur auf Geld aus ist, wenn du auf meinen Vorschlag eingehst?« Er hatte ins Schwarze getroffen. Der Mann konnte ihre Gedanken viel zu gut lesen. »Sagen wir einfach, du bist ein paar Nummern zu groß für mich. Jeder, der uns sieht, würde mich sofort als Opportunistin abstempeln. Keiner würde je glauben, dass ich nicht wegen des Geldes mit dir zusammen bin.« »Wärest du das denn?«, fragte er unverblümt. Es war ihr unmöglich, ihre Reaktion darauf zu unterdrücken. Ihre Lippen wurden schmal, und sie verzog entrüstet den Mund. »Natürlich nicht! Ich brauche deine Unterstützung nicht, und ich will sie auch nicht, Ash. Ich will dein Geld nicht. Ich will …« Entsetzt unterbrach sie sich, als sie merkte, was ihr fast über die Lippen gekommen wäre. Aber Ash war es nicht entgangen, und sein Blick wurde wenn möglich noch durchdringender. »Was willst du?« »Dich«, flüsterte sie. »Nur dich.« Seine Augen glänzten vor Befriedigung, und langsam breitete sich ein Lächeln um seine Lippen aus. »Dann musst du auf den Handel eingehen, Josie. Denn wenn du mich nimmst, musst du auch alles nehmen, was ich geben kann, und es wird mich nicht glücklich machen, wenn du irgendetwas ablehnst, was ich dir geben oder für dich tun will. Solange du und ich wissen, worum es uns geht, ist es mir scheißegal, was andere denken, und dir sollte es genauso gehen.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und erinnerte sich an die Worte, die er zuvor gesagt hatte. Schon da hatte sie ihn fragen wollen, doch der Moment war ihr nicht richtig erschienen, und dann war das Essen gekommen. Aber die Frage brannte ihr unter den Nägeln, und sie musste die Antwort unbedingt herausfinden. »Du hast vorhin gesagt … ich meine, als du sagtest, dass du geben, aber auch nehmen würdest. Viel nehmen würdest. Was meintest du damit?« »Alles«, erwiderte er unverblümt. »Du in meinem Bett. Immer um mich herum. Unter meinem Schutz. Ich nehme alles, Josie, und du gibst.« »Das klingt nicht sonderlich ausgeglichen«, murmelte sie. »Nichts, was ich dir gebe, ist vergleichbar mit dem Geschenk deiner Unterwerfung. Dem mir geschenkten Vertrauen. Nichts ist wertvoller als das, und diese Art Geschenk kann man nicht mit einem Preisschild versehen. Ich werde meine gesamte Zeit damit verbringen, es ausgleichen zu wollen, denn natürlich ist es nicht ausgeglichen. Was du mir geben würdest, übersteigt alles, was ich dir jemals geben könnte.« »Würdest du mir denn nicht auch dich selbst schenken? Du hast doch gesagt, ich würde mich dir geben, aber du würdest dich im Gegenzug auch mir geben, oder?« Er schwieg einen Moment und sah ihr dabei weiter tief in die Augen. »Du bekommst mich. Alles von mir. Was ich bereit bin, dir zu geben. Nicht mehr. Und das musst du begreifen. Wenn dich das stört, musst du mit mir verhandeln oder eine Entscheidung treffen, denn mehr kann ich dir nicht geben.« Sie dachte lange über seine Worte nach und hob dann wieder den Blick. Sie runzelte die Stirn, als sie zu ihrer nächsten Frage, oder eher Bedingung, ansetzte. Er würde das, was sie zu sagen hatte, vielleicht nicht gut aufnehmen, aber sie würde das Vorhaben nicht einmal ansatzweise in Erwägung ziehen können, wenn er es ablehnte. »Ich werde dich nicht mit anderen Frauen teilen«, erklärte sie. »Was ich sagen will … wenn wir das hier machen, werde ich nicht dulden, dass du auch mit einer anderen Frau zusammen bist. Ich weiß nicht, wie so etwas läuft. Ob du andere Frauen hast. Aber ich will mir nie Gedanken darüber machen müssen, dass du mit einer anderen zusammen bist. Denn wenn ich dir alles gebe, was du willst, insbesondere mein Vertrauen, dann erwarte ich von dir, dass du mir treu bist, so lange das Ganze währt.« »Ich habe nicht die Absicht, mit einer anderen Frau zu schlafen oder überhaupt mit einer anderen Frau zusammen zu sein, wenn ich dich habe. Warum sollte ich eine andere brauchen, wenn du dich mir unterwirfst und in meinem Bett bist? Ich würde dich nie mit einer solchen Geringschätzung behandeln, Josie. Von allem, was ich dir sonst gebe, wird Respekt an erster Stelle stehen. Ich werde mich um dich kümmern, dich beschützen und dich liebevoll umsorgen. Keine andere Frau wird all das von mir bekommen.« Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Er klang so … bestimmt. Als wäre ihre Beziehung bereits eine vollendete Tatsache. Er beugte sich vor, und sein Blick wurde noch durchdringender, seine Stimme … verführerischer. Als wünschte er, dass sie jetzt schon eine Entscheidung fällte, statt sich Zeit zu nehmen, darüber nachzudenken. »Über eine Sache musst du dir klar sein. Ich bin nicht mehr wert als du, Josie. Mir ist bewusst, dass es ein Machtgefälle in der Beziehung geben wird, das zu meinen Gunsten ausfällt. Aber das bedeutet nicht, dass ich mehr wert bin. Niemals. Das Verhältnis ist zwar unausgewogen, doch ohne dich gäbe es die Gleichung gar nicht. Senk also nie den Blick. Hab nie das Gefühl, du wärest etwas Geringeres, denn das würde mich wahnsinnig machen. Du sollst nie vor mir kriechen, außer dann, wenn ich will, dass du vor mir in die Knie gehst, um mich mit deinem Mund zu verwöhnen. Ich fälle die Entscheidungen. Du gehorchst mir. Aber dadurch stehe ich nicht über dir und du unter mir. Es macht dich zum wichtigsten Teil in unserer Beziehung. Und deine Macht über mich ist viel größer als die Macht, die ich vermeintlich über dich habe. Du willst wissen, was ich dir gebe und was du mir gibst. Dir geht es gut ohne mich. Du kommst auch allein zurecht. Das hast du bewiesen. Doch ich habe ohne dich nichts, denn Geld, Einfluss und Macht sind bedeutungslos, wenn man diese Dinge nicht mit jemandem teilen kann. Deshalb brauche ich dich vielleicht sogar mehr, als du mich brauchst. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht alles in meiner Macht Stehende tun werde, um dafür zu sorgen, dass du mich genauso sehr brauchst, wie ich dich brauche.« Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen angesichts seiner leidenschaftlichen Rede. Heiliger Strohsack! Meinte er das wirklich? Alles? »Du brauchst mich?«, hauchte sie. Er ließ ihre Hand los, lehnte sich zurück und fuhr sich mit seiner aufgeregt durchs Haar. »Ich kann es nicht erklären. Das, was da mit uns passiert. Aber ja … ich brauche dich. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob brauchen das richtige Wort dafür ist, denn es beschreibt nur ansatzweise dieses wahnsinnige Verlangen, mit dir zusammen zu sein … dass du dich mir unterwirfst. Das habe ich noch nie mit einer Frau erlebt. Ich wünsche es mir natürlich. Ich will es haben. Ich genieße es. Aber mit dir brauche ich es, und wenn ich es nicht bekomme, verliere ich noch den Verstand. Also ja, ich brauche dich, Josie. Und das ist vorsichtig ausgedrückt. Und wenn dir das Angst macht, tut es mir leid, aber anders kann ich nicht mit dir sein. Ich bin vollkommen ehrlich zu dir. Ich werde nicht versuchen, dich zu überwältigen, aber ich kann mir das Zusammensein mit dir nur auf eine einzige Art und Weise vorstellen. Vollkommen und ohne Kompromisse.« Sie war sprachlos. Sie hatte keine Ahnung, was sie darauf hätte erwidern können. Das war doch Wahnsinn. Das alles. Sie hatten einander vor dem heutigen Abend nur zwei Mal gesehen. Wie konnte er so überzeugt davon sein, dass er sie brauchte, wo sie doch fast nichts voneinander wussten? Aber was das betraf … wie konnte sie das Gefühl haben, ihn zu brauchen? »Es gibt noch etwas, das du wissen musst«, sagte er, ehe sie etwas erwidern konnte. »Ich befasse mich nicht mit Fantasien, Josie. Ich befasse mich mit der Realität. Und vielleicht sind deine Fantasien meine Realität, und das ist in Ordnung, solange du weißt, dass die Fantasie am Ende des Tages Realität wird. Was wir tun, ist real. Es ist da. Unumstößlich. Es wird nicht morgen oder in einer Woche verschwinden. Du musst dir sicher sein, dass du damit zurechtkommst, weil ich dir deine Fantasien geben werde. Ja. Aber sie werden real sein. Nicht ausgedachte Geschichten, die nur in deinem Kopf existieren. Bist du dazu bereit? Kommst du damit klar, dass es real und dauerhaft sein wird?« »Aber wie? Mir ist schon klar, was du mit dem Unterschied zwischen Fantasie und Realität meinst. Ich habe begriffen, dass Michael offensichtlich nur Spielchen wollte. Mit ihm war es nicht real, und ich habe gemerkt, dass ich keine Spielchen wollte. Aber wenn noch nicht einmal ich selbst eigentlich weiß, was ich will, wie kannst du dann meinen, es zu wissen?« Er lächelte und streckte den Arm aus, um seine Hand wieder auf ihre zu legen. »Das ist meine Aufgabe. Deine Aufgabe ist es, dich zu unterwerfen, dich voll und ganz hinzugeben. Mein Job ist es, auf deine Wünsche und Bedürfnisse einzugehen und sie besser zu kennen als meine eigenen.« »Das klingt zu gut, um wahr zu sein«, musste sie zugeben. »Wer sagt denn, dass es keine Fantasie ist, dass es mit dir real sein wird? Es klingt wie eine Fantasie.« »Das wirst du erst erfahren, wenn du den Sprung wagst. Aber du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass es kein Spiel ist. Wenn du dich mir unterwirfst, wirst du wissen, dass es real ist. Kein Theater, keine Spielchen. Das wirst du instinktiv spüren. Das garantiere ich dir.« Fast hätte sie Ja gesagt und den Sprung gewagt, wie er es nannte. Aber es wäre dumm von ihr, sich nicht die Zeit zu nehmen, um in Ruhe darüber nachzudenken; vorzugsweise, wenn er ihr nicht direkt gegenübersaß und sie mit jedem Blick, jeder Berührung und jedem Wort, das seinen Mund verließ, verführte. Es bestand kein Zweifel daran, dass er eine Saite an ihr berührte, die noch nie zum Klingen gebracht worden war. Er ließ sie sich Dinge wünschen, die sie noch nie in Erwägung gezogen hatte. Sie war sich im Klaren darüber, dass eine Beziehung mit ihm vollkommen anders als die mit Michael sein würde. Und sie war sich nicht sicher, ob sie damit fertigwerden würde. Ash besaß eine überwältigende Präsenz. Er machte ihr Angst und faszinierte sie im ständigen Wechsel. »Ich werde darüber nachdenken«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. »Ich brauche Zeit, Ash. Das ist … schwer. Das ist eine große Entscheidung, und die kann ich nicht einfach so fällen. Ich will mich nicht vorschnell mit allem einverstanden erklären und dann plötzlich vor den Bedingungen unserer Beziehung zurückscheuen. Das hätte wenig mit Respekt dir gegenüber zu tun. Wenn ich darauf eingehe, muss ich wissen, dass ich in der Lage bin, dir all das zu geben, was du willst.« »Ich werde dir Zeit lassen«, sagte er. »Ich hoffe, dass du nicht zu lange brauchst, um zu einer Entscheidung zu gelangen, aber du sollst auch wissen, dass es für deine Entscheidung keine zeitliche Begrenzung gibt. Ich werde nicht nach einer Woche irgendetwas mit einer anderen Frau anfangen, nur weil du mir noch keine Antwort gegeben hast. Du sollst wissen, dass es keine andere Frau gibt. Keine, die ich in Erwägung ziehen würde. Außerdem sollst du wissen, dass ich dieses Angebot nicht leichtfertig mache. Ich habe tatsächlich noch nie eine Frau um eine solche Beziehung gebeten.« Sie runzelte die Stirn. »Aber du hast doch gesagt, dass du so bist. Wie kann es also sein, dass du noch nie eine Frau um diese Dinge gebeten hast? Ich bezweifle, dass du immer keusch gewesen bist.« Er lachte. »Nein, bestimmt nicht. Die Frauen, mit denen ich zusammen war, wussten, worum es ging. Sie wussten, was ich erwartete und was ich nehmen würde. Aber ich habe noch nie eine richtige Beziehung in Erwägung gezogen, immer wussten beide, dass es nichts Dauerhaftes sein würde. Was ich nicht als eine richtige Beziehung bezeichnen würde.« »Mit mir würde es also etwas Dauerhaftes sein?«, fragte sie und brachte damit vielleicht ihre größte Angst zum Ausdruck. Dass er sich innerhalb kürzester Zeit mit ihr langweilen und einfach zur Nächsten übergehen würde. Aber was erwartete sie eigentlich? Worum bat sie da? Um etwas Langfristiges? Wie konnte sie ihn um so etwas bitten, wenn sie selber gar nicht wusste, ob sie etwas Dauerhaftes wollte? Das war ein großer Sprung. Möglicherweise kam sie mit seinen Forderungen gar nicht zurecht. Trotzdem bereitete ihr die Vorstellung, dass er vielleicht nur ein kurzes Techtelmechtel wollte, Unbehagen. »Ich kann dir nicht mit Bestimmtheit sagen, was du sein wirst, Josie«, erklärte er mit ruhiger Stimme. »Das Einzige, worin ich mir sicher bin, ist, dass du bestimmt nichts Vorübergehendes sein wirst. Ich habe vor, lange mit dir zusammenzubleiben. Und vielleicht fühlst du dich ja besser, wenn ich dir sage, dass ich noch nie eine Frau um etwas gebeten habe, das mehr als ein paar Wochen dauerte. Und keine dieser Frauen hat mich so gefesselt, wie du es jetzt schon tust.« Wärme durchströmte sie, sie war vollkommen erfüllt von Freude. Das war doch idiotisch – diese Freude, dass sie ihm mehr bedeutete als jede andere Frau. Aber welcher Frau gefiel dieses Gefühl nicht, im Hinblick auf den Mann, mit dem sie zusammen war? Unabhängig davon, wie ihre gemeinsame Zukunft und die Beziehung, die sie miteinander eingingen, aussehen würden, beruhigte sie der Gedanke, dass er aus irgendeinem Grund das, was er für sie fühlte, noch nie mit einer anderen Frau erlebt hatte. »Ich werde nicht lange brauchen«, sagte sie. »Gib mir nur ein paar Tage, um mir alles reiflich zu überlegen.« Er nickte. »Sehr schön. Ich gebe dir meine Handynummer. Ruf mich an, wenn du über alles, was ich dir gesagt habe, nachgedacht hast, und dann essen wir bei mir zu Hause. Falls du dich einverstanden erklärst, werden wir dabei die Bedingungen – oder eher meine Erwartungen – besprechen.« Sie runzelte die Stirn. »Sollten wir das nicht tun, bevor ich meine Entscheidung fälle?« Er lächelte. »An diesem Punkt kommt die Sache mit dem Vertrauen ins Spiel, Josie. Denk an meine Erklärung, wie es sein wird. Und wenn du dann Ja sagst, werden wir die intimeren Details unseres Arrangements besprechen.« 8 Ash hasste es, warten zu müssen. Vor allem auf jemanden, den er begehrte. Er war daran gewöhnt, das zu bekommen, was er wollte. Das Wörtchen Nein befand sich nicht in seinem Wortschatz, und je mehr Zeit verstrich, seit er mit Josie zu Abend gegessen hatte, desto unruhiger wurde er. Nicht einmal die Sache mit Brittany konnte ihn von Josie ablenken. Sie beherrschte sein gesamtes Denken. Seine Schwester hatte sich in ihrer Wohnung eingerichtet und ihre Stelle in der Verwaltung im Bentley angetreten. Sie schien ihre Sache gut zu machen, der Leiter des Hotels war mit ihrer bisherigen Leistung zufrieden. Seinen regelmäßigen Berichten zufolge war sie pünktlich und fleißig und schien entschlossen voranzukommen. Auf das heutige Abendessen mit Brittany hätte Ash sich daher gefreut, wenn er nicht immer noch auf eine Antwort von Josie warten würde. Eine ganze Woche war seit ihrem gemeinsamen Abendessen vergangen, dabei war er eigentlich davon ausgegangen, nach wenigen Tagen von ihr zu hören. Er hatte es in ihrem Blick gesehen. Sie war fasziniert. Sie fühlte sich zweifelsohne zu ihm hingezogen. Und das, was er ihr bieten wollte, schien ihr zu gefallen. Warum also brauchte sie für ihre Antwort so verdammt lange? Würde sie ihm überhaupt noch eine geben? Vielleicht hatte sie sich den Gedanken an eine Beziehung mit ihm ja zu Hause sofort wieder aus dem Kopf geschlagen. Er wusste, dass er sie gleich an dem Abend ihrer Verabredung zu einer Antwort hätte drängen sollen. Sie hatte kurz davor gestanden, seinem Vorschlag zuzustimmen, das hatte er in ihren Augen und an ihrer gesamten Körpersprache lesen können. Ob bewusst oder unbewusst, sie begehrte ihn, und sie wollte die Art von Beziehung, die er vorschlug. Die Situation war ihm vollkommen fremd. Er hatte noch nie warten müssen, weil eine Frau sich erst darüber klar werden wollte, ob sie überhaupt mit ihm zusammen sein wollte. Die Frauen, mit denen er bisher zusammen gewesen war, hatten nie auch nur eine Minute gezögert. Sie waren alle ganz erpicht auf seine Gesellschaft gewesen, für sie war der Gedanke an die Dauer dieser Liaison immer zweitrangig gewesen. Dabei hatte es in der Tat mehrere Frauen gegeben, die nicht hatten wahrhaben wollen, dass es vorbei war. Die letzte Frau, mit der er und Jace zusammen gewesen waren – Bethany nicht mitgerechnet –, hatte die Beendigung des Techtelmechtels überhaupt nicht gut aufgenommen. Außer sich vor Wut war sie in die Rolle der verschmähten Frau geschlüpft, obwohl Jace und er von Anfang an deutlich gemacht hatten, dass die Sache zeitlich begrenzt sein würde. Er ließ den gemeinsamen Abend mit Josie noch einmal Revue passieren. Sicher, er war zweifelsohne sehr direkt und schonungslos vorgeprescht. Vielleicht hatte er sie damit verschreckt, vielleicht war er die Sache zu forsch angegangen. Aber sie sollte von Anfang an wissen, worauf sie sich einließ. »He, du.« Ash schaute auf und sah Jace in der Tür zu seinem Büro stehen. Ash winkte ihn herein, und sein Freund schloss die Tür hinter sich, bevor er Richtung Tisch schlenderte. »Du bist in letzter Zeit so still. Stimmt irgendetwas nicht? Wie hat deine Familie darauf reagiert, dass Brittany zu dir übergelaufen ist?« Ash verdrehte die Augen. »Vorhersehbar.« »Will sagen?« Jace nahm Ash gegenüber Platz und sah ihn forschend an. »Ach, du kennst doch meine Eltern. Mein Vater ist so ein rückgratloser Waschlappen, der tut und sagt überhaupt nichts, er tanzt einfach nur nach der Pfeife meiner Mutter. Was sie sagt, wird gemacht.« »Haben sie ihr Ärger gemacht?«, fragte Jace mit finsterer Miene. »Ja. Sie sind in der Wohnung aufgetaucht, die du ihr zur Verfügung gestellt hast, und haben ihr befohlen, mit nach Hause zu kommen. Sie haben ihr vorgeworfen, dass sie sich wie ein Kind aufführt, stell dir das mal vor … Wir reden von einer dreißigjährigen Frau, der meine Mutter da die Leviten lesen wollte! Als Brittany sich weigerte, wollte meine Mutter wissen, wie sie an die Wohnung gekommen ist und wovon sie lebt. Brittany hat ihr geantwortet, dass die Wohnung sie nichts angeht und dass sie so wie die meisten Leute für ihren Lebensunterhalt sorgt: indem sie arbeitet.« Jace lachte leise. »Gut gemacht. Ich hätte nicht gedacht, dass sie es jemals schafft, der Hexe die Stirn zu bieten.« »Um ehrlich zu sein, ich auch nicht«, gestand Ash. »Aber sie scheint wirklich fest entschlossen, sich von der Familie zu lösen. Ich bin stolz auf sie. Meine Mutter kann sehr einschüchternd sein, und man darf nicht vergessen, dass Brittany bis vor Kurzem immer das getan hat, was unsere Mutter wollte. Ohne es überhaupt infrage zu stellen.« »Die Umstellung fällt ihr bestimmt schwer«, meinte Jace mitfühlend. »Ich esse heute mit ihr zu Abend. Hast du Lust, mit Bethany dazuzustoßen? Ich fände es schön, wenn Brittany Bethany kennenlernen würde, sie hat keine richtigen Freundinnen. Diese Frauen waren nie echte Freunde, und Brittany weiß das auch. Wenn es hart auf hart kommt, kommen sie nicht gerade angerannt, um ihr zu helfen. Sie haben sie wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen.« »Klar hätte ich Lust. Ich rufe Bethany an und frage sie, ob wir schon was anderes vorhaben, ansonsten kommen wir gern.« »Danke. Ich freue mich auf die Ablenkung.« Er bemerkte zu spät, wie verräterisch diese Bemerkung war. Unter keinen Umständen wollte er mit Jace über dieses Thema reden, der mit Sicherheit darauf herumreiten würde. »Brauchst du Hilfe bei irgendwas?«, fragte Jace mit sorgenvoll zusammengezogenen Brauen. »Nein. Es sei denn, du kannst mir verraten, wie man eine Frau dazu bringt, Forderungen zuzustimmen.« Jace war sichtlich erstaunt. »Es geht um eine Frau? Erzähl. Die muss ja ganz schön was zu bieten haben.« »Es ist kompliziert«, brummte Ash. »Sie ist schwierig.« Jace lachte. »Zeig mir eine Frau, die das nicht ist!« »Bethany«, erwiderte Ash. »Du bist echt ein Glückspilz. Sie würde dir die Sterne vom Himmel herunterholen, und das weißt du auch.« »Was für Probleme hast du denn mit deiner aktuellen Flamme?« Ash sah ihn finster an. »Das ist es ja gerade. Sie ist nicht irgendeine Frau. Ich weiß es einfach nicht. Sie berührt mich auf eine Weise, wie ich es noch nie mit einer Frau erlebt habe.« »Oh, verdammt. Es ist passiert«, grinste Jace. »Den arroganten Mistkerl, der mir und Gabe so viel Kummer bereitet hat, hat es erwischt! Und es klingt fast so, als beruhe das nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit.« Ash zeigte ihm den Mittelfinger. »Dafür ist es noch zu früh. Sie fasziniert mich einfach nur. Ich will sie«, erklärte er unverblümt. »Und ich werde alles dafür tun, sie in mein Bett zu bekommen. Das Problem ist nur, dass sie sich nicht gerade überschlägt vor Eifer, dort hineinzukrabbeln.« »Na, das ist doch schon fast lustig … Normalerweise bringen sich die Frauen doch fast um für einen Aufenthalt in deiner Nähe. Du bist von uns dreien ja auch wirklich der Charmanteste, und nicht so ein sturer Hund wie Gabe oder ich.« Ash konnte ein Schnauben nur schwer unterdrücken. Seine Freunde unterlagen einem traurigen Irrtum. Er mochte vielleicht locker und umgänglich wirken, aber das änderte sich, wenn es um Frauen ging und um das, was er wollte, was er brauchte. Dann verschwand der Charme, und er war längst nicht mehr so umgänglich. Es war Jahre her, seit er diese Seite von sich mit einer Frau ausgelebt hatte. Er erinnerte sich immer noch voller Zuneigung an sie. Er hatte damals gerade die dreißig überschritten, sie war ein paar Jahre jünger als er. Sie hatten beide die gleichen Dinge gewollt und genossen, und als er sich ihr schließlich so gezeigt hatte, wie er war, war sie nicht vor ihm zurückgescheut. Er dachte immer noch gelegentlich an Cammie. Wo sie wohl lebte? Ob sie geheiratet und Kinder bekommen hatte? Er fragte sich, ob sie einen Mann gefunden hatte, der ihre unterwürfigen Neigungen befriedigte. Sie hatten sich damals in Freundschaft voneinander getrennt. Sie hatte mehr gewollt, als er ihr geben konnte. Damals war er noch fest mit der Firma verheiratet gewesen und hatte hart gearbeitet, um HCM zu dem zu machen, was es heute war. Sie wollte heiraten und eine Familie gründen, den amerikanischen Traum leben. Ash war dazu nicht bereit gewesen. Nicht dass ihm der Gedanke, sie zu heiraten, zuwider gewesen wäre. Sie war eine wunderschöne Frau, er hatte es genossen, mit ihr zusammen zu sein. Er hätte sich sogar in sie verlieben können, das wusste er. Aber er hatte noch warten wollen, wollte die Entscheidung erst treffen, wenn er sich absolut sicher sein konnte, all ihre Bedürfnisse befriedigen zu können. Und jetzt? Sie alle hatten den Punkt erreicht, an dem die Karriere nicht mehr im Vordergrund stand und sie sich entspannt anderen Dingen zuwenden konnten. Der nächste logische Schritt war wahrscheinlich, sich zu binden und zu heiraten. Gabe und Jace hatten den Sprung schon gewagt. Doch während sie jeweils die perfekte Frau gefunden hatten, die sie so akzeptierte, wie sie waren, und sie trotz ihrer Unvollkommenheit liebte, hatte Ash die Frau noch nicht kennengelernt, die sein Herz gefangen nahm, das bisher nur für seine Freunde und die Firma schlug. »Sie will mich«, sagte Ash. »Sie will das, was ich ihr geben kann, das sehe ich. Trotzdem zögert sie.« »Ich weiß, dass Geduld nicht zu deinen starken Seiten zählt, aber vielleicht ist jetzt der Moment gekommen, in dem du dich mit diesem Prinzip zumindest vertraut machen musst.« Ash reagierte mürrisch auf die Erheiterung, die in Jace’ Stimme mitschwang. Geduld? Die gehörte eindeutig nicht zu seinen Stärken. Und er würde ganz gewiss nicht ausgerechnet jetzt damit anfangen, sich eingehend mit diesem Prinzip zu beschäftigen. Nicht, wenn er etwas so dringend haben wollte wie Josie. Und er konnte es sich immer noch nicht erklären. Er war förmlich besessen von ihr. Sie war eine Obsession. Ein Begriff, den er eigentlich nur mit Jace in Verbindung brachte, wenn es um Bethany ging. Er selbst hatte Jace deswegen richtig zugesetzt. Er hatte es einfach nicht verstanden. Er hatte sogar versucht, es Jace auszureden, indem er so weit gegangen war, Bethany überprüfen zu lassen, um Jace dann vor ihr zu warnen. Das war nicht unbedingt einer seiner klügsten Schachzüge gewesen, denn Bethany hatte sich als das Beste erwiesen, was Jace je widerfahren war. Es war gut, dass er nicht auf Ashs Rat gehört hatte, und da Ash sich jetzt in einem ähnlichen Dilemma befand, konnte er Jace’ besondere Reaktion auf Bethany nun auch nachvollziehen. »Ich möchte dich etwas fragen«, sagte Ash ernst. »Damals am Anfang mit Bethany … Hast du dich da zurückgelehnt und gewartet, oder hast du das Kommando übernommen, bist ausgerückt und zum Angriff übergegangen?« Jace zuckte zusammen und verzog das Gesicht. »Am Anfang habe ich versucht, geduldig zu sein und das Ganze langsam angehen zu lassen. Aber das habe ich nicht lange durchgehalten. Ich wollte ihr Zeit geben, ihr Leben in den Griff zu bekommen, schließlich unterschieden sich ihre Lebensumstände stark von denen anderer. Der Gedanke, dass sie keine Unterkunft hatte, machte mich verrückt, und als ich sie in Mias Apartment untergebracht hatte, machte mich der Gedanke verrückt, dass sie nicht ständig mit mir zusammen war, obwohl wir uns jeden Tag sahen. Ich wollte sie in meiner Wohnung haben, ich hatte einfach nicht das Gefühl, dass sie mir wirklich gehörte, solange sie woanders wohnte. Es klingt verrückt, aber ich wollte wissen, wo sie war, jede Minute am Tag. Das hört sich verdammt nach Stalking an, ich weiß, und vielleicht war ich das ja auch, ein Stalker. Ich weiß es wirklich nicht. Ich wusste nur, dass ich sie bei mir haben wollte. Jeden Tag. In meiner Wohnung, wenn ich nach Hause kam. Jede Nacht in meinem Bett. Aber nicht in einer anderen Wohnung, aus der sie jederzeit hätte flüchten können, obwohl ich sie beschatten ließ.« »Tja, wenn ich mich recht erinnere, hat das nicht sonderlich gut geklappt«, meinte Ash trocken. »Ist sie nicht trotzdem entwischt und für ein paar Stunden verschwunden?« »Einen ganzen Tag lang war sie weg«, brummte Jace. »Himmel, ich dachte, sie hätte mich verlassen oder wäre ausgebrochen, dabei hat sie doch nur nach Jack gesucht. Allein der Gedanke, was ihr alles in den paar Stunden hätte passieren können, macht mich immer noch fertig.« »Ich habe das damals nicht verstanden«, gestand Ash. »Ich dachte, du hättest den Verstand verloren. Aber jetzt kann ich es nachvollziehen, weil es mir mit Josie genauso geht. Und es ist verrückt. Wir haben uns nur ein paar Mal gesehen und hatten erst eine einzige Verabredung, bei der wir mehr als ein paar Minuten miteinander verbracht haben. Ich könnte mir immer noch in den Hintern treten, dass ich sie bei diesem Abendessen nicht stärker bedrängt habe. Sie war kurz davor, auf meinen Vorschlag einzugehen, aber ich Esel habe mich zurückgehalten, weil ich sie nicht überfahren wollte. Deshalb bin ich auf ihren Wunsch eingegangen, in Ruhe darüber nachzudenken. Das ist jetzt eine ganze Woche her, und ich habe seitdem keinen Pieps von ihr gehört.« Jace’ Gesicht verzog sich vor Mitgefühl. »Und was hast du jetzt vor?« »Tja, heute Abend werde ich mit Brittany ausgehen – und mit dir und Bethany, wenn ihr es einrichten könnt. Aber ab morgen werde ich schweres Geschütz auffahren. Ich werde nicht einfach stillsitzen und geduldig abwarten. Wenn sie Nein sagt, will ich das aus ihrem Mund hören und nicht dieses endlose Schweigen ertragen müssen.« »Viel Glück, Ash. Ich hoffe, die Sache ist bald geregelt. Und auf die Gefahr hin, als Heuchler dazustehen, weil ich wegen der Nachforschungen über Bethany so sauer auf dich war … Hast du Josie überprüfen lassen?« Ash nickte. »Ja, habe ich. Gleich, nachdem ich sie kennengelernt hatte. Bisher habe ich keine Leichen in ihrem Keller entdecken können.« »Na gut, wenn ich irgendetwas tun kann, brauchst du mich nur zu fragen, aber das weißt du. Wenn du sie dazu gebracht hast, deinem Vorschlag zuzustimmen, müssen wir uns mal treffen, und wenn Gabe und Mia aus den Flitterwochen zurück sind, unternehmen wir alle zusammen etwas. Josie kann Mia und Bethany kennenlernen, die haben einen ganzen Sack voll netter Freundinnen. Und du weißt ja, was passiert, wenn die zusammen ausgehen?« Er verstummte, und ein breites, selbstgefälliges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ash hob abwehrend eine Hand. »Ich weiß, ich weiß. Du hast mich schon mehrfach mit deinen Geschichten über angeheiterte, verführerische Frauen in verführerischen Klamotten, die in diesen verführerischen Klamotten verführt werden wollen, erfreut. Du musst mich jetzt nicht noch mehr quälen.« Jace lachte und stand auf. »Ich rufe jetzt Bethany an und sage dir dann wegen heute Abend Bescheid. Wo und wann wollen wir essen? Ich muss sie informieren, damit sie sich darauf einstellen kann.« »Wie wäre es mit dem Bryant Park Grill gleich nach der Arbeit?« Jace nickte. »Klingt gut. Wir sehen uns dann wahrscheinlich heute Abend dort.« 9 Beim Abendessen war Brittany die Nervosität deutlich anzumerken, doch Bethany erwies sich wieder einmal als echter Schatz. Sie überspielte Brittanys Unbehagen und behandelte sie wie eine längst verloren geglaubte Freundin. Der Bryant Park Grill war wie jeden Tag zur Feierabendzeit gerappelt voll mit Geschäftsleuten, Anzugträgern und Frauen, die nach einem langen Arbeitstag einen Cocktail genossen. Das Restaurant war ein beliebter Feierabendtreff, doch aus diesem Grund hatte Ash den Laden nicht ausgesucht. Er hatte sich für dieses Restaurant entschieden, weil er hoffte, Josie dort zu treffen. Doch laut dem Mann, den Ash mit der Observierung von Josie beauftragt hatte, hatte sie ihre Wohnung seit mehreren Tagen nicht verlassen. Vielleicht arbeitete sie konzentriert an einem weiteren Bild für die Galerie. Vielleicht dachte sie nicht einmal eine Sekunde über seinen Vorschlag nach. Er hatte Jace gesagt, dass er ihr noch bis morgen Zeit geben würde, doch nun folgte er dem Tischgespräch nur mit halbem Ohr, während er ernsthaft darüber nachdachte, einfach unangekündigt bei Josie vorbeizuschauen. Geduld. Jace hatte ihn zur Geduld gemahnt. Ash wäre in Anbetracht dieser Scheinheiligkeit fast ein Schnauben entwichen, auch wenn Jace sie zugegeben hatte. Ihr Essen wurde serviert, und Brittany, die sich schließlich entspannte, lächelte sogar einmal in Ashs Richtung. Schließlich beugte sie sich zu ihm rüber und flüsterte: »Danke, Ash. Du weißt gar nicht, was mir das bedeutet. Du bist jetzt meine Familie, die anderen haben alle Verbindungen abgebrochen. Sie behandeln mich wie eine Verräterin, nur weil ich ein eigenständiges Leben führen will. Du verstehst, was ich brauche und was ich will, und verurteilst mich nicht deswegen.« Ash lächelte. »Willkommen im Club der Ausgestoßenen. So schlimm ist es da gar nicht. Je länger du keinen Kontakt zu ihnen hast, desto weiter wird dein Horizont werden, und du wirst feststellen, dass du es schon viel früher hättest tun sollen. Aber besser spät als nie, du hast es letztendlich getan, und das ist das Entscheidende. Es wird leichter werden. Das verspreche ich dir.« »Stört es dich?«, fragte sie mit ernster Stimme. »Ich meine, stört es dich, dass sie dich wie einen Aussätzigen behandeln? Dass sie dich und deinen Erfolg so sehr verachten?« Ash zuckte die Achseln. »Doch, am Anfang vermutlich schon. Während der letzten paar Jahre habe ich darüber nicht viel nachgedacht. Ich habe gute Freunde, sie sind meine Familie. Und du jetzt auch.« Ihre Augen leuchteten auf, und der betrübte Ausdruck verschwand von ihrem Gesicht. »Ich bin froh, dass wir uns gegenseitig Familie sein können, Ash. Ehrlich! Ich werde dich nicht enttäuschen. Ich weiß, dass ich mir den Job nicht selbst besorgt habe, aber ich werde dafür sorgen, dass du nicht bereust, ihn mir beschafft zu haben.« Ihr Gespräch wurde durch das Klingeln von Ashs Handy unterbrochen. Er griff automatisch danach und hielt unbewusst den Atem an. Vielleicht war es Josie. Er hatte eine ganze Woche auf einen Ton, irgendein Signal von ihr gewartet. Doch als er den Namen des Anrufers las, runzelte er die Stirn. Da stand nicht Josie, sondern der Name des Mannes, der sie beschattete. »Entschuldigt mich. Ich muss mal kurz telefonieren«, sagte Ash, während er sich auch schon erhob, um den Anruf entgegenzunehmen. Er entfernte sich in einen ruhigeren Bereich in der Nähe der Waschräume. »Ash«, meldete er sich kurz angebunden. »Mr McIntyre, ich weiß, dass meine Berichte diese Woche immer den gleichen Inhalt hatten. Miss Carlysle hat ihre Wohnung jetzt zum ersten Mal wieder verlassen, und ich bin mir sicher, dass Sie interessieren wird, was ich gesehen habe.« »Was?«, fragte Ash. »Sie hat ein geschwollenes blaues Auge, und ihre Lippe ist aufgeplatzt. Es sieht so aus, als hätte jemand sie angegriffen. Ich kann mich da natürlich irren, es könnte auch ein Unfall gewesen sein, aber ich bezweifle das. Es könnte übrigens auch der Grund sein, warum sie ihre Wohnung tagelang nicht verlassen hat.« Ash fluchte. »Wo ist sie jetzt hin? Sind Sie an ihr dran?« »Ja, ich folge ihr gerade. Ich glaube, sie will zur Galerie, sie hatte mehrere Leinwände dabei, als sie in ein Taxi gestiegen ist. Ich halte Sie auf dem Laufenden.« »Tun Sie das«, murmelte Ash und beendete das Gespräch. Einen Moment lang stand er einfach nur da. Er kochte innerlich vor Wut bei der Vorstellung, dass jemand Josie in irgendeiner Weise misshandelt haben könnte. Und dann verfluchte er den Umstand, dass er den Mann nicht gefragt hatte, ob Josie irgendwo gewesen war oder Besuch empfangen hatte. Aber das hätte er ihm doch bestimmt berichtet. Andererseits hatte er ihn erst zwei Tage nach dem gemeinsamen Abendessen wieder auf sie angesetzt. Er hatte eigentlich gehofft, dass sie sich bis dahin längst bei ihm gemeldet hätte, aber als das nicht geschehen war, hatte er sie wieder beschatten lassen. War das obsessiv? Ja, das war das richtige Wort dafür. Verrückt ein anderes. Er verhielt sich wie ein durchgedrehter Stalker, bei dem jede Frau gut daran tat, sich in Acht zu nehmen. Mit dem Unterschied, dass er Josie auf keinen Fall etwas tun würde. Er schalt sich selbst dafür, dass er sie nicht durchgängig hatte überwachen lassen, und nun hatte jemand sie verletzt und ihr sehr wehgetan. Warum hatte sie ihn nicht angerufen? Warum war sie nicht zu ihm gekommen, warum hatte sie nicht um Hilfe gebeten? Nach ihrer Unterhaltung hätte sie eigentlich wissen müssen, dass er sich um sie kümmern würde. Er fluchte leise und kehrte an den Tisch zu den anderen zurück. Sie schauten auf, und sofort trat ein besorgter Ausdruck in ihre Augen. Es war ihm offensichtlich nicht gelungen, seine Stimmung zu verbergen. »Tut mir leid, dass ich den Abend vorzeitig beenden muss, aber ich muss los. Brittany, ich werde es wiedergutmachen. Versprochen. Jace und Bethany, ich danke euch beiden, dass ihr gekommen seid. Und bitte, esst noch zu Ende. Wir sehen uns.« Er wollte sich schon umdrehen, als Jace ihn ansprach. »Ash? Alles in Ordnung?« Ash bedachte ihn mit einem Blick, von dem er wusste, dass Jace ihn richtig deuten würde. Er würde wissen, dass es etwas mit Josie zu tun hatte, und er würde es verstehen. Jace nickte kurz und wandte sich dann wieder lächelnd den Frauen zu, um beide in eine Unterhaltung zu ziehen. Ash stieß einen erleichterten Seufzer aus. Er war Jace dafür, dass er ihm den Rücken freihielt, einen Gefallen schuldig. Eilig griff er nach seinem Handy und rief seinen Fahrer an. Wenn Josie zur Galerie wollte, würde sie anschließend vermutlich direkt nach Hause fahren. Die Bilder aus der Galerie würde er später kaufen. Jetzt wollte er erst einmal zu ihrer Wohnung, um dort auf sie zu warten. Dann würden sie ein ernstes Wörtchen miteinander reden. 10 Josie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als das Taxi an der Straßenecke vor ihrer Wohnung zum Stehen kam. Eigentlich hatte sie sich gar nicht vor die Tür getraut, aber sie hatte Mr Downing unbedingt weitere Bilder bringen wollen. Das Geld aus dem Verkauf der ersten Werke würde zwar ein paar Monate reichen, aber sie wollte ihm neue Arbeiten liefern, damit der Käufer nicht das Interesse verlor oder sogar annahm, sie hätte nichts mehr anzubieten. Sie bezahlte den Fahrer und stieg aus, während ihre Hand wie von selbst zu der geschundenen Wange wanderte. Sie zuckte zusammen, als ihre Finger über den Mundwinkel strichen, wo die Lippe aufgerissen war. Mit gesenktem Kopf eilte sie über den Bürgersteig zu ihrer Wohnung. Sie wollte so schnell wie möglich ins Haus verschwinden, wo sie von niemandem mehr gesehen werden konnte. Obwohl es nichts gab, dessen sie sich hätte schämen müssen, war sie immer noch betroffen, geschockt von dem, was geschehen war. Vollkommen geschockt, dass Michael sie in ihrer Wohnung besucht und die Nerven verloren hatte, zum allerersten Mal. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Eigentlich hätte sie Anzeige erstatten müssen. Sie hätte noch viel mehr tun müssen, aber sie war zu benommen gewesen, um die Tragweite zu erfassen. Und so hatte sie sich stattdessen in ihrer Wohnung vergraben und wie eine Wahnsinnige gearbeitet, um sich von den Geschehnissen der vergangenen Woche abzulenken. Sie wusste, dass sie Ash eine Antwort schuldete. Eine Erklärung. Irgendetwas! Sie hatte ihm gesagt, dass es nicht lange dauern würde, aber sie konnte ihm doch so, wie sie jetzt aussah, nicht gegenübertreten – mit Prellungen und Platzwunden, die ihr der Mann zugefügt hatte, der ihr Dom gewesen war. Natürlich war das jetzt nur noch lächerlich. Er war gar kein richtiger Dom. Er hatte es nur gespielt, für ihn war die Sache eine Art Egotrip gewesen. In dem Moment, als er gemerkt hatte, dass sie es mit der Trennung ernst meinte, hatte er sich verändert. Ihr Fehler war es gewesen, Ash überhaupt zu erwähnen. Sie hatte seinen Namen zwar nicht genannt, Michael aber gesagt, er könnte ihr die Dinge, die ein anderer Mann ihr versprochen hatte, nicht geben. Im Moment war sie sich da allerdings nicht mehr so sicher, vielleicht war Ash ja keinen Deut besser. Sie wusste so gut wie nichts über ihn. Sie war bereit gewesen, auf seinen Vorschlag einzugehen, hatte sich tatsächlich schon vorgenommen, ihn anzurufen, als am selben Tag plötzlich Michael in ihrer Wohnung aufgetaucht war. Seit dem Fiasko war ihr Selbsterhaltungstrieb zum Leben erwacht, und sie hegte Zweifel. Wenn Ash nun noch intensiver vorging als Michael – was auf der Hand lag –, würde er ihr dann unter Umständen die gleiche Behandlung angedeihen lassen? Oder sogar Schlimmeres? Ihr schwirrte der Kopf, und sie wusste, dass sie nicht in der Verfassung war, eine solch schwerwiegende Entscheidung zu treffen, mit der sie einem Mann wie Ash ihr Vertrauen schenkte, ihr Wohlergehen von ihm abhängig machte und sich ihm auf Gedeih und Verderb auslieferte. Deshalb hatte sie geschwiegen und ihre Entscheidung immer wieder überdacht. Sie hatte Angst. Und diese Angst hatte sie davon abgehalten, seinen Vorschlag anzunehmen oder abzulehnen. Sie hasste diese Angst. Sie wollte ihr Leben nicht so führen, wollte ihre Entscheidungen nicht von Angst bestimmt fällen. Sie brauchte einen klaren Kopf, ehe sie diesen gewaltigen Schritt tat und einem Mann ihr Vertrauen schenkte, der sich als genauso schlimm wie Michael erweisen könnte. Sie seufzte unglücklich und suchte mit der Hand in der Tasche nach ihrem Wohnungsschlüssel. Sie hielt den Kopf immer noch gesenkt, als sie die Treppe erreichte und vor sich auf der Stufe zu ihrer Tür ein teures Paar Schuhe stehen sah. Verwirrt hob sie den Kopf und erblickte Ash vor sich. Sein Blick glitt über ihr Gesicht, und Zorn flammte in seinen Augen auf, was sie instinktiv einen Schritt zurückweichen ließ. »Was zum Teufel ist denn mit dir passiert?«, fragte er. Er kochte vor Wut, und der Zorn strahlte wie in Wellen von ihm aus. Verschwunden war jeder Anflug von Charme oder Gelassenheit. Vor ihr stand der Inbegriff des wütenden Alphatiers. »Bitte, nicht hier«, flüsterte sie. »Ich will einfach nur rein. Lass mich durch und dann geh.« Seine wutentbrannte Miene ließ sie zögern, als sie versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen. Er packte ihre Schultern mit festem, aber zugleich zartem Griff, ohne seine Finger in ihr Fleisch zu bohren. »Ich will wissen, wer zum Teufel dir das angetan hat«, knurrte er. Ihre Schultern sackten nach vorn, und sie hätte beinahe den Schlüsselbund fallen gelassen, der gefährlich locker an ihren Fingerspitzen baumelte. Sie umfasste ihn fester und hob dann das Kinn. »Lass mich vorbei«, stieß sie hervor. Sie war überrascht, dass er sie losließ, doch er folgte ihr die Treppe hinunter; sie würde also nicht einfach schnell in ihre Wohnung huschen und die Tür hinter sich schließen können, damit er nicht mit hereinkam. Seufzend schloss sie die Tür auf. Kaum hatte sie die Wohnung betreten, fühlte sie sich besser. Das war ihr Reich. Es war lächerlich, dass sie sich hier sicher fühlte, nach dem, was mit Michael passiert war. Aber jetzt, wo sie wusste, wozu er fähig war, würde sie ihn nie wieder in ihre Nähe lassen, selbst im Umkreis von einem Kilometer nicht. Sie stellte ihren Beutel neben der Tür ab und ging in ihr winziges Wohnzimmer. Ash schloss die Tür, schob den Riegel vor und folgte ihr dann. Seine Anwesenheit ließ den Raum plötzlich viel kleiner wirken. Ash stand da und musterte sie eingehend, ließ den Blick über sie gleiten und schließlich wieder bei der Prellung auf ihrer Wange verweilen. Seine Augen hatten einen kalten Ausdruck angenommen, und sie schauderte. »Du hast dich nicht gemeldet«, begann er die Unterhaltung. Sie errötete schuldbewusst und senkte den Kopf, weil er nicht sehen sollte, was sie am liebsten verbergen wollte. »Und jetzt glaube ich, dass es einen Grund gab, warum du mich nicht angerufen hast.« Sie nickte langsam, wich aber weiter seinem Blick aus. »Josie, sieh mich an.« Seine Stimme war leise, fast schon sanft. Trotzdem war es eindeutig keine Bitte, die er da aussprach. Es war ein Befehl. Und sie fühlte sich genötigt, ihm Folge zu leisten. Langsam hob sie den Kopf, sodass sich ihre Blicke trafen. »Wer hat dir das angetan?« Von der Sanftheit war nun nichts mehr zu spüren. Seine Stimme klang stahlhart. Sein gesamter Körper zitterte vor Wut, und das ließ sie zögern, ihm zu erzählen, was passiert war. Ihr war vollkommen schleierhaft, wie sie je auf die Idee hatte kommen können, ihn für ungefährlich zu halten, für charmant und umgänglich. Denn der Mann, der hier und jetzt vor ihr stand, schien zu fürchterlichen Dingen fähig zu sein. Trotzdem hatte sie keine Angst vor ihm. Sie war nach wie vor starr vor Angst angesichts dessen, was man ihr angetan hatte, aber sie wusste instinktiv, dass dieser Mann ihr nichts tun würde. Aber er war wütend, wobei das Wort noch nicht einmal ansatzweise das ausdrückte, was sie in seinen Augen sah. Und er schien zweifelsohne fähig, einen Menschen umzubringen. Sie spürte, dass sie ihm nichts erzählen sollte, nicht etwa aus Angst vor ihm, sondern aus Angst vor dem, was er vielleicht tun könnte. »Josie, antworte mir«, stieß er hervor. »Wer. Hat. Dir. Das. Angetan?« Er würde nicht zulassen, dass sie diese Information zurückhielt. Er würde sie nicht zwingen, und dennoch wusste sie, dass sie ihm auf jeden Fall gehorchen musste. Er würde ihr nicht erlauben, der Frage auszuweichen. Sie war fest davon überzeugt, dass er wenn nötig den ganzen Abend vor ihr stehen bleiben würde, um zu bekommen, was er wollte. Sie schloss die Augen und stieß einen langen, müden Seufzer aus. »Michael«, flüsterte sie. Ihre Stimme war so leise, dass sie sie selbst kaum hörte. Vielleicht hatte sie den Namen nicht einmal richtig ausgesprochen. »Sag das noch mal.« Die Worte schossen scharf wie ein Peitschenknall und mit einer Wucht aus seinem Mund, dass sie sogar meinte, sie körperlich zu spüren. Sie hob kurz den Blick und zuckte sofort zusammen, als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte. Er war … Furcht einflößend. »Du hast schon richtig gehört«, flüsterte sie mit nur wenig lauterer Stimme. »Willst du mir damit etwa sagen, dass dieser Dreckskerl für den Zustand deines Gesichts verantwortlich ist? Dass er deine Lippe zerfetzt hat?« Er kam auf sie zu, und sie trat hastig einen Schritt zurück, was ihn aber nur noch wütender zu machen schien. »Verdammt noch mal, Josie. Ich werde dir nichts tun! Ich werde dir absolut niemals etwas tun.« Er bellte die Worte fast. Das wirkte zwar nicht gerade beruhigend, doch irgendwie schenkte ihr die Inbrunst seines Schwurs Trost und Geborgenheit. Dieses Gefühl war stark und ließ sie einen Schritt auf ihn zutreten, sodass sie schließlich kaum einen halben Meter von ihm entfernt stand. Sein Körper bebte immer noch vor Wut. Die grünen Augen waren fast schwarz, das Grün der Iris nur ein schmaler Ring um die geweiteten Pupillen. Und dann hob er die Arme … langsam … als hätte er Angst, sie zu erschrecken, und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. Seine Berührung war unendlich sanft. Es erstaunte sie, war doch der Rest seines Körpers vor Wut angespannt und seine Miene so finster. Doch diese Berührung war so wunderbar zärtlich, dass Josie unter seinen Händen förmlich dahinschmolz. Sie spürte noch nicht einmal Schmerz, obwohl ihr Gesicht auch mehrere Tage nach dem Vorfall immer noch sehr empfindlich war. Er strich mit den Fingern über die wunde Stelle und erkundete dann die aufgeplatzte Lippe mit solch federleichten Bewegungen, dass sie kaum zu spüren waren. »Ich werde ihn umbringen.« Ashs Stimme duldete keinen Widerspruch. Die Entschlossenheit, die darin mitschwang, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Sie glaubte ihm. In diesem Moment war sie ohne jeden Zweifel überzeugt davon, dass er den Mann umbringen könnte, der ihr wehgetan hatte. Ihr Herz machte einen Satz, und ihr Atem beschleunigte sich, als die Panik durch ihren Körper schoss. »Nein! Ash, bitte. Lass es einfach auf sich beruhen. Das ist der Grund, warum ich es dir nicht erzählen wollte. Warum ich nicht angerufen habe.« Sie hätte noch mehr gesagt, wenn er nicht einen Finger auf den unversehrten Teil ihres Mundes gelegt und sie damit zum Schweigen gebracht hätte. »Es auf sich beruhen lassen?« Sein Tonfall war gefährlich ruhig. »Du willst wirklich, dass ich es einfach so auf sich beruhen lasse, obwohl dieser Dreckskerl Hand an dich gelegt hat? Was zum Teufel ist eigentlich passiert, Josie? Ich will jedes einzelne verdammte Detail wissen, alles. Ich will wissen, wann es passiert ist. Ich will wissen, wie viele Male er dich geschlagen hat. Und vor allem will ich wissen, warum zum Teufel du nicht auf der Stelle zu mir gekommen bist oder mich angerufen hast.« Ihr Mund wurde unter seinen Fingern vollkommen weich. Und dann, als hätte er plötzlich seine Meinung geändert, löste er sich von ihr, ließ den Blick durch ihr Wohnzimmer wandern bis zu der offenen Tür, die ins Schlafzimmer führte. »Ich nehme dich mit zu mir nach Hause«, erklärte er mit fester Stimme. »Du ziehst zu mir.« »Moment. Wie bitte? Ash, ich kann nicht …« »Das ist nicht verhandelbar, Josie.« Seine Augen funkelten entschlossen, seine Haltung war starr und duldete keinen Widerspruch. »Du kommst mit. Wir gehen jetzt in dein Schlafzimmer. Du wirst dich auf dein Bett setzen und mir sagen, was ich für dich für eine Nacht einpacken soll. Morgen überlegen wir dann, was du sonst noch brauchst und was in meine Wohnung gebracht werden soll. Ich werde dann jemanden damit beauftragen, alles hier abzuholen. Aber die Unterhaltung über diesen Dreckskerl – die wir auf jeden Fall führen werden –, wird in meiner Wohnung stattfinden, wo du dich vollkommen sicher fühlst. An einem Ort, von dem du weißt, dass dir dort nichts passieren wird. Garantiert.« Ihre Fassungslosigkeit wuchs, aber durch den Schock über seine Ankündigung hindurch spürte sie auch … Erleichterung. Eine überwältigende Erleichterung. Die Entscheidung war ihr abgenommen worden, und im Moment war sie froh darüber. Ihre Sorgen, ihre Befürchtungen in Bezug auf Ash erschienen ihr jetzt albern. Der Gedanke, er könnte sich ähnlich wie Michael verhalten oder ihre Situation könnte sich sogar noch verschlimmern, schien ihr jetzt völlig absurd. »Ich kann meine Sachen selbst packen«, flüsterte sie. Seine Augen leuchteten auf. Das Hochgefühl über ihre Kapitulation war ihm deutlich anzumerken. Vielleicht hatte er mit mehr Widerstand oder sogar Zurückweisung gerechnet, auch wenn er sichtlich entschlossen war, nicht nachzugeben. »Ich habe nicht gesagt, dass du nicht packen kannst. Ich habe gesagt, dass du dich auf dein Bett setzt, während ich es für dich tue. Du sollst mir nur sagen, was du für heute Nacht und eventuell auch für morgen brauchst. Alles andere wird sich regeln, nachdem wir beide uns heute Abend unterhalten haben.« Wow. Okay. Das war ja fast schon Überschallgeschwindigkeit. Sie hatte das Gefühl, gerade einer irrsinnigen Achterbahn entstiegen zu sein, in dem Versuch, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er streckte die Hand aus, bewegte sich aber nicht auf sie zu. Er hielt sie ihr einfach nur hin und wartete. Er wartete darauf, dass sie einschlug. Dass sie nach seiner Hand griff und in seine Welt trat. Sie holte tief Luft, streckte die Hand aus und schob sie in seine. Sanft umfasste er ihre Finger, drückte sie leicht und hielt sie fest. Als würde er ein unzerstörbares Band zwischen ihnen schmieden. Dann zog er sie sanft in Richtung Schlafzimmer, und sie folgte ihm, ließ sich in den Raum führen, wo er sie wie etwas unglaublich Zerbrechliches auf die Bettkante setzte. Wie etwas unschätzbar Kostbares. Er trat zurück und verschaffte sich schnell einen Überblick. »Hast du eine Reisetasche?« »Im Schrank«, erwiderte sie mit leicht heiserer Stimme. Noch immer benommen beobachtete sie, wie er nach ihren leisen Anweisungen flink packte. War das hier nicht eine verkehrte Welt? Er tat alles für sie. Was hatte sie für ihn getan? Andererseits … er hatte ja gesagt, dass er viel geben würde. Aber alles nehmen würde. Sie schauderte und fragte sich, wie viel genau er wohl nehmen würde und ob ihr noch etwas bliebe, wenn er sich seinen Anteil genommen hatte. 11 Ash war nicht dumm. Er wusste, dass er Josie unter Druck setzte, ihr keine Zeit ließ, Luft zu holen, zu analysieren oder auf seine arrogante Forderung zu reagieren. Und es war wirklich der Gipfel der Arroganz gewesen, einfach in ihre Wohnung zu stiefeln und ihr zu befehlen, bei ihm einzuziehen. Deshalb erledigte er seine Aufgabe schnell und effizient, denn je länger sie benommen und verwirrt auf der Bettkante saß, desto länger hatte sie auch Gelegenheit, sich ihr stillschweigendes Einverständnis noch einmal zu überlegen. Und desto größer wurde die Gefahr, dass sie vielleicht doch nicht mit ihm kam. Eine Möglichkeit, die schlicht nicht existierte. Er füllte die Reisetasche, wies seinen Fahrer an, vor Josies Wohnung auf sie zu warten, und drängte sie dann zur Tür, um ihr gar nicht erst Zeit zu geben, über dieser überstürzten Aktion zur Besinnung zu kommen. Eilig setzte er Josie ins Auto und schloss die Tür hinter ihr, bevor er seinen Portier anrief und ihn bat, Josies Bild von der Schlafzimmerwand in seiner Wohnung zu nehmen und es zusammen mit ihren anderen Bildern, die im Wohnzimmer standen, vorläufig bei sich zu lagern. Josie sollte nicht wissen, dass er derjenige war, der ihre Werke gekauft hatte. Noch nicht. Nachdem er den Anruf erledigt hatte, ließ er sich neben Josie auf der Rückbank nieder. Er bemerkte ihr blasses Gesicht und die erschütterte Miene und ärgerte sich über die Prellung auf ihrer Wange. Sie versetzte ihn geradezu in Rage. Die aufgeplatzte Lippe ragte förmlich hervor und erinnerte ihn daran, dass ein anderer Mann etwas angefasst hatte, das Ash schon als sein Eigentum betrachtete. Und dass dieser Mann jede Frau so anfassen würde. Nicht nur Ashs Frau, sondern jede Frau. Vor allem aber seine Frau. »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Ash«, sagte sie leise und sprach damit zum ersten Mal wieder, seit sie ihn zögernd angewiesen hatte, was er für sie einpacken sollte. »Das ist eine sehr gute Idee«, erklärte er mit fester Stimme. »Du wärest schon längst bei mir, wenn dieses Arschloch nicht dazwischengefunkt hätte. Du weißt es, und ich weiß es. Die Sache mit Michael müssen wir noch besprechen, und das werden wir tun, wenn du an einem Ort bist, an dem du dich sicher fühlst. Ich werde dich im Arm halten, und du wirst geborgen sein und wissen, dass dir nichts Schlimmes widerfahren wird. Um eines klarzustellen: Was er getan hat, wird zwischen dir und mir nichts ändern. Die Sache zwischen uns beiden ist unabänderlich, Josie. Es war vom ersten Tag im Park an unabänderlich. Es kostet nur Zeit und Kraft, dagegen anzukämpfen. Ich kämpfe nicht dagegen an, und ich will auch nicht, dass du es tust.« Ihr Mund öffnete sich vor Erstaunen. Ihre Augen blitzten, doch nicht wütend, sondern bestätigend. Gut. Endlich ging es voran, sie sah allmählich, was er sah … was er wusste. »Ich bin nicht erfreut darüber, dass du mir diese Sache verschwiegen hast«, fuhr er fort. »Dass du nicht sofort zu mir gekommen bist. Aber daran werden wir arbeiten. Als es passiert ist, hast du mir noch nicht gehört, obwohl ich da schon wusste, dass du mein bist. Aber jetzt gehörst du mir. Und du wirst immer sofort zu mir kommen, wenn du ein Problem hast.« Sie nickte langsam, und ihn erfüllte Befriedigung – nein, Triumph. Er streckte ihr den Arm entgegen, weil ihm der Abstand zwischen ihnen nicht gefiel … Er wollte sie aber auch nicht zu sehr bedrängen. Noch nicht. Er hatte sie bereits genug bedrängt. Er wollte, dass sie den nächsten Schritt aus eigenem Antrieb tat, und so verharrte er mit ausgestrecktem Arm. Sie kam ihm bereitwillig und ohne zu zögern entgegen, und das gefiel ihm. Sie schob sich neben ihn, sodass er seinen Arm um sie legen konnte. Er zog sie fest an sich, und sie legte ihren Kopf an seine Brust, knapp unterhalb seines Kinns. Es gefiel ihm, dass sie sich an ihn schmiegte. Sie stieß einen leisen Seufzer aus, und dann spürte er, wie sie in seinem Arm förmlich schmolz, wie ihr Körper in sich zusammensackte, als wäre ihr eine schwere Last von den Schultern gefallen. Erleichterung. Ihr Duft, so leicht und angenehm wie sie selbst, stieg verführerisch in seine Nase. Er strich mit der Hand über ihren Arm und genoss das Gefühl ihrer Haut unter seinen Fingern. Er wusste, dass er schon bald ihren gesamten Körper erforschen würde. Doch jetzt brauchte sie erst einmal Ruhe. Geborgenheit. Das Gefühl von Sicherheit. Sie musste wissen, dass er ihr nie wehtun würde, dass er nie seine Hand gegen sie erheben würde, wie Michael es getan hatte. Er legte die Lippen auf ihr Haar und atmete tief ein, während er einen Kuss auf ihren Scheitel hauchte. Tief. Jawohl, er steckte tief in der Sache drin. Er hatte nicht einmal einen ausgereiften Plan. Er hatte einfach instinktiv gehandelt, als er wusste, dass er sie haben musste. Wusste, dass er sie bei sich haben musste. Und er wusste, dass er sie unter Umständen verloren hätte, wenn er sie nicht gedrängt hätte. Er hatte sie einfach überrollt, was vermutlich das Beste gewesen war, auch wenn ihn diese Vorgehensweise zu einem Mistkerl machte. Aber er würde sich auf keinen Fall mit Michael vergleichen, so ein Mensch war er nicht. Er war vielleicht nicht der verständnisvollste, geduldigste und rücksichtsvollste Mann, und er gab ganz sicher nicht nach, wenn er etwas wollte. Aber er würde niemals die Hand gegen eine Frau erheben. Allein die Vorstellung entsetzte ihn. Kein Problem hatte er jedoch damit, gegenüber dem Dreckskerl, der Josie wehgetan hatte, Gewalt anzuwenden. Aber er hatte den Gedanken erst einmal beiseitegeschoben, damit würde er sich später befassen. An erster Stelle kam Josie. Ihre Bedürfnisse. Ihr Wohlbefinden. Ab sofort. Die Fahrt verlief ruhig. Ash unternahm nichts, um das Schweigen zu brechen. Er wusste, dass Josie über das nachdachte, was heute passiert war, er wusste, dass sie sich alles zwei-, drei- oder viermal durch den Kopf gehen ließ. Aber sie war hier, in seinen Armen. Er streichelte einfach ihre Haut, strich über ihre Arme und versuchte, sie auf die bestmögliche Art zu beruhigen. »Es tut mir leid, Ash«, sagte sie leise, die dicht an seiner Brust gesprochenen Worte waren kaum zu hören. Seine Hände hielten mitten in der Bewegung inne, und er neigte den Kopf, um sie besser hören zu können. »Was tut dir leid?« »Dass ich dich nicht angerufen habe. Dass ich dir keine Antwort habe zukommen lassen, obwohl ich es doch versprochen hatte. Aber ich stand völlig neben mir.« Er legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es an, sodass er ihr in die Augen schauen konnte. Dann legte er einen Finger auf ihre Lippen. »Jetzt nicht. Und entschuldige dich nicht bei mir. Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Wir werden uns über alles aussprechen. Ich will jedes einzelne Wort hören. Aber nicht hier. Jetzt will ich einfach nur hier sitzen und dich halten. Wenn wir in meiner Wohnung sind, werden wir reden. Aber auch dann wirst du für nichts um Entschuldigung bitten, für das du nichts kannst. Es gefällt mir vielleicht nicht, dass du dich nicht an mich gewandt hast, als du Hilfe brauchtest, aber ich verstehe es.« Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln, und ihr Blick wurde wärmer. Die Unsicherheit und Angst, die vorher ihre blauen Augen getrübt hatten, schwanden. »Na, das ist schon besser«, sagte er. »Du hast so ein schönes Lächeln. Ich werde dafür sorgen, dass du häufiger lächelst, Josie. Ich werde dich glücklich machen. Das garantiere ich dir.« Sie neigte den Kopf zur Seite, und ein verwirrter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Ich bin vollkommen ratlos, Ash. Solche Sachen passieren einfach nicht. Nein. Ich habe fast das Gefühl, in eine irreale Traumwelt geraten zu sein. Es ist so … verrückt.« Er lächelte nachsichtig. »In meiner Welt passieren solche Sachen aber. Oder zumindest tun sie das jetzt. Ich kann auch nicht behaupten, dass mir so etwas schon mal passiert wäre, also betreten wir beide Neuland. Aber es ist auch deine Welt, Josie. Es gibt nur die Regeln, die wir selbst aufstellen, keine anderen. Ich bin sowieso nicht gerade der traditionelle Typ. Mein Motto war immer: Ich mache es, wie es mir passt, und alle anderen können mich mal.« Ihr Lächeln wurde breiter, ihre Zähne blitzten, und auf ihrer Wange bildete sich ein entzückendes Grübchen, das ihn faszinierte. Er hätte die winzige Einbuchtung am liebsten mit seiner Zunge erforscht. »Ja, ich verstehe allmählich, was für ein Mensch du bist. Mir tut jetzt schon derjenige leid, der dir mal sagen muss, dass du irgendetwas nicht tun kannst.« »Tja, das würde nicht sonderlich gut ankommen«, gab er zu. »Dann werde ich besser nicht diejenige sein, die dich verärgert, indem sie Nein sagt.« Sein Lächeln verblasste, und er sah ihr tief in die Augen. »Ich hoffe inständig, dass ich dir nie einen Grund geben werde, Nein zu sagen. Aber wenn du es trotzdem tust, Josie, sollst du eines wissen: Ich werde dieses Wort nicht missachten – solange es dabei um deine Sicherheit oder um dein Wohlergehen geht. Oder wenn es beinhaltet, dass du mich verlässt. Ein Nein führt zum sofortigen Abbruch. Es bedeutet, dass ich aufhöre, egal, was ich gerade tue. Also setz dieses Wort klug ein und nur, wenn du es auch so meinst. Denn ich nehme dieses Wort sehr ernst.« Ihr Blick war voller Sanftheit, und sie drückte sich fester an ihn, wobei ihr Körper sich verführerisch an ihn schmiegte. Seine Lenden zogen sich zusammen, sein Schwanz war beinahe schmerzhaft steif, und er biss die Zähne zusammen, um seine körperliche Reaktion auf ihre Nähe unter Kontrolle zu bringen. Diese Frau erregte ihn. Er hatte keine Erklärung dafür, er kannte sie kaum. Doch er wusste, dass er sie unbedingt haben wollte. Er wusste, dass er sie haben würde. Er wusste auch, dass eine enge Bindung entstehen würde, er aber gar nicht den Wunsch verspüren würde, davor wegzulaufen. Außerdem wusste er, dass diese Frau sich von allen Frauen unterschied, mit denen er bisher zusammen gewesen war. Es erschreckte ihn zu Tode und weckte zugleich eine freudige Erregung. Wenn sie es nun war? Die Frau, bei der ein Mann sofort beim ersten Anblick wusste, dass sie für ihn gemacht war? Wie Mia für Gabe. Wie Bethany für Jace. Die Richtige. Er konnte es nicht fassen. Noch nicht einmal ansatzweise. Es war noch zu früh. Die Situation war vollkommen verrückt. Er brachte sie in seiner Wohnung unter. Er übernahm die Kontrolle über ihr Leben. Er hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie es weitergehen sollte. Wie zum Teufel sollte es denn weitergehen? Wurde es mehr sein, als dass er Josie in sein Bett zerrte, über sie verfügte und sie all seinen Wünschen und Bedürfnissen unterwarf? So wie er für all ihre Wünsche und Bedürfnisse sorgen würde. Genügte das nicht? Das musste es wohl, denn weiter wollte er gar nicht denken. Sein Fahrer hielt in der Seitenstraße des Apartmenthauses, in dem Ash wohnte, und hielt Ash die Tür auf. Ash löste sich von Josie, stieg aus und streckte ihr dann die Hand entgegen, um ihr von der Rückbank zu helfen. Er zog sie an seine Seite, nahm seinem Fahrer ihre Reisetasche ab und ging dann schnellen Schrittes mit ihr zum Hauseingang. »Du wohnst am Hudson«, hauchte Josie mit schwacher Stimme und sah in Richtung Fluss. »Ja. Von oben hat man einen schönen Ausblick. Lass uns reingehen.« Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in die oberste Etage, wo er sie durch seine Wohnung zum Schlafzimmer führte. Angespannt musterte ihn von der Seite. In ihrem Blick lag vorsichtige Zurückhaltung. Er stellte ihre Tasche aufs Bett und zeigte dann in Richtung Badezimmer. »Ich lasse dich jetzt allein, damit du deine Schlafsachen anziehen kannst. Ich gehe in die Küche und schenke dir ein Glas Wein ein. Lass dir ruhig Zeit.« »Wo werde ich schlafen?«, fragte sie leise. Er legte die Hände auf ihre Schultern und drückte sie leicht. »In meinem Bett, Josie. Bei mir.« Ihr Blick war jetzt voller Furcht. Er beugte sich vor und berührte mit den Lippen sanft ihre Stirn. Sie rührte an seinem Herz. Vielleicht lag es an ihrer Verletzlichkeit. An der Sorge und Furcht, die er in ihrem Blick erkennen konnte. »Wenn wir miteinander reden, Josie, dann in meinem Bett, in meinen Armen … wo du sicher bist. Du wirst das dann auch spüren. Aber du wirst in meinem Bett nur schlafen. Deshalb sollst du auch deine Schlafsachen anziehen. Später wirst du sie nie wieder tragen, aber heute Nacht brauchst du diesen Schutz, weil du dir meiner noch nicht sicher bist. Nach der heutigen Nacht wirst du es sein.« Er küsste sie wieder, dann drehte er sich um und ließ sie in seinem Schlafzimmer allein, damit sie sich umziehen konnte. In der Küche holte er in aller Ruhe zwei Gläser aus dem Schrank und öffnete die Weinflasche. Er erinnerte sich daran, dass sie nicht viel Alkohol trank, aber erwähnt hatte, gelegentlich gern ein Glas Wein zu sich zu nehmen. Das würde ihr heute Abend bestimmt helfen sich zu entspannen. Er war sich nicht sicher, konnte sich aber vorstellen, dass sie Rotwein bevorzugte. Sie würde etwas wollen, das Farbe hatte. Schillernd und vollmundig. Nichts, dem die Wärme fehlte. Wie bei Weißwein. Er runzelte die Stirn, als ihm bewusst wurde, dass er im Restaurant keine Zeit gehabt hatte, etwas zu essen, und auch Josie vermutlich noch nichts gegessen hatte, da er direkt zu ihrer Wohnung gefahren war und sie bei ihrer Ankunft abgefangen hatte. Er durchstöberte seinen Kühlschrank und förderte einen Obstsalat und eine Auswahl an erlesenen Käsesorten zutage. Er stellte alles auf ein Tablett und holte dann noch Brot und Cracker aus dem Küchenschrank. Und dann noch etwas Süßes. Mochten nicht alle Frauen Schokolade? Seine Haushälterin versorgte ihn meist mit leckeren selbst gemachten Süßspeisen, diese Woche war es eine Schokoladenmousse mit Sahnehäubchen. Im obersten Fach des Kühlschranks standen fünf einzelne Schüsselchen mit dem Nachtisch, von denen er nun zwei herausnahm und sie zusammen mit zwei Löffeln ebenfalls auf das Tablett tat. Als er meinte, nichts vergessen und Josie genug Zeit gegeben zu haben, sich bettfertig zu machen und einen Teil ihrer Nervosität abzulegen, betrat er das Schlafzimmer. Sie saß im Schneidersitz auf seinem Bett. Ihr Anblick – entspannt, barfuß, als gehöre sie dorthin – erfüllte ihn mit Zufriedenheit. Sie trug einen seidenen, pinkfarbenen Pyjama. Der langärmelige Schlafanzug mit den langen Hosenbeinen verhüllte ihren gesamten Körper und war bis oben zugeknöpft. Heute Nacht würde er sie gewähren lassen und ihr diesen Schutz geben. Aber nach dieser Nacht würde sie frei von Kleidung in ihr gemeinsames Bett kommen. Sie würde Haut an Haut neben ihm schlafen. Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen in Anbetracht des Tabletts in seinen Händen. Sie rappelte sich auf und sprang vom Bett, damit er das Tablett absetzen konnte. »Zieh die Decke zurück«, wies er sie an. »Wir legen uns ins Bett, und ich stelle das Tablett auf den Nachttisch. Du kannst neben mir im Bett essen.« Schnell schlug sie Steppdecke und Federbett zurück und schüttelte sogar noch die Kissen auf, ehe sie auf die Matratze kletterte. Er stellte das Tablett auf seiner Seite des Bettes ab und ging dann ins Ankleidezimmer, wo er seine Kleidung ablegte. Er hielt kurz inne. Er hatte im Bett nie etwas anderes als Boxershorts getragen. Doch dann zuckte er die Achseln. Er war damit ja nicht völlig nackt, und außerdem hatte er versprochen, sie nur im Arm zu halten. Er würde sie nicht bedrängten, und so schlug er die Bedenken wegen der Boxershorts schließlich in den Wind. Als er wieder ins Schlafzimmer trat, spürte er ihren Blick auf sich, auch wenn sie versuchte zu verbergen, dass sie ihn musterte. Er fand es entzückend, wie sie ihn unter gesenkten Lidern beobachtete und errötete, als er zu ihr ins Bett stieg. Er bot ihr zuerst Obst und Käse an und drückte ihr dann ein Glas Wein in die freie Hand. Er hielt ihr immer wieder einen Bissen hin und genoss es, wie ihre Lippen dabei zart seine Fingerspitzen berührten. Es schien ihr genauso viel Vergnügen zu bereiten, aus seiner Hand zu essen, wie es ihm gefiel, sie auf diese Weise zu füttern. Ein verträumter, zufriedener Ausdruck trat in ihre Augen, und ein Teil der Schatten, die zuvor ihren Blick getrübt hatten, verschwand, je mehr sie sich entspannte. Die Anspannung wich aus ihren Schultern, und sie ließ sich tiefer in die Kissen sinken. »Hungrig?«, fragte er mit heiserer Stimme. Er war hingerissen von dem verführerischen Anblick, den sie bot. Endlich war sie in seinem Bett. Nur Zentimeter von ihm entfernt. Sein gesamter Körper schrie danach, sie zu nehmen, zu nehmen, was ihm gehörte, auch wenn er sich innerlich einen ungeduldigen Dreckskerl schimpfte. »Völlig ausgehungert«, gestand sie. »Ich habe in den letzten Tagen nicht viel gegessen.« Ein finsterer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht, und wieder begann sein Körper vor Wut zu zittern. »Du wirst von jetzt an besser auf dich achtgeben. Ich werde besser auf dich achtgeben«, korrigierte er sich. Sie lächelte. »Das war nicht nur wegen … Michael … und wegen dem, was vorgefallen ist. Ich war einfach zu sehr in meine Arbeit vertieft.« Er wusste sehr wohl warum, aber er fragte trotzdem, weil es seltsam gewirkt hätte, es nicht zu tun. Sie erzählte es ihm, entspannte sich in seiner Gegenwart, und das war genau das, was er wollte. Eine entspannte Unterhaltung ohne jegliche Vorbehalte von ihrer Seite. »Woran hast du gearbeitet?« Ihre Wangen röteten sich, und er sah sie neugierig an. »An einer Serie von erotischen Bildern. Nichts Übertriebenes. Geschmackvoll. Sexy, aber mit Stil.« Ihre Augen leuchteten aufgeregt. »Ich habe all meine Bilder verkauft, die in einer Galerie ausgestellt waren. Das ist einfach unglaublich! Mr Downing hatte mir eigentlich gesagt, er könnte nichts mehr von mir annehmen, weil sich die Bilder nicht verkaufen ließen. Ich hatte ihm aber schon das erste Bild der Serie, an der ich arbeite, gebracht. Und dann rief er mich an, um mir mitzuteilen, dass er nicht nur alle Werke verkauft hatte, sondern auch noch mehr Bilder von mir wollte! Er hat einen Käufer aufgetan, der an allem interessiert ist, was ich ihm bringe. Ich habe die ganze Woche an den restlichen Bildern gearbeitet.« Verlegen senkte sie den Kopf, um ihn dann mit schüchternem Blick anzuschauen. »Es sind Selbstporträts. Nicht dass man erkennen kann, wer es ist, aber ich habe mich in einer Reihe von Aktposen gemalt. Ich habe ein … Tattoo, das ich selbst entworfen habe und das auf den Bildern im Vordergrund steht. Sie … gefallen mir. Ich glaube, sie sind gut. Ich hoffe, dass sie dem Käufer auch gefallen.« Am Ende ihrer Ausführungen bemerkte er einen Anflug von ängstlicher Unsicherheit, die ihm das Herz zusammenzog. Himmel, ja, sie würden ihm gefallen, und er würde auf keinen Fall zulassen, dass jemand anderes sie zu Gesicht bekam. Sie würden ihm gehören. Nur ihm. Und er würde der Einzige sein, der sie ohne Kleidung sah. Die Bilder gehörten ihm … Josie war zweifelsohne eine schöne Frau, und noch weniger Zweifel bestanden darin, dass ihre Bilder sowohl Männern als auch Frauen gefallen würden. Sie hatte Talent, egal, was der Schwachkopf von Galeriebesitzer über ihren Stil gesagt hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch andere dieses Talent erkannten. Ash war froh, dass er diese neuen Bilder vor allen anderen ergattern würde. Die Vorstellung, dass jemand anderes etwas so Intimes von Josie besitzen könnte, ließ ihn fast mit den Zähnen knirschen. »Ich bin mir sicher, dass dein Käufer sie lieben wird«, sagte er. Noch während er sprach, nahm er sich vor, Mr Downing gleich am Montag anzurufen, damit er die Bilder einpackte und in Ashs Büro brachte. »Ich würde sie gern sehen.« Sie errötete, lächelte aber und sagte: »Vielleicht kannst du ja mit zur Galerie kommen und sie dir angucken. Ich habe sie gerade erst vorbeigebracht. Vielleicht hat der Interessent sie noch gar nicht gekauft. Sie hängen vielleicht noch mehrere Tage in der Galerie.« Er beugte sich vor, berührte ihre Wange und strich mit den Fingern über ihr Kinn bis zum Hals, wo er das lange, blonde Haar zurückstrich. »Es wäre mir lieber, du würdest etwas Neues malen. Ein Bild, das nur ich zu Gesicht bekomme. Vielleicht etwas, das noch ein bisschen erotischer ist als deine anderen Bilder?« Ihre Augen weiteten sich, doch dann zog sie die Augenbrauen zusammen, als überlege sie bereits, wie das Bild aussehen könnte. Ihre Lippen öffneten sich leicht, und sie atmete aufgeregt ein und aus. Er konnte förmlich sehen, wie sie es in Gedanken bereits malte. »Ich habe da ein paar Ideen«, sagte sie. »Ich würde sehr gern etwas sehr Persönliches malen. Aber nur, wenn es außer dir niemand zu Gesicht bekommt.« Ernst schüttelte er den Kopf. »Keiner außer mir wird es je sehen. Ich werde alles, was du für mich malst, wie einen Schatz hüten, Josie. Aber wenn du dich selbst malst, in deiner ganzen verführerischen Schönheit, kannst du sicher sein, dass dieses Bild nur für mich und niemanden sonst bestimmt sein wird.« »Okay«, murmelte sie mit erregter Miene. »Bist du satt?« Sie nickte und reichte ihm das halb leere Glas Wein. Er stellte es weg. Dann trug er das Tablett zu seiner Kommode, ehe er zum Bett zurückkehrte. Und zu Josie. Er stieg ins Bett und streckte den Arm nach ihr aus, und sie rutschte an ihn heran. Sie schmiegte sich an ihn, im Rücken von seinen Kissen gestützt. »Jetzt erzähl mir von Michael«, forderte Ash sie ruhig auf. Ihr Körper spannte sich an, und sie schwieg lange. Dann sackte sie in sich zusammen und atmete tief durch. »Ich habe mich so in ihm getäuscht«, flüsterte sie. »Ich hätte nie für möglich gehalten, dass er zu so etwas in der Lage sein könnte. Nicht einmal während unserer Beziehung. Wenn er von seiner … Dominanz Gebrauch machte, geschah das immer in einer zurückhaltenden, vorsichtigen Art. Er ist immer sehr behutsam mit mir umgegangen. Als ob er mir niemals wehtun wollte.« »Wo warst du, als es passierte?«, wollte Ash wissen. »Bist du zu ihm gegangen?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er kam zu mir.« Ash fluchte. »Du hast ihn in deine Wohnung gelassen?« Sie stemmte sich hoch und lehnte sich etwas zurück, sodass sie ihm in die Augen schauen konnte. »Warum hätte ich das nicht tun sollen, Ash? Wir waren ein Liebespaar. Er hat mir niemals Grund zu der Annahme gegeben, er könnte mir wehtun. Er hat nie die Beherrschung verloren. Nicht ein einziges Mal. Ich habe ihn nicht einmal wütend erlebt. Er war immer sehr ruhig und beherrscht. Er kam zu mir, weil er nicht glauben wollte, dass ich es ernst damit meinte, die Beziehung beenden zu wollen. Er brachte mir das Halsband zurück, entschuldigte sich und sagte, dass es für mich offensichtlich große Bedeutung hätte und er das in Zukunft berücksichtigen würde.« Ash runzelte die Stirn, unterbrach sie jedoch nicht. »Als ich ihm sagte, dass es vorbei ist, wollte er wissen, warum.« Sie verstummte, wandte den Kopf ab und verschränkte die Hände im Schoß. Er zog sie fester an sich, sodass er fast ihren gesamten Körper berührte. Er spürte ihren Herzschlag, spürte, wie aufgewühlt sie jetzt war. »Was ist dann passiert?«, fragte er leise. »Ich sagte ihm, dass er mir die Dinge, die ein anderer Mann mir versprochen hätte, nicht geben könnte«, flüsterte sie. Ashs Griff wurde noch fester. »Sprich weiter.« »Er ist ausgerastet. Er verlor vollkommen die Beherrschung. Die Worte hatten kaum meinem Mund verlassen, da schlug er auch schon zu. Ich habe mich so erschreckt, dass ich überhaupt nicht wusste, was ich tun sollte. Ich stürzte zu Boden, und er kam hinter mir her, um mich noch einmal zu schlagen. Er packte mich an den Haaren und beschuldigte mich, ihn betrogen zu haben. Er sagte, er wäre immer viel zu nett mit mir umgesprungen. Wenn er mich so behandelt hätte, wie er es hätte tun sollen, wäre das nie passiert, dann hätte ich ihn nie betrogen.« »So ein Arschloch«, stieß Ash hervor. »Dafür werde ich ihn umbringen.« Sie schüttelte den Kopf, dass die Haare wild umherflogen. »Nein, Ash. Lass es auf sich beruhen. Es ist abgehakt. Vorbei.« »Das ist es ganz sicher nicht!« Er zwang sich, ruhiger zu atmen, seine Wut zu zähmen, und lockerte seinen Griff um ihren Arm, wo sich seine Finger in ihr Fleisch gebohrt hatten. Er würde keine Male auf ihrer zarten Haut hinterlassen, außer die der Leidenschaft und Zärtlichkeit … Male, die sie gern tragen würde. »Ich hätte zur Polizei gehen sollen«, erklärte sie leise. »Eigentlich hätte ich Anzeige erstatten müssen. Damit man ihn festnimmt. Aber ich stand unter Schock. Und außerdem kam ich mir so … dumm vor. Warum hatte ich das nicht vorausgesehen? Warum hatte ich diese Neigung zur Gewalttätigkeit nicht schon vorher gespürt? Wie hatte ich Sex mit ihm haben können, ohne zu erkennen, was sich hinter der Fassade verbarg? Wenn ich mir vorstelle, was alles hätte passieren können … Ich habe ihm vertraut. Bedingungslos. Ich habe mich ihm vorbehaltlos hingegeben. Er hätte alles mit mir machen können. Das ist der Grund, warum …« Sie verstummte und verharrte schweigend an seiner Seite. Er strich das Haar zurück, das über ihrer misshandelten Wange hing, und drückte einen Kuss auf die wunde Haut. »Warum was?«, fragte er sanft. Sie schloss die Augen. »Das ist der Grund, warum ich dich nicht angerufen habe. Warum ich nicht zu dir gekommen bin. Warum ich das, was du angeboten hast, nicht angenommen habe. Ich hatte … Angst.« Sein Körper spannte sich an, und er sah sie mit durchdringendem Blick an. »Angst vor mir?« Sie nickte bekümmert. Er atmete tief ein. Er verstand. Er hörte es nicht gern, aber er verstand. »Ich weiß, was du meinst«, sagte er und strich ihr dabei über den Arm. »Du dachtest, du könntest deinem Urteil in Bezug auf mich und meine Absichten nicht trauen, weil du ihn so falsch eingeschätzt hattest.« Sie nickte wieder. »Das verstehe ich, Josie, aber mach dir eines klar: Ich bin nicht Michael.« Sie blickte zu ihm hinauf, und ein Hoffnungsschimmer trat in ihre Augen. Sie wollte ihm glauben. Sie wollte sich selbst und ihrem Instinkt in Bezug auf ihn vertrauen. »Ich werde dir niemals wehtun«, schwor er ernst. »Wenn wir Probleme haben, finden wir eine Lösung. Und diese Lösung beinhaltet nicht, dass ich meine Hand gegen dich erhebe. Niemals.« »Okay«, hauchte sie. »Komm her«, sagte er leise und streckte auch den anderen Arm nach ihr aus. Sie schmiegte sich, ohne zu zögern, sofort an seine Brust. Er schlang beide Arme um sie, drückte sie an sich und atmete ihren Duft ein. »Es macht mich verrückt, dass du noch mehrere Tage mit dieser Prellung herumlaufen wirst. Der Anblick gefällt mir nicht, aber noch weniger gefällt es mir, dich in diesem Zustand zu sehen und daran erinnert zu werden, dass er dir wehgetan hat.« »Ich hab doch nichts«, murmelte sie an seiner Brust. »Doch das hast du. Noch. Aber bald nicht mehr«, versprach er. »Ich bitte dich um eins, Josie: Gib mir die Chance, dir zu zeigen, dass wir zusammengehören. Ich habe Verständnis dafür, dass du im Moment vorsichtig bist und an dir selbst zweifelst. Aber begib dich in meine Obhut. Gib mir diese Chance. Du wirst es nicht bereuen.« Sie schwieg eine Weile, und er wartete nervös auf ihre Zustimmung. Und dann kam sie. Ein schlichtes Wort, dem die Unsicherheit anzumerken war, und das doch mit ruhiger Bestimmtheit ausgesprochen wurde. »Okay.« Sein Brustkorb senkte sich kurz. Er atmete ein paar Mal lang ein und aus, ehe er sie an sich drückte. »Schlaf jetzt, Josie. Morgen entscheiden wir, was mit deiner Wohnung passiert.« Er hielt sie in den Armen, bis ihr Körper sich entspannte und er ihre leisen, gleichmäßigen Atemzüge vernahm. Aber er ließ nicht los, all seine Muskeln waren angespannt, während er sich noch einmal jedes ihrer Worte in Erinnerung rief. Und die Angst, die in ihrer Stimme gelegen hatte. Die Selbstkritik. Die Vorstellung, wie sie vor Michael auf dem Boden lag, während der sie schlug, machte es ihm unmöglich, Schlaf zu finden. Es war weit nach Mitternacht, als er sein Handy leise vom Nachttisch nahm und Jace’ Nummer wählte. »Was zum Teufel soll das?«, brummelte sein Freund ins Telefon. »Ich hoffe, du hast einen guten Grund, Ash.« »Ich brauche ein Alibi«, sagte Ash. Am anderen Ende der Leitung blieb es lange still. »Grundgütiger! Verdammt! Was ist los, Ash? Brauchst du Hilfe? Was ist passiert?« Ash sah auf Josie hinunter, deren Wimpern wie Fächer auf ihren Augen lagen. Die Verfärbung nach dem Schlag war immer noch zu sehen. »Jetzt noch nicht. Aber bald. Im Moment braucht Josie mich. Sie braucht Zuwendung und Ruhe. Und sie muss die Erfahrung machen, dass ich ihr niemals wehtun werde. In der nächsten Zeit werde ich erst einmal jede Minute damit verbringen, ihr das klarzumachen. Aber dann werde ich mir dieses Arschloch vorknöpfen, das für den Zustand ihres Gesichts verantwortlich ist, und ich brauche deine Hilfe, falls ich ein Alibi benötige.« »Himmel, Ash. Was zum Teufel ist passiert? Hat jemand Josie etwas angetan?« »Ja«, erwiderte Ash mit knirschenden Zähnen. »Und ich werde dafür sorgen, dass er nie wieder sie oder irgendeine andere Frau anfasst.« Er hörte Jace laut ausatmen. »Was auch immer du brauchst, Ash, du bekommst es von mir. Um so etwas brauchst du mich nicht zu bitten.« »Danke dir«, murmelte Ash. »Wir reden später.« 12 Josie erwachte und versuchte, sich zu strecken, stieß aber sofort gegen Widerstand. Sie riss die Augen auf und blinzelte verwirrt. Dann erinnerte sie sich wieder. Sie lag mit Ash im Bett. In Ashs Wohnung. In seinen Armen. Ihr Blick fiel auf seine breite Brust und das Heben und Senken seines wundervoll gemeißelten, männlichen Körpers. Sie atmete tief ein und genoss seinen Geruch. Er lag ganz dicht neben ihr, und es wäre ein Leichtes gewesen, die Lippen auf seine Haut zu drücken. Sie war wirklich in Versuchung. Aber sie waren kein Liebespaar, das nach einer Liebesnacht nebeneinander aufwachte. Sie hatten überhaupt keinen Sex gehabt. Noch nicht. Sie wussten fast nichts voneinander, abgesehen von einer Unterhaltung bei einem Abendessen und ein paar höflichen Floskeln. Und trotzdem lag sie hier in seinem Bett, nachdem sie sich sogar bereit erklärt hatte, bei ihm einzuziehen. Sie schloss die Augen und fragte sich aufs Neue, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Kopf und Herz diskutierten unaufhörlich miteinander, und sie wusste immer noch nicht, wer als Sieger aus dem Streitgespräch hervorgehen würde. Vielleicht gab es ja gar keinen; sie würde improvisieren müssen, denn es gab keine eindeutige und einfache richtige Entscheidung. Zögernd hob sie den Blick und hielt den Atem an, als sie bemerkte, dass er wach war. Ihre Blicke begegneten sich, und eine Welle durchlief ihren Körper, bis in die Zehenspitzen hinein. Er war wach und musterte sie durchdringend. Als könnte er direkt in ihren Kopf sehen und ihre Gedanken lesen. »Guten Morgen«, murmelte er. Sie senkte den Blick, als sie spürte, wie Hitze in ihre Wangen strömte. »Josie?« Sie schaute auf und bemerkte seinen fragenden Blick. »Was ist los?«, fragte er sanft. Sie schluckte. »Das ist alles so schwierig.« Seine Hand glitt über ihren Körper, ihren Arm hinauf, schob sich kurz in ihr Haar, ehe seine Finger über die Rundung ihrer Wange strichen. »Ich habe nie gesagt, dass es leicht sein würde. Gute Dinge sind nie leicht.« Das stimmte. Und mit Ash würde es eindeutig nie leicht sein. Nichts an ihm war leicht und unkompliziert. »Zum Beispiel etwas so Gutes, wie mit dir in den Armen zu erwachen.« Er raunte die Worte mit tiefer Stimme, die sich in ihrem gesamten Körper auszubreiten schien und das Blut wärmer durch ihre Adern strömen ließ. »Mir gefällt das auch«, hauchte sie. »Ich möchte, dass du dich hier sicher und geborgen fühlst«, erklärte Ash ernst. »Dass du dich bei mir geborgen fühlst.« »Das tue ich.« »Gut. Und jetzt komm mit deinem Mund näher ran, damit ich dir richtig guten Morgen sagen kann.« Sie hob das Kinn und legte eine Hand auf seine Brust. Er zuckte unter der Berührung zusammen. Seine Muskeln waren hart und bebten vor Anspannung. Sie wich hastig zurück, aber er griff schnell nach ihrer Hand und legte sie zurück auf seine Brust. »Zum Beispiel etwas so Gutes, wie von dir berührt zu werden«, murmelte er. »Ich werde das häufig wollen. Genau wie ich dich jedes Mal berühren werden will, wenn du in meiner Nähe bist. Wenn wir im selben Raum sind, Josie, werde ich dich berühren.« Und dann küsste er sie. Sein warmer, sinnlicher Mund verwöhnte ihre Lippen. Es war ein sanfter Kuss, der nichts forderte. Sie seufzte an seinem Mund und entspannte sich, ihr Körper wurde schlaff, und ihre Hand blieb zwischen ihren Körpern liegen. »Darauf habe ich so lange gewartet«, murmelte er. »Dich in meinem Bett zu haben. Deinen Mund an meinem zu spüren. Dass du das Erste bist, was ich am Morgen koste. Die letzte Woche hat mich fast in den Wahnsinn getrieben, Josie. Dieses Warten auf dich … auf das hier. Und jetzt habe ich es endlich. Ich werde es nicht mehr loslassen.« »Ich habe auch gewartet«, gestand sie. Und das hatte sie tatsächlich. Sie hatte davon geträumt. Hatte sich gefragt, wie es sich anfühlen würde. Und jetzt wusste sie es. Es fühlte sich … richtig an. Die Sorgen und Gedanken, die sie sich gemacht hatte, lösten sich in Luft auf. Ihre Fragen. Ihre Befürchtungen. Die Vorstellung, dass sie eine falsche Entscheidung fällen könnte. Das alles war in diesem vollkommenen Moment, in dem sich alles einfach richtig anfühlte, verflogen. Das war es, was sie wollte, was er ihr geben konnte. Und sie würde sich nicht mehr dagegen und gegen sich selbst wehren. Er drehte sie auf den Rücken und schob sich über sie, sodass sein Körper groß und mächtig über ihr aufragte. Er küsste sie wieder, und diesmal vertiefte er den Kuss, sodass sein Verlangen nach ihr in ihren Mund strömte. Seine Lippen lagen fest auf ihrem Mund, forderten, nahmen. Er raubte ihr den Atem. Sie konnte keine Luft holen, weil er es nicht zuließ. »Ich war entschlossen zu warten, geduldig zu sein«, stieß er heiser hervor. »Aber ich kann es nicht, Josie. Ich muss dich jetzt haben. Sag, dass es dir genauso geht. Es muss dir genauso gehen. Ich kann doch nicht der Einzige sein, der das Gefühl hat zu sterben, wenn er nicht mit dir vereint sein darf.« Seine leidenschaftlich erregten Worte berührten sie tief im Innern. Sie drängte sich ihm entgegen und hieß ihn wortlos willkommen. Doch er verharrte plötzlich regungslos und sah sie durchdringend an. Er wollte die Worte hören. Forderte sie. »Sag es«, forderte er sie auf. »Sag, dass du mit mir zusammen bist, Josie. Ich will es dich sagen hören, damit es keinen Zweifel mehr daran gibt, was du willst. So sehr ich dich auch will, so sehr ich dich begehre … wenn du nicht mit mir zusammen sein willst, dann ist es jetzt zu Ende.« »Ich gehöre zu dir«, stieß sie atemlos hervor. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und Adrenalin schoss durch ihren Körper. »Gott sei Dank«, raunte er. Er küsste sie wieder, als könnte er es nicht ertragen, auch nur einen Moment lang ihre Lippen nicht zu spüren. Als er widerstrebend den Kopf hob, funkelten seine Augen vor Lust und Erregung. »Ich muss ein Kondom holen. Wir werden uns später über andere Möglichkeiten unterhalten, aber jetzt musst du erst einmal geschützt sein. Und wir müssen diesen Pyjama loswerden. Pink ist deine Farbe, eindeutig. Aber jetzt will ich unbedingt dieses Tattoo sehen.« Sie lächelte, als er von ihr herunterglitt und anfing, in seiner Nachttischschublade zu wühlen. Dann wandte er sich ihr wieder zu und schob seine Hände an ihrem Rücken unter das Oberteil, bis sie auf dem Bündchen der Hose lagen. »Seit dem ersten Tag im Park, als ich einen kurzen Blick darauf werfen konnte, kann ich an nichts anderes mehr denken.« »Du hast es schon gesehen?«, fragte sie überrascht. Er lächelte. Er hatte ihr gerade die Hose abstreifen wollen und hielt jetzt mitten in der Bewegung inne. »Ja. Es hat mich fast in den Wahnsinn getrieben. Ich habe ständig überlegt, wo das Tattoo wohl entlangläuft.« Sie hob den Po, sodass er ihr die Hose abstreifen konnte. Er warf das Kleidungsstück zur Seite und arbeitete sich vom untersten Knopf des Oberteils langsam nach oben, um auch den Rest ihres Körpers seinem Blick zu enthüllen. Nachdem er den letzten Knopf geöffnet hatte, schob er den Stoff auseinander und über ihre Schultern. Sie setzte sich auf, weil sie das Oberteil ebenso loswerden wollte wie er. Dieses Mal warf er das Kleidungsstück durch den Raum, bis es neben der Badezimmertür auf dem Boden landete. Sein Blick richtete sich sofort auf das Tattoo. Sie beobachtete, wie er dem Verlauf des Musters bis zu ihrem Schenkel folgte, wo es zwischen ihren Beinen verschwand. Sie bebte unter seinem durchdringenden Blick. Ihm haftete etwas Besitzergreifendes an, es war ein Blick, der laut: »Mein, alles mein!« rief. Ash drehte Josie sanft auf die Seite, er wollte das ganze Tattoo sehen. Es war aufsehenerregend, eine Explosion von Farben auf blasser Haut, bestehend aus einem Himmelblau, das zu ihren Augen passte, und zahlreichen Pink-, Lila-, Grün- und Orangetönen. Es stellte, wie er sich schon gedacht hatte, eine Blumenranke dar, mit herrlicher Liebe zum Detail ausgeführt. Das war nicht einfach eine Tätowierung, die in ein paar Stunden angefertigt worden war. Er konnte sich nicht einmal annähernd vorstellen, wie viel Zeit und Geduld es wohl gekostet hatte, dieses Kunstwerk in dieser exakten Ausführung herzustellen. Er strich mit den Fingern über ihre Haut und fuhr die Linien nach, die über ihre Hüfte und über ihren Oberschenkel verliefen, ehe die Ranke zwischen ihren Beinen verschwand. Er drehte Josie wieder um, bis sie auf dem Rücken lag und seine Finger neben den goldenen Löckchen auf ihrem Venushügel ruhten. »Zeig es mir«, sagte er leise knurrend. »Spreiz deine Beine, Josie. Zeig mir das Tattoo, zeig mir alles.« Ihre Augen weiteten sich, ihr Blick war leer, während ihre Pupillen zuckten und sich dann zusammenzogen. Aber sie gehorchte und spreizte langsam die Beine, um seinem Blick alles darzubieten. Er streichelte die weichen Löckchen und freute sich darüber, dass sie sich willig fügte. »Wunderschön«, sagte er mit rauer Stimme. Das Tattoo. Das rosige, weibliche Fleisch. Josie war wunderschön. Das komplizierte Muster wand sich um die Innenseite ihres Schenkels und endete an der Rückseite ihres Beines. Ein fröhlicher, blumiger Belag auf ihrer Haut, der strahlte wie sie und ihre Persönlichkeit und ihren Kunstsinn perfekt widerspiegelte. Es würde noch genug Momente geben, seine Dominanz auszuleben und sie in jeder erdenklichen Form zu unterwerfen. Heute schliefen sie zum ersten Mal miteinander, und es ging darum, eine vertrauensvolle Grundlage zu schaffen. Deshalb würde er sich erst einmal um ihre Bedürfnisse kümmern. Ihr Freude bereiten. Er würde unendlich zärtlich sein, denn er wusste, dass er sich bald alles nehmen würde. Er würde alles fordern. Bei diesem ersten Mal sollte sie eine Erfahrung machen, welche die Grundlage ihrer Beziehung bilden würde. Er beugte sich vor und senkte den Mund zwischen ihre Brüste. Sie hob sich ihm entgegen und wollte mehr von seinem Mund. Und so gab er ihr mehr, indem er eine Flut von Küssen bis zu ihrem Bauch strömen ließ. Sie stieß ein leises Stöhnen aus, und ihr Körper zuckte und bebte unter seinen Lippen. Die Vorfreude darauf, ihr gleich den intimsten aller Küsse zu geben, ließ auch ihn erbeben. Er bewegte sich auf Messers Schneide. Der Drang, ihre Schenkel noch weiter zu spreizen und in sie einzutauchen, war schier überwältigend. Er wollte sie besitzen. Es war ein primitiver Instinkt, ein Gefühl, das seine Gedanken beherrschte, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Und jetzt lag sie hier vor ihm, in seinem Bett. Sie gehörte ihm, und er konnte mit ihr tun und lassen, was er wollte. Er würde dieses Geschenk verdammt noch mal zu würdigen wissen und seinen Wert erkennen. Sie hatte ihm ihr Vertrauen geschenkt, und er wusste, was das bedeutete, gerade unter diesen Umständen. Er drückte einen Kuss auf das seidige Haar über ihrer Scham und glitt dann tiefer, atmete ihren Duft ein und spreizte ihre Beine noch ein wenig weiter, um sie besser erkunden zu können. Er strich mit den Fingern um die samtigen Falten und verteilte ihr süßes Nass bis zu ihrem Kitzler, sodass seine Finger leicht über das feuchte Fleisch glitten, ohne es zu reizen. »Ash!« Wie ein Schuss entrang sich sein Name ihrem Mund. Er liebte die Art, wie sie ihn aussprach, er liebte den Klang seines Namens auf ihren Lippen. Und er wusste, dass er ihre Lust noch weiter steigern konnte, wenn sein Mund erst den Platz einnahm, den seine Finger besetzten. Mit den Fingern öffnete er sie weiter, ehe er seinen Mund auf sie senkte und mit seiner Zunge von ihrer Öffnung bis zum Kitzler glitt. Ihr weiblicher Tau lag wie Honig auf seiner Zunge. Ihrer Kehle entrang sich ein ersticktes Stöhnen, und plötzlich war ihre Hand in seinem Haar, während ihre Finger sich auf seiner Kopfhaut verkrampften. Er saugte vorsichtig an der Knospe ihrer Weiblichkeit und übte gerade genug Druck aus, um ihre Beine vor Lust zucken zu lassen. Dann glitt seine Zunge wieder nach unten, weil er noch mehr von ihrem seidigen, heißen Honig wollte. Seine Zunge drang in sie ein und besorgte es ihr mit sinnlich langsamen Stößen. Er hatte zwar beschlossen, dass sich dieses Mal alles nur um sie und ihre Lust drehen würde, doch zu spüren, wie sie sich unter ihm wand, schenkte auch ihm höchste Lust. Er war schmerzhaft steif und so erregt, dass ihm schwindelte. »Komm für mich«, krächzte er, während er den Kopf hob, um über ihren Körper nach oben zu schauen. »In meinem Mund, Josie. Komm in meinen Mund. Ich werde dich weiter verwöhnen. Ich werde es schön für dich machen.« Ihr Blick war vor Leidenschaft verhangen, ihre Lippen rot und geschwollen von seinen Küssen und ihren Zähnen, die daran Halt gefunden hatten, während er sich an ihr labte. »Magst du meinen Mund, Josie?« »Oh ja«, hauchte sie. »Du bist sehr gut mit deiner Zunge.« »Du inspirierst mich«, erwiderte er mit einem leisen Lachen. Sie stöhnte wieder, als seine Zunge aufs Neue in ihr flüssiges Feuer eintauchte und sie gründlich erforschte. Um ihre Erregung noch zu steigern, und entschlossen, sie mit der Zunge zum Höhepunkt zu treiben, strich er mit dem Daumen über ihren Kitzler und massierte ihn, während er sie weiter leckte und an ihr saugte, als wäre seine Zunge sein Schwanz. Ihr Hintern hob sich vom Bett, und sie drängte sich dem Druck entgegen, den er mit seinem Daumen ausübte. Das Fleisch, mit dem sie seine Zunge umschloss, wurde noch weicher. Heißer, süßer Tau strömte in seinen Mund. Begierig nahm er ihn mit seiner Zunge auf, so sehr gierte er nach ihrem Höhepunkt. Er schob einen Finger seiner freien Hand in sie hinein und streichelte die seidigen Wände in ihrem Innern, um dann tief in sie hineinzustoßen. Sie umklammerte gierig seinen Finger, wollte ihn nicht loslassen, als er ihn herauszog und wieder durch seine Zunge ersetzte. »Jetzt, Josie«, knurrte er. »Komm.« Er streichelte sie mit den Fingern und mit seiner Zunge, bis sie vollkommen die Beherrschung verlor. Eine gewaltige Woge erfasste sie, und sie verkrampfte sich um ihn. Ihre Beine schlossen sich um seinen Kopf und verankerten ihn fest, während er sich weiter hungrig an ihr labte. Und dann spürte er plötzlich einen Schwall heißen Honigs auf seiner Zunge. Ihre Hüften zuckten unkontrolliert, während die Wogen des Höhepunkts über ihren Körper hinwegspülten. Gütiger Himmel, sein Schwanz würde vermutlich einen dauerhaften Abdruck auf der Matratze hinterlassen. Er war vollkommen steif und hart und hungerte nach dem, was sein Mund gerade bekam. Er richtete sich auf, als er spürte, dass ihr Höhepunkt einen Punkt erreicht hatte, an dem sie zu empfindsam war, um seine Zärtlichkeiten weiter genießen zu können. Er stützte sich mit den Händen auf beiden Seiten ihres Kopfes ab, um sie mit seinem Körper nicht zu erdrücken, ehe er sich nach unten beugte und sie küsste. Auf diese Weise konnte sie sich selbst kosten, und er teilte diese Erfahrung mit ihr. »Das ist deine Leidenschaft, dein süßer Tau, Josie. Ich habe noch nie etwas Köstlicheres geschmeckt. Das bist du auf meiner Zunge, und jetzt spürst du es auch auf deiner Zunge.« Sie stöhnte, und es klang fast schon schmerzerfüllt, doch sie erwiderte seinen Kuss mit der gleichen Leidenschaft, die auch ihn erfüllte. Ihre Brustspitzen ragten wie steife Perlen auf und drängten sich ihm entgegen, als flehten sie genau wie ihre Weiblichkeit vorher um die Aufmerksamkeit seines Mundes. Er würde gleich zu ihnen kommen. Aber zuerst wollte er ihren Mund und ihren Hals erforschen. Dann würde er sich zu ihren köstlichen Brüsten nach unten vorarbeiten. »Darf ich dich berühren?«, wisperte sie. »Das brauchst du nie zu fragen«, murmelte er an ihrem Ohr. Er leckte über ihre Ohrmuschel und rief damit ein Beben hervor, das durch ihren gesamten Körper lief. »Ich möchte, dass du mich oft berührst. Ich werde es nie nicht wollen. Ich möchte, dass du mich immer berührst, wenn wir zusammen sind. Auch wenn es keine sexuelle Berührung ist. Ich bin ein sehr körperlicher Mensch, Josie. Ich weiß nicht, ob dich das stört. Aber ich hoffe sehr, dass es das nicht tut. Und es ist mir völlig egal, ob wir uns gerade in der Öffentlichkeit befinden oder nicht. Ich habe kein Problem damit, wenn die ganze Welt erfährt, dass du zu mir gehörst.« Sie seufzte, strich mit den Händen über seine Schultern und ließ sie dann über seinen Rücken gleiten. Fast hätte er geschnurrt, als ihre Nägel zart über seine Haut kratzten. »Das gefällt mir«, sagte sie. »Was davon gefällt dir?« »Alles. Michael war nicht so.« Ein besorgter Ausdruck trat in ihre Augen, als hätte sie selbst gemerkt, dass es keine sonderlich gute Idee war, Michael zu erwähnen. Insbesondere da Ash kurz davorstand, zum ersten Mal in sie einzudringen. Er bemühte sich, sein Gesicht nicht zu verziehen, denn sie sollte nicht glauben, dass sie ihn verärgert hatte. »War nicht wie?« »Demonstrativ. Er war nicht gefühlsbetont und hat mich auch nicht berührt, außer beim Sex. Aber auch nur dann, und selbst in diesen Momenten war es sehr … unpersönlich. Aber so wie du es sagst, klingt es … nett. Als wolltest du, dass ich in deiner Nähe bin … um dich zu berühren.« »Himmel, natürlich will ich das«, sagte er. »Und es ist mir auch völlig egal, wenn jemand anderes das mitbekommt.« Sie lächelte und erschauderte dann wieder, als er sich über sie beugte und mit den Zähnen über die empfindsame Haut unter ihrem Ohr strich. »Das gefällt mir, Ash«, wisperte sie. »Alles. Und das macht mir Angst, weil es zu gut ist, um wahr zu sein.« »Freut mich, dass es dir gefällt, Josie. Es wäre wirklich blöd, wenn es das nicht täte, denn so bin ich und es ist das, was ich zu bieten habe. Und es ist nicht zu schön, um wahr zu sein. Es ist einfach nur schön. Aber lass uns jetzt loslegen. Denn wenn ich nicht bald in dir bin, wird die Sache für mich äußerst schmerzhaft.« Sie wirkte plötzlich besorgt, aber er grinste, um ihr zu zeigen, dass er zumindest teilweise scherzte. Denn es war wirklich ziemlich schmerzhaft. Es war schon verdammt lange her, seit er zum letzten Mal so lange steif gewesen war, ohne etwas dagegen zu tun. Und sich an ihrer Weiblichkeit zu laben, während sein Schwanz die verdammte Matratze fast durchbohrte, war keine Erfahrung, die er in nächster Zeit wiederholen wollte. Da gefiel ihm die 69er-Stellung schon deutlich besser, bei der sie ihn verwöhnte, während er sie kostete. Aber wie all die anderen Fantasien, die er hatte, musste auch diese warten. Und jetzt, wo er sie genau da hatte, wo er sie haben wollte, hatte er alle Zeit der Welt, um jede sexuelle Abart aus seinem Repertoire mit ihr auszuprobieren. Er wandte sich ihren Brüsten zu. Es waren wirklich perfekte Brüste. Klein, aber nicht zu klein, zugleich aber auch nicht groß. Genau richtig, um ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen. Und ihre Brustwarzen waren absolut perfekt geformte, rosige Erhebungen. Er leckte mit der Zunge um eine der steifen Perlen und erforschte jeden Millimeter, ehe er mit der Zunge über die Spitze fuhr und sie dann fest einsaugte. Ihr gesamter Körper erstarrte, ihr Keuchen erfüllte den Raum, und der leidenschaftliche Wohlklang berauschte seine Ohren. »Ash.« An der Art, wie sie seinen Namen rief, erkannte er, dass sie etwas fragen wollte. Er schaute auf, begegnete ihrem Blick und beobachtete fasziniert, wie die Farbe ihrer Augen vor Erregung zu einem stürmischen Blaugrün gewechselt hatte. »Ich will dich auch schmecken«, wisperte sie. »Ich möchte, dass du dich genauso gut fühlst wie ich, als du es mir gemacht hast.« Er lächelte sie zärtlich an und beugte sich dann vor und küsste ihren Mundwinkel. »Das wirst du. Aber jetzt geht es um dich, und ich will dich so häufig zum Höhepunkt kommen lassen, wie ich kann. Glaub mir, wenn ich sage, dass du mich schon sehr bald mit deinem Mund verwöhnen wirst.« »Ich freue mich darauf«, murmelte sie undeutlich. »Ich auch«, sagte er, ehe er den Mund wieder auf ihre Brüste senkte. Er spielte träge mit den Spitzen, wechselte zwischen ihnen hin und her, leckte daran, ehe er sie gerade so fest in seinen Mund saugte, dass sie die erotischsten Laute von sich gab, die er je gehört hatte. Sie war keine leise Geliebte. Sie war höchst ausdrucksstark und stieß eine Vielzahl von Lauten über ihre Lippen, die allesamt verdammt verführerisch waren. Sie waren der ultimative Ausdruck weiblicher Lust. Er tastete nach dem Kondom, riss die Verpackung auf und griff dann nach unten, um es sich überzustreifen. Er zuckte zusammen, als seine Hand sein Geschlecht berührte. Er stand so kurz davor zu kommen, dass sogar seine eigene Berührung schmerzhaft war. »Ist alles in Ordnung?«, flüsterte sie. »In drei Sekunden wird genau das der Fall sein«, erwiderte er genauso leise, während er vorsichtig einen Finger in sie hineinschob, um zu überprüfen, ob sie bereit für ihn war. Ihr Fleisch war immer noch geschwollen und eng von ihrem Höhepunkt, und ihm brach der Schweiß aus, wenn er sich nur vorstellte, wie gut sie sich anfühlen würde, sobald sie seinen Schwanz umschloss und ihr Schoß auch den letzten Tropfen seiner Erlösung aus ihm herausquetschen würde. Verdammt. Er musste endlich zur Sache kommen, sonst würde er sich gleich jetzt in das Kondom ergießen. Er atmete tief ein, schob sich über sie und stieß mit der Spitze seines Schwanzes gegen ihren Eingang, während er sich mit den Händen zu beiden Seiten ihres Kopfes abstützte. »Greif nach unten und führe mich ein«, wies er sie mit rauer Stimme an. »Leg deine Finger um mich und schieb mich in dich hinein, Süße.« Er bemerkte, dass sie mit Freude auf das Kosewort reagierte. Er speicherte diese kleine Information und schloss die Augen, als ihre Hand ihn das erste Mal berührte. Ihre Finger umschlossen ihn und glitten an ihm auf und ab, während sie ihn an die Öffnung ihres Schoßes führte. Schweißperlen traten auf seine Stirn, und er biss die Zähne zusammen, um nicht die Kontrolle zu verlieren. »Nimm mich«, wisperte sie. »Du bist da, Ash. Komm jetzt in mich hinein.« Bereitwillig drängte er nach vorn, bemühte sich aber, nicht zu kräftig zuzustoßen, damit sie ihn geschmeidig aufnehmen konnte. Sie war verdammt eng, aber sie dehnte sich und umschloss ihn fest, als er diesmal tiefer und fester zustieß. »So … jetzt streck die Arme nach hinten aus, sodass deine Hände das Kopfteil des Bettes berühren«, stöhnte er. Sie reagierte mit einem zuckenden Pochen auf seine Worte, und umschloss ihn noch heißer und nasser. Langsam folgte sie seiner Anweisung, hob die Hände und streckte sie über ihrem Kopf aus. Er bäumte sich auf und schob seine Hände unter ihren Po, um sie zu halten und in eine Position zu bringen, bei der er noch tiefer in sie eindringen konnte. Er sah nach unten und beobachtete fasziniert, wie sein Schwanz immer wieder in sie eintauchte. Dann glitten seine Hände von ihrem Hintern zu ihren Beinen, die er um seine Hüften legte, sodass sie sich ihm noch weiter öffnete. »Wie kurz bist du davor, noch einmal zu kommen?«, fragte er und atmete durch die Nase, während er sich krampfhaft bemühte, nicht die Kontrolle zu verlieren. »Ich bin kurz davor«, wisperte sie. »Aber ich brauche …« Sie biss sich auf die Unterlippe und verstummte, während sie den Blick abwandte. »Sieh mich an«, stieß er hervor. Mit einem Ruck drehte sie den Kopf und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Was brauchst du?« »Ähm … ich brauche deine Berührung.« Röte schoss in ihre Wangen und verfärbte ihre Haut zu einem köstlichen Rosa. »Nur durch Penetration bin ich noch nie gekommen.« Er ließ sich nach unten sinken und stützte sich mit den Unterarmen ab, bis sein Gesicht dicht vor ihrem lag, ihre Lippen nur einen Hauch voneinander entfernt. »Viele Frauen können ohne eine Stimulation der Klitoris nicht kommen«, erklärte er sanft. »Das bedeutet nicht, dass mit dir irgendetwas nicht stimmt. Außerdem … zögere nie, mir zu sagen, was du im Bett brauchst, selbst wenn es etwas Ungewöhnliches wäre. Verstanden? Ich kann dich nicht befriedigen, wenn ich nicht weiß, was dich anmacht und was nicht. Und ich will, dass du befriedigt bist, weil mich das glücklich macht.« »Verstanden«, erwiderte sie leise. »Nimm deine Hand«, sagte er und griff vorsichtig nach oben, um eine ihrer Hände nach unten zu ziehen, zu der Stelle, wo ihre Körper sich berührten. »Ich werde dich hart nehmen, Süße. Ich stehe kurz davor zu explodieren. Ich habe die Erektion jetzt schon zu lange. Wenn ich erst einmal losgelegt habe, kann ich nicht mehr aufhören, also musst du selbst dafür sorgen, dass du den Höhepunkt mit mir zusammen erreichst. Wenn du noch eine Minute brauchst, fang schon mal an und berühr dich jetzt. Lass mich einfach wissen, wann du so weit bist, okay?« Sie schob ihre Hand zwischen ihrer beider Körper, und er bemerkte, wann sie ihre weibliche Knospe berührte. Sofort trat ein befriedigtes Leuchten in ihre Augen. Ihr verhangener Blick füllte sich mit Verlangen. »Fang an«, wisperte sie. »Bist du dir sicher, Josie? Ich werde nicht lange durchhalten.« Sie nickte, und ihr Gesicht verzog sich. Sie stand kurz vor dem Orgasmus. Er zog sich zurück und genoss das sinnliche Gleiten aus ihrem Körper. Dann warf er sich nach vorn und begann, tief und fest in sie zu stoßen. Schneller. Härter. Er verdrehte die Augen. Noch nie in seinem Leben hatte sich etwas so gut angefühlt. In seinen Ohren ertönte ein Dröhnen. Das Blut strömte laut donnernd durch seine Adern. Josie verschwamm vor seinen Augen, und er nahm nichts mehr wahr als die schmerzhafte Lust, die fest geschlossene Knospen trieb, welche sich unter den ersten Strahlen der Frühlingssonne öffneten. »Himmel«, stieß er hervor. »Das wird mich umbringen.« »Mich auch«, keuchte sie. »Oh, Gott, Ash, hör nicht auf. Bitte!« »Ganz sicher nicht.« Er tauchte immer schneller in sie ein, und die Wucht seiner Stöße erschütterten das gesamte Bett. Ihre Brüste wippten verführerisch, und die Spitzen waren so steif, dass es fast schmerzhaft aussah. Die Lust durchzuckte ihn mit der Schärfe einer Rasierklinge. Sein Höhepunkt näherte sich, simmerte in seinen Lenden und schoss dann durch seinen Schwanz, um sich mit einem schmerzhaften Spritzen zu befreien. Er atmete nicht mehr. Er stieß nur noch zu und ließ sich von der Woge davontragen, während er immer wieder in ihre warme Ummantelung eintauchte. »Josie«, flüsterte er, und ihr Name war kaum mehr als ein Stöhnen. »Ich bin bei dir, Ash.« Ihre Worte kappten die letzte Leine, und er segelte leicht wie eine Schneeflocke im Wind wieder der Erde entgegen. Es war ein wilder Flug, der von ständigen Zuckungen begleitet wurde, während sein gesamter Körper wie eine Kerze knisterte, die gerade verloschen war. Himmel, ein paar Synapsen waren bestimmt in Rauch aufgegangen. Sein Kopf war völlig leer. Sein Körper satt und befriedigt. Er brach auf ihr zusammen, unfähig, sich noch länger hochzustemmen. Er lag auf ihr und rang keuchend nach Luft. Eine ganze Weile rührte er sich nicht, aber er wusste, dass er sie erdrückte, und außerdem musste er das verdammte Kondom loswerden. Er konnte es gar nicht erwarten, sie ohne Kondom zu nehmen. Er würde die ganze Nacht in ihr bleiben. Sie würden klebrig und nass erwachen, aber das war ihm völlig egal. Er wollte in ihr und auf ihr kommen. Er stemmte sich hoch, küsste sie auf die Stirn, und dann strich er ihr das Haar aus dem Gesicht, ehe er sie auf die Lippen küsste. »War es schön für dich?«, fragte er. »Wäre es noch besser gewesen, wäre ich jetzt tot«, meinte sie kläglich. Er lächelte, und dann stand er gerade lange genug auf, um sich des Kondoms zu entledigen. Als er wieder ins Bett kletterte, zog er sie in die Geborgenheit seiner Arme. »Ich glaube, ich könnte jetzt ein bisschen Schlaf gebrauchen«, murmelte er. »Mmmhmm«, stimmte sie zu. »Dann lass uns schlafen. Wenn wir aufwachen, werde ich etwas zu essen für uns organisieren.« Sie schmiegte sich enger an ihn und schob dabei ein Bein zwischen seine. »Ist mir recht«, wisperte sie. 13 »Ich möchte, dass du mein Halsband trägst, Josie«, sagte Ash leise. Überrascht von seiner Direktheit drehte sie sich in seinen Armen um. Sie lagen auf Ashs Couch und verbrachten einen entspannten Vormittag, nachdem sie sich geliebt und dann ein kurzes Nickerchen gemacht hatten. Hinterher hatte Ash ihr das Frühstück ans Bett gebracht und sie dann ins Badezimmer geführt, wo er ihre Haare und jeden Zentimeter ihrer Haut unter der Dusche gewaschen hatte. Er hatte sie abgetrocknet, ihr das Haar gekämmt und sie dann in einen seiner Morgenmäntel gewickelt, ehe sie ins Wohnzimmer zurückgegangen waren, wo sie den Tag seitdem verbracht hatten. Ash musterte sie durchdringend, als wollte er ihre Reaktion abschätzen. Sein Blick glitt über ihr Gesicht und hielt an ihren Augen inne, in die er tief hineinschaute. »Du hast Michaels Halsband getragen. Das überhaupt keine Bedeutung hatte. Mir bedeutet es aber etwas, Josie. Und ich möchte, dass es dir auch etwas bedeutet.« »Okay«, sagte sie leise. »Ich möchte ein Halsband nur für dich auswählen. Ich habe noch keins, aber ich werde dieses besondere Halsband finden. Und wenn ich es habe, möchte ich, dass du es trägst. Wirst du das für mich tun?« Sie nickte, während sie sich vorstellte, den Schmuck zu tragen, wohl wissend, was es für ihn bedeuten würde. »Heute müssen wir noch viele andere Dinge besprechen«, fuhr er fort. »Es gibt viel zu regeln. Ich würde gern alles heute erledigen, damit wir weiterkommen. Wissen, was wir wissen müssen.« »Okay, Ash. Ich bin bereit.« Er drückte ihre Arme, und seine Augen leuchteten zufrieden auf. »Es bedeutet mir viel, dass du mir vertraust. Vor allem nach dem, was dir mit diesem Dreckskerl passiert ist. Etwas Derartiges werde ich dir nie antun, Josie. Vielleicht ist dir das jetzt noch nicht klar, aber das wird es bald sein.« »Ich weiß, dass du mir nicht wehtun wirst«, sagte sie und senkte ihre Lippen auf seinen Mund. »Ich vertraue dir, Ash. Wirklich. Ich sage das nicht einfach so. Du sollst zwar wissen, dass das Ganze nicht leicht für mich ist, aber ich bin mit meiner Entscheidung im Reinen. Ich weiß, dass sie richtig ist. Du musst mir das nicht beweisen.« »Doch, das muss ich«, widersprach er. »Jeden Tag. Ich muss dir jeden Tag zeigen, was du mir bedeutest. Das ist meine Aufgabe. Und wir werden das erleben. Dies hier … du … bist wichtig für mich. Ich werde dafür sorgen, dass du das immer weißt.« Sie beugte sich vor, lehnte den Kopf an seine Schulter und schmiegte sich an seinen Körper. Er fühlte sich so gut an. So fest und stark. Er musste gar nichts dafür tun, dass sie sich bei ihm sicher fühlte. Das tat sie allein dadurch, dass sie ihm nah war. »Als Erstes müssen wir uns über ärztliche Untersuchungen und Verhütung unterhalten.« Sie hob den Kopf und sah ihn fragend an. »Ich möchte keine Kondome benutzen. Nicht, wenn ich mit dir zusammen bin. Ich möchte in dir kommen können … auf dir. Und dafür brauchen wir, brauchst du eine andere Verhütungsmethode. Und dann müssen wir uns auch noch untersuchen lassen, damit wir beide wissen, dass wir gesund sind. Eines sollst du wissen, Josie … ich weiß zwar nicht, wie du es mit Michael gehalten hast, aber ich benutze immer Kondome. Ich habe es nie ohne gemacht. Und außerdem ist es bei mir schon eine Weile her. Ich hab nicht mehr … seit …« Er verstummte und schüttelte den Kopf. »Dazu kommen wir gleich.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Wozu kommen wir gleich?« »Zu den näheren Umständen, unter denen ich das letzte Mal Sex mit einer Frau hatte«, erwiderte Ash ernst. »Ich werde es dir erzählen. Aber wir müssen erst noch ein paar andere Sachen regeln.« Die Art und Weise, wie er das sagte, beunruhigte sie. Sie runzelte die Stirn, und er streckte die Hand nach ihr aus, legte sie um ihren Nacken und zog sie nach unten, bis er ihr einen Kuss auf die Stirn drücken konnte. »Michael und ich haben Kondome benutzt«, erklärte sie leise. »Er ist der einzige Mann, mit dem ich in den letzten zwei Jahren zusammen war. Und ich verhüte schon.« »Genügt dir mein Wort, oder möchtest du meinen letzten ärztlichen Untersuchungsbericht sehen?«, fragte er. Sie war überrascht und fragte sich, ob das wohl eine Art Test war. Es würde doch so aussehen, als vertraute sie ihm nicht, wenn sie einen Blick auf seinen Untersuchungsbericht werfen wollte, oder? Fragte er, um festzustellen, inwieweit sie ihm vertraute? Andererseits wäre es schon ziemlich gewagt, keinen Blick darauf zu werfen und sich auf sein Wort zu verlassen. Das Risiko war zu groß, ihr Leben zu wichtig. »Ich würde ihn gern sehen«, sagte sie. Er nickte und schien sich an ihrer Bitte nicht zu stören. »Ich werde dafür sorgen, dass er dir heute Nachmittag vorliegt.« »Was ist mit mir?«, fragte sie. »Möchtest du, dass ich mich untersuchen lasse? Ich war vor drei Monaten das letzte Mal beim Arzt. Aber seitdem habe ich natürlich Sex gehabt.« »Ich werde das für heute Nachmittag organisieren.« Sie sah ihn mit großen Augen an. »So schnell bekomme ich keinen Termin bei meinem Arzt.« »Wir nehmen meinen. Er wird dich untersuchen«, erklärte Ash selbstsicher. Sie nickte. »Jetzt müssen wir uns darüber unterhalten, wie wir unsere Übereinkunft hier regeln. In dieser Wohnung.« »Okay.« Sie hatte nicht so zaghaft klingen wollen. Aber in der Theorie wirkte alles viel einfacher. Jetzt, wo sie es im Detail besprachen, war sie unsicher und nervös. »Über so etwas kann man nur offen reden«, versuchte Ash sie zu beruhigen. »Ich weiß, dass du nervös bist, aber wir besprechen alles, und dann handeln wir entsprechend.« Sie holte tief Luft und nickte. »Diese Wohnung ist nicht gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Aber das macht nichts, denn ich möchte sicher sein, dass du behütet bist, wenn du mal rausgehst. Also: Mein Fahrer bringt mich morgens zur Arbeit und holt mich nachmittags wieder ab, in der Zeit dazwischen steht er dir zur Verfügung. Aber, und das sage ich nicht, weil ich ein kontrollbesessenes Arschloch bin, ich will wissen, wo du hingehst und wann du gehst, und sicher sein, dass dir nichts passieren kann, während du unterwegs bist. Was deine Wohnung betrifft: Sie muss geräumt werden, wir werden alles herschaffen, was du brauchst. Ich habe ein Arbeitszimmer und weitere Schlafzimmer, du kannst dir einen Raum aussuchen, in dem du malen oder zeichnen willst. Ich selbst halte das Wohnzimmer für den geeignetsten Raum, weil du hier viel Licht und außerdem den Ausblick auf den Fluss hast.« Ihr war schwindelig. Als würde sich alles um sie herum mit Schallgeschwindigkeit bewegen, während sie stocksteif dastand und versuchte, es zu begreifen. »Ich möchte und erwarte von dir, dass du flexibel bist, denn wenn ich nach Hause komme, will ich, dass du hier bist. Das bedeutet, dass ich ständig Kontakt zu dir halte, und du tust umgekehrt das Gleiche. Mein Tagesablauf ist nicht immer gleich. An manchen Tagen bin ich früher zu Hause, was ich dich dann aber vorher wissen lasse. An anderen komme ich spät. Wenn ich verreise, auch wenn im Moment konkret keine Reise ansteht, möchte ich, dass du mitkommst. Ist das für dich in Ordnung?« Sie holte tief Luft und lächelte dann, leicht zittrig. »Habe ich eine andere Wahl?« Er zögerte einen Augenblick. »Nein. Das sind meine Erwartungen an dich.« »Nun, dann werde ich wohl zu Hause sein, wenn du es bist«, erwiderte sie leise. Er atmete tief ein und aus, und seine Schultern sackten vor Erleichterung vor … als hätte er erwartet, dass sie nicht zustimmen würde. Sie fragte sich, was er wohl getan hätte, wenn sie sich gegen seine Forderungen sperren würde? Sie hinauswerfen? Oder hätte er versucht, einen Kompromiss zu finden? Er hatte ihr bereits gestanden, wie sehr er sie begehrte. Er wollte sie. Daran bestand kein Zweifel. Aber wie unflexibel war er wirklich? Sie war zwar neugierig, aber nicht bereit, es darauf ankommen zu lassen. Noch nicht. Nicht bei einer Sache, mit der sie eigentlich kein Problem hatte. Wenn und falls irgendwann einmal der Moment käme, in dem er etwas von ihr verlangte, was sie nicht akzeptieren konnte, würde sie die Grenzen ihrer gerade erst begonnenen Beziehung austesten. »Nur, um sicher zu sein, dass ich dich auch richtig verstanden habe: Du erwartest … im Grunde willst du, dass ich hier bin, wenn du es bist, beziehungsweise dass ich da bin, wo du bist. Und du möchtest, dass ich mich regelmäßig bei dir melde.« Das klang in ihren Ohren nicht sehr fordernd. Es klang vernünftig. Sie wollte nicht, dass er sich ihretwegen Sorgen machte. Sie wollte ihn nicht unnötig ablenken. Wenn er sich Sorgen machte – und es war offensichtlich, dass er das tat –, wollte sie alles tun, was in ihrer Macht stand, um ihm diesen Stress so weit wie möglich zu nehmen. »Ja«, sagte er, und sein Blick wurde noch durchdringender. »Aber, Josie, ich möchte, dass du das begreifst. Aus deinem Mund klingt das so einfach, das ist es aber nicht. Ich werde richtig wütend sein, wenn du ohne ein Wort verschwindest. Das lässt sich dann auch nicht mit einem Lachen und einem ›Ach, tut mir leid. Ich hab vergessen, dir zu sagen, wo ich hinwill‹ abtun. Ich erwarte von dir, dass du mir alles erzählst.« »Okay, Ash«, sagte sie ruhig. »Ich hab’s verstanden.« Er nickte. »So, und jetzt gibt es Dinge, die du über mich wissen musst. Ich will nicht, dass das irgendwann später mal rauskommt und du überrascht bist oder dich irgendwie unbehaglich fühlst. Es ist besser, dass du alles von Anfang an weißt und damit umgehen kannst, als dass es sich plötzlich als Problem erweist.« Gespannt wartete sie auf die Fortsetzung. Er klang so ernst. Als würde er gleich eine Bombe platzen lassen. Sie wollte ihn schon im Scherz fragen, ob er ein Axtmörder wäre, aber in diesem Moment würde er den Versuch, die Situation zu entspannen, vermutlich nicht schätzen. Also schwieg sie und wartete auf das, was er ihr sagen wollte. Er setzte sich auf, verzog kurz das Gesicht und beugte sich dann vor, um ein Kissen zwischen seinen Rücken und die Armlehne des Sofas zu schieben. Sie rückte vor, um ihm Platz zu schaffen, aber er schlang sofort einen Arm um ihre Taille und zog sie fest an sich, und sie schmiegte sich wieder an seinen Körper. »Bei jeder ernsthaften Unterhaltung, die wir führen, wirst du in meinen Armen liegen, damit ich dich berühren kann«, erklärte er. »Ich will nicht, dass du dich in so einem Moment am anderen Ende des Raumes befindest. Das würde mich nicht glücklich machen. Also denk daran: Wenn du sauer wirst und wir einen Streit haben, geh nicht auf Abstand.« Sie lächelte an seiner Brust und nickte. Das klang gut. Sie hatte sich immer an Michaels Unnahbarkeit gestört, an der emotionalen Distanz zwischen ihnen. Michael war weit auf Abstand gegangen, wenn sie etwas zu besprechen hatten. Aus diesem Grund hatte er sie auch immer nur dann berührt, wenn sie Sex miteinander gehabt hatten. Er war kein liebevoller Mensch, der seine Zuneigung offen zeigte. Ash dagegen schien seine Hände keine Sekunde von ihr lassen zu können. Das gefiel ihr. Es gefiel ihr sehr. »Wird das ein ernstes Gespräch?«, fragte sie, jetzt doch unfähig, den neckenden Ton in ihrer Stimme zu unterdrücken. Es bestand kein Zweifel daran, dass Ash heute viel Ernsthaftigkeit ausstrahlte. Und das bedrückte sie allmählich. Sie wollte ein bisschen Leichtigkeit in die Situation bringen, und sei es auch nur für einen kurzen Moment. Es entsprach nicht ihrer Art, alles sehr ernst zu nehmen. Ash dagegen war ein empfindsamer, nachdenklicher Mann. Vielleicht würde er in ihrer Gegenwart ja irgendwann lockerer werden, aber vielleicht würde er auch bei allem, was sie betraf, immer so … grüblerisch sein. Sein Griff um ihre Taille wurde fester. »Ja. Es ist ernst. Alles, was mich und dich betrifft, ist ernst. Mir ist klar, dass alles ein bisschen schwer und bedrückend wirkt … vor allem heute, wo wir alles besprechen. Es wird aber nicht jedes Mal so … intensiv sein. Aber heute schon. Du sollst alles wissen, was dich unter Umständen verletzen könnte, denn ich will nicht, dass das irgendwann zwischen uns steht.« Sie runzelte wieder die Stirn und setzte sich auf, um seine Augen sehen zu können. Sein Blick ruhte durchdringend auf ihr, er registrierte jede ihrer Reaktionen. »Was ist es, Ash?«, fragte sie. »Was, denkst du, könnte mich verletzen?« Er holte tief Luft. »Ich weiß nicht, ob es das tut. Aber es könnte durchaus so sein … wenn du es nicht von Anfang an weißt. Ich will einfach nicht, dass du es durch Zufall erfährst. Wenn du vorbereitet bist und schon alles weißt, dann sollte es dich eigentlich nicht treffen.« Sie streckte die Hand aus, um sein Kinn zu berühren, und strich mit den Fingerspitzen über die leicht stoppelige Haut. Er hatte sich heute Morgen nicht rasiert, und die dunkelblonden Härchen ließen seine Wangen dunkler erscheinen. »Dann erzähl es mir. Ich werde es verstehen.« Er griff nach ihrer Hand und küsste sie, indem er seinen Mund in die Handfläche drückte. »Jace Crestwell ist mein bester Freund. Er und Gabe Hamilton. Aber Jace … zwischen uns besteht eine enge Bindung. Gabe ist ohne Zweifel auch mein bester Freund. Aber die Bindung zwischen Jace und mir war immer etwas enger. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes mein Bruder. Ich vertraue ihm. Er steht für mich ein und ich für ihn. Immer. Wir waren es gewohnt, alles miteinander zu teilen. Und damit meine ich Frauen. Im Laufe der Jahre hatte ich viele flotte Dreier mit Jace.« Erstaunt sah sie ihm ins Gesicht. Und sie hatte sich Sorgen gemacht, er könnte von ihr erwarten, dass sie ihn mit anderen Frauen teilte! Das hier hatte sie nicht erwartet. Ash war in Bezug auf sie bisher so besitzergreifend gewesen, deshalb konnte sie sich gar nicht vorstellen, dass er von ihr verlangen könnte, Sex mit einem anderen Mann zu haben, während er zusah oder mitmachte. Abgesehen davon, dass das etwas war, was sie nicht wollte. »Ist das etwas … ich meine … willst du das mit mir machen? Mich mit einem anderen Mann teilen?« »Himmel, nein!« Er stieß die Worte so heftig hervor, dass sie seinen Atem an ihrem Kinn spürte. Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und entspannte sich wieder, während sie darauf wartete, dass er fortfuhr. »Damals habe ich es nicht verstanden«, brummte er. »Ich habe nicht verstanden, wie es für Jace war, mit Bethany. Jetzt schon.« »Ich kann dir nicht folgen«, sagte sie geduldig. »Ich verstehe nicht, wovon du redest.« »Wie gesagt … Jace ist mein bester Freund. Er ist mit Bethany zusammen, sie sind verlobt. Wir werden die beiden häufig treffen, ich will dich mit ihnen teilen. Mit ihrer Freundschaft, meine ich. Wir werden also Zeit mit ihnen verbringen. Was du wissen musst, ist, dass ich in der ersten Nacht, in der Jace und Bethany zusammenkamen, mit dabei war.« Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Bist du … bist du immer noch … zu dritt … mit ihnen?« Ash schüttelte den Kopf. »Nein. Jace wollte es gleich beim ersten Mal nicht. Damals war mir das nicht klar. Es ist total kompliziert, aber das Einzige, was du wissen sollst, ist, dass ich Sex mit Bethany hatte. Du wirst sie kennenlernen. Und Jace auch. Und ich will nicht, dass es dir peinlich ist. Die ersten Treffen nach dieser Nacht waren schrecklich unangenehm. Aber jetzt gehen wir gelassen damit um. Bethany ist gelassen und Jace auch. Es ist nichts, was immer wieder hervorgekramt wird. Aber es ist da. Und ich will nicht, dass es dich verletzt, wenn du sie anschaust und weißt, dass ich mit ihr geschlafen habe. Denn da ist nichts, Josie. Nichts außer einer tiefen Freundschaft. Bethany ist eine großartige Frau. Ich glaube, du wirst sie mögen. Aber sie stellt keine Bedrohung für dich dar.« »Ich verstehe«, sagte sie ruhig. »Ich weiß es zu schätzen, dass du es mir erzählt hast und offen und ehrlich zu mir bist. Ich kann mir vorstellen, dass es peinlich werden könnte. Insbesondere, wenn ich es nicht wüsste und ohne es zu merken, ins Fettnäpfchen treten würde.« Er richtete den Blick auf sie und musterte sie durchdringend. »Könnte das ein Problem für dich werden? Deine Zeit mit einer Frau zu verbringen, mit der ich geschlafen habe und die mir sehr viel bedeutet?« »Nicht, wenn du sagst, dass es kein Problem für mich sein sollte.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, es ist kein Problem. Wie gesagt … ich habe damals nicht begriffen, was in Jace vorging … warum er in Bezug auf Bethany so besitzergreifend war. Noch nie hatte eine Frau so zwischen uns gestanden. Es hatte nie eine gegeben, die wichtig war. Aber jetzt verstehe ich es, weil ich weiß, dass ich dich auch nicht mit jemandem teilen will, und schon gar nicht mit meinem besten Freund, selbst wenn er Single und nicht in einer Beziehung wäre. Und was andere Männer angeht – das ist etwas, über das du dir nie Gedanken zu machen brauchst. Ich hatte Dreiecksbeziehungen mit Jace und anderen Frauen, viele Male. Ich will dich nicht belügen. Wir haben im Laufe der Jahre mit unzähligen Frauen geschlafen. Ich bin nicht gerade stolz darauf, aber es raubt mir auch nicht den Schlaf. Es ist, wie es ist. Aber mit dir wird es keine Dreiecksbeziehung geben, Josie, sondern nur dich und mich. Ich werde von jetzt an der einzige Mann sein, der mit dir schläft.« Das alles klang so endgültig, und doch waren es nur Worte, wie sollte es denn anders sein? Sie kannten einander doch erst seit so kurzer Zeit. Sie hatten erst ein Mal miteinander geschlafen. Und er redete, als wäre längst alles beschlossen, als wären sie fest zusammen und planten eine langfristige Beziehung. Dabei zweifelte sie nicht an seiner Verbindlichkeit, oder an ihrer eigenen, aber in die Zukunft schauen konnte sie auch nicht. Es gab einfach zu viele Was-wäre-wenn-Fragen. »Sag mir, was du denkst«, drängte er sie. Sie lächelte. »Ich weiß nicht, welche Reaktion du von mir erwartet hast, Ash. Dachtest du, ich würde meine Meinung ändern, weil du ausgefallenen Sex mit einem Haufen Frauen gehabt hast? Wie alt bist du? Fünfunddreißig? Sechsunddreißig? Es wäre wohl ziemlich unrealistisch zu erwarten, du hättest noch nie Sex gehabt.« »Ich bin achtunddreißig. Fast neununddreißig«, stellte er richtig. »Okay, gut, du bist also achtunddreißig. Ich habe dir gerade erzählt, dass ich bis vor Kurzem noch eine Beziehung – und Sex – mit einem Mann hatte. Ich kann dir doch wohl kaum vorwerfen, dass auch du Beziehungen hattest.« »Aber wir werden den Mann, mit dem du ins Bett gegangen bist, nicht treffen«, stellte Ash fest. Sie seufzte. »Ich behaupte ja nicht, dass es Spaß machen wird, sie anzuschauen und sich im Geiste mit ihr zu vergleichen oder sich auch nur vorzustellen, wie du und dein Freund gleichzeitig mit ihr geschlafen habt. Aber ich werde damit klarkommen, Ash. Und wenn sie tatsächlich so nett ist, wie du gesagt hast, werde ich sie mögen, und vielleicht können wir sogar Freundinnen werden. Ich darf mich einfach nicht damit quälen, indem ich mir vorstelle, wie ihr miteinander im Bett liegt.« »Es war nur ein einziges Mal«, brummte er. »Ich will, dass du überhaupt nicht daran denkst, wenn wir uns treffen. Denn du musst eines wissen, Josie: Du bist meine Gegenwart und meine Zukunft, egal, was in der Vergangenheit war. Diese Frauen können dir nichts anhaben.« Sie beugte sich lächelnd vor und lehnte ihre Stirn gegen seine. »Dann werde ich mich eben bemühen, überhaupt nicht daran zu denken.« »Schön. Oh, es ist fast schon Mittagszeit, und wir haben uns immer noch nicht um deine Wohnung gekümmert. Wollen wir einen Happen essen gehen und dann in deiner Wohnung vorbeischauen, damit du deine Malutensilien holen kannst? Du kannst dort eine Liste anfertigen, dann schicke ich später jemanden hin, der alles für dich einpackt. Du sollst dir über nichts anderes Gedanken machen als darüber, wie du dich bei mir einrichten willst.« »Klingt gut«, sagte sie. Er küsste sie hungrig. »Wir werden die anderen bald treffen. Aber im Moment will ich dich ganz für mich allein haben. Ich hätte nicht übel Lust, am Montag im Büro anzurufen und die ganze Woche mit dir zu verbringen.« Ihr Herz machte einen Satz. Das war eine verführerische Vorstellung. Eine ganze Woche in Ashs Bett. In seinen Armen. »Aber da Gabe in den Flitterwochen ist, dürfen Jace und ich wegen der laufenden Projekte leider nicht schwänzen.« »Das verstehe ich«, erwiderte sie locker. »Ich habe auch zu tun.« »Mir gefällt die Vorstellung, dass du in meiner Wohnung arbeitest«, murmelte er. »Du wirst hier sein, während ich im Büro bin. Und wenn ich nach Hause komme, bist du da. Du hast nichts an, Josie. Ich werde dich jeden Tag anrufen, sobald ich mich auf den Weg nach Hause mache, und wenn ich eintreffe, will ich dich nackt auf mich warten sehen. So will ich es haben, außer ich gebe dir andere Anweisungen.« »Okay«, wisperte sie. 14 Als Ash am Montagmorgen ins Büro kam, wartete Jace schon ungeduldig auf ihn. Ash hatte schon damit gerechnet, dass sein Freund ihn wegen des nächtlichen Anrufs am Samstag mit Fragen löchern würde. Jace saß in Ashs Büro, als er eintrat, und empfing ihn mit besorgtem Blick. »Hast du alles geklärt?«, fragte Jace, noch bevor Ash sich überhaupt setzen konnte. Ash warf seine Aktentasche auf den Schreibtisch und ließ sich in seinen Sessel fallen. Dann sah er seinen Freund an, dessen Blick vor Sorge getrübt war. »Ich arbeite noch daran«, murmelte Ash. »Hab auf dem Weg zur Arbeit ein paar Anrufe getätigt. Ich muss jemanden auf dieses Arschloch ansetzen, jemand muss ihn beschatten und seinen Tagesablauf protokollieren, damit ich weiß, wann man am besten zuschlägt.« »Himmel«, murmelte Jace. »Du meinst es wirklich ernst.« Ash zog eine Augenbraue hoch. Sein Schreibtisch war übersät mit Dokumenten und Notizen – Namen von Anrufern, die ihn nicht erreicht hatten, Unterlagen, die von ihm unterschrieben werden mussten. Doch er rührte nichts davon an, sondern lehnte sich in seinem Schreibsessel zurück, während er Jace ruhig über den Tisch hinweg musterte. »Warum sollte ich es nicht todernst meinen? Er hat ihr wehgetan, Jace. Man sieht, dass sie von ihm ins Gesicht geschlagen worden ist. Das werde ich auf keinen Fall auf sich beruhen lassen. Sie stand unter Schock und hatte zu viel Angst, um ihn anzuzeigen. Aber ich bin froh, dass sie es nicht getan hat, weil ich das Arschloch viel stärker leiden lassen kann. Aus dem Knast wäre er innerhalb kürzester Zeit wieder raus, und ich bezweifle, dass das irgendetwas bringen würde. Es ist doch allgemein bekannt, dass diese Sachen unter den Teppich gekehrt werden, vor allem, wenn man Geld und die entsprechenden Beziehungen hat.« »Hat er das denn?«, fragte Jace. »In gewissem Maße, ja. Wenn auch nicht ansatzweise mit mir vergleichbar. Ich werde dafür sorgen, dass er das kapiert. Josie gehört mir, und wenn er sich ihr je wieder nähern sollte, ist er ein toter Mann.« »Wie nimmt Josie das alles auf?«, fragte Jace ruhig. Ash zögerte. »Gut, denke ich. Ich hab ihr eigentlich nicht viel Zeit gegeben, alles zu verarbeiten. Ich bin vom Restaurant direkt zu ihrer Wohnung hin und habe ihr keine große Wahl gelassen. Ich habe einfach ihre Sachen eingepackt und ihr gesagt, sie zieht bei mir ein. Das war eine ganz linke Tour. Eigentlich hätte ich sie in ihrer Verfassung mit Samthandschuhen anfassen müssen, aber ich wusste, wenn ich ihr Raum gebe, kommt sie vielleicht nie zu mir. Deshalb habe ich schnell reagiert und ihre Verwirrung nach dem, was passiert ist, ausgenutzt.« Ein Lächeln zuckte um Jace’ Mundwinkel. »Du? Linke Touren? Bist du nicht eigentlich der charmante, nette Kerl von nebenan? Ich dachte, linke Touren wären eher Gabes und mein Metier.« Ash verzog das Gesicht. »Warum zum Teufel meinen eigentlich alle, ich wäre so ein Weichei?« Jace schnaubte. »Ey, das hab ich nie behauptet. Aber was Frauen betrifft, bist du normalerweise Mr Nice Guy. Ich habe dich nie anders erlebt.« »Die anderen Frauen waren mir egal«, erwiderte Ash schlicht. »Josie ist es nicht. Ich kann es mir bei ihr nicht leisten, fair zu spielen. Ich muss Vorteile nutzen, wenn sie sich ergeben.« Jace holte tief Luft, während er Ash durchdringend musterte. Nach einer Weile begann Ash, unter dem prüfenden Blick seines Freundes unruhig hin und her zu rutschen. »Soll das mit ihr was Langfristiges werden?«, fragte Jace. »Du hast gesagt, sie wäre anders, und ich hab bemerkt, wie anders du dich in Bezug auf sie verhältst. Du redest davon, Gesetze zu brechen und dem Arschloch, das sie geschlagen hat, Gott weiß was anzutun. Welche Dimension hat dieses Anderssein eigentlich, Ash?« »Erinnerst du dich noch, wie es war, als du Bethany kennengelernt hast?«, fragte Ash gleichmütig. »Shit«, stöhnte Jace. »Sag jetzt nichts mehr. Ich hab’s verstanden. Und Glückwunsch, Alter. Hätte nie gedacht, dass es dich so schnell erwischt. Das klingt so gar nicht nach unserem Motto Spiel mit dem Feuer, genieße das Leben.« »Tja, genau wie bei dir«, erwiderte Ash trocken. »Und gratulier mir noch nicht. Es gibt noch viel zu viel zu regeln, und auch wenn ich Josie jetzt vielleicht da habe, wo ich sie haben will, ist das Ganze eindeutig noch nicht in trockenen Tüchern.« »Aber wenn du doch genauso fühlst wie ich damals bei Bethany … Das hast du doch gesagt, oder? Dich hat’s erwischt, Alter. Wenn du auch nur halb so viel wie ich anfangs für Bethany empfindest, dann war’s das. Und ich kenne dich … wenn Josie das ist, was du willst, dann tust du gut daran, sie nicht wieder laufen zu lassen.« »Verdammt, nein«, brummte Ash. »Wenn das keine längere Geschichte wird, dann nur, weil sie sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehrt und damit gewinnt. Und ich werde nicht verlieren.« »Denkst du etwa ans Heiraten? An absolute Verbindlichkeit? Worüber reden wir hier eigentlich, Ash? Ich muss das wissen, damit ich dich so richtig fertigmachen kann als Revanche für all die Beleidigungen, die du mir und Gabe an den Kopf geworfen hast, als wir wegen Bethany und Mia völlig durch den Wind waren.« Ash zeigte ihm den Mittelfinger. »Ich weiß es noch nicht. Die Ehe ist ein großer Schritt. Das ist für immer. Und es ist noch zu früh, um übers Heiraten, Kinder und all den Kram nachzudenken. Ich konzentriere mich jetzt erst mal voll auf Josie und sorge dafür, dass sie mich genauso begehrt wie ich sie.« Jace nickte. »Ja, klar. Aber nur damit du’s weißt … ich fange schon mal mit der Organisation deines Junggesellenabschieds an.« Ash grinste. »Wie du willst.« Jace’ Miene wurde wieder ernst, und er bedachte Ash mit einem durchdringenden Blick. »Und was ist nun mit diesem Mann, der Josie verletzt hat? Du hast gesagt, du brauchst ein Alibi, und du weißt, dass ich alles für dich tue. Aber ich brauche erst einmal ein paar Details. Ich kann nicht behaupten, dass ich große Lust hätte, dich auf Rikers Island im Gefängnis zu besuchen.« Ash seufzte und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Wie gesagt: Ich überprüfe alles. Aber ich will in dieser Sache schnell vorgehen. Ich will, dass Josie zur Ruhe kommt, und dazu gehört für mich das Wissen, dass dieses Arschloch sie nicht mehr bedrohen wird. Ich habe schon erste Informationen über ihn und zu seinen Alltag. Er ist ziemlich berechenbar, hält sich immer an den gleichen Ablauf. Wenn sich das bestätigt, werde ich die Sache Freitagabend in Angriff nehmen.« Jace’ Augen verengten sich zu Schlitzen, und er beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Du selbst? Oder lässt du das von jemand anderem erledigen?« »Sowohl als auch«, erwiderte Ash. »Himmel, Ash. Bau keinen Mist. Ich gehe davon aus, dass Josie dich genauso wenig wie ich im Gefängnis besuchen möchte.« »Das wird nicht passieren«, erwiderte Ash unbewegt. »Die Typen, an die ich dabei denke, sind gut. Ich habe an alles gedacht. Sie werden schwören, dass sie mich nicht kennen, und ich umgekehrt auch. Ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen, und Bethany soll auf gar keinen Fall in die Sache reingezogen werden. Deshalb wäre es mir lieber, wenn du allein mein Alibi bist, und nicht ihr beide.« Jace nickte. »Okay, du weißt ja, dass ich für dich durchs Feuer gehen würde. Jederzeit. Aber ich will nicht, dass Bethany mit hineingezogen wird. Ich tue alles für dich. Das weißt du doch, oder?« »Ja, das weiß ich. Und ich weiß das sehr zu schätzen, Jace.« »Halt mich auf dem Laufenden, ja? Ich will alles wissen, alle Details, und wenn du wider Erwarten doch in Schwierigkeiten gerätst, rufst du mich verdammt noch mal an. Und du machst das nicht allein, ist das klar? Wenn du die entsprechenden Leute nicht wie geplant ins Boot kriegst, dann ruf mich an. Ich komme dann mit.« Ash grinste. »Ja, Mama. Willst du mir währenddessen auch noch den Hintern abwischen?« »Leck mich«, fuhr Jace ihn an. Ash lachte auf, wurde aber gleich wieder erst. »Ich will Bethany und dich nicht mit hineinziehen. Es genügt mir, wenn du mir ein Alibi lieferst. Das ist schon mehr, als ich eigentlich von dir erbitten wollte. Ich würde nie etwas tun, das die Beziehung zwischen dir und Bethany gefährden könnte.« »Ja, das weiß ich. Und du weißt, dass du mein Bruder bist, Ash. Du gehörst zur Familie. Anders als die Schwachköpfe, die blutsverwandt mit dir sind. Ich, Gabe, Mia und Bethany. Es ist mir egal, was ich tun muss, um dir zu helfen. Ich tue es einfach. Ohne Fragen zu stellen.« »Gütiger Himmel. Hör endlich damit auf, sonst werden wir noch zu Weicheiern, die bei jeder Gelegenheit zum Taschentuch greifen.« Jace warf den Kopf zurück und lachte. »Okay, nachdem wir das nun geklärt haben, kommen wir zur nächsten Frage: Wann lerne ich Josie endlich kennen?« Ash atmete tief ein und aus. »Bald. Ich möchte, dass ihr beide – Bethany und du – sie kennenlernt. Wenn ich die Sache mit ihrem Ex geregelt habe, kann ich wieder leichter atmen. Vielleicht könnten wir ja am Sonntagabend zusammen essen.« Jace nickte. »Klingt gut.« »Sie weiß über Bethany Bescheid.« Ash verzog das Gesicht. »Ich hab ihr alles erzählt. Ich wollte nicht, dass sie es durch Zufall erfährt. Ich glaube zwar nicht, dass es jemals zur Sprache kommt, aber ich wollte kein Risiko eingehen.« Jace zuckte zusammen. »Wie hat sie es aufgenommen? Es kann ja wirklich schrecklich unangenehm werden, wenn wir alle zum ersten Mal aufeinandertreffen, vor allem nachdem sie es jetzt weiß.« »Sie hat es gelassen aufgenommen. Die Vorstellung, eine Frau zu treffen, mit der ihr Mann geschlafen hat, findet wohl keine Frau toll. Aber ich habe ihr versichert, dass du auf keinen Fall die Absicht hast, Bethany je wieder mit einem anderen zu teilen, und dass ich mich auch nicht wieder auf irgendwelche Dreiecksbeziehungen einlasse. Schon gar nicht auf einen Dreier mit ihr und einem anderen Kerl.« Jace’ Miene war finster. »Verdammt, nein, ich werde Bethany mit niemandem teilen. Schlimm genug, dass es dieses eine Mal mit dir gab.« Ash hob beide Hände. »Reg dich nicht auf. Ich hab das nicht angesprochen, um dich zu ärgern. Ich wollte nur, dass du weißt, dass Josie es weiß. Ich habe ihr alles über meine sexuelle Vergangenheit erzählt.« »Das hat bestimmt viel Zeit in Anspruch genommen«, meinte Jace trocken. »Ungefähr so lange, wie du gebraucht hast, um es Bethany zu erklären«, kam es von Ash wie aus der Pistole geschossen. »Touché«, meinte Jace grinsend. Dann stand er auf und ging Richtung Tür. »Wenn das alles war, mache ich mich jetzt mal an die Arbeit. Ich muss ein paar Anrufe erledigen und habe in einer halben Stunde eine Konferenzschaltung. Hast du schon Pläne fürs Mittagessen?« Ash sah auf die Uhr. »Nein, aber ich möchte heute früh nach Hause gehen. Ich will Josie nicht so lange allein lassen, nachdem sie gerade erst bei mir eingezogen ist. Ich habe organisiert, dass ihr Zeug in meine Wohnung gebracht wird, und ihr gesagt, dass ich ihr mit den Sachen helfe, sobald ich wieder zu Hause bin. Deshalb lasse ich das Mittagessen wahrscheinlich ausfallen, räume meinen Tisch auf und gehe dann so gegen zwei.« Jace nickte. »Okay. Halt mich auf dem Laufenden. Vor allem in Bezug auf Freitagnacht. Wir müssen unsere Geschichten aufeinander abstimmen.« »Geht klar«, erwiderte Ash. 15 Josie legte den Pinsel weg und wischte sich hastig die Farbe von den Fingern ab, ehe sie nach ihrem klingelnden Handy griff. Ihre Hände zitterten leicht, als sie sah, dass es Ash war, der anrief. In ihrem Bauch begannen Schmetterlinge zu flattern, und sie hatte plötzlich einen Kloß im Hals. »Hallo?« »Ich bin auf dem Weg nach Hause.« Ashs schlichte Worte ließen ein Kribbeln durch ihren Körper wandern. »Okay«, sagte sie. »Ich werde bereit sein.« »Schön. Dann hast du es also nicht vergessen.« »Nein«, erwiderte sie leise. »Ich weiß, was du erwartest.« Er zögerte. »Aber ist es das, was du willst, Josie? Oder gehst du nur auf meine Wünsche ein?« »Ich will es auch, Ash. Ich bin ein bisschen nervös, aber nur, weil alles so neu ist und wir uns erst noch kennenlernen müssen. Aber ich wäre nicht hier, wenn ich es nicht auch wollte. Ich weiß zwar nicht, was für eine Frau du glaubst, in deine Wohnung geholt zu haben. Aber ich bin weder schwach noch rückgratlos. Es stimmt schon, ich habe die Situation mit Michael nicht so gemeistert, wie ich es eigentlich hätte tun sollen, aber ganz so leicht lasse ich mich nicht schikanieren.« Er lachte leise, und das Geräusch drang angenehm warm in ihr Ohr. »Ich habe dich keinen Moment lang für schwach oder rückgratlos gehalten, Süße. Die Frau, die sich auf mich einlässt, muss stark sein. Das sollte dir klar sein.« Ein strahlendes Lächeln huschte über ihre Lippen, und ihr Bauch zog sich vor Freude zusammen, als er sie so ansprach. Es war nicht das erste Mal, dass er sie »Süße« nannte, und es hatte ihr sofort gefallen. Seiner Stimme haftete etwas so Weiches, Zärtliches an, wenn er den Kosenamen benutzte, dass ihr Herz jedes Mal ein paar Schläge aussetzte. »Ich muss jetzt aufhören, wenn ich fertig sein will, wenn du ankommst«, sagte sie. »Ich will nicht, dass du am ersten Tag, an dem du nach Hause kommst, enttäuscht von mir bist.« Wieder war es am anderen Ende der Leitung kurze Zeit still, und dann ertönte seine angenehm tiefe Stimme, die heiße Erregung durch ihren Körper strömen ließ. »Du wirst mich nicht enttäuschen, Josie. Ich will nicht, dass du das denkst. Du sollst nicht einmal auf diese Idee kommen. Wenn du da bist, wenn ich nach Hause komme, und nackt auf mich wartest, werde ich nicht enttäuscht sein. Ich habe mich schon den ganzen Tag darauf gefreut. Aber ich höre jetzt auf, damit du dich fertig machen kannst. Wir sehen uns.« »Bye«, wisperte sie. Kaum war das Gespräch beendet, sprang sie auf. Nachdenklich betrachtete sie die vielen im Wohnzimmer verstauten Sachen. Sie wusste, dass seine Haushälterin prinzipiell vormittags kam, aber sie wollte ihr keine zusätzliche Arbeit machen. Aus diesem Grund war ihr Kram noch in Kisten verpackt, die sauber an der Wohnzimmerwand aufgestapelt waren. Sie hatte sich noch nicht die Mühe gemacht, sie auszupacken, sie hatte nur arbeiten wollen. Sie wollte unbedingt noch mehr Bilder für die Galerie fertigstellen. Hoffentlich würde Ash angesichts der Unordnung und des Durcheinanders, das sie in seine makellos aufgeräumte Wohnung gebracht hatte, nicht ärgerlich werden. Sie eilte ins Badezimmer und fragte sich, ob die Zeit wohl reichte, um noch schnell zu duschen. Andererseits hatte sie erst heute Morgen geduscht. Sie war sauber, abgesehen von ein paar Farbklecksen auf Händen und Armen, und die würden sich innerhalb kürzester Zeit entfernen lassen. Sie kämmte ihr langes, blondes Haar und betrachtete sich im Spiegel, überprüfte ihr Aussehen sorgfältig. Sie war nicht geschminkt, legte aber meistens ohnehin nicht mehr als Lip-gloss und Wimperntusche auf. Als sie zufrieden festgestellt hatte, dass sie nicht völlig verunstaltet war, ging sie ins Schlafzimmer und zog sich aus. Sie legte die Jeans und das Hemd zusammen, denn sie wusste nicht, ob sie sich hinterher wieder anziehen würde oder ob Ash sie nicht vielmehr in Atem halten würde, bis es Zeit war, zu Bett zu gehen. Aber das würde sich im Verlauf der Zeit klären. Aber was nun? Sollte sie im Schlafzimmer warten? Sollte sie sich ins Wohnzimmer setzen und ihn dort empfangen? Nachdenklich versuchte sie, sich seine Worte in Erinnerung zu rufen. Sie hatten nicht über die Einzelheiten gesprochen, er hatte nur gesagt, dass sie nackt auf ihn warten sollte. Seine Worte waren eindeutig gewesen, als er erklärt hatte, sie sollte nur dann vor ihm knien, wenn er wollte, dass sie ihn mit dem Mund verwöhnte. Sie wurde feuerrot, als sie sich an diese Bemerkung erinnerte. Michael hatte es gemocht, wenn sie kniete. Er hatte die Unterwürfigkeit dieser Haltung genossen. Damals hatte sie das nicht gestört. Es war ein Teil ihrer Beziehung gewesen, mit dem sie einverstanden gewesen war. Jetzt kam sie sich töricht vor, diesem Dreckskerl ihre Demut dargebracht zu haben. Sie ging ins Wohnzimmer und entschied, dort auf ihn zu warten. Ihm gefiel die Vorstellung, nach Hause zu kommen und sie nackt und auf ihn wartend vorzufinden. Das bedeutete wohl, dass er sie sehen wollte, sobald er hereinkam. Wenn er erst nach ihr suchen musste, konnte man das von ihrer Seite wohl kaum als ein Warten betrachten. Und ihr gefiel die Vorstellung, dass sie das Erste sein würde, was er sah, wenn er aus dem Fahrstuhl trat. Da sie nicht kniend warten würde, entschied sie sich für das Ledersofa. Sie breitete eine Wolldecke darauf aus, damit es für sie angenehmer war, wenn sie sich nackt darauflegte. Dann überlegte sie, ob sie sich setzen sollte. Oder doch lieber zurücklehnen? Plötzlich musste sie lachen. Sie machte sich schon wieder viel zu viele Gedanken. Aber sie war schließlich Künstlerin und wusste um die Wirkung visueller Reize. Sie kannte jede verführerische Pose, und Ash würde gewiss eine davon gefallen. Sie wollte ihn beim ersten Mal, wenn er zu ihr nach Hause kam, begeistern. Wärme breitete sich in ihrer Brust aus, als sie diesen Gedanken wiederholte: wenn er zu ihr nach Hause kam. Wie leicht fügte sie sich in sein Leben ein, in seine Wohnung, die sie bereits auch als ihre Wohnung betrachtete. Sah sie sie wirklich als ihr Zuhause an? Mit einem Mann, der tagtäglich zu ihr nach Hause kam? Sie verdrängte die Zweifel, ob diese Gedanken an sich vielleicht verrückt waren, und machte es sich auf der Couch bequem. Sie legte sich auf die Seite und strich sich das Haar nach vorn, bis es über ihre Schulter hing und ihre Brüste teilweise verhüllte. Nicht dass sie Hemmungen hatte, aber weniger war häufig mehr. Männer reagierten meistens viel mehr auf das, was sie nicht sehen konnten, als das, was sich vor ihrem Blick entblößte. Das machte ihre Bilder so verführerisch. Die Andeutung von Haut. Nicht mehr als ein flüchtiger Blick auf verbotene Früchte. Sie legte den Kopf auf die Armlehne der Couch und richtete den Blick auf die Fahrstuhltür. Ihre Haut kribbelte, und sie war von freudiger Erwartung erfüllt, als sie sich ausmalte, was Ash wohl tun würde, wenn er nach Hause kam. In ihrem Schoß breitete sich Erregung aus. Sie war versucht, die Finger zwischen ihre Schenkel zu schieben und sich schnell zu einem Orgasmus zu führen. Es würde nicht lange dauern, allein der Gedanke an Ashs Ankunft erregte sie. Aber sie wollte seinen Plänen nichts vorwegnehmen. Und so wartete sie, wobei sich die Sekunden zu Stunden auszudehnen schienen. Dann hörte sie den Fahrstuhl, und ihr stockte kurz der Atem. Ihr Mund wurde trocken, und sie fuhr sich hastig mit der Zunge über die Lippen, als die Fahrstuhltür aufglitt und den Blick auf Ash im Anzug freigab, den er am Morgen zur Arbeit angezogen hatte. Er hatte eine Hand in die Hosentasche geschoben. Seine Haltung war lässig und arrogant, er strahlte Reichtum, Charme und … Macht aus. Sie zitterte, als ihre Blicke sich begegneten und einander nicht mehr losließen. Mit leidenschaftlich glühenden Augen nahm er ihre verführerische Pose in sich auf. Bewunderung blitzte in seinem Blick, und sie war froh, dass sie sich für einen verführerischen Anblick entschieden hatte, statt sich einfach nur hinzusetzen und zu warten. Mit langen Schritten und funkelnden Augen kam er auf sie zu. Sie beobachtete mit erhobenem Kopf, wie er näher kam. »Hallo«, begrüßte sie ihn mit leicht rauchiger Stimme. »Und willkommen zu Hause.« Er überraschte sie damit, dass er vor der Couch auf die Knie fiel. Er beugte sich über sie und senkte seinen Mund mit leidenschaftlicher Glut, die ihr den Atem raubte, auf ihre Lippen. Seine Hand glitt in ihr Haar, und er zog sie mit einem Ruck enger an sich, sodass nicht einmal ein Blatt Papier mehr zwischen sie gepasst hätte. »Verdammt schön«, knurrte er. »Ich habe den ganzen Tag an nichts anderes gedacht. Wie ich nach Hause komme und du auf mich wartest. Aber nichts hätte mich jemals auf die Wirklichkeit vorbereiten können.« Er strich mit einem Finger zart über ihre Wange, während er nach dem Kuss noch immer keuchend Luft holte. »Ich bin wirklich froh, dass du hier bist, Josie.« »Ich bin auch froh«, murmelte sie. »Ich hatte auf dem Weg nach Hause ein Dutzend unterschiedlicher Ideen. Ich habe mir überlegt, wie ich dich nehmen würde, wenn ich hier ankomme. Aber in dem Moment, als ich dich sah, waren sie weg, und ich konnte nur noch daran denken, wie schön du auf meiner Couch aussiehst.« »Ich würde gern mehr über diese Ideen hören. Ich bin ganz Ohr.« Er lächelte, und seine Augen funkelten vor Erheiterung. »Ein paar davon sind wahrscheinlich illegal.« »Umso besser.« Er lachte. Ein leiser, leicht rauer Laut, der ihre Haut zum Kribbeln brachte. »Mir gefällt deine Begeisterung.« »Wir könnten sie vielleicht alle auf kleine Zettelchen schreiben und dann einen aus einer Schüssel ziehen, damit wir wissen, wie wir Sex haben sollen«, sagte sie grinsend. »Oder kann ich darauf vertrauen, dass du dich schnell entscheidest?« »Du bist heute ganz schön frech«, meinte er gedehnt. »Dafür sollte ich dich vielleicht bestrafen.« Heiße Röte schoss in ihre Wangen. Er sah sie neugierig an. »Dir gefällt die Vorstellung.« Sie räusperte sich und wusste nicht, was sie sagen sollte. Ash hatte gesagt, dass er nichts von Spielchen hielt. War das denn jetzt kein Spiel, wenn sie die freche Sub mimte, die bestraft wurde? Ash zog die Augenbrauen zusammen, schob die Finger unter ihr Kinn und hob es an, sodass sie seinem Blick nicht mehr ausweichen konnte. »Was zum Teufel denkst du gerade?« Sie seufzte. »Es ist dumm. Ich hab mir überlegt, wie ich reagieren soll. Und wie es sich wohl anhören würde, wenn ich sagen würde, dass die Vorstellung, von dir bestraft zu werden, mich erregt. Du hast gesagt, du hältst nichts von Spielchen und willst, dass alles real ist.« Er strich ihr mit dem Daumen über den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen. »Erstens: Zögere nie, mir irgendetwas zu sagen. Insbesondere nicht in Bezug auf das, was dich erregt, was du willst, was du von mir brauchst. In sexueller, emotionaler oder sonstiger Hinsicht. Zweitens: Deine Wünsche sind kein Spiel. Das, was ich gesagt habe, war offensichtlich missverständlich. Ich meinte eigentlich, dass du und ich, wir beiden, real sind. Wir sind keine Spielfiguren. Das bedeutete aber nicht, dass wir nicht miteinander spielen können. Solange du begreifst, dass das, was wir tun, real ist.« »Klar wie Kloßbrühe«, sagte Josie, und die Erheiterung war ihr deutlich anzumerken. »Wir haben noch nicht über Bestrafung gesprochen. Ich stehe nicht sonderlich auf diese Züchtigungsnummer. Ich bin weder dein Vater, noch bist du ein Kind. Aber es gibt Dinge, die ich mag, und es besteht ein großer Unterschied zwischen der Meinung, du bräuchtest eine Züchtigung, und meinem Wunsch, dir den Hintern zu versohlen, weil es mich erregt. Verstehst du, wie ich das meine?« »Ja«, hauchte sie. »Ich nehme mal an, die Vorstellung gefällt dir auch.« Sie nickte. »Sie gefällt mir. Soll heißen, sie erregt mich. Mich erregt der Gedanke, dass ich von einem knackigen Alphamännchen versohlt werde oder er mir seinen Willen aufzwingt. Das klingt wahrscheinlich dumm.« Ash seufzte. »Du hast mich immer noch nicht verstanden, Süße: Nichts, was du denkst oder fühlst, ist dumm. Verstanden? Wenn es dich erregt, ist es nicht dumm. Wenn dich etwas erregt, möchte ich das wissen, weil ich dir Lust bereiten will. Ich will dafür sorgen, dass du dich gut fühlst. So … was ich genau in diesem Moment jetzt will, ist, dich vor mir auf den Knien zu sehen, während du mich mit deinem Mund verwöhnst. Aber danach? Danach werden wir uns darüber unterhalten, welche Vorlieben du hast … und welche ich habe. Hoffentlich passen sie gut zusammen.« Sie schluckte und fuhr sich erwartungsvoll mit der Zunge über die Lippen. Er stöhnte und drückte dann seinen Mund leidenschaftlich auf ihren, um sich gierig an ihren Lippen zu laben. »Du machst mich verrückt«, sagte er an ihrem Mund. »Schön«, wisperte sie. Er löste sich von ihr und kam wieder hoch. Dann streckte er seine Hand nach ihr aus, um ihr aufzuhelfen. Er griff nach einem der Kissen, die auf der Couch lagen, ließ es auf den Boden fallen und wies sie an, darauf niederzuknien. Seine Hand wanderte zum Bund seiner Hose, öffnete den Knopf und zog den Reißverschluss herunter. Er griff hinein, befreite sein steifes Glied und packte es mit der Faust, als es förmlich einen Satz in Richtung Josies Mund machte. »Leck ihn«, stieß er heiser hervor. »Reiz erst die Spitze und nimm mich dann tief in deinen Mund.« Sie ließ ihre Zunge vorschnellen, umkreiste mit ihr die dicke Spitze und wandte sich dann der empfindsameren Unterseite zu. Sie genoss seine Reaktion darauf, genoss, wie er mit einem Ruck Luft holte und den Atem dann zischend wieder entweichen ließ. Seine Finger schoben sich in ihr Haar und umwickelten einzelne Strähnen, ehe seine Hand sich um ihren Kopf legte. Er packte sie nicht sanft an, und das gefiel ihr. Mit der anderen Hand umfasste er ihren Unterkiefer und öffnete ihren Mund, ehe er in sie eindrang. Seine Stöße waren genauso grob wie sein Griff in ihrem Haar, und auch das gefiel ihr. Sie liebte die kaum gezügelte Kraft, die unter der Oberfläche brodelte. Er war wie ein Löwe kurz vor dem Sprung. Ein köstlich männliches Raubtier. Sie schob sich etwas höher, um ihn noch tiefer aufnehmen zu können. Sie wollte ihn tiefer spüren. Sie wollte ihn schmecken und genoss das Gefühl, dass er allein die Kontrolle über die Situation hatte, und die Tatsache, dass sie nur so viel Macht hatte, wie er ihr zugestand. »Himmel«, hauchte er. »Ich hab noch nie etwas Schöneres erlebt als diesen Moment, in dem du mich mit deinem Mund verwöhnst, Süße.« Sie zitterte vor Freude über seine Worte. Ihre Brustspitzen richteten sich auf und zogen sich zu festen kleinen Knoten zusammen. Sie keuchte, als er nach unten griff und beide Knospen zwischen Daumen und Zeigefinger nahm. Er verdrehte sie leicht und übte gerade so viel Druck aus, um sie vor Erregung fast aus der Haut fahren zu lassen, ohne ihr dabei jedoch Schmerzen zuzufügen. Genüsslich leckte sie vom Ansatz bis zur Spitze und verharrte mit ihren Lippen kurz, ehe sie ihn wieder in ihren Mund saugte und so tief in sich aufnahm, dass ihr Kinn seine Hoden berührte. Sie schluckte und massierte dadurch die Spitze mit ihrer Kehle. Er stöhnte und belohnte ihre Mühe mit einem Zucken seines Schwanzes. Seine Finger griffen jetzt aggressiver zu, und auch ihr entrang sich ein Stöhnen. »Ich habe mir dich in so vielen Stellungen vorgestellt«, sagte Ash angespannt. »Gefesselt, mit hocherhobenem Hintern und meinen Malen auf deiner Haut. Auf allen vieren vor mir, während ich dich von hinten nehme … in den Po und in deine Muschi. Du oben, während du mich reitest. Ich koste dich, während du meinen Schwanz verwöhnst. Es gibt nichts, was ich mir nicht vorgestellt hätte.« Sie zitterte am ganzen Körper, als die Bilder, die er heraufbeschwor, durch ihren Kopf flackerten. »Ich werde nicht immer so umgänglich sein, Süße«, murmelte er. »Es fällt mir schwer, mich zurückzuhalten, aber ich will nicht, dass für dich zu viel zu schnell auf einmal passiert.« Sie riss ihren Mund von ihm los und schaute zu ihm auf, während ihre Hand um seine Erektion ruhte. »Ich will nicht, dass du umgänglich bist, Ash. Deshalb bin ich nicht mit dir zusammen. Ich will, was du mir geben kannst. Ich brauche es.« Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und sah sie mit zärtlicher Miene an. »Es gefällt mir, dass du das von mir willst, Josie. Ich will nur sichergehen, dass du auch bereit dafür bist. Du hast viel durchgemacht, und die letzten Tage waren für dich hektisch und anstrengend.« »Ja, das waren sie«, stimmte sie ihm zu. »Aber weißt du, dass heute der beste Tag war? Das erste Mal seit langer Zeit, dass ich völlig zufrieden war. Ich war glücklich, Ash. Deinetwegen. Weil ich hier bin. Ich saß in deinem Wohnzimmer und habe gemalt. Und konnte immer nur denken, wie glücklich ich bin, weil ich hier bin, arbeite und mich auf den Moment freue, in dem du anrufst, um mir zu sagen, dass du auf dem Weg nach Hause bist.« Sein Blick wurde ganz weich, und seine Augen leuchteten strahlend grün. »Du raubst mir den Atem.« »Nun«, sagte sie und nahm wieder ihre alte Stellung ein, um seinen Schwanz in ihren Mund zu nehmen, »wann fangen wir mit den unzüchtigen Sachen an?« 16 Josies Anblick ließ Ash beinahe die Kontrolle über sich verlieren. Vom ersten Tag an, seit sie sich im Park begegnet waren, hatte er es sich genau so vorgestellt: Josie vor ihm auf den Knien, während sie ihn mit ihrem Mund verwöhnte. Jetzt gehörte sie ihm, lebte in seiner Wohnung und war Bestandteil seines Lebens. Er wusste, dass sie ihm etwas sehr Kostbares gegeben hatte, und dabei bezog er noch gar nicht ein, dass sie ihm auch ihr Vertrauen geschenkt hatte. Sie hatte ihm ihr Herz und ihren Körper überlassen, und er würde alles tun, um beides zu beschützen. Es war für ihn nie eine Selbstverständlichkeit gewesen, was diese schöne und mutige Frau ihm gab. Er fuhr mit den Händen durch ihr Haar und wickelte die Strähnen um seine Finger, während er sich fester an sie drückte. Tiefer. Jeder Berührung wohnte eine so überwältigende Lust inne, wie er sie noch nie erfahren hatte. Er hatte in seinem Leben viele Frauen gehabt. In dieser Hinsicht war er Josie gegenüber vollkommen ehrlich gewesen. Doch sie war anders. Und er konnte noch nicht einmal sagen, warum eigentlich. Sie hatte etwas an sich, das ihn auf einer vollkommen anderen Ebene ansprach und ihn an etwas Dauerhaftes denken ließ, was in früheren Beziehungen nie ein Thema für ihn gewesen war. Andererseits konnte man wohl kaum von Beziehungen sprechen, wenn es um die Frauen ging, denen Ash und Jace es zusammen besorgt hatten. Es war Jahre her, dass er alleine mit einer Frau geschafen hatte, und er bemerkte, dass er die Vorstellung jetzt reizvoll fand. Er fand Josie reizvoll. Ganz und gar hingebungsvoll kniete sie vor ihm, doch sie war nicht nur unterwürfig, sondern wollte auch dieselben Dinge, die er wollte. Sie hatte dieselben sexuellen Vorlieben wie er. Es gab keine Frau, die besser zu ihm gepasst hätte als sie. Da war er sich sicher. Er drang tief in ihren Mund ein und berührte zuckend ihre Kehle, ehe er wieder herausglitt und dabei das Gefühl ihrer rauen Zunge an der Unterseite seines Schwanzes genoss. Dann löste er sich von ihr und beobachtete, wie ihr Blick – himmelblaue Augen, die vor Lust verhangen waren – seinen fand. Wortlos hielt er ihr seine Hand hin und half ihr auf. Sobald sie stand, zerrte er sie in seine Arme und drückte sie an seine Brust. Er küsste sie und hätte in seinem heftigen Begehren, ihren Mund zu besitzen, fast vergessen, sanft mit ihr umzugehen. Die Wunden waren noch nicht vollständig verheilt, ihr Mund war immer noch empfindlich. Trotzdem hatte es ihn nicht davon abgehalten, zwischen ihre Lippen zu stoßen, auch wenn er dabei nicht unsanft mit ihr umgegangen war. »Lass uns ins Schlafzimmer gehen«, sagte er schroff. »Ich hab deinen Mund hart rangenommen. Jetzt werde ich mich erst einmal anderen Teilen deines köstlichen Körpers zuwenden.« Ihre Augen glühten vor erwartungsvoller Erregung. Sie hatte ihn um ausgefallenere Spielarten der körperlichen Liebe gebeten, und er würde ihr in dieser Sache gewiss entgegenkommen können. Es juckte ihn in den Fingern, ihren Hintern zu röten und sein Brandmal auf ihrem Körper zu sehen – primitive Gelüste, die ihn vollkommen vereinnahmten. Er wollte sie besitzen, damit es keine Zweifel mehr daran gab, dass er ihr Herr war. Doch als er sie ins Schlafzimmer führte, wurde ihm klar, dass er nicht nur ihren Körper wollte. Nein, er wollte auch ihr Herz besitzen. Aber während er ihren Körper schon bald besitzen würde – wie er ihn schon einmal besessen hatte –, würde es viel mehr Mühe und Zeit kosten, die Teile von ihr in Besitz zu nehmen, die ihr lieb und teuer waren … Herz, Geist und Seele. Er wollte das alles. Mit weniger würde er sich nicht begnügen. Jetzt musste er sie nur noch davon überzeugen. »Kletter aufs Bett. Leg dich auf den Bauch und verschränk die Hände auf dem Rücken. Ich bin sofort wieder bei dir, sobald ich alles vorbereitet habe.« Sie hielt den Atem an, ihre Wangen röteten sich. Er konnte sehen, wie sich ihre Atemzüge beschleunigten und Erregung in ihren Blick trat. Ihre Hand glitt aus seiner, und er fühlte sich ihrer Berührung beraubt. Sie ging zu seinem Bett und legte sich so darauf, wie er es ihr gesagt hatte. Er holte die Sachen, die er brauchte, aus dem Schrank. Einen Lederriemen, der ihr – und ihm – viel Lust bescheren würde, und einen Seidenschal. Er warf das Seil aufs Bett und stützte sich mit einem Knie zwischen ihren gespreizten Schenkeln ab, ehe er ihre Handgelenke mit einer Hand umfasste und den Schal darum wickelte, um sie einen seidenschal. Sie keuchte leise. Er konnte spüren, wie sich ihr Körper immer mehr anspannte. Nachdem er sie gefesselt hatte, trat er zurück. »Auf die Knie«, sagte er barsch und gab seiner Stimme einen leichten Befehlston. »Hintern hoch, Wange auf die Matratze.« Sie wand sich, um hochzukommen, und er schob eine Hand unter ihren weichen Bauch. Er half ihr, sich aufzurichten, bis ihre Knie auf der Matratze einen festen Stand hatten, ihr Gesicht aber weiter auf der Matratze ruhte. Zufrieden mit ihrer Stellung trat er zurück, um den Lederriemen zu holen. »Hast du das schon mal gemacht, Josie? Ich will nicht, dass es zu viel für dich wird. Du musst mir sagen, wie viel du erträgst.« »Ja«, wisperte sie. »Und ich kann viel ertragen, Ash. Halt dich nicht zurück. Ich … brauche es. Ich will es.« Er beugte sich vor und bedeckte sie mit seinem Körper. »Wenn es dir zu viel wird, kannst du jederzeit ›Halt‹ sagen. Verstanden? Mit diesem Wort hört es auf, Liebling.« Ein Beben ging durch ihren Körper. Sie mochte Kosenamen. Er genoss es, wie sie jedes Mal auf diese Ansprache reagierte. Dann richtete er sich auf und ließ eine Hand über ihren drallen Hintern gleiten. »Zwölf«, sagte er. »Zwölf Male wirst du auf deiner Haut tragen. Wenn ich mir sicher bin, dass du mithältst, steigern wir das Ganze. Aber jetzt fangen wir erst einmal mit einem Dutzend an.« Sie nickte. Ihre Augen waren geschlossen, die Lippen erwartungsvoll angespannt. Er ließ sie nicht länger warten. Der erste Schlag mit dem Lederriemen war ein lauter Knall in der Stille. Sie zuckte zusammen, und sofort war ein roter Striemen auf ihrem Hintern zu sehen. Dann drang ein leises Stöhnen über ihre Lippen, ein Laut, der ihn förmlich berauschte. Wieder führte er fachmännisch einen Schlag aus, dieses Mal auf die andere Pobacke. Sofort schimmerte auch hier ihre Haut rot. Der Kontrast zwischen der blasseren, unberührten Haut und der, die vom Leder geküsst worden war, war wunderschön. Sie wand sich ruhelos, während er sie das dritte, vierte und fünfte Mal den Riemen spüren ließ. Beim neunten begann sie leise zu flehen. Mehr. Fester. »Die letzten drei, Josie. Sie werden fester sein. Und dann werde ich deinen süßen Hintern nehmen. Glaubst du, du schaffst das?« »Ash.« Sein Name war ein Stöhnen auf ihren Lippen. Eine verzweifelte Bitte. Ja, sie hielt mit. Mehr als das. Er hielt sich zurück, und sie wollte das nicht. Den zehnten Schlag führte er mit ein bisschen mehr Wucht aus. Er ließ sie nicht aus den Augen und beobachtete sorgfältig, wie sie mit dem Schmerz umging. Er war da. Anfangs. Doch genauso schnell, wie sie den Schmerz wahrgenommen hatte, verwandelte sie ihn in höchste Lust. Ihre Augen, die nun offen waren, blickten sanft und verträumt, als hätte sie eine andere Welt betreten. Er war es nicht gewohnt, sein Handeln zu zügeln und sich zurückzuhalten. Er hatte sich bei Bethany zurückgehalten … in jener Nacht, als er und Jace mit ihr zusammen gewesen waren, weil Jace etwas anderes nicht zugelassen hätte. Aber Josie war wichtig. Sie war anders. Er wollte sie wertschätzen. Sanft und geduldig mit ihr sein, auch wenn sie angesichts seiner Zurückhaltung Ungeduld zeigte. Er würde viel Zeit haben, ihr alles zu geben. Aber jetzt wollte er erst einmal sicher sein, dass sie die ganze Zeit mithielt und er nicht die Grenze überschritt, an der der Schmerz die Lust überwog. Er verabreichte ihr den elften Schlag und hielt dann inne, um den letzten auszukosten, der sie außer sich vor Verlangen machen sollte. Sie wand sich ruhelos und wölbte den Rücken. Ihm war nicht klar, ob sie eigentlich wusste, dass ihr Körper um mehr flehte. »Jetzt kommt der zwölfte, Josie. Der letzte. Gib’s mir. Alles, was du hast.« Er ließ den Riemen nach unten sausen … fester als die vorherigen Male, wobei er jedoch darauf achtete, eine neue Stelle zu treffen. Der Knall hallte laut durch den Raum. Ihr überraschtes Fiepen ging in ein Stöhnen über. Ein leiser Seufzer der Lust, der ihm durch und durch ging. Sein Schwanz war steif und so hart, dass es schmerzte. Er wollte in ihren Körper hinein. Tief in ihren Po. Das war ein Teil von ihr, den er noch nicht besessen hatte … die letzte Hürde, um ihren Körper vollkommen in Besitz zu nehmen. Er ließ den Riemen fallen, voller Ungeduld, sie endlich in Besitz zu nehmen. Aber er hielt sich zurück und zwang sich, die Sorgfalt walten zu lassen, die nötig war, damit sie ihn ohne Schmerzen aufnehmen konnte. Er ließ sich Zeit beim Auftragen des Gleitmittels, dehnte den Ringmuskel erst mit einem und dann mit zwei Fingern, während er das Gel innen und außen auftrug. Dann gab er noch mehr von dem Gleitmittel in seine Hand und verteilte es über die gesamte Länge seiner Erektion. Er stöhnte auf, konnte es nicht erwarten, endlich in ihr zu sein. Er trat dichter an sie heran und legte seine Hände auf ihre rosigen Pobacken, um sie auseinanderzuziehen, bis ihre Öffnung sichtbar wurde. Dann legte er eine Hand um seine Erektion und führte sie an ihren Eingang. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen und hocherhobenem Hintern vor ihm kniend, bot sie einen höchst erotischen Anblick. Vollkommen hilflos und dem ausgeliefert, was er mit ihr machen wollte. Er setzte die Kuppel seines Schwanzes an der zusammengezogenen Öffnung an und begann zu schieben. Er ließ sich Zeit und legte eine Geduld an den Tag, die er sich gar nicht zugetraut hatte. Sie stöhnte, als er den engen Ringmuskel mit seinem dicken Schwanz dehnte und langsam einzudringen begann. »Wehr dich nicht dagegen, Süße. Drück dich gegen mich und lass mich rein«, sprach er besänftigend auf sie ein. »Es wird sich gut anfühlen, wenn ich erst in dir bin.« Er legte seinen Arm um ihren Körper und seine flache Hand auf ihren Bauch. Dann ließ er seine Finger tiefer gleiten und in die feuchten Löckchen eintauchen, hinter denen sich das Zentrum ihrer Lust befand. Als seine Finger über die feste Knospe strichen, zuckte sie zusammen, und er nutzte ihren lustvollen Moment, um fester zuzustoßen. Sie keuchte, sobald ihr Körper sich öffnete, um von ihm erobert zu werden. Er schloss die Augen und atmete laut zischend durch die Nase, um seine Erlösung zurückzudrängen. Himmel, sie war so eng und umklammerte ihn wie eine Faust. Und er war erst zur Hälfte in ihr. Er strich noch einmal über ihren Kitzler und übte dabei gerade die richtige Menge an Druck aus. Als sie sich wieder aufbäumte, drang er mit einem kräftigen Stoß ganz in sie ein. Bis zu den Hoden. Sie umschloss ihn mit ihrem Körper, hatte ihn vollständig aufgenommen. Seine Schenkel lagen an ihrem Hintern und er holte mühsam Luft. »Ich komme gleich«, wisperte sie verzweifelt. »Ich kann es nicht mehr zurückhalten, Ash. Oh Gott.« Er bewegte seinen Finger nur ganz leicht und wartete, dass sie sich wieder beruhigte. Er wollte nicht, dass sie jetzt schon kam, das würde seine Inbesitznahme zu schmerzhaft für sie machen. Sie würde ihn auf dem gesamten Weg begleiten müssen, denn in dem Moment, wo sie zum Höhepunkt kam, würde ihre Erregung versiegen und er ihr wehtun. »Erst wenn ich auch komme«, befahl er und wich ein Stück zurück, um wieder tief in sie hineinzustoßen. »Und ich bin noch nicht so weit, Süße. Du fühlst dich so verdammt gut an. Ich werde deinen süßen kleinen Hintern noch ein wenig länger genießen, ehe ich in dir komme.« Sie stöhnte wieder, und ihr Po zog sich fest um zusammen. Wieder glitt er ein Stück zurück, um gleich darauf erneut zuzustoßen, wobei er darauf achtete, ihre Klitoris nicht mehr zu berühren. Und dann reizte er sie doch aufs Neue, um zu schauen, wie kurz vor der Explosion sie stand. Kaum spannte sich ihr Körper an, zog er seine Hand weg, was ihm einen verzweifelten Laut aus Verärgerung und Ungeduld einbrachte. Er lächelte. Sie war so empfindsam. So verdammt schön. Und sie war sein. Bis zu den Hoden steckte er in ihrem Po, und es gab keine Stelle an ihrem Körper, die er noch nicht berührt hatte. Sie trug seine Spuren auf ihrem herrlichen Hintern. Und wollte trotzdem noch mehr. Sie war einfach perfekt. Er begann, fester zuzustoßen, fand seinen Rhythmus, der ihn zur Erfüllung trieb. Als seine Hoden sich zusammenzogen und er spürte, dass sein Staudamm gleich brechen würde, begann er wieder, die Knospe ihrer Weiblichkeit zu streicheln. Er wollte sie bei sich haben, wollte, dass sie diesen herrlichen Flug gemeinsam antraten. Seine freie Hand legte sich um ihre gefesselten Handgelenke und packte das Seil, womit er sie bei jedem Stoß fest an sich zog. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, der einen Moment die Sorge in ihm aufsteigen ließ, er täte ihr weh. Doch mittlerweile kam sie seinen Stößen entgegen, wollte unbedingt mehr. »Komm, Josie«, krächzte er. »Komm für mich, Süße. Ich bin gleich da. Ich komme.« Seine Finger ließen keinen Augenblick von ihrem Kitzler ab. Nicht einmal, als die Erlösung ihn überkam. Um ihn herum verschwamm die Welt. Er schloss die Augen, als er sich tief in sie presste und sie dabei an den Handgelenken zurückriss, damit sie seinen fordernden Stößen entgegenkommen konnte. Der erste Strahl seiner Erlösung war schmerzhaft schön und überwältigend. Trotzdem stieß er weiter zu und füllte sie mit seinem heißen Samen, bis er aus ihr herausquoll und an der Innenseite ihrer Schenkel herunterlief. Der bloße Anblick trieb seinen Orgasmus zu weiteren, ungeahnten Höhen. Es befriedigte ihn zutiefst, den Beweis dafür zu sehen, dass er ihren Körper in Besitz genommen hatte. Mit heiserer Stimme rief sie seinen Namen. Ihr gesamter Körper spannte sich an. Ihre Finger ballten sich zu festen, kleinen Fäusten unter seiner Hand. Sie zuckte und bebte und dann sackte sie in sich zusammen, als die Knie unter ihr nachgaben. Er folgte ihr und zog dabei seine Hand zwischen ihren Schenkeln hervor, um sich damit auf dem Bett abzustützen, damit sie nicht sein gesamtes Gewicht tragen musste. Dennoch ließ er sie ein bisschen davon spüren. Das Gefühl ihres Körpers unter seinem erfüllte ihn. Er liebte es. Es gab nichts Befriedigenderes, als tief in ihr vergraben auf ihr zu liegen. Als sein Gewicht schließlich offensichtlich doch zu viel für sie war und sie mühsam nach Luft rang, bewegte er sich. Sie beide stöhnten, als er sich langsam aus ihrem Po zurückzog. Vorsichtig löste er sich ganz von ihr, während er sich mit beiden Händen hochstemmte. Er schaute auf ihren geröteten Hintern, auf die gedehnte Öffnung, in der er eben noch gewesen war, und auf seinen Samen, der an ihrer Haut klebte. »Einfach wunderschön«, murmelte er. »Etwas Schöneres habe ich noch nie gesehen, Süße.« Sie seufzte, und ihre Wimpern zitterten. Dann löste er die Fesseln und beugte sich vor, um sie hochzuheben. Sie kuschelte sich an seine Brust, als er sie ins Badezimmer trug. Er setzte sie gerade so lange auf eine Kommode, wie er brauchte, um die Dusche anzudrehen und darauf zu warten, dass das Wasser warm wurde. Dann zog er sie unter den warmen Strahl und wusch jeden Zentimeter ihrer Haut mit sanften Händen. »War es zu viel für dich?«, fragte er leise, als er mit einer Hand über ihre Wange strich. Sie schaute zu ihm auf, und in ihren Augen war immer noch der Schimmer der erlebten Leidenschaft zu erkennen. Und sie lächelte. Ein wunderschönes Lächeln, bei dem sich alles in ihm zusammenzog und das in ihm den Wunsch weckte, sie gleich noch einmal zu nehmen. »Es ist nie zu viel«, wisperte sie. »Es war wundervoll, Ash. Ich liebe das.« Er beugte sich über sie, um sie zu küssen, während der heiße Strahl über sie beide hinwegströmte. »Ich bin froh zu hören, dass du bei mir warst, Liebste. Denn das ist eindeutig etwas, das ich wieder tun möchte. Ich werde nie genug von dir bekommen.« Sie schlang die Arme um seinen Hals und umarmte ihn, erwiderte seinen Kuss. Er griff um sie herum und drehte das Wasser ab. Dann schob er sie sanft aus der Dusche und wickelte sie in ein Handtuch, damit ihr nicht kalt wurde. Als sie trocken war, hüllte er sie in seinen Morgenmantel und machte einen Knoten in den Gürtel. Nun war sie von oben bis unten bedeckt. »Es ist noch früh. Möchtest du in einem Restaurant essen, oder ist es dir lieber, wenn ich etwas nach Hause bestelle?« Sie zögerte einen Moment. Ihre Hände ruhten in den Taschen des Morgenmantels, und das Handtuch, das er ihr um den Kopf gewickelt hatte, war fast wie ein Turban. Nie hatte sie schöner ausgesehen als jetzt: in seinem Morgenmantel, in seinem Badezimmer, während sie ihre Pläne für den Abend besprachen. »Ich würde gern zu Hause essen. Hier, mit dir, wenn das in Ordnung ist«, sagte sie. »Das ist unser erster gemeinsamer Abend. Ich meine, eigentlich ist es das natürlich nicht, aber es war der erste Tag, an dem du zur Arbeit gegangen und nach Hause gekommen bist. Ich würde ihn gern mit dir allein verbringen.« Er lächelte, als er verstand, was sie sagen wollte. Er hatte nicht das Bedürfnis, sie jetzt schon mit der Welt zu teilen. Es war ihm sehr recht, hinter den geschlossenen Türen seiner Wohnung zu bleiben und das Unausweichliche hinauszuzögern, sie irgendwann gemeinsam verlassen zu müssen. Er wollte sie Jace und Bethany vorstellen. Gabe und Mia. Er wollte sie mit seinen Freunden teilen und hoffte, dass daraus neue Freundschaften entstehen würden. Aber im Moment war es ihm lieber, die Zweisamkeit mit ihr zu genießen und die Welt draußen auf Abstand zu halten. Er beugte sich über sie, um sie zu küssen, und strich mit seinen Lippen langsam und zart über ihre. »Das klingt perfekt. Ich bestelle das Essen, und dann zeigst du mir, woran du heute gearbeitet hast.« 17 Ash wartete in seinem Büro auf Jace und strich immer wieder mit den Fingern über das Halsband, das er für Josie hatte anfertigen lassen. Er hatte genau gewusst, was er für sie haben wollte, doch jemanden zu finden, der den Schmuck innerhalb weniger Tage nach seinen Wünschen gestaltete, war nicht so einfach gewesen. Aber wie bei allen anderen Dingen hatte er auch diesmal feststellen können, dass mit genug Geld alles möglich war. Er hatte sich für Bronze entschieden, weil er den Gegensatz liebte, den das goldfarbene Metall zu Josies heller Haut bilden würde. Außerdem passte es zu den goldenen Strähnen in ihrem Haar. Bei den Steinen hatte er darauf geachtet, dass sie zu ihren Augen passten. Die Aquamarine, die nur mit Mühe aufzutreiben gewesen waren, lagen nun in ihren Fassungen. Das Halsband war herrlich, es würde atemberaubend an ihr aussehen und ihre wunderschönen Augen hervorheben. Er hätte sich auch für blaue Topase entscheiden können, aber die waren nicht so selten und schon gar nicht so teuer wie Aquamarine. Und für Josie wollte er nur das Beste. Diamantsplitter entlang des Randes versahen das Halsband mit einem glitzernden Streifen. Zwischen die Aquamarine hatte der Goldschmied kleinere Smaragde gesetzt, um dem Ganzen noch eine weitere Farbnuance zu geben. Er hatte es leuchtend haben wollen, es sollte ihre Persönlichkeit widerspiegeln. Kein langweiliges, farbloses Schmuckstück, das ohne Sorgfalt für die Person ausgewählt worden war, die es bekommen sollte. Die Wirkung war verblüffend, so viel war sicher. Er wusste schon jetzt, bevor sie es überhaupt gesehen hatte, dass sie es lieben würde. Auch der Zeitpunkt war perfekt. Er hatte das Gefühl gehabt, diesen Schritt mit Josie erst tun zu können, wenn die Sache mit Michael geregelt war, und darum würde er sich heute Abend kümmern. Danach würde seine Aufmerksamkeit nur noch auf Josie gerichtet sein. Michael würde keine Bedrohung mehr sein. Ash hatte die ganze Woche darauf bestanden, dass Josie in der Wohnung blieb. Er wollte nicht, dass sie rausging, und das eine Mal, fals sie es doch getan hatte – um Mr Downing weitere Bilder zu bringen und ihren Scheck der letzten Lieferung abzuholen –, hatte er sie von seinem Fahrer hinbringen lassen. Dieser hatte sie auch in die Galerie begleitet. Ash hatte nicht das Risiko eingehen wollen, dass Michael ihr auflauerte und ihr in der Öffentlichkeit eine Szene machte, was Josie nur erschrecken und in Verlegenheit bringen würde. Er hatte Josie nicht gesagt, warum er so hartnäckig auf seinen Wünschen bestand oder warum sie ab der nächsten Woche mehr Freiheit genießen würde zu tun, wonach ihr der Sinn stand. Er konnte ihr ja schlecht sagen, dass er sich erst um das Arschloch kümmern wollte, das Hand an sie gelegt hatte. Nichts von dem, was er plante, sollte Josie beeinträchtigen, dafür würde er sorgen. Und Michael würde sie auch nie wieder anfassen. Ein Geräusch an der Tür ließ ihn aufschauen. Jace kam herein, seine Miene war grimmig und besorgt, aber Ash hatte ihm schließlich schon mitgeteilt, warum er ihn sehen wollte. »Ich habe alles für heute Abend arrangiert«, erklärte Jace ruhig. »Bethany ist raus, stimmt’s?«, fragte Ash. In dieser Hinsicht hatte er nicht mit sich handeln lassen. Zwar würde er Jace wegen des Alibis mit in die Sache hineinziehen, aber er wollte auf keinen Fall, dass auch noch Bethany für ihn log. Genauso wie die Angelegenheit Josie nicht beeinträchtigen würde, wollte er auch Bethany nicht mit hineinziehen. Ihr Leben war auch so schon schwierig genug, und Ash wollte ihr auf keinen Fall noch mehr aufbürden. Jace nickte. »Ich habe ihr dasselbe gesagt wie du Josie: dass wir ein wichtiges Meeting hier im Büro haben. Ich habe eine Videokonferenzschaltung mit Investoren organisiert. Du wirst am Anfang dabei sein, sodass alle dich sehen. Ein paar Minuten später wirst du aufstehen und dich mit dem Hinweis auf die Toilette entschuldigen. Du schaltest dein Mikro dann für eine Weile auf stumm. Danach wird es allerdings ein bisschen komplizierter, weil du weiter an der Konferenzschaltung teilnehmen musst, während du unterwegs bist. Wenn ich die Kamera richtig ausrichte, werde nur ich deutlich zu sehen sein, sodass der Typ, den du angeheuert hast, reinkommen und sich hinten hinsetzen kann. Er sitzt in deiner Jacke da, während man deine Stimme übers Mikro hört. Achte darauf, regelmäßig etwas von dir zu geben. Ich habe angeordnet, die Überwachungskameras, kurz bevor du gehst, abzuschalten, es wird also keine Aufzeichnung davon geben, wie du das Gebäude verlässt. Ich habe noch eine Ersatzschlüsselkarte, die du beim Rausgehen benutzen kannst. Deshalb wird es auf den Aufzeichnungen so aussehen, als wärest du immer noch bei mir; wenn es notwendig sein sollte, werde ich das Gebäude später mit deiner Schlüsselkarte verlassen. Die Konferenzschaltung wird nicht so lange dauern. Beeil dich also, die Sache zu regeln, wenn du dein Mikro ausgeschaltet hast, und melde dich gleich darauf wieder übers Mikro, damit es so aussieht, als wärest du die ganze Zeit hier gewesen. Am besten wäre es, wenn du direkt anschließend hierher zurückkommst, damit wir das Gebäude gemeinsam verlassen können, sobald alle Kameras wieder angeschaltet werden.« Ash nickte. »Danke, Kumpel. Das bedeutet mir viel. Und nur damit du’s weißt: Wenn irgendetwas schiefgeht, bist du sauber. Nichts davon wird an dir hängenbleiben.« »Sorg einfach dafür, dass nichts schiefgeht«, erwiderte Jace trocken. »Ich bin nach wie vor der Meinung, dass jemand anderes das für dich regeln sollte. Du riskierst verdammt viel, wenn du das selbst machst.« Ash presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Ich will ihm meinen Standpunkt klarmachen, und das geht am besten, wenn ich die Botschaft selbst überbringe. Ich will, dass dieser Dreckskerl sich vor Angst in die Hosen macht. Ich will, dass er merkt, dass er mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Und nachdem ich ihn windelweich geprügelt habe, soll er auch noch erfahren, dass ich ihn mit einem Fingerschnipsen ruinieren kann, wenn er noch einmal irgendeine Grenze überschreitet.« Jace lächelte leicht. »Ich verstehe, was du meinst. Und ich muss gestehen, dass ich genauso handeln würde, wenn so ein Arschloch Bethany in die Quere käme. Ich würde ihn selbst zu Brei schlagen und mich nicht darauf verlassen, dass andere die Drecksarbeit für mich erledigen.« »Dann verstehst du mich also.« Jace nickte. »Ja, ich verstehe dich. Es gefällt mir nicht, aber ich verstehe dich. Ich mache mir Sorgen, Ash. Ich will nicht, dass etwas schiefgeht. Nicht jetzt, wo du …« Er verstummte, und Ash sah ihn durchdringend an. »Wo ich was?« Jace sah ihn mit einem schiefen Lächeln an. »Wo du dein Kryptonit gefunden hast.« Ash war überrascht. War Josie tatsächlich sein Kryptonit? Doch, er wusste, was Jace meinte. Er hatte Gabe und Jace endlos Vorhaltungen gemacht, als sie sich Hals über Kopf in eine Frau verliebt hatten und sofort ihr unantastbares Motto aufgegeben hatten. Aber jetzt, da er sich in der gleichen Situation befand, hatte er nichts mehr dagegen einzuwenden. In seinem Inneren breitete sich eine tiefe Ruhe aus. »Du bist viel ruhiger geworden in der letzten Zeit. Irgendwie gesetzter«, meinte Jace. »Das gefällt mir. Nach der Sache mit Bethany …« Er verstummte seufzend, als brächte er das Thema nur ungern wieder zur Sprache, da sie sich doch geschworen hatten, das nie wieder zu tun. »Nach der Sache mit Bethany habe ich viel nachgedacht. Über dich und mich. Ich habe gehasst, was damals passiert ist, obwohl ich es nicht bedauere. Ich hoffe, der Blödsinn, den ich hier verzapfe, ergibt einen Sinn für dich. Es hat etwas mit uns gemacht, und das gefiel mir nicht, und außerdem gefiel mir nicht, wie mies ich mich nach dieser Nacht dir und Bethany gegenüber verhalten habe. Aber die Entscheidung, sie nicht mit dir zu teilen, bedauere ich nicht.« »Ich bedauere es auch nicht«, erwiderte Ash lächelnd. »Ich komme damit klar, Jace. Du musst aufhören, ständig darüber nachzudenken. Die Sache ist geklärt. Du hast aufgehört, dich wie ein Schwachkopf zu verhalten. Bethany macht dich glücklich. Und ich habe Josie gefunden, die mich glücklich macht.« »Ich freue mich für dich, Ash.« »Ja, das weiß ich.« »Nichts Neues von deiner Familie? Wie läuft’s mit Brittany?« Ash holte tief Luft. »Diese Woche war nichts Besonderes, und das macht mich nervös, denn es sieht ihnen gar nicht ähnlich, einfach aufzugeben und sich zurückzulehnen. Brittany ist glücklich in ihrem neuen Job. Bisher hat sie nicht viel mehr gemacht als zu arbeiten und anschließend nach Hause zu gehen. Aber das wird schon noch. Ich möchte, dass sie Mia und Josie kennenlernt und ab und an etwas mit Mias Freundinnen unternimmt. Die würden ihr gut tun. Josie ist in Brittanys Alter, also würden sich die beiden vielleicht gut verstehen.« »Diese ›Mit den Freundinnen verkuppeln‹–Nummer lässt dich ziemlich gesetzt klingen«, neckte Jace ihn. »Du kannst mich mal.« Jace wurde wieder ernst und fragte: »Also nichts Neues von der Hexe? Hält sie sich einfach zurück? Und was ist mit dem alten Herrn? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ihre Abtrünnigkeit wortlos zur Kenntnis genommen hat. Schließlich legt er doch so viel Wert auf den Familienverbund, so geheuchelt das auch sein mag.« Ash seufzte. »Ja, nichts Neues diese Woche. Aber ich rechne nicht damit, dass das anhält.« »Okay, ich erwarte von dir, dass du mich informierst, sobald die Kacke am Dampfen ist. Ich werde dich auf keinen Fall allein in die Schlangengrube lassen.« Ash lachte leise. »Bei dir klingt das Ganze eher nach einem Undercovereinsatz.« »Tja, ein Abend mit deiner Familie ist Qualifikation genug dafür.« Ash sah auf die Uhr. »Willst du vor der Konferenzschaltung noch einen Happen essen? Ich werde jetzt noch schnell bei Josie anrufen und fragen, wie es ihr geht … um sicherzugehen, dass bei ihr alles in Ordnung ist, und um ihr zu sagen, dass es heute spät wird.« »Okay. Wollen wir wieder ins Grill?« Ash nickte. »Danke noch mal, Jace. Ich kann es gar nicht häufig genug sagen, aber ich werde immer für dich und Gabe da sein … Mir fehlen die Worte.« Jace grinste. »Wie wäre es, wenn du deine Dame nach heute Abend von der Leine lässt, damit sie sich unter uns begeben kann?« Ash lachte. »Ja, ich weiß, ich habe sie diese Woche sehr vereinnahmt. Es war schön. Aber ich will ja auch, dass du und Bethany sie kennenlernt. Gabe und Mia kommen am Sonntag zurück, es wäre schön, wenn sie dann auch dazustoßen könnten.« »Hättest du vor einem Jahr gedacht, dass wir heute alle drei in festen Händen sind? Gabe verheiratet, ich verlobt und du Hals über Kopf in eine Frau verliebt, die du gerade erst kennengelernt hast?« Ash warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ausgerechnet du erzählst mir etwas übers Hals-über-Kopf-Verlieben in eine Frau, die man gerade erst kennen gelernt hat.« Jace’ Grinsen beinhaltete keine Reue. »Ein Blick genügt, Mann. Man weiß es einfach, wenn’s die Richtige ist. Ich hätte nie gedacht, dass es das gibt, aber als ich Bethany sah, wusste ich es.« »Ja, ich weiß, was du meinst. Ich hab zwar selber nie dran geglaubt, aber dann habe ich Josie kennengelernt, und es hat Klick gemacht. Ich kann es noch nicht einmal richtig erklären.« »Brauchst du auch nicht. Ich verstehe dich auch so«, sagte Jace, während sie Ashs Büro verließen. Er blieb noch einmal stehen und wandte sich mit ernstem Blick an seinen Partner. »Eines darfst du nicht vergessen, das ist allgemeingültig und eigentlich immer anwendbar, sag ich dir. Und glaub mir, denn ich hätte es fast vermasselt … Sich zu verlieben ist der leichteste Teil der Geschichte. Alles, was hinterher kommt, ist schwer und kostet Mühe und Arbeit.« »Himmel. Du bist ja zu einem Psychomist schwafelnden Weichei geworden«, meinte Ash voller gespielter Abscheu. Jace zeigte ihm den Stinkefinger. »Meinetwegen. Du brauchst ja nicht auf meine wohlgemeinten Ratschläge zu hören, aber komm dann bloß nicht heulend zu mir, sobald du’s vermasselt hast.« »Ja, schon gut«, brummte Ash. »Willst du laufen, oder nehmen wir den Wagen?« »Lass uns zu Fuß gehen«, sagte Ash. »Ich werde Josie von unterwegs anrufen.« Ash starrte mit versteinerter Miene in das blutige Gesicht von Michael Cooper. Die Männer, die Ash zu seiner Begleitung angeheuert hatte, standen im Kreis um sie herum und blickten sich wachsam um. Ash streckte seine Finger, um die Steifheit aus den Knöcheln zu vertreiben. Ein Handschuh war gerissen und mit dem Blut des anderen besudelt. »Du vergisst, dass Josie Carlysle überhaupt existiert. Verstanden? Wenn ich mitbekomme, dass du dich ihr auch nur im Umkreis von einer Meile näherst, wirst du das bereuen.« Michael nickte und spuckte Blut aus. »Ich hab’s verstanden. Himmel, die ist es doch gar nicht wert.« »Falsch, Arschloch. Sie ist es wert. Mehr als du dir je vorstellen kannst. Sie gehört jetzt mir, und ich beschütze, was mir gehört. Und außerdem … wenn du auch nur daran denkst, zur Polizei zu gehen, wie sie es hätte tun sollen, als du Hand an sie gelegt hast, werde ich dir das Leben zur Hölle machen. Ich werde dich beobachten, Cooper. Vergiss das nie. Wenn du wegen dem hier Ärger machst, werde ich dich ruinieren, du wirst am Ende nichts mehr haben. Und wenn du glaubst, ich hätte nicht das Geld, die Macht und die Beziehungen dafür, kannst du es ja versuchen. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du in einem Pappkarton leben und um dein Essen betteln.« Michael nickte wieder, Angst und Panik standen ihm ins Gesicht geschrieben. Er war ein jämmerlicher Wurm ohne jedes Rückgrat. Ash ließ Michaels Shirt los und stieß ihn zu Boden, wo dieser um Atem ringend liegen blieb, während leise Schmerzenslaute aus seinem blutenden Mund kamen. »Das ist genau das, was du ihr angetan hast, du Arschloch«, sagte Ash, und in jedem einzelnen Wort schwang Wut mit. »Du hast sie geschlagen und dann zu Boden gedrückt, um sie noch einmal zu schlagen. Du kannst von Glück reden, dass das alles ist, was ich mit dir mache. Wenn du nicht auf das hörst, was ich dir gesagt habe, werde ich dir solche Schmerzen zufügen, dass du mich selbst beim Pinkeln noch spürst. Und übrigens, Cooper: Ich werde dich ab jetzt im Auge behalten, und wenn mir je wieder zu Ohren kommen sollte, dass du einer Frau wehgetan hast, wirst du zur Hölle fahren.« »Wir müssen los«, sagte einer der Männer leise. »Sie sagten, es würde nur ein paar Minuten dauern. Wir sollten nicht länger bleiben, es ist zu gefährlich.« Ash nickte. »Ich bin mit diesem Arschloch fertig.« Er und die anderen wandten sich ab und ließen Michael neben dem Gebäude liegen, wo sie ihm aufgelauert hatten. Auf dem Weg, den Michael jeden Abend nahm, außerhalb der Sichtweite der Hauptstraße. Das Risiko war trotzdem hoch, denn wenn zufällig jemand auftauchte, würde die Hölle los sein. Ash konnte es sich nicht leisten, gesehen zu werden, mit einem Zeugen wäre sein Alibi hinfällig, falls Michael doch so blöd sein sollte, zur Polizei zu gehen. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch, die er wegwerfen und nie wieder anziehen würde, einer Jacke, die er nur für den heutigen Abend besorgt hatte. Seine Mütze hatte er tief in die Stirn gezogen, sodass von seinem Gesicht fast nichts zu erkennen war. Er ließ Michael liegen und eilte davon. Alles wirkte wie ein Raubüberfall auf offener Straße; Ash hatte nichts dagegen gehabt, dass die anderen sich nahmen, was sie wollten. Ash schob dem Mann, der rechts von ihm ging, einen Stapel Banknoten zu und bedankte sich leise. »Keine Ursache, McIntyre«, sagte C.J. leise. »Sie wissen ja, wo Sie uns finden, wenn Sie uns brauchen.« Ash nickte. Als sie die Straße erreichten, ging er in die entgegengesetzte Richtung davon. Er war nur ein paar Straßen vom Büro entfernt, und er musste sich beeilen, um rechtzeitig zurück zu sein, ehe die Kameras wieder online gingen. Er griff nach seinem Handy, das immer noch an war, und hob es an sein Ohr. Es war nach wie vor auf stumm geschaltet, und er beließ es so, um sich nicht durch den Verkehrslärm zu verraten. Er lauschte Jace, der die Gesprächsführung übernommen hatte und Ash keine Gelegenheit gab, irgendetwas einzuwerfen. Er eilte in das Bürogebäude und achtete darauf, dass sein Gesicht verhüllt blieb, bevor er in einem Waschraum im Erdgeschoss verschwand, die Jacke in die Sporttasche stopfte, die er dabeihatte, und sich die Mütze vom Kopf riss. Nachdem er seine Erscheinung überprüft und sich davon überzeugt hatte, dass keine Blutspuren zu sehen waren, ging er zum Fahrstuhl. Kurz darauf stand er in der Tür zu Jace’ Büro, von wo aus er dem Mann, den er angeheuert hatte, ein Zeichen gab. Sie tauschten die Jacken, und der andere verschwand schnell, während Ash sich an der abschließenden Zusammenfassung beteiligte, den Investoren dafür dankte, dass sie ihre Zeit geopfert hatten, und noch ein paar letzte Fragen beantwortete. Jace musterte ihn durchdringend, und sein Blick glitt über Ash, als wollte er sehen, ob es irgendwelche Hinweise auf das gab, was er getan hatte. Ash nickte nur in seine Richtung, und sie beendeten die Konferenzschaltung. Eine ganze Weile herrschte Stille, ehe Jace schließlich das Schweigen brach. »Irgendwelche Probleme?« Ash schüttelte den Kopf. »Nein. Die Sache mit dem Arschloch ist erledigt. Er wird länger was von seinen Blessuren haben als Josie. Und er wird sich zweimal überlegen, ob er noch mal die Hand gegen eine Frau erhebt.« »Ich bin froh, dass es vorbei ist. So was stresst mich total. Ich würde zu gern wissen, wann zum Teufel du die Typen kennengelernt hast, die du angeheuert hast. Himmel, jetzt, wo ich drüber nachdenke … woher kanntest du die Männer, die sich um den Kerl gekümmert haben, dem Bethanys Bruder Geld schuldete?« Ash zuckte die Achseln. »Spielt das eine Rolle? Das sind keine Menschen, die ich jemals zum Abendessen einladen würde oder die du, Gabe und insbesondere unsere Frauen jemals kennenlernen werden.« Jace seufzte. »Da stellt sich mir nur die Frage, in was für krumme Dinger du verwickelt bist, von denen ich nichts weiß.« »Nichts Illegales«, meinte Ash gedehnt. »Bis jetzt«, erwiderte Jace ruhig. »Bis jetzt«, stimmte Ash ihm zu. »Aber es musste getan werden. Ich werde niemandem erlauben, meine Frau schlecht zu behandeln. Ich werde auch nicht zögern, es wieder zu tun, falls das je erforderlich sein sollte.« Jace erhob sich und atmete tief ein und aus. »Ich will jetzt nach Hause zu meiner Frau, und du bestimmt zu deiner.« Sein Blick glitt wieder über Ash, seine Sorge war ihm deutlich anzumerken. »Alles in Ordnung mit dir?« »Ja, mir geht’s gut. Das Arschloch hat mich nicht angerührt. Ich hab mir die Hand geprellt. Aber das ist nichts Ernstes.« Jace schüttelte den Kopf. »Lass uns gehen und dafür sorgen, dass wir dabei auch gesehen werden.« 18 Es war das erste Mal, dass Ash spätabends von der Arbeit nach Hause kam, und es gefiel Josie überhaupt nicht. Obwohl sie erst seit einer Woche zusammen waren, hatte Josie sich daran gewöhnt, dass Ash jeden Abend vor Einbruch der Dämmerung die Wohnung betrat. Es hatte sich eine angenehme Routine zwischen ihnen entwickelt. Sie arbeitete am Tage. Er arbeitete am Tage. Aber dann kam er nach Hause, und sie wartete auf ihn. Jeden Tag. Auf der Couch. Nackt. Und wenn er zur Tür hereinkam, herrschte im Raum sofort eine andere Stimmung. Sie hatte ihn um etwas andere Spielarten der körperlichen Liebe gebeten, und diesem Wunsch war Ash definitiv nachgekommen. Ihr Hintern war von den Eskapaden der letzten Nacht immer noch ganz wund. Das erste Spanking am Montagabend war nicht zu hart gewesen, sondern perfekt. Den Rest der Woche war er nicht darauf zurückgekommen, sondern hatte andere Möglichkeiten erforscht, ohne einen Lederriemen zu benutzen. Und in der letzten Nacht? Sie rieb sich den Hintern und genoss das Kribbeln der immer noch geschwollenen Striemen. Er hatte eine Gerte benutzt und war nicht so sanft gewesen wie beim ersten Mal. Aber sie hatte ihn ja auch um mehr gebeten … um mehr Härte. Sie wollte noch näher an diesen schmalen Grat zwischen Schmerz und Lust. Was hatte er für heute Abend im Sinn? Oder würde er nach dem langen Tag auf der Arbeit und dem späten Meeting vielleicht zu müde sein? Ihr Handy klingelte, und sie zuckte zusammen. Ihre Augen leuchteten auf, als sie sah, dass es Ash war, der anrief. »Hallo«, sagte sie mit weicher Stimme. »Hallo, Süße. Ich bin auf dem Weg nach Hause. Sei bereit. Es war ein langer Tag. Ich will jetzt einfach nur noch zu dir nach Hause.« Ein Kribbeln lief durch ihre Brust. Ihr wurde schwindelig bei dem Gedanken, dass sich dieser Mann so sehr darauf freute, zu ihr nach Hause zu kommen. Ein Mann, der jede Frau hätte haben können, aber nur sie wollte. Es gab keine Frau auf Erden, die diese Streicheleinheit für ihr Ego nicht genossen hätte. »Alles klar«, sagte sie. »Ich werde warten, Ash.« Sie hatte bereits eine Idee, wie sie ihn heute empfangen wollte. Allerdings … sie machten es immer so, wie er es wollte. Er bestimmte. Er hatte das Sagen. Aber seit der ersten gemeinsamen Nacht hatte er sie nicht mehr gebeten, ihn mit dem Mund zu verwöhnen, obwohl sie wusste, dass er es genossen hatte. Sehr. Heute Abend wollte sie das für ihn tun. Sie wollte gerade lange genug die Kontrolle übernehmen, um ihm nach einem langen und anstrengenden Tag eine Freude zu bereiten. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er nichts dagegen haben würde, ihr dieses kleine bisschen an Kontrolle zu überlassen. Sie schlüpfte aus ihrer Kleidung, kämmte ihr Haar und überprüfte ihr Aussehen, wie sie es jeden Abend tat, wenn sie auf ihn wartete. Dann ging sie ins Wohnzimmer, um sich auf die Couch zu legen. Dieses Mal musste sie nicht so lange warten, was entweder bedeutete, dass er sie nicht sofort angerufen hatte, nachdem er aufgebrochen war, oder dass sie sich allmählich in den Ablauf eingefunden hatte, sodass ihr nicht mehr jede Minute wie eine volle Stunde erschien. Sobald sie hörte, dass die Fahrstuhltür sich öffnete, schwang sie die Beine von der Couch, um sich auf den dicken Pelzteppich vor dem Sofa zu knien. Als sie und Ash sich ansahen, ging der durchdringende Blick seiner strahlend grünen Augen wie ein Ruck durch ihren Körper. Er musterte sie streng, aber gleichzeitig anerkennend. Seine Miene war finster, so finster, dass sie anfing zu zittern. Falls sein Gesichtsausdruck einen Rückschluss zuließ, dann hatte er offensichtlich keinen guten Tag gehabt. Aber er schien sehr zufrieden damit, dass sie kniend auf ihn wartete, obwohl er gesagt hatte, dass er so etwas nicht von ihr erwartete. Er ließ seine Aktentasche einfach auf den Boden fallen und schritt auf sie zu. Auf dem Weg zog er seine Anzugjacke aus und warf sie auf einen Sessel, um gleich darauf die Manschetten aufzuknöpfen. Als er vor ihr stehen blieb, hob sie die Hände und ließ sie zu seinem Hosenschlitz gleiten. Seine Augen blitzten vor Überraschung auf. »Was hast du vor?«, fragte er leise. Sie lächelte. »Ich bereite dir einen liebevollen Empfang. Bleib einfach stehen und genieß es.« »Meine Güte«, stöhnte er. Sie öffnete den Reißverschluss seiner Hose und schob sie ungeduldig über seine Hüften. Dann griff sie in seine Boxershorts und holte vorsichtig sein steifes Glied daraus hervor. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und genoss die Vorfreude, ihn gleich zu schmecken und so viel festes Fleisch auf ihrer Zunge zu spüren. »Himmel, Josie. Wenn du dir die Lippen so leckst, treibt mich das fast in den Wahnsinn.« Sie lächelte wieder, während sie auch schon seine Eichel an ihren Mund führte. »Das soll es ja auch.« Er holte ruckartig Luft, und der Zischlaut, der damit einherging, war in der Stille des Raumes deutlich zu hören. Sie leckte über die Spitze und nahm sie dann in den Mund, um sanft daran zu saugen, während sie ihn tiefer in sich aufnahm. »Ich habe dich heute vermisst«, wisperte sie, als sie seinen Schwanz kurz wieder entließ. »Ich habe den ganzen Abend auf dich gewartet. Ich will den heutigen Tag zu etwas Besonderem für dich machen. Etwas, das du nie vergessen wirst.« »Das werde ich unter Garantie nicht vergessen, mein Liebling. Nie. Ich liebe es, zu dir nach Hause zu kommen. Diese Woche war die schönste meines Lebens.« Wieder kam diese schwindelerregende Benommenheit über sie, die Wärme durch ihren gesamten Körper strömen ließ. Sie liebte es, dass er so offen zu ihr war. Es bestand kein Zweifel daran, was er fühlte und dass er sie wollte. Kein dummes Rätselraten. Keine Spielchen. Überhaupt keine Spielchen. Aber das hatte er ihr ja von Anfang an gesagt. Dass es keine Spielchen geben würde. Dass alles real war. Dass alles, was sie taten, real war. Vielleicht war ihr das anfangs nicht ganz klar gewesen, aber er hatte bewiesen, dass es so gemeint war. Kein Tag war vergangen, an dem er ihr nicht gesagt hatte, wie schön sie war, wie sehr er sie begehrte, wie sehr er es genoss, sie in seiner Wohnung zu haben … wie stark er ihre hingebungsvolle Demut verehrte und wie sehr er die Tatsache schätzte, dass sie ihm ihr Vertrauen geschenkt hatte. Innerhalb einer Woche war jede Beziehung, die sie je gehabt hatte, zu einem bloßen Schemen verblasst. Innerhalb einer einzigen Woche war die Bindung zu Ash fester, als sie es je mit einem anderen Mann erlebt hatte. Bei Michael waren ihr die Momente, in denen sie voneinander getrennt gewesen waren, nicht endlos erschienen. Sie hatte nicht ständig auf die Uhr geschaut und sich danach gesehnt, ihn endlich wiederzusehen. Ihr Herz war nicht beteiligt gewesen. Jetzt war es das. Ash besaß nicht nur ihren Körper. Er besaß ihr Herz und ihre Seele und hatte beides in weniger als einer Woche erobert. Es klang verrückt. Solche Dinge passierten nur in Büchern oder in Filmen. Beziehungen waren komplizierte Angelegenheiten, an denen man arbeiten musste. Sie passierten nicht einfach. Liebe passierte nicht einfach. Oder? Aber es war passiert. Man konnte sich doch unmöglich so schnell verlieben! Sie lernten einander doch gerade erst kennen, loteten die Grenzen ihrer Beziehung erst noch aus. Sie begehrte ihn. Eindeutig. Genauso eindeutig war sie in ihn verknallt. Sie war sehr verknallt. Aber liebte sie ihn auch? Hatte sie das Gefühl, als wäre jede Minute, die sie nicht mit ihm zusammen war, die reinste Folter? Es machte sie verrückt, weil sie wusste, dass sie dabei war, sich unsterblich in diesen Mann zu verlieben, aber gleichzeitig wehrte sie sich dagegen, weil sie wusste, dass es noch zu früh war. Weil ihr klar war, dass es noch zu vieles gab, das sie über diesen Mann nicht wusste. Auch seine Freunde hatte sie noch nicht kennengelernt. Oder seine Familie. Allerdings bezweifelte sie, dass Letzteres je passieren würde. Er hasste seine Familie. Er hatte kein Geheimnis daraus gemacht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass man die eigene Familie hassen konnte. Sie hatte ihre Mutter verehrt und bei ihrem Tod tief getrauert. Doch was nahm sie sich heraus, seine Beziehung zu seiner Familie beurteilen zu wollen? Ihren Vater hasste sie ja auch. Andererseits zählte sie ihn gar nicht zur Familie. Weil die Familie einen nicht im Stich ließ. Wenn es eine richtige Familie war. Nein, ihr Vater war nur ein Samenspender gewesen, sonst nichts. »Süße, du bist ja ganz woanders.« Ashs sanfter Tadel brachte sie mit einem Ruck von ihren abschweifenden Gedanken in die Gegenwart zurück. Sie sah zu ihm auf und merkte, dass er sie mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte, während er seinen Schwanz aus ihrem Mund zog. Sie errötete schuldbewusst, weil er sie ertappt hatte. Vor Ash ließ sich einfach nichts verbergen. Er sah alles. Er spürte ihre Stimmungen, las ihre Gedanken. Es war beängstigend, dass er sie nach nur einer Woche schon so leicht durchschaute. »Woran denkst du gerade, Süße? Denn du bist eindeutig nicht bei mir. Es fühlt sich zwar gut an, was du machst, aber du bist nicht bei der Sache.« Sie seufzte und hockte sich hin, wobei ihre Finger immer noch um seine Männlichkeit geschlungen waren. »Tut mir leid, Ash. Mein Fehler. Ich habe gerade an hundert verschiedene Dinge gedacht.« Sie fragte sich, ob er sie bestrafen würde. So wie Michael das in der gleichen Situation getan hätte. Doch seine Bestrafungen waren keine lustvollen Erfahrungen gewesen. Sie hatten wehgetan. Sie hatten wehtun sollen. Ashs Augen wurden schmal, aber er wandte den Blick nicht ab. »Was zum Teufel geht dir gerade durch den Kopf? Was es auch ist … es gefällt mir nicht.« Sie schob die Lippen vor und hätte beinahe in einem »Nichts« Zuflucht gesucht. Aber es würde sinnlos sein, ihm ihre Gedanken zu verwehren. Er würde nur weiter in sie dringen, bis sie ihm die Wahrheit sagte. Er wollte unverblümte Ehrlichkeit. Er wollte immer wissen, was in ihrem Kopf vorging. »Ich habe mich gefragt, ob du mich wohl bestrafen wirst, weil ich nicht konzentriert war«, erklärte sie ruhig. »Und ich habe an Michaels Bestrafungen gedacht und an die Tatsache, dass er mich auf jeden Fall bestraft hat, wenn ich ihm nicht meine volle Aufmerksamkeit schenkte. Seine Bestrafungen waren keine lustvollen Erfahrungen wie bei dir. Bei ihm … hat es wehgetan. Nur wehgetan. Das hatte nichts mit Lust zu tun.« Ashs Augen sprühten Funken vor Wut, und sie ließ ihn instinktiv los. Seine Miene verdunkelte sich vor Zorn, und sie bedauerte ihre Ehrlichkeit sofort. Sie hätte Michael nicht erwähnen sollen. Nun war er in Ashs Wohnung und ihr gemeinsames Leben getreten. Sie senkte den Blick und versteckte die Hände zwischen ihren Knien. Über ihr fluchte Ash, aber sie schaute nicht auf. Seine Hände schlossen sich sanft um ihre Schultern, und er half ihr auf. Dann zog er seine Hose hoch und schloss sie. »Das ist jetzt einer dieser Moment, in denen wir uns unterhalten werden … aber wir tun es, während du in meinen Armen liegst.« Er sah nicht wütend aus, und in ihr breitete sich Erleichterung aus. Es war wirklich verdammt schwer, sich sicher im Fahrwasser einer neuen Beziehung zu bewegen, und ganz besonders anstrengend, wenn man sich ständig Sorgen machte, möglicherweise etwas Falsches zu sagen oder zu tun. Sie wollte es nicht vermasseln. Sie hatte sich bereits halbwegs in Ash verliebt, okay, vielleicht auch richtig in ihn verliebt, und sie wollte gern herausfinden, wohin das Ganze führte. Ash drehte sie zur Couch um und zog sie mit sich, als er sich setzte. Seine Hände glitten über ihren Körper und ihre Arme hinauf. Er drückte sie leicht, umfasste dann ihr Gesicht und strich mit dem Daumen über die Stelle gleich neben ihrem Mundwinkel, wo immer noch eine leichte Verfärbung zu erkennen war. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich nicht dein Vater bin. Und du bist nicht meine Tochter. Das hier sind keine Vater-Tochter-Spielchen. Du bist eine erwachsene Frau und kannst deine eigenen Entscheidungen treffen. Das mag zwar angesichts der Art von Beziehung, die wir haben, widersprüchlich klingen, ist es aber nicht. Du kannst entscheiden, ob du dich mir unterwerfen willst oder nicht. Ich kann dich nicht dazu bringen. Ich kann dich nicht zu Entscheidungen zwingen, die du nicht willst. Und ich will dich auch nicht dazu bringen. Niemals. Das bedeutet, dass ich dich nicht für vermeintlich falsche Dinge oder Dinge, die mir missfallen, bestrafen werde. Dann wäre ich einfach nur ein Arschloch, und das will ich nicht sein, wenn ich mit dir zusammen bin. Was ist denn, wenn ich Lust habe, dir den Hintern zu versohlen, weil es uns beide anturnt? Ich stehe darauf. Und das wird häufig vorkommen, wenn es nach mir geht. Aber eine Gerte hervorzuholen und dir Schmerzen zuzufügen, weil du etwas falsch gemacht oder mich geärgert hast? Das wird nicht passieren. Nie. Denn dann wäre ich nicht besser als dieses Arschloch, das dich geschlagen hat, weil er sauer darüber war, dass du ihn abserviert hast.« Sie nickte, denn sie begriff, worauf er hinauswollte. »Hast du es wirklich verstanden, Josie? Es treibt mich auf die Palme, wenn ich mir vorstelle, dass er dir wegen eines angeblichen Verstoßes Schmerz zugefügt hat. Ich werde dich nie anrühren, wenn ich sauer bin. Vielleicht sage ich mal Sachen, die dir wehtun. Ich bin manchmal etwas jähzornig. Aber ich werde dich niemals mit Absicht verletzen.« Wieder nickte sie, und ein Teil der Anspannung wich aus ihrem Körper. Er senkte die Stimme, sprach jetzt leise und sanft. Sein Blick suchte ihren, und in seinen Augen sah sie Wärme und Zärtlichkeit. »Süße, ich möchte, dass du begreifst, dass deine Beziehung mit Michael nicht gut war. Michael war nicht gut. Es war keine gesunde Beziehung. Und das spricht nicht für die Art von Beziehung, die du glaubtest, mit ihm zu führen. Vielleicht klappt das bei anderen, und wenn ja, dann bitte schön. Solange beide – Mann und Frau – darauf stehen und die Frau damit einverstanden ist. Wenn es das ist, was sie braucht und wenn sie den Typen will, mit dem sie zusammen ist … dann gut. Aber bei mir läuft das nicht so. Ich bin ein ziemlich fordernder Mistkerl. Das wissen wir beide. Aber ich bin nicht so egoistisch und arrogant, dass es die ganze Zeit immer nur um mich gehen muss. Wenn es etwas gibt, das du nicht magst oder nicht willst, dann brauchst du mir das nur zu sagen. Wir werden darüber sprechen und herausfinden, ob es wirklich wichtig ist. Und wir werden eine Lösung finden.« Sie versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, doch es verzog bereits ihre Lippen, und in seinen Augen stand Erleichterung. »Ich wollte das schon machen, als ich hereinkam, aber als ich dich nackt auf dem Teppich knien und auf mich warten sah … Sagen wir mal so: Ich habe alles vergessen, was ich vorhatte. Aber jetzt halte ich dich im Arm, und deshalb halte ich das jetzt für den nächsten logischen Schritt.« Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihn fragend an. »Warte, ich hole es sofort.« Er ließ sie aufs Sofa gleiten, rutschte unter ihr hindurch und ging zu seiner Aktentasche, die noch auf dem Boden lag. Er wühlte kurz darin und kam dann mit einer langen, rechteckigen Schachtel zurück. Er klemmte sich die Schachtel unter den Arm und nahm wieder seinen Platz auf dem Sofa ein, lehnte sich mit dem Rücken an die Armlehne, nahm Josie auf den Schoß und schlang seine Arme fest um sie. Er hielt die Schachtel vor sie, sodass sie beide hineinblicken konnten, als er sie vorsichtig öffnete und ein atemberaubendes Halsband zum Vorschein kam. Sie hielt den Atem an, als er es herausnahm. Sie wusste, was es war. Er hatte ihr gesagt, dass er es anfertigen lassen würde. Aber sie hätte nie gedacht, dass dieses Stück so erlesen sein würde. »Ich möchte, dass du das hier trägst, Josie. Ich möchte, dass du verstehst, was es bedeutet.« »Ich würde es sehr gern tragen«, erwiderte sie mit weicher Stimme. Er hielt es hoch und legte es um ihren Hals. Sie drehte sich so, dass er es im Nacken schließen konnte. Dann wandte sie sich wieder zu ihm um und bemerkte seine leidenschaftlich bewegte Miene. »Es ist perfekt«, sagte sie. Und das war es auch. »Es ist genau das, was ich auch für mich ausgesucht hätte.« Er lächelte. »Ja, es ist wie du. Es passt zu dir. Ich wollte etwas, das mit deinen Augen harmoniert, aber es sollte auch deine Persönlichkeit widerspiegeln. Deine schillernde Lebhaftigkeit.« Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie holte tief Luft, um den Kampf gegen sie nicht zu verlieren. Sie sollten nicht fließen. Er berührte ihre Wange und streichelte zärtlich ihre Haut. Dann glitten seine Finger tiefer, um über den Reif zu streichen, der in ihrer Halsbeuge ruhte. »Ich will, dass du verstehst, was dieser Schmuck bedeutet, Süße«, wiederholte er. »Ich weiß, dass alles sehr schnell geht, aber das heißt nicht, dass es deshalb nicht real ist. Ich habe gesehen, wie es meine besten Freunde erwischt hat. Und bei ihnen ging es auch schnell. Sehr schnell. Ich weiß, dass so etwas passieren kann und dann auch Bestand hat. Und ich will, dass es bei uns beiden Bestand hat. Das soll nicht heißen, dass wir schon da sind. Aber ich will, dass wir da hinkommen. Und ich will, dass du die Bedeutung dieses Halsbandes verstehst. In mancherlei Hinsicht ist es sogar noch wichtiger als ein Verlobungsring. Nicht dass du den nicht auch bekommst. Wenn es soweit ist, bekommst du sowohl den Ring als auch meine Verbindlichkeit. Aber dieses Halsband ist genauso wichtig wie ein Ring und wie die Formalitäten, die damit zusammenhängen.« »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, hauchte sie, und ihr versagte fast die Stimme, während sie ihn voller Ehrfurcht ansah. »Sag, dass du verstehst, welche Bedeutung es hat, und sag, dass du es tragen wirst. Dann kommen wir zum nächsten Thema, über das ich mich mit dir unterhalten möchte.« Sie nickte und hob die Hand, um das Halsband zu berühren. »Ich werde es niemals abnehmen, Ash.« Seine Augen blitzten vor Befriedigung triumphierend auf, und er zog sie zu einem langen, atemlosen Kuss an sich. Als er sich wieder von ihr löste, war sein Blick vor Leidenschaft verhangen. »So, und jetzt kommen wir wieder auf deine Beziehung zu Michael zurück.« Sie verzog das Gesicht, aber er legte einen Finger auf ihre Lippen. »Ich merke, dass dir dieses Thema unangenehm ist. Ich verstehe, dass du nicht darüber reden willst oder sogar ein bisschen Angst hast, ihn zur Sprache zu bringen, wenn du mit mir zusammen bist. Aber du musst das so sehen, mein Liebling … wir reden über dich. Ich werde nicht so tun, als hätte es deine Beziehung mit ihm nicht gegeben, und ich bin auch nicht einer dieser Mistkerle, die dir verbieten, deine Vergangenheit oder Dinge, die dir nahegehen, auch nur zu erwähnen. Du musst nie Angst haben, mir etwas zu sagen. Wenn es dich betrifft, dann betrifft es mich auch, und wir reden darüber. Klar?« »Ja, klar. Ich wollte ihn einfach nur nicht hier haben. Verstehst du? Deine Wohnung ist unsere Welt, und ich hasse es, ihn hier reinzuholen.« »Das verstehe ich, Süße. Aber hier ist der Ort, an dem du dich vollkommen sicher fühlen sollst und an dem dich die Widrigkeiten deiner Vergangenheit nicht mehr berühren. Ich möchte nicht, dass du mich je hinhältst. So … was ich eigentlich noch hatte sagen wollen, ist, dass deine Beziehung mit Michael in jeder Hinsicht völlig daneben war. Und ich sage dir auch, warum ich dieser Meinung bin. Du sollst nicht denken, dass ich dich verurteile oder der Ansicht bin, es wäre dumm von dir gewesen, mit ihm zusammen zu sein. Aber was ich zu sagen habe, ist wichtig und hat Einfluss auf das, was jetzt zwischen dir und mir ist.« Himmel, sie liebte diesen Mann. Und wenn sie nicht bereits wüsste, dass sie sich gerade Hals über Kopf in ihn verliebte, hätten spätestens diese Worte, diese mit so großem Ernst vorgetragenen Worte, diese wunderbaren Worte, es ihr klargemacht. Wo sollte sie jemals einen solchen Mann finden? Einen Mann, der so fürsorglich und aufmerksam war. So behutsam und zärtlich, aber auch grob und fordernd, wenn sie das brauchte. Mit einem Wort: Er war vollkommen. Dabei hatte sie immer gedacht, vollkommene Männer gäbe es nur in ihrer Fantasie. Zufrieden und entspannt kuschelte sie sich in seine Arme und wartete darauf, dass er weitersprach. »Michael hat in euer Beziehung nur genommen, aber kein bisschen gegeben. Das weiß ich aus dem, was du mir erzählt hast. Er hat Sachen von dir erwartet. Er hat dich bestraft, wenn du dich nicht gefügt hast. Aber er hat dir rein gar nichts zurückgegeben. Du hast gesagt, er war kalt und abweisend. Er war nie liebevoll. Er hat dir nichts von dem gegeben, was du brauchtest. Und er hat dich nicht belohnt, wenn du etwas getan hast, was ihm gefiel.« Sie verzog die Lippen vor Abscheu. Ash hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber das Schlimme daran war, dass sie es selbst nicht erkannt hatte, als sie mit Michael zusammen gewesen war. Sie hatte fälschlicherweise angenommen, dass alle Beziehungen, die in die Richtung gingen, in der sie und Michael sie ausgelebt hatten, so liefen. Ash hatte ihr im Eilverfahren gezeigt, dass das nicht stimmte. »Er hat dir keine Zuneigung entgegengebracht. Und das, was er getan hat, hat er nicht gemacht, weil du diese Dinge liebst. Das, meine Süße, ist falsch. In dieser Beziehung ging es nur um ihn. Nie um dich. Es ging nur darum, was er von dir bekommen konnte, ohne etwas dafür geben zu müssen. Das geht nicht. Das geht überhaupt nicht. So darf ein Mann eine Frau, die er angeblich schätzt und die er beschützen soll, nicht behandeln.« »Du bist nicht so«, sagte sie leise. Seine Augen blitzten. »Dem Himmel sei Dank, dass du das so empfindest. Es würde mir überhaupt nicht gefallen, wenn du dächtest, ich gäbe dir nicht das zurück, was du brauchst. Wenn es je dazu kommen sollte, möchte ich, dass du mir das sagst. Denn dann bringe ich das in Ordnung. So etwas würde ich nie bewusst tun. Aber wenn es je passieren sollte, erwarte ich von dir, dass du mir einen richtig festen Tritt verpasst.« Sie grinste. »Mach dir keine Sorgen, Ash. Nachdem du mir gezeigt hast, wie es sein kann, bin ich gierig geworden und werde mich nie wieder mit dem begnügen, wie es mit Michael war. Du hast mich für alle anderen Männer verdorben.« Seine Miene verfinsterte sich. »Sehr schön, denn ich habe nicht vor, dich je herausfinden zu lassen, wie es mit einem anderen Mann ist. Wenn ich dir nicht gebe, was du brauchst, dann sagst du mir lieber, was fehlt; denn deshalb zu einem anderen Mann zu gehen – das wird nicht passieren. Du gehörst mir, Josie.« »Ich gehöre dir«, wisperte sie und strich mit den Fingern über seine feste Kinnpartie. »So, und jetzt wollen wir darüber reden, dass ich dich sozusagen von der Leine lasse.« Sie riss die Augen auf. »Leine? Ash, das klingt ja furchtbar! Glaubst du etwa, du hast das getan? Mich an die Leine gelegt?« Er lachte. »Das war nur ein Scherz. Jace hat mir vorgeworfen, dass ich dich an der Leine halte, weil ich dich für mich behalte. Und er hat recht. Ich habe dich diese Woche ziemlich kurz gehalten. Ich bin selbstsüchtig. Ich wollte dich noch nicht mit irgendjemandem teilen. Und das ist dir gegenüber nicht fair. Du bist die ganze Woche nur ein Mal draußen gewesen.« »Ich hab nichts dagegen gehabt, Ash. Ich fand diese Woche mit dir wundervoll. Und ich habe gearbeitet. Also ist alles gut.« »Ja, aber das wird nach einer Weile langweilig. Ich wollte nur sichergehen, dass …« Er verzog das Gesicht und verstummte. »Sichergehen, dass was?« »Nicht wichtig«, brummte er. »Es geht darum, dass ich dich meinen Freunden vorstellen möchte. Neben dir sind das die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sie sind meine Familie. Meine richtige Familie. Gabe und Mia kommen am Samstagabend zurück, und wenn sie Lust haben, würde ich dich gern am Sonntag mit allen bekannt machen. Ich möchte auch, dass du meine Schwester Brittany kennenlernst. Sie hat es im Moment nicht leicht und ist ungefähr so alt wie du. Mia und Bethany und Mias Freundinnen sind ein bisschen jünger, aber ich glaube, die wirst du auch mögen. Mia und Bethany sind beide nicht dumm und tragen das Herz am rechten Fleck.« »Ich kann es gar nicht erwarten«, sagte sie ernst. »Wenn sie dir so viel bedeuten, werde ich sie bestimmt mögen, Ash. Und ich möchte die Menschen, die dir wichtig sind, gern kennenlernen. Ich bin froh, dass du diese Seite von dir mit mir teilen möchtest. Ich wünschte nur, ich könnte von meiner Seite auch etwas beitragen.« Er drückte sie wieder. »Ich will, dass es Menschen gibt, die dich lieben und unterstützen, Süße. Ich finde es schrecklich, dass du keine Familie hast und dass deine Mutter so früh gestorben ist. Ich hätte sie bestimmt sehr gemocht, wenn sie so war, wie du sie beschrieben hast.« Sie lächelte und gab ihm einen Kuss. »Bethany ist anders, Josie, und ich möchte, dass du das von Anfang an weißt. Sie hatte ein schweres Leben, und deshalb wäre es gut, wenn du sie nicht ausfragst. Zumindest am Anfang, meine ich.« Josie sah ihn fragend an. »Was meinst du damit?« Ash seufzte. »Sie war obdachlos, als Jace und ich sie kennenlernten. Sie war für Mias Verlobungsfeier eingestellt worden, das wussten wir damals nicht. Wir haben in jener Nacht mit ihr geschlafen, das habe ich dir ja schon erzählt. Aber am nächsten Morgen ist sie einfach abgehauen, und Jace hat auf der Suche nach ihr die halbe Stadt auf den Kopf gestellt. Er fand sie in einem Obdachlosenheim und hat sie mit nach Hause genommen. Der Rest ist Geschichte, aber auch danach hat sie schwere Zeiten durchgemacht. Sie hatte einen Pflegebruder, der mit ihr zusammen auf der Straße lebte, und der war in irgendwelche krummen Sachen verwickelt. Bethany war von Schmerzmitteln abhängig. Jetzt nimmt sie keine mehr, doch die Beziehung mit Jace hat sie so stark belastet, dass sie beinahe rückfällig geworden wäre. Dann hat ihr Bruder Jack ihrer heißen Schokolade Drogen beigemischt und hätte sie damit beinahe umgebracht. Wir dachten alle, sie hätte eine Überdosis genommen und versucht, Selbstmord zu begehen. Eins kam zum anderen, denn am Abend zuvor hatte Jace mich mit Bethany in seiner Wohnung vorgefunden. Er ist völlig ausgerastet und hat es an mir und Bethany ausgelassen, woraufhin sie die Fassung verlor. Als dann am nächsten Tag diese Sache passierte, sah es gar nicht gut aus.« »Wow«, hauchte Josie. »Das klingt ja unglaublich! Es klingt wie etwas, das man sonst nur im Fernsehen sieht.« »Ja«, brummte Ash. »Aber leider war es sehr real. Jack hatte Bethany gar keinen Schaden zufügen wollen, er war derjenige, der Selbstmord hatte begehen wollen, aber Bethany hat nach der falschen Tasse gegriffen und ist im Krankenhaus gelandet, wo sie um ihr Leben kämpfte. Ich will, dass du das alles weißt, damit du nicht die falschen Fragen stellst oder irgendein Thema anschneidest, das es für dich oder für Bethany unangenehm werden lässt.« Josie brannte eine Frage auf den Lippen, aber sie war unsicher, ob sie sie stellen sollte. Sie würde sie so … eifersüchtig klingen lassen, also sagte sie nichts. Es versetzte ihr jedes Mal einen kleinen Stich, wenn er über Bethany sprach, denn dann veränderte sich seine Miene. Auch wenn sie seinem Freund gehörte, war ihm deutlich anzumerken, wie viel sie ihm bedeutete. »Was geht dir durch den Kopf?«, fragte Ash. »Ich kenne diesen Blick. Du möchtest mich etwas fragen. Frag einfach, Süße. Du solltest mittlerweile wissen, dass du mich alles fragen kannst.« Sie holte tief Luft. »Du hast gerade gesagt, Jace hätte dich und Bethany in seiner Wohnung vorgefunden und wäre ausgerastet. Aber du hast mir erzählt, dass ihr nur in der ersten Nacht …« Es zuckte um Ashs Lippen. »Da war nichts. Ich war hingegangen, um Jace wichtige Unterlagen zu bringen. Es ging um ein Projekt, das gerade den Bach runter ging, und deshalb hatte er auch so miese Laune, als er nach Hause kam und sofort die falschen Schlüsse zog. Ich musste mich dringend noch bei Bethany entschuldigen, der ich es am Anfang wirklich nicht leicht gemacht habe. Ich war der Meinung, sie wäre nicht die Richtige für Jace, denn er verlor ihretwegen völlig den Kopf. Ich wollte dem Ganzen auch endlich die Peinlichkeit nehmen, die durch die erste Nacht und unser gemeinsames Kennenlernen entstanden war. Also entschuldigte ich mich bei ihr und erklärte ihr meinen Wunsch nach Freundschaft … weil Jace mir wichtig war und sie mir dementsprechend auch wichtig war. Das war der Moment, in dem Jace hereinkam.« Josie nickte. »Ich verstehe.« Ash neigte den Kopf zur Seite und sah sie durchdringend an. »Stört dich die Sache mit Bethany noch?« Sie holte so tief Luft, dass sich ihre Schultern hoben, aber sie war ehrlich zu ihm. Zumindest das schuldete sie ihm. »Ja. Ich werde dich nicht anlügen. Der Gedanke, sie kennenzulernen macht mich ein bisschen nervös. Es ist nicht so, dass ich dir nicht glaube. Aber ich kenne keine Frau, die es gut findet, der Ex ihres Mannes gegenüberzutreten, auch wenn es nur ein One-Night-Stand war. Und nicht genug damit, sie einfach kennenzulernen, sondern auf lange Sicht auch noch Zeit mit ihr zu verbringen. Ich werde damit klarkommen. Aber ich bin ehrlich genug, dir zu gestehen, dass ich sie mir mit dir zusammen vorstellen werde, wenn ich sie das erste Mal sehe … und das wird nicht schön sein.« Ash wirkte nicht glücklich über ihre Worte. »Ich will nicht, dass du dich deswegen quälst, Süße. Es hatte keine Bedeutung. Oder vielleicht sollte ich lieber sagen: Es hatte keine Bedeutung für mich. Für Jace hatte das Ganze verdammt große Bedeutung. Und wenn er von Anfang an ehrlich zu mir gewesen wäre, hätte es diese erste Nacht nie gegeben. Ich wäre ausgestiegen, denn ich bin nicht auf sie abgefahren. Weder damals noch heute.« Erleichterung stieg in ihr auf. Seinen Worten wohnte so viel Ernst inne … sie glaubte ihm voll und ganz. »Es ist dumm von mir. Ich werde mich davon nicht stören lassen, Ash, versprochen. Und ich werde es auch nicht wieder ansprechen. Genauso wenig wie Bethanys Vergangenheit. Sie klingt nach einer ziemlich interessanten Person.« »Das ist sie«, sagte Ash. »Sie ist perfekt für Jace. Und du bist perfekt für mich.« 19 Ash führte Josie ins Schlafzimmer. Er musste sich stark zusammenreißen, sie nicht aufs Bett zu werfen, mit einem Stoß in sie einzudringen und es ihr lang und fest zu besorgen. Er war in höchstem Maße angespannt, die Sache mit Michael beschäftigte ihn immer noch. Und sie verstärkte seinen Drang, Josie in Besitz zu nehmen und seinen Anspruch auf sie zu untermauern. Dieses Begehren, dieser Drang, der in ihrer Nähe jedes Mal über ihn kam, war ihm unerklärlich. Er fragte sich, ob seine Leidenschaft für sie wohl jemals abebben würde. Irgendwie bezweifelte er das. Etwas so Explosives, so Verzehrendes war nicht einfach nur ein Strohfeuer, es würde nicht innerhalb einer Woche, eines Monats oder auch eines Jahres verschwinden. Er konnte sich gut vorstellen, dass er in zehn oder zwanzig Jahren noch genauso empfinden würde, und daran erkannte er, dass er bereits längerfristig plante. Obwohl er das alles doch eigentlich nur auf sich zukommen lassen wollte und von einem Tag auf den anderen lebte. Es fiel ihm unendlich schwer, nur an das Heute zu denken, jetzt, wo er wild entschlossen war, sie dauerhaft an sich zu binden. Alles, was er im Moment tat, sollte sie davon überzeugen, bei ihm zu bleiben, sollte ihr zeigen, dass sie perfekt zu ihm passte, und hoffentlich auch, dass er perfekt für sie war. Josie drehte sich um, und ihr nackter Körper schmiegte sich weich und warm an ihn. Sie schaute mit sanftem Begehren zu ihm auf. Manchmal meinte er … hätte er schwören können, Liebe in ihren Augen zu sehen. Aber vielleicht wollte er das auch nur. Sie hatte nichts in dieser Richtung gesagt, er allerdings auch nicht. Es war zu früh, egal, was er zu ihr sagen würde … Es war doch erst eine Woche her … und Menschen verliebten sich schließlich nicht innerhalb einer Woche unsterblich ineinander. Oder doch. Er hatte es erlebt. Er wusste, dass es passieren konnte. Und wusste, dass es auch anhielt. Wollte er, dass Josie ihn liebte? Verdammt, ja, das wollte er. Er wollte die Worte hören, konnte sie förmlich spüren, er würde im zarten Schmelz dieser Worte schwelgen, wenn sie sie schließlich aussprach. »Was würde dir heute Abend Spaß machen, Ash?«, fragte sie leise. »Sag mir, was du heute mit mir machen möchtest. Du hattest einen langen Tag. Ich möchte, dass du dich gut fühlst.« Er schmolz innerlich dahin. Die süße, liebe Josie, die ihm so sehr gefallen wollte, die so zärtlich und hingebungsvoll war. Die trübe Stimmung, in der er war, seit er das Büro verlassen hatte, um die Sache mit Michael zu erledigen, löste sich im warmen Strahlen von Josies Gegenwart auf. Seine verkrampften Schultern lockerten sich ein wenig, als ihre Hände über seine Arme nach oben zu seinem Hals glitten, um dann sein Gesicht zu umfassen. »Heute werde ich dir den Hintern nicht versohlen, Süße. Das habe ich gestern gemacht. Mir hat zwar jede Sekunde davon gefallen. Mir gefallen die Striemen auf deinem süßen Po. Aber es würde dir Schmerzen bereiten, wenn ich es schon heute Abend wieder täte.« Und er wollte nicht, dass die Gewalt, die er eben erst ausgeübt hatte, sie in irgendeiner Weise berührte. Er wusste, dass er ihr nicht wehtun würde – nicht absichtlich zumindest –, aber er wollte noch nicht einmal ansatzweise die Möglichkeit in Betracht ziehen, aus dem Hier und Jetzt wieder an jenen dunklen Ort zurückzukehren, an dem er sich befunden hatte, als er den Mann verprügelt hatte. Er bereute nicht, was er getan hatte, aber er wollte auch nicht, dass es Josie in irgendeiner Weise berührte. Niemals. »Was dann?«, flüsterte sie. »Sag es mir. Ich werde alles tun, was du willst.« Er strich ihr übers Haar und erwiderte ihren ernsten Blick. Sie wollte ihm so sehr gefallen, war so sanft und unterwürfig, dass sich sein Inneres vor Schmerz zusammenzog. »Ich will dich auf allen vieren, Süße. Heute Abend werde ich dich nicht fesseln. Du sollst dich selber abstützen können. Erst werde ich dich ganz normal nehmen, und dann nehme ich mir deinen Hintern vor. Ich werde diesmal nicht so sanft sein wie beim ersten Mal, als wir es von hinten gemacht haben. Ist das okay für dich?« Sie holte mit geöffnetem Mund keuchend Luft, und ihre Pupillen weiteten sich, als ihr Gesicht vor Lust aufleuchtete. »Ich will alles, was du mir gibst, Ash.« Er küsste sie und ließ die Zunge in ihren Mund gleiten, um sie zu schmecken. Er liebte es, ihr den Atem zu rauben und die gleiche Luft einzuatmen, die sie ausstieß. Es lag etwas ausgesprochen Intimes darin, die Luft einzuatmen, die sie ausatmete, sie förmlich einzusaugen und zu genießen, ehe er sie ihr zurückgab. »Geh aufs Bett«, sagte er schroff. »Hock dich auf allen vieren hin, sodass du dich mit den Knien am Rand der Matratze abstützt.« Sie löste sich von ihm, und selbst dieser kurze Moment der Trennung, den sie brauchte, um die befohlene Position einzunehmen, war ihm zu viel. Er sah ihr zu, wie sie aufs Bett krabbelte und ihm ihren süßen Po genau so präsentierte, wie er es wollte. Dann warf sie ihm über die Schulter einen eindeutig einladenden Blick zu. Sie wollte das hier. Sie war bereit. Er musste nur darauf achten, nicht zu weit zu gehen. Sie verdiente eine behutsame Behandlung. Sie hatte schon viel zu sehr unter einem dominanten Mann leiden müssen. Nicht dass man Michael als dominant hätte bezeichnen können. Der war nichts weiter als ein Dreckskerl übelster Sorte. Ein Idiot, der Frauen missbrauchte und für den es das Größte war, die Kontrolle über die Frau in seinem Leben zu haben. Ash übte zwar nicht weniger Kontrolle aus, aber es ging um das Wie. Josie durfte Ashs Autorität in keiner Weise infrage stellen, aber er würde ihr zugleich all die Dinge geben, die Michael ihr vorenthalten hatte. Liebe. Respekt. Zärtlichkeit. Er würde sie in Ehren halten. Eilig zog er sich aus und holte die Tube mit dem Gleitmittel aus der Schublade seines Nachttischs, warf sie neben Josies Hintern aufs Bett und strich dann mit beiden Händen zärtlich knetend über ihre Pobacken. Die Spuren des Spankings vom vergangenen Abend waren immer noch zu sehen. Die Striemen verblassten zwar schon, hoben sich aber immer noch deutlich von der blassen, weichen Haut ab. Seine Spuren. Sein Brandzeichen. Wilde Erregung stieg in ihm auf, bis sein Glied anschwoll und unter dem Druck der herrlichen Empfindung zu bersten drohte. Er fuhr mit den Fingern zwischen ihren Schamlippen hindurch, um zu überprüfen, wie erregt sie war. Sie war geschwollen und nass … mehr als bereit für ihn. Doch er hielt sich zurück, um ihr durch zärtliche Berührungen den Weg in noch größere Höhen zu ermöglichen. Sie wand sich ruhelos und drängte sich gegen seine forschenden Finger, die sie gierig umschlang, als er sie wieder herauszog. Er strich wieder über ihr Fleisch und erforschte sie auf der Suche nach der Stelle, die etwas rauer war als die Umgebung. Er übte Druck aus, und sie stieß einen Schrei aus. Ein nasser Schwall benetzte seine Finger, und er lächelte. Ja, sie war bereit. Und er konnte es nicht länger erwarten, in sie einzudringen. Mit der einen Hand packte er seinen Schwanz, während er sie mit der anderen weitete und sich am Eingang ihrer Weiblichkeit in Stellung brachte, ehe er langsam … Zentimeter für Zentimeter … in sie eindrang, bis sie beide vor Verlangen zitterten. Als es nicht mehr tiefer ging und er sie völlig ausfüllte, als seine Hoden zwischen ihrem Hintern und seinen Schenkeln gefangen waren, stieß sie einen bebenden Seufzer aus, den er bis in die Tiefen seiner Seele spüren konnte. All die unendlichen Möglichkeiten, sie zu nehmen, wirbelten durch die Abgründe seines Geistes. Sie hatte etwas an sich, das diese Abgründe ansprach, als wäre sie die Einzige, mit der er es teilen konnte. Sie wollte es. Sie kam damit klar. Sie brauchte es. Genauso wie er es brauchte. Er beugte sich über sie und bedeckte sie mit seinem Körper, immer noch tief in ihr vergraben. »Sag mir eins, Josie«, meinte er mit seidig bittender Stimme. »Hat dich all das Gerede über meine Dreier mit Bethany und Jace eifersüchtig gemacht?« Sie erstarrte und drehte den Kopf. Ihre Verwirrung und ihr Unbehagen waren ihr deutlich anzumerken. »Ash … ich verstehe nicht …« Nein, natürlich nicht. Es war alles falsch aus seinem Mund gekommen. Er verfluchte seine Ausdrucksweise, es hatte anders geklungen, als es gemeint gewesen war. »Ich wollte nur wissen, ob du dir vorgestellt hast, bei diesem Dreier mitzumachen? Hast du darüber mal nachgedacht? Ist es etwas, was dich erregt hat und was du wolltest?« Sie schüttelte den Kopf, die Verwirrung war ihr immer noch anzusehen. Aber es war auch ein kleiner Funke zu erkennen, ein Hinweise in ihren Augen. Leider konnte er aufgrund ihrer Haltung nicht mehr erkennen. »Ich glaube nämlich, dass dich die Vorstellung erregt hat«, meinte er mit belegter Stimme. »Und ich habe gesagt, dass es dazu nie kommen wird. Warst du da enttäuscht, Josie? Hast du dir vorgestellt, wie es wohl sein würde, von zwei Männern gleichzeitig genommen zu werden?« Er griff um sie herum, um ihre Klitoris zu streicheln, und genoss die Reaktion ihres Körpers auf die Berührung. Sie zog sich um ihn zusammen, ihre herrliche Weiblichkeit zuckte und verkrampfte sich, wobei sie sich so fest um seine Erektion schloss, dass er meinte zu explodieren. »Ja«, flüsterte sie. »Ich habe mir vorgestellt, wie es sich anfühlen würde.« »Es gibt eine andere Möglichkeit«, erklärte er sanft. »Es ist zwar nicht so gut, wie wenn man’s richtig macht, aber ich kann dir zumindest ein Gefühl davon vermitteln, wie es ist. Ich habe kein Bedürfnis, dich mit einem anderen Mann zu teilen, Liebling, aber mit der Erfahrung kann ich dich vertraut machen.« »Ich verstehe nicht ganz«, stieß sie atemlos hervor. »Ich führe einen Plug in dich ein. Dann nehme ich dich, während der Plug in deinem Hintern steckt. So kannst du erleben, wie es sich anfühlt, ohne dass ein zweiter Mann im Spiel ist.« »Oh.« Dieser eine Laut drückte eine ganze Palette von Empfindungen aus. Neugier. Erregung. Ja, sie wollte es. Und er würde es ihr geben. Auch wenn er ihr keinen anderen Mann zugestand – niemals zugestehen würde –, konnte er ihr ein Gefühl davon vermitteln, wie es war, wenn sie von vorn und hinten ausgefüllt wurde. Er zog sich ein Stück zurück, nahm sein Gewicht von ihr und glitt langsam durch ihr seidiges, geschwollenes Fleisch. Dann stieß er wieder zu, nicht bereit, die warme Enge zu verlassen. Noch nicht. Er würde sie noch ein bisschen weiter reizen und sie erregen, bis sie vor Lust vollkommen außer sich war. Er stieß immer wieder zu, wobei er einen äußerst gleichmäßigen Rhythmus beibehielt, um seine eigene Lust unter Kontrolle zu bekommen. Sie stöhnte und wand sich ruhelos, doch er wusste, dass sie nicht kommen würde. Dafür würde er erst ihre zarte Knospe stimulieren müssen. Und das war gut so, denn dadurch würde sie erst zum Höhepunkt kommen, wenn er es wollte. Nach einigen weiteren Stößen ließ er seinen Blick nach unten wandern und genoss den Anblick seines Schwanzes, der glatt und von ihrem Saft benetzt aus ihrem Schoß glitt. Sie war so wunderbar eng. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, wie viel enger sie noch sein würde, wenn der Plug erst in ihrem Hintern war. Er glitt vollständig aus ihr heraus und ließ sie zitternd auf allen vieren auf dem Bett zurück, während er einen der eingeschweißten Plugs aus seinem Schrank holte. Seine Hände zitterten, als er die Verpackung aufriss. Er war von Vorfreude erfüllt. Von Verlangen. Heißer Lust. Als er zum Bett zurückkam, waren Josies Hände zu Fäusten geballt, die sich in die Matratze bohrten. Sie wandte den Kopf, um ihn anzusehen, und ihre Augen weiteten sich in Anbetracht der Größe des Plugs. Er lachte leise. »Er ist nicht größer als ich, Liebes. Den nimmst du in dir auf, und mich dazu.« »Es wird wehtun«, meinte sie voller Zweifel. »Der Schmerz ist ein Teil der Lust«, erklärte er sanft. »Denk an die Striemen auf deinem Hintern von gestern Abend. Ichbin viel härter mit dir umgegangen als beim ersten Mal. Aber du hast es ohne Probleme verkraftet und sogar um mehr gefleht. Vergiss den Schmerz, Josie. Heiße ihn willkommen, denn nach dem Schmerz kommt die Lust. Das werde ich dir geben und noch verdammt viel mehr.« Sie schloss die Augen und warf den Kopf zurück, sodass ihr glänzendes blondes Haar wie Seide über ihren Rücken strömte. Am liebsten hätte er sich die Strähnen um die Hände gewickelt, um sie daran an sich zu ziehen und es ihr noch fester zu besorgen. Aber das würde schon noch kommen. Jetzt musste er sie erst einmal vorbereiten, um es ihr zu erleichtern. Dann würden sie beide gemeinsam den Sprung über die Klippe wagen. Er trug reichlich Gleitmittel auf den Plug und ihren Hintern auf, wobei er ihren Eingang dehnte und seine Finger hineinschob, um es auch von innen zu verstreichen. Als er sicher war, genug aufgetragen zu haben, um den Plug mit wenig Mühe hineinschieben zu können, warf er die Tube zur Seite und trat wieder zwischen ihre Schenkel. »Atme ganz ruhig weiter, Süße. Ich werde ihn schön langsam einführen, aber hilf mir dabei, indem du gleichmäßig atmest und schiebst, wenn ich es dir sage.« »Okay«, hauchte sie und klang dabei vor Aufregung atemlos. Er schob die Spitze hinein und dehnte die Öffnung leicht, ohne den Druck zu verringern. Sie stöhnte leise, und er hielt inne, um den Plug kurz zurückzuziehen und dann gleich wieder tiefer einzuschieben. Mehrere Sekunden lang spielte er mit ihr, dehnte sie, reizte sie, indem er vor- und zurückglitt und bei jedem Stoß ein bisschen tiefer in sie eindrang. Dann griff er um sie herum und streichelte ihre Klitoris, während er den Plug tiefer und fester in sie hineinschob. »Oh Gott«, schrie sie auf. »Ist es dir zu viel?« »Nein! Es fühlt sich so gut an, Ash. Hör nicht auf!« Er lachte leise. »Das wird nicht passieren, Süße.« Er streichelte wieder ihre feste Knospe, bis sie völlig außer sich war, und schob den Plug schließlich ganz hinein. Sie schrie auf und drückte den Rücken durch. Ihre Beine zitterten unkontrolliert, und sie schnappte nach Luft. »Schsch, Liebling«, beruhigte er sie. »Er ist jetzt ganz drin. Atme einfach ganz ruhig ein und aus. Ich gebe dir ein paar Sekunden, damit du dich wieder beruhigen kannst. Ich will nicht, dass du jetzt schon kommst.« Sie ließ den Kopf fallen und legte ihn mit geschlossenen Augen auf die Matratze, zitterte aber weiter am ganzen Körper. Er wollte, dass es schön für sie war. Es ging hier nur um sie. Natürlich würde er es genauso sehr genießen wie sie … aber es sollte vor allem für sie schön sein. Er wollte, dass sie vor Lust schrie … dass sie seinen Namen schrie. Er trat zurück, und sie hob sofort ihren Kopf. Suchend drehte sie ihn in seine Richtung. Er lächelte und beugte sich vor, um ihr einen Kuss auf die Stelle zu drücken, wo der Po in den Rücken überging. »Gib mir eine Minute, Süße. Ich will, dass es gut für dich ist.« »Wenn du es noch besser machst, werde ich sterben«, erwiderte sie stöhnend. Wieder lachte er und holte dann die rote Binde, die oben in seinem Schrank lag. Er hatte all diese Sachen bestellt, als Josie bei ihm eingezogen war. Alles, was er zusammen mit ihr benutzte, sollte neu sein … sollte nie mit einer anderen Frau in Berührung gekommen sein. Er trat mit der Binde ans Bett und drehte Josie sanft um, sodass sie ihn ansah. Sie lag auf den Knien und spreizte dabei die Schenkel, um den Druck des Plugs abzuschwächen. Ihr Gesicht war vor Erregung gerötet, und ihre Augen glänzten. Sie sah ihn verwirrt an, als er das Tuch hob, um ihr damit die Augen zu verbinden. Er hielt gerade lange genug für eine Erklärung inne. »Ich werde dir die Augen verbinden. Das wird deine anderen Sinne schärfen. Ich möchte, dass du mir vollkommen darin vertraust, dass ich dir Lust schenken werde.« »Ich vertraue dir«, sagte sie sanft. Er lächelte zufrieden. Dann legte er das Tuch über ihre Augen, verknotete es am Hinterkopf und prüfte, ob es ihre Augen auch vollständig bedeckte. »Ich möchte, dass du dich jetzt hinlegst«, wies er sie an. »Auf den Rücken, die Beine über die Bettkante.« Er half ihr, die gewünschte Stellung einzunehmen. Sie sank auf die Matratze, und ein weiches Lächeln umspielte ihre geschwollenen Lippen. »Ich wünschte, du könntest sehen, was ich sehe«, meinte er schroff. »Du bist so verdammt schön, Josie. Du liegst in deiner ganzen Pracht vor mir. Mit verbundenen Augen und einem Plug in deinem Hintern wartest du nur darauf, dass ich zu dir komme.« Er kniete sich vor das Bett, bis Gesicht und Mund auf einer Höhe mit ihrem offenen Schoß waren. Er leckte von ihrem Eingang hinauf zu ihrer empfindlichen Klitoris und genoss das Beben, das durch ihren Bauch zuckte. »So werde ich nicht lange durchhalten, Ash«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Doch, das wirst du«, erwiderte er ruhig. »Du kommst, wenn ich es dir sage, und nicht früher.« Sie gab einen ungeduldigen Laut von sich, der ihm ein Lächeln entlockte. Und er fuhr fort, sich genüsslich an ihr zu laben, als wäre sie ein köstliches Dessert. Sie wand sich unter ihm, bäumte sich auf, und jedes Mal, wenn sie aufs Bett zurücksank, drang der Plug tiefer in sie ein. Sie keuchte und stand unmittelbar vor dem Höhepunkt. Aber er kannte ihren Körper gut. Er kannte die Zeichen, die auf den bevorstehenden Orgasmus hinwiesen. Und so ließ er schließlich von ihr ab, obwohl sie unmittelbar vor der Explosion stand. Sie stöhnte, und es war ein Laut voller Bestürzung und Frustration, der ihn gleich wieder lächeln ließ. »Erst, wenn ich es sage, Süße. Erst, wenn ich es sage, und nicht vorher.« »Du bringst mich noch um«, heulte sie. »Josie, ich hab doch noch gar nicht richtig angefangen«, erklärte er mit seidenweicher Stimme. »Ehe ich mit dir fertig bin, wirst du mich anflehen.« »Ich flehe dich jetzt schon an!« Sein Lächeln wurde breiter, und er schob ihre Beine weiter auseinander. Dann griff er wieder in seinen Nachttisch und holte daraus Brustwarzenklemmen hervor, die sie allerdings nicht sehen konnte. Er beugte sich über sie, leckte erst über die eine steil aufgerichtete Spitze und dann über die andere, bis sie, wenn überhaupt möglich, noch ein bisschen höher aufragten. Er saugte daran und ließ sich dabei so viel Zeit, dass sie vor Lust und Verlangen fast wahnsinnig wurde. Als die Warzen wie die höchsten Gipfel aufragten, stieß er sie ein letztes Mal mit der Zunge an und befestigte dann vorsichtig die erste Klemme. »Ah!«, schrie sie auf, als die Klemme sich in ihr Fleisch grub. »Ash?« »Ruhig, Süße. Ich werde dich nicht verletzen. Das weißt du. Nur ein bisschen Schmerz, er wird deine Lust noch steigern. Es wird dir gefallen.« Er brachte auch die andere Klemme an und lehnte sich dann zurück, um sein Werk zu begutachten. Josie war ein Kunstwerk. Ohne jeden Kitsch. Sie war einfach nur herrlich. Das komplizierte, bunte Tattoo schlängelte sich an ihrer rechten Körperseite entlang, es spiegelte ihre Persönlichkeit so lebhaft wider. Er war zweifelsohne vorher kein Liebhaber von Tattoos bei Frauen gewesen, sie gaben ihm einfach nichts. Aber seit dem Moment, in dem er einen Blick auf Josies erhascht hatte, war er von unbändiger Neugier erfüllt. Das hier war kein gewöhnliches Tattoo. Es war ein Kunstwerk. Ein Spiegelbild ihrer selbst. Ein harmonisches Gesamtbild. Er wollte sie nicht anders haben. »Du faszinierst mich, Josie. Du siehst wie ein liebes, unschuldiges Mädchen aus. Mit deinem blonden Haar und diesen herrlichen blaugrünen Augen. Aber unter deiner Kleidung ist dieses Tattoo. Und das sagt etwas vollkommen anderes … dass du ein böses Mädchen bist. Das gefällt mir. Das gefällt mir sehr.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Einem verträumten Lächeln. »Ich bin froh, dass es dir gefällt.« »Oh ja, das tut es, Süße. Daran besteht kein Zweifel. Mir gefällt alles an dir. Alles, was dich ausmacht.« Er betrachtete noch einmal die Klemmen, die ihre Brustwarzen nach oben drückten, bevor er seine Hand vom Busen über ihren Bauch nach unten gleiten ließ … zu der Stelle, wo sie zwischen den Beinen vollkommen nass war. Ja, sie war bereit für ihn. Daran bestand kein Zweifel. Aber er wollte es nicht so schnell zu Ende führen. Er würde sich Zeit lassen. Sie genießen. Es schön für sie beide machen. Er griff nach seinem Schwanz und hielt ihn dicht an ihren Eingang, während er betrachtete, was ihm gehörte. Mein. Sie gehörte ihm. Vollkommen. Er hätte nie gedacht, dass er jemals eine Frau finden würde, mit der er im Bett so perfekt harmonierte. Und doch stand er jetzt da und sah eine Frau an, die so wunderschön war, dass der Anblick fast schon wehtat. Er konnte sie nicht ansehen, ohne dass seine Brust sich zusammenzog. Er war von dem Bewusstsein erfüllt, dass er sie gefunden hatte. Er würde nie mehr zurückschauen. Nichts bedauern. Er zog ihre Knie hoch, sodass sie die Beine beugte und weit geöffnet war. Das Ende des Plugs war an ihrem Hintern zu sehen … und er war bereit, tief in sie einzudringen. Schweißperlen traten auf seine Stirn, und er biss die Zähne zusammen, als er sich zwischen ihre warmen, feuchten Lippen schob, um in sie eintauchen zu können. Himmel! Sie war enger. So viel enger als vorher. Der Plug verkleinerte ihre Öffnung enorm. Es würde nicht leicht sein, in sie einzudringen, aber es würde sich herrlich anfühlen. Er schob die Spitze weiter hinein und erschauderte, weil ihr Fleisch ihn so schön eng umschloss. Sie stöhnte laut und riss die Hände vom Bett hoch, als wüsste sie nicht, was sie mit ihnen machen sollte. Himmel, er wusste, was er dagegen tun konnte. Die Vorstellung, ihr nicht nur die Augen zu verbinden, sondern sie auch noch zu fesseln, erregte ihn visuell. Der Anblick dieser Frau, die ihm völlig ausgeliefert sein würde. Oh ja, das erregte ihn. Er zog sich zurück, und sie stieß ein klagendes Wimmern aus. Er streichelte ihr Bein, während seine Fantasie auf Hochtouren lief und den Gedanken weiterspann. Oh ja. Er würde Hände und Beine festbinden. Sie ganz weit spreizen und in dieser Haltung fixieren. Dafür musste er sie nur höher aufs Bett legen, damit er ihre Knöchel an den Bettpfosten festbinden konnte. »Nur noch eine Minute, Süße«, sagte er, und seine Stimme klang rauer als beabsichtigt. »Ich werde dich anbinden.« Sie schluckte, gab aber keinen Ton von sich. Ihre Brust hob und senkte sich unter den angestrengten Atemzügen. Er wusste, dass die Vorstellung sie genauso sehr erregte wie ihn. Er holte das Seil aus seinem Schrank und trat wieder ans Bett. Er half ihr auf, dirigierte sie zum Kopfende und spielte kurz die Möglichkeiten durch. Er legte ihre Arme über ihrem Kopf zusammen und verband die Handgelenke mit einem festen Knoten. Dann nahm er das lange Ende des Seils und wickelte es ums Betthaupt, bis ihre Arme gestreckt wurden, ehe er überprüfte, wie straff es gespannt war. Es sollte nicht zu viel Druck auf ihre Schultern ausüben. Als alles perfekt war, stellte er sich wieder ans Bettende und ließ die Hand gemächlich über ihren Körper gleiten, wobei er ihre Rundungen, ihren flachen Bauch und ihre sanft geschwungenen Hüften genüsslich erkundete. Doch dieses Mal berührte er sie nicht an ihrer intimsten Stelle, was sie offensichtlich über alle Maßen frustrierte, wenn er ihr Stöhnen richtig deutete. Er grinste wieder. Ja, es würde perfekt sein, und er hatte es nicht eilig. Er würde sich an dem köstlichen Anblick von ihr in Fesseln laben und es so lange mit ihr tun, bis sie beide den Verstand verloren. Sanft hob er einen Knöchel an und schlang das Seil darum, ehe er das Bein streckte, um es am Bettpfosten festzubinden. Wieder überprüfte er, wie straff es saß, denn es sollte zwar eng sitzen und sie weit spreizen, aber er wollte ihr keine Schmerzen zufügen oder es in irgendeiner anderen Weise für sie unangenehm gestalten. Als er sich dem anderen Bein zuwandte, zitterte und bebte es bei seiner Berührung. Sie atmete jetzt schneller, und ihre Haut war von Schweiß bedeckt. »Ash?« Er schlang gerade den letzten Knoten um den anderen Bettpfosten und hielt inne. »Ja, mein Liebling?« »Vergiss, was ich gesagt habe … von wegen ich wäre nicht in der Lage, ohne deine Berührung zu kommen«, erklärte sie mit schwacher Stimme. »Ich glaube, ich komme gleich auch so!« Er lachte und beugte sich vor, um sie auf die Innenseite ihres Oberschenkels zu küssen. »Na-hein, Süße. Erst wenn ich es sage. Du wirst mich hier nicht allein lassen.« Sie seufzte und schloss die Augen, während sie die Lippen zusammenpresste, in dem Versuch, sich gegen das aufsteigende Verlangen zu wappnen. Dann trat er zurück, um sein Werk zu betrachten. »Wunderschön«, hauchte er. »Du hast ja gar keine Vorstellung davon, wie erregt ich gerade bin, Josie. Ich wünschte, du könntest dich selbst so sehen. Ich habe nie etwas Schöneres gesehen als dich … an mein Bett gefesselt und auf mich wartend. Es wird ein Festmahl werden.« »Bitte, Ash. Ich flehe dich an. Bitte, ich brauche dich.« Er hatte gesagt, dass sie ihn anflehen würde, aber er wollte nicht, dass sie betteln musste. Nein, er wollte sie zufriedenstellen … ihr all die Lust geben, die sie ihm schenkte. Seine Hände glitten unter ihren Hintern und hoben ihn so weit an, wie die Fesseln es erlaubten. Er umfasste und streichelte die vollen Backen, während er heranrückte, um sie in Besitz zu nehmen. Er legte sein Glied an ihren Schoß und schob nur leicht, um zu überprüfen, wie eng sie war. Er stöhnte auf, und das Stöhnen fand seinen Widerhall bei ihr, als sie sich um ihn herum dehnte. »So eng«, stieß er hervor. »Ich wollte, dass du das spürst, Süße. So ist es, wenn man zwei Schwänze in sich hat.« »Es ist wundervoll«, hauchte sie. »Mehr, Ash. Bitte. Sonst drehe ich noch durch!« Er schob sich fester vor und meinte zu vergehen, als ihr Körper sich gegen sein Eindringen wehrte. Durch den Plug war sie schmerzhaft eng. Aber es war ein Schmerz, den er willkommen hieß, denn gleich würde ihn unvorstellbare Lust erfüllen. Er schwitzte jetzt am ganzen Körper in dem mühsamen Versuch, nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Zentimeter um Zentimeter arbeitete er sich voran und drang immer tiefer in sie ein. »Es ist zu viel!«, schrie sie auf. »Oh Gott, Ash. Ich komme gleich!« Er hielt inne, packte ihre Beine, seine Finger bohrten sich in ihr Fleisch. »Es ist nicht zu viel, Süße. Es ist nie genug. Halt dich zurück. Für mich. Komm, wenn ich auch komme.« Er ließ seinen Blick nach unten wandern und zuckte zusammen, als er erkannte, dass er erst zur Hälfte eingedrungen war. Er lehnte sich zurück und legte eine Hand auf ihren Venushügel, um dann mit dem Daumen ihr Fleisch zu teilen und ihren sensibelsten Punkt zu finden. »Ich werde dich hart rannehmen, Süße. Ich halte nicht mehr lange durch, und du auch nicht. Geh jetzt mit mir mit. Ich werde dich richtig hart rannehmen. Es wird wehtun. Aber es wird sich verdammt gut anfühlen.« Sie stöhnte wieder, und ihr Körper um ihn herum spannte sich an. »Dann tu mir weh, Ash. Ich will es. Ich brauche es. Ich brauche dich.« Die sanfte Bitte ließ schließlich alle Dämme brechen und ihn die Kontrolle verlieren. Er drückte seinen Daumen auf ihren Kitzler und stieß dann mit voller Wucht zu, um dieses Mal wirklich ganz einzudringen. Sie schrie auf, und ihr Fleisch um ihn herum begann zu zucken. Sie wurde nass. Glitschig. So seidig heiß. Er begann schnell und fest zuzustoßen, dann öffnete sie sich ihm plötzlich, und er glitt tief in sie hinein. Aber er hielt nicht inne, um das Gefühl, von ihrer Wärme vollständig umschlossen zu werden, zu genießen. Er stand zu kurz vor dem Höhepunkt. Sie stand zu kurz davor. Jetzt gab es kein Halten mehr. Seine Hüften klatschten gegen ihren Po und brachten ihren gesamten Körper zum Beben. Die Fesseln ließen sie schwingen, und sie drückte den Rücken durch, sodass sie vom Bett hochkam. Tiefer. Fester. Vor seinen Augen verschwamm die Welt. Er hörte sein eigenes Keuchen. »Komm«, knurrte er. »Jetzt!« Ihr Schrei ließ den Raum erbeben. Ihr Wimmern hörte gar nicht mehr auf, während ihr Körper um ihn herum unentwegt zuckte. Seine Erlösung kündigte sich beinahe schmerzhaft in seinen Hoden an und schoss dann durch seinen Schwanz. Er kam in einem endlosen Schwall, und sein Samen quoll aus ihr aufs Bett. Er stieß wieder zu und strich mit dem Daumen über ihren Kitzler, und wieder schrie sie. Dann löste er sich mit einem Ruck aus ihrem engen Spalt und packte seinen pulsierenden Schwanz. Er rieb fest daran und lenkte seinen Erguss auf ihre Scham und dann auf ihren Bauch. Der Samen spritzte auf ihre Haut und strömte in dicken weißen Tropfen über ihr Fleisch. Sie schluchzte. In seinen Ohren dröhnte es. Und dann glitt er wieder in sie hinein, weil er es schlicht nicht mehr ertrug, außerhalb ihres Körpers zu sein. Er verharrte regungslos und genoss die letzten Zuckungen, ehe er die Augen schloss und sich an sie lehnte, während sich sein Körper vor Anstrengung hob und senkte. Noch nie war er so ausgenommen worden. Noch nie hatte er so sehr das Gefühl gehabt, sein Inneres wäre nach außen gekehrt worden und läge jetzt entblößt da. Er lag auf ihr, und sein Samen benetzte klebrig und warm ihrer beider Körper. Dann gab er ihr einen Kuss direkt unter den Busen. »Du machst mich alle, Josie«, murmelte er. »Ganz und gar alle.« 20 Als Josie das Restaurant erblickte, in dem sie und Ash sich mit seinen Freunden treffen wollten, wurde ihr mulmig zumute. Es war das Restaurant, das Michael regelmäßig besuchte. Hier aß er am liebsten, und sie hatte ihn viele Male begleitet. Sie schüttelte ihre Bedenken ab und kuschelte sich an Ash, der seinen Arm beim Hineingehen fürsorglich um sie gelegt hatte. Falls sie zufällig auf Michael treffen sollte – und das war sehr wahrscheinlich, weil er fast jeden Sonntagabend hier aß –, würde sie nicht so tun, als schämte sie sich für irgendetwas. Und schon gar nicht dafür, dass er sie angegriffen hatte. Und noch weniger dafür, dass sie mit Ash unterwegs war; egal, wie schnell sie nach der Trennung von Michael eine neue Beziehung eingegangen war. »Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte Ash leise, als sie zu ihrem Tisch geführt wurden. Sie schüttelte den Kopf und lächelte strahlend. »Du bist doch nicht etwa nervös, oder? Entspann dich, Liebling. Sie werden dich lieben.« Dieses Mal fiel ihr das Lächeln leichter. »Ich mache mir keine Sorgen, Ash. Wirklich nicht.« Er zog sie fester an seine Seite. »Gut. Denn ich möchte, dass du einen schönen Abend verbringst.« Als sie ihren Tisch in einer ruhigen Ecke, wo sie mehr unter sich sein konnten, erreichten, bemerkte Josie, dass seine Freunde schon da waren. Sie traute ihren Augen kaum, als sich die beiden Männer erhoben, als sie und Ash an den Tisch traten. Heiliger Strohsack. Jeder von ihnen war schon für sich ein Prachtexemplar. Aber zusammen? Sie verkörperten Reichtum, Arroganz und atemberaubend gutes Aussehen. Die beiden Frauen entgingen im ersten Moment ihrer Aufmerksamkeit, denn … Hallo? Sie war schließlich eine Frau und hätte in dieser Eigenschaft etwas anderes als die drei Alphamännchen vor ihr gar nicht wahrnehmen können. »Josie, ich möchte dich mit meinen Freunden und Geschäftspartnern Gabe Hamilton und Jace Crestwell bekanntmachen.« Der, den er Gabe genannt hatte, trat mit einem breiten Lächeln auf dem wie gemeißelt wirkenden Gesicht vor. Er streckte die Hand aus, und sie zitterte, als sie sie ergriff. »Ich bin sehr froh, dich kennenzulernen, Josie«, sagte Gabe mit einer rauchigen Stimme, die sehr verführerisch klang. »Ich habe mich schon sehr darauf gefreut.« »Ich freue mich auch sehr, dich kennenzulernen«, sagte Josie leise. Sie drehte sich zu Jace um und schluckte. Der Mann war das absolute Gegenteil von Ash. Ein dunkler, nachdenklicher Typ, während Ash heller und scheinbar lockerer wirkte. Aber Josie wusste, dass dieser Eindruck täuschte. Ashs Aussehen stand in völligem Gegensatz zu seinem wahren Charakter. Er mochte vielleicht locker und entspannt wirken, war aber im Grunde ein ernster, nachdenklicher Mensch. Zumindest wenn er mit ihr zusammen war. Jace beugte sich vor und küsste sie auf beide Wangen, ehe er mit einem Lächeln zurücktrat, das seine dunkelbraunen Augen warm und herzlich schimmern ließ. »Ich habe schon viel von dir gehört, Josie. Ich bin froh, dass Ash dich endlich mal so lange aus seiner Wohnung herauslässt, dass du den Abend mit uns verbringen kannst.« Sie lachte und entspannte sich. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit endlich den beiden Frauen zu. Sie war neugierig. Jede Frau, die es schaffte, einen Mann wie Gabe oder Jace einzufangen und für sich einzunehmen, musste schon etwas ziemlich Besonderes sein. Und laut Ash waren beide sehr von ihren Frauen eingenommen. Es war die wahre, große Liebe. Das wollte sie auch. Sie sehnte sich danach. Sie wollte sie mit Ash. Und wenn sie Ashs Worten Glauben schenken konnte, dann waren sie auf dem besten Weg dorthin. Sie war immer noch verblüfft, wie schnell das hatte passieren können. Aber er hatte ihr erzählt, dass es bei seinen Freunden genauso schnell gegangen war. Vielleicht also war es gar nicht so erstaunlich, dass die Sache zwischen ihr und Ash innerhalb so kurzer Zeit etwas Ernstes geworden war. »Liebling, ich möchte dich zwei ganz besonderen Frauen vorstellen … Mia und Bethany. Mia ist frisch verheiratet, und ich bin mir sicher, wenn es nach Jace geht, wird auch Bethany schon bald den Sprung in die Ehe wagen.« »Verdammt richtig«, knurrte Jace. »Hallo, Josie«, sagte Mia mit einem offenen, freundlichen Lächeln. Ash hatte ihr erzählt, dass Mia Jace’ Schwester war, aber auch ohne diese Information war die Ähnlichkeit zwischen den beiden deutlich zu erkennen. »Hi«, erwiderte Josie. »Ich freue mich, euch beide kennenzulernen.« »Hallo, Josie«, sagte auch Bethany, und obwohl sie nicht weniger herzlich als Mia lächelte, war ihr doch anzumerken, dass sie schüchterner und zurückhaltender war. Josie musterte Bethany. Sie dachte an all das, was Ash ihr über sie erzählt hatte, und verstand plötzlich, dass die junge Frau, die wieder neben Mia Platz genommen hatte, es im Leben nicht leicht gehabt, es aber sehr weit gebracht hatte. Und sie dachte daran, dass diese Frau mit Ash im Bett gewesen war. Mit Ash und Jace. Josie wusste nicht recht, ob sie eifersüchtig war, weil Bethany was mit Ash gehabt hatte, oder ob sie Neid empfand, weil Bethany in den Genuss eines Dreiers mit zwei absolut atemberaubenden Alphamännchen gekommen war. Sie tendierte eindeutig zu Letzterem. »Hi, Bethany«, erwiderte Josie herzlich. »Ich habe schon so viel von euch allen gehört. Ihr seid Ash sehr wichtig. Er bezeichnet euch als seine Familie. Ich konnte es kaum erwarten, euch alle kennenzulernen.« Ash führte sie zu dem Stuhl neben Gabe, Bethany und Mia gegenüber. »Er gehört ja auch zur Familie«, erklärte Jace mit fester Stimme. »Genau wie wir zu ihm gehören. Absolut.« »Ich finde es wundervoll, dass er so treue Freunde hat«, erwiderte Josie sanft. »Jetzt erzähl mal, Josie … Ash sagt, du bist Künstlerin«, sprach Jace sie an, als sich alle gesetzt hatten. »Und dass du auch Schmuck entwirfst.« »Sie ist eine ganz außergewöhnliche Künstlerin«, erklärte Ash. »Ihre Werke sind wunderschön.« Überrascht drehte Josie sich zu ihm um. »Aber du hast sie doch noch gar nicht gesehen. Oder zumindest nicht viele. Bisher jedenfalls.« Ash war sichtlich verlegen, lächelte dann aber. »Ich habe das gesehen, woran du gerade arbeitest. Es ist sehr gut.« Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und sie wusste, dass sie errötete. Das Bild, an dem sie gerade arbeitete, war ein bisschen erotischer als ihre vorherigen Arbeiten. Aber es war ja auch für Ash … nur für Ash. »Hast du die Kette, die du umhast, selbst entworfen?«, fragte Mia, die sich vorbeugte und den Blick auf Josies Halsband richtete. »Sie ist atemberaubend!« Sie war überzeugt davon, dass ihre Haut jetzt einen dunkelroten Ton angenommen hatte. Ash drückte unter dem Tisch ihre Hand, und sie versuchte, ihre Verlegenheit zu verdrängen. Das hier war wichtig. Das war es, was er wollte: Sie sollte sich nie schämen, dass andere wussten, dass sie Ash gehörte. »Nein«, erwiderte sie mit heiserer Stimme. »Ash hat das Halsband für mich entworfen. Er hat es mir geschenkt.« Mia riss erstaunt die Augen auf, als ihr die Bedeutung dieser Worte klar wurde, und Josie war dankbar, dass sie nicht weiter fragte oder gar versuchte, den peinlichen Moment durch eine eilige Bemerkung zu überspielen. Josies Blick fiel auf den Choker um Bethanys Hals. Sie hatte sich bei Mias Bemerkung über Josies Kette unwillkürlich an den Hals gefasst, offensichtlich handelte es sich bei ihr ebenfalls um ein Halsband. Ein Halsband, das sie von Jace geschenkt bekommen hatte. Hatten Ashs Freunde etwa alle die gleichen sexuellen Neigungen? Dass Gabe und Jace jeweils den dominanten Part in ihrer Beziehung einnahmen, war deutlich. Josie erkannte es an der Art und Weise, wie sie Mia und Bethany anschauten … an ihrer Körpersprache … am Beschützerinstinkt, der sogar in aller Öffentlichkeit in einem Restaurant sichtbar war. Andere mochten das vielleicht nicht bemerken, Josie schon. Sie hatte ein feines Gespür dafür, weil sie selbst nach dieser Einstellung lebte. Es war ein Bedürfnis von ihr, genau wie es ein Bedürfnis von Ash, Gabe und Jace zu sein schien. Ihr lagen Hunderte von Fragen auf der Zunge. Neugierige Fragen, die sie Mia und Bethany gern gestellt hätte. Aber sie hielt sich zurück. Sie wollte nicht, dass die anderen ihre Nase in ihre Beziehung mit Ash steckten, und sie behandelte sie mit der gleichen Rücksicht. Aber das milderte nicht ihre brennende Neugier. Vielleicht würde es ihr irgendwann, wenn sie sich angefreundet hatten, leichter fallen, diese Art von Gespräch zu führen. Aber in einer Sache war sie sich trotzdem vollkommen sicher: Sie würde niemals ein Gespräch mit Bethany über den Dreier mit Ash und Jace führen. Es gab Grenzen für ihren Neid! Sie spürte Gabes und Jace’ Blick auf sich. Sie waren wahrscheinlich genauso neugierig auf sie, wie sie es umgekehrt auch war. Aber wenn sie Ash gut kannten und sie sich so nahe standen, wie Ash angedeutet hatte, gab es eigentlich keinen Zweifel daran, dass sie genau wussten, welcher Art von Beziehung er den Vorzug gab und dass Josie … unterwürfig war. Aber wenn sie glaubte, in ihren Augen dadurch etwas »Geringeres« zu sein, jemand, auf den sie herabschauten, und sich selbst für etwas »Besseres« hielten, dann irrte sie. In ihrem Blick war nichts als starkes Interesse. Vermutlich sorgten sie sich auch um ihren Freund und überlegten, ob Josie die Richtige für ihn war. Ash hatte ihr erzählt, dass Bethany seiner Meinung nach für Jace die Falsche gewesen war und dass er das auch in aller Deutlichkeit ausgesprochen hatte. Dachten seine Freunde das Gleiche über sie? Sie wollte nicht, dass man sie für unwürdig hielt. Sie kannten sie nicht, und sie wollte nicht, dass sie sich gleich beim ersten Mal ein Urteil über sie bildeten. »Ich würde deine Bilder gerne irgendwann mal sehen«, sagte Gabe. »Es könnte dem Büro nicht schaden, es mal ein bisschen aufzupeppen. Da hängt nur ein Haufen abstrakter Kram rum. Hättest du Lust, dir das irgendwann mal anzusehen und dir zu überlegen, wie man die Wände ein bisschen aufmöbeln könnte?« Sie lächelte. »Natürlich. Sehr gerne sogar. Aber ich kann euch schon mal vorwarnen, meine Bilder sind sehr farbenfroh, ich bin für dunkle, gedeckte Farben nicht so zu haben. Ich mag es … lebhaft. Gegenständlich. Aber ich müsste vermutlich einen Gang zurückschalten, denn das, woran ich gerade arbeite, ist für Geschäftsräume doch eher unpassend.« Ash hustete, um sein Lachen zu überspielen. Jace sah sie fragend an. »Ach? Erzähl. Woran arbeitest du denn gerade?« Sie wurde wieder rot und merkte, dass sie sich in eine peinliche Situation gebracht hatte. »Vergiss es. Du wirst nie sehen, woran sie gerade arbeitet«, erklärte Ash vollkommen ruhig. »Das ist nur für meine Augen bestimmt. Aber du kannst dir gern alles andere ansehen, was sie dir zeigen möchte.« »Oh, jetzt bin ich aber neugierig!«, rief Mia. »Wovon redet er, Josie?« Sie räusperte sich. Am liebsten wäre sie vor Scham im Erdboden versunken, weil sie sich durch ihr vorlautes Mundwerk so in den Vordergrund gespielt hatte. Ihre Zunge war schon immer schneller gewesen als ihr Verstand. »Äh, tja, es ist eine Art erotischen Bilder.« Sie errötete wieder. »So in Richtung Selbstporträt. Schließlich gab es sonst niemanden, den ich hätte malen können.« »Oh«, stieß Bethany hervor, ihre Augen funkelten vor Erheiterung. »Ich kann mir gut vorstellen, dass Ash durchdrehen würde, wenn du sie jemand anderem zeigst.« »Stimmt verdammt genau«, brummte Ash. »Außer mir wird die keiner sehen.« Aber es gab jemanden, der sie gesehen hatte. Oder zumindest das erste, das sie Mr Downing gebracht hatte. Es war mit all ihren anderen Bildern verkauft worden. Genau wie die, die sie danach zur Galerie gebracht hatte. Sie fragte sich, ob es Ash wohl störte, dass irgendein Unbekannter diese Bilder besaß. Jetzt wünschte sie sich, sie hätte sie nicht verkauft. Sie wünschte, sie würden nur Ash gehören. »Josie, wir wollen diese Woche mit unseren Freundinnen ausgehen und fänden es toll, wenn du mitkommen würdest«, sagte Mia. Gabe und Jace fingen sofort an zu stöhnen, und Ash grinste. »Warum stöhnen die beiden?«, fragte Josie. Ash lachte. »Nach allem, was sie mir erzählt haben, bin ich fest davon überzeugt, dass es eine gute Idee ist, dass du mitgehst. Aber ich werde sehr enttäuscht sein, wenn du nicht aufreizend gekleidet und besoffen nach Hause kommst. Damit quälen sie mich, seit sie das letzte Mal auf der Rolle waren. Ich muss gestehen, dass ich mich darauf freue, es endlich mal selbst zu erleben.« Josie sah ihn verwirrt an. Jace lachte leise. »Sagen wir mal so: Wenn unsere Frauen ausgehen, betrinken sie sich und haben Spaß, aber dann kommen sie nach Hause und nutzen uns arme Männer schamlos aus.« Bethany schnaubte empört. »Als ob ihr das nicht genießen würdet.« »Das habe ich nicht gesagt, Baby«, meinte Jace, und in seiner Stimme schwang Erheiterung mit. Aber seine Miene und sein Blick verrieten ihn. Seine Augen hatten beim Blick auf Bethany eindeutig angefangen zu glühen. »Dann ist es dir also recht?«, fragte sie Ash leise, damit die anderen es nicht hörten. Ash schob unter dem Tisch seine Finger zwischen ihre, doch dann ließ er ihre Hand fallen, schlang seinen Arm um sie und zog sie so fest an sich, dass ihre Stühle zusammenstießen und sie beinahe auf seinem Schoß gelandet wäre. Er hatte offensichtlich nicht gelogen, als er sagte, sie immer berühren, ihr immer nah sein zu wollen, egal, wer das sah. »Oh ja, das ist mir recht«, erwiderte er genauso leise. »Wenn ich das bekomme, was Gabe und Jace kriegen, wenn ihre Frauen ausgehen und betrunken zurückkommen … dann ja. Auf jeden Fall. Ich werde dir sogar das Kleid und die passenden Schuhe für diese Gelegenheit kaufen.« Sie lachte leise. »Dafür sind ein neues Kleid und neue Schuhe notwendig?« »Definitiv.« »Ich habe dir ja schon gesagt, dass ich nicht viel trinke, doch bei dieser Gelegenheit werde ich wohl eine Ausnahme machen müssen.« Seine Augen leuchteten, als er ihren Blick erwiderte. »Mach eine Ausnahme. Ich werde dafür sorgen, dass du es nicht bereust.« Später drehte sich das Gespräch um alles Mögliche, hauptsächlich aber um Gabes und Mias Flitterwochen, und Mia erzählte von ihrer Reise nach Paris. Nach dem Essen wurde die Dessertkarte gereicht, und Josie entschuldigte sich. Mia und Bethany standen auf, um sie zur Damentoilette zu begleiten. Josie war als Erste fertig und wartete vor der Tür. Sie hörte, wie eine Tür geöffnet wurde, und wandte sich um, weil sie dachte, es wäre eine ihrer Begleiterinnen. Doch dann zuckte sie zusammen, als sie Michael aus der Herrentoilette treten sah, die genau gegenüber der Damentoilette lag. Er sah furchtbar aus! Ihre Blicke trafen sich und blieben kurz aneinander hängen, ehe er blinzelte und hastig wegsah. »Michael?«, sagte sie leise. »Was um Himmels willen ist denn mit dir passiert?« Sie hätte schwören können, für einen kurzen Moment sogar Angst in seinem Blick gesehen zu haben. Er schien gar nicht schnell genug von ihr wegkommen zu können, und Josie war so verblüfft, dass sie ihm nur hinterherstarrte, als er davoneilte. Es hatte keine einzige unversehrte Stelle in seinem Gesicht gegeben. Er hatte schrecklich ausgesehen, mit der aufgeplatzten Lippe und den geschwollenen Augen. »Josie?« Josie fuhr herum. Hinter ihr standen Mia und Bethany, beide mit einem besorgten Gesichtsausdruck. »Kennst du diesen Mann?«, fragte Mia. »Ist alles in Ordnung?« »Ich kenne ihn. Ja«, erwiderte Josie leise. »Und alles ist gut. Lasst uns jetzt unser Dessert essen. Es ist bestimmt in der Zwischenzeit serviert worden.« Auf dem Weg zurück zum Tisch wirbelten die Gedanken durch Josies Kopf. Sie hatte sich Michaels Gesichtsausdruck oder die Tatsache, dass er sehr bemüht gewesen war, von ihr wegzukommen, nicht nur eingebildet. Genauso wenig wie die Angst, die sie in seinem Blick gesehen hatte. Warum sollte er ausgerechnet vor ihr Angst haben? Ash sah sie mit durchdringendem Blick an, als sie sich hinsetzte. Ihm entging nichts, und seine Augen wurden schmal, als er erst sie und dann Bethany und Mia anschaute, als meinte er, die beiden hätten sie aus der Fassung gebracht. »Was ist los?«, wollte er wissen. »Du bist ganz blass. Ist etwas passiert?« »Nicht hier«, hauchte sie leise. Wortlos stand Ash auf und griff nach ihrer Hand. Völlig verblüfft folgte sie ihm, als er sie in den Innenhof zog und erst beim Springbrunnen stehen blieb. Er zog sie zu sich heran, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und sah ihr tief in die Augen. »Sag mir, was passiert ist«, erklärte er direkt. »Haben Mia oder Bethany irgendetwas gesagt, das dich durcheinandergebracht hat?« Sie schüttelte den Kopf, sie konnte immer noch keinen klaren Gedanken fassen. Ein Gedanke ließ sich nicht aus ihrem Kopf verbannen, obwohl er lächerlich war. Oder nicht? »Ich habe Michael gesehen«, platzte es aus ihr heraus. Ashs Gesicht verdunkelte sich vor Zorn, und seine Augen sprühten Funken. »Wie bitte? Hat er irgendetwas zu dir gesagt? Ist der Dreckskerl dir hierher gefolgt? Warum zum Teufel bist du nicht sofort zu mir gekommen, Josie?« Sie hob die Hand, um seinen Redeschwall zu stoppen. »Das hier ist sein Lieblingsrestaurant. Wir waren häufig hier. Und sonntags isst er immer hier. Es hätte mich mehr überrascht, ihn nicht zu sehen.« Ash fluchte. »Das hättest du mir sagen müssen, Josie. Dann wären wir woanders hingegangen.« Sie schluckte und sah zu Ash auf. »Er sah schrecklich aus, Ash. Er sah aus, als hätte ihn irgendjemand windelweich geprügelt.« »Ach ja? Dann hat’s wohl den Richtigen getroffen. Vielleicht erhebt er jetzt ja nie wieder die Hand gegen eine Frau.« »Ash … hast du etwas damit zu tun, dass man ihn so zugerichtet hat?« Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Eine gewagte Frage, deren Auslöser die Angst war, von der sie von dem Augenblick an erfasst worden war, als sie Michael gesehen hatte. Sie erinnerte sich an Ashs Entschlossenheit, sich um die Angelegenheit zu kümmern, an sein Versprechen, dass sie sich wegen Michael keine Gedanken mehr machen müsste. Sie hatte geglaubt, er hätte das im Eifer des Gefechts nur gesagt, um sie zu trösten. Das passierte schon mal. Es bedeutete nicht, dass man es in die Tat umsetzte! In seinen Augen war ein Flackern zu sehen, und er erwiderte ihren Blick gleichmütig mit fest aufeinandergepressten Lippen. »Ich werde dich nicht anlügen, Josie. Also sei vorsichtig, was du fragst.« »Oh Gott«, flüsterte sie. »Du hast es getan. Oh mein Gott, Ash. Was hast du getan? Wie konntest du nur? Und warum?« »Du fragst mich, warum?«, stieß er hervor. »Ist das dein Ernst? Er hat dich verletzt. Dieser Dreckskerl hat dich zu Boden gestoßen. Meinst du wirklich, das sei nicht Grund genug, dafür zu sorgen, dass er so etwas nie wieder tut?« Sie spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich. Sie schwankte und hatte Probleme, das Gleichgewicht zu halten. Ash fluchte wieder und griff nach ihr, um sie an sich zu ziehen. Er strich ihr mit einer Hand über die Wange und schob dabei ihr Haar zurück. »Du hast dich in meine Obhut begeben, Josie. Das nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Als du diesen Schritt getan und dich mir unterworfen hast, habe ich gleichzeitig das Recht bekommen, mich um alles, was eine Bedrohung für dich werden könnte, zu kümmern. Du musst dich damit abfinden. Akzeptiere es, denn daran wird sich nichts ändern. Ich werde nicht zögern, es wieder zu tun, wenn du noch mal bedroht werden solltest.« »Himmel, Ash! Das kannst du doch nicht machen. Wenn er dich nun anzeigt? Du würdest verhaftet werden. Um Himmels willen! Du könntest im Gefängnis landen!« Seine Gesichtszüge wurden weich. »Das wird nicht passieren, Süße.« »Woher willst du das wissen?«, fragte sie verzweifelt. »Ich habe dafür gesorgt, dass es nicht passieren wird. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Du hast nichts damit zu tun. Ich wünschte wirklich, du hättest mir gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, ihn hier zu treffen. Ich wäre nie im Leben mit dir hierhergegangen. Ich möchte, dass du das Ganze und ihn vergisst.« »Wie soll ich vergessen, ihn in diesem Zustand gesehen zu haben? Vor lauter Sorge, dass die Polizei kommen und dich verhaften könnte, werde ich nicht schlafen können. Ash, das könnte dein ganzes Leben ruinieren! Das ist es nicht wert. Nichts ist es wert, das eigene Leben zu zerstören.« »Das stimmt nicht«, stieß er hervor. »Dafür zu sorgen, dass dieser Dreckskerl dir nie wieder zu nahe kommt, ist alles wert. Ich werde darüber nicht mit dir diskutieren, Josie. Das war meine Entscheidung. Es läuft so, wie ich es will. Das wusstest du von Anfang an. Die Regeln ändern sich nicht, nur weil dir irgendetwas nicht gefällt.« »Aber du hast gesagt …« »Was habe ich gesagt, Süße?« Sie atmete tief ein und aus. »Du hast gesagt, dass es nicht so wäre … dass ich die Wahl hätte, dass du nichts tun würdest, was ich nicht will.« Geduldig atmete er tief ein, während er ihr tief in die Augen sah. »Süße, es ist erledigt. Du hast keine Wahl, weil es bereits entschieden ist. Und ich werde mich nicht bei dir entschuldigen, weil ich es vorher nicht mit dir besprochen habe. Du gehörst mir. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich das sehr ernst nehmen werde. Das bedeutet, dass ich dich beschütze. Ich werde alles tun, um sicherzustellen, dass es dir gut geht und dir nichts passieren kann.« »Hätte ich es jemals erfahren, wenn ich ihm nicht zufällig über den Weg gelaufen wäre?«, fragte sie leise. Ash schüttelte sofort den Kopf. Unverwandt erwiderte er ihren Blick. »Nein. Ich wollte nicht, dass du es weißt oder auch nur darüber nachdenkst. Ich bin sauer, dass du ihn überhaupt gesehen hast.« Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf, um das Dröhnen in ihren Ohren loszuwerden. Das war doch verrückt, oder etwa nicht? Ash war ein hohes Risiko eingegangen. Für sie. Das hatte sie nicht gewollt. Auf keinen Fall. Wie konnte er sich so sicher sein, dass es nicht auf ihn zurückfiel? Das Einzige, was ihn zu beschäftigen schien, war der Umstand, dass sie Michael zufällig begegnet war. Sie hatte es ganz offensichtlich nie erfahren sollen. Und sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte. Man sagt, Unwissenheit sei ein Segen, und sie nahm an, dass es in diesem Fall wohl tatsächlich so war. Sie wünschte, sie hätte nie davon erfahren. Dann wäre sie jetzt nicht so beunruhigt … und unsicher im Hinblick auf den Mann, an den sie sich so eng gebunden hatte. »Josie, du denkst zu viel darüber nach«, rügte Ash sie sanft. »Das ist auch der Grund, warum ich nicht wollte, dass du davon erfährst. Es bringt nichts, wenn du dir deshalb Sorgen und Gedanken machst. Und wenn du unsere Beziehung jetzt deshalb hinterfragst, kann ich dazu nur sagen, dass ich ehrlich zu dir war. Ich war offen. Ich habe nie versucht, vor dir zu verbergen, was für ein Mensch ich bin. Und ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich bestimme, wie die Dinge geregelt werden. Du befindest dich in meiner Obhut. Ich sorge für dich. Ich kann dir garantieren, dass dich eine solche Sache nie berühren wird. Ich möchte nicht einmal, dass du darüber nachdenkst. Würdest du das für mich tun?« Sie holte tief Luft, und Ash sah sie forschend an, während er auf ihre Antwort wartete. Das war wirklich kein Pappenstiel. Er wollte im Grunde von ihr wissen, ob sie darüber hinwegkommen und in der gewohnten Weise weitermachen würde … ob sie deswegen nicht die Fassung verlor … ob sie ihm vertraute. Das waren große, wichtige Fragen. Sie war davon ausgegangen, dass er Geschäftsmann war. Ein reicher, mächtiger Geschäftsmann. Nicht eine Sekunde lang wäre sie auf die Idee gekommen, er könnte sich in Grauzonen bewegen oder in der Lage sein, Gewalt gegen jemanden anzuwenden, der etwas verletzt hatte, was er als sein Eigentum betrachtete. Es hätte sie eigentlich nicht überraschen dürfen, und vielleicht war es das, was ihr zu schaffen machte. Die Vorstellung, dass sein Handeln sie unter Umständen gar nicht in dem Maße schockiert hatte, wie es das hätte tun müssen. Das würde auch erklären, warum sie versuchte, Empörung oder irgendeine andere angemessene Reaktion an den Tag zu legen. Denn in ihr regte sich keine dieser Empfindungen, obwohl sie ihr angemessen erschienen wären. »Josie?«, fragte Ash ruhig. »Ich brauche eine Antwort von dir, Süße.« »Ja«, sagte sie schließlich. »Das kann ich für dich tun, Ash.« Er schloss sie in seine Arme und drückte die Lippen auf ihre Stirn. Sie schloss die Augen und schmolz dahin. »Es macht mir Angst, Ash. Nicht aus den Gründen, die du dir vorstellst, und vielleicht fühle ich mich deshalb auch schuldig. Was mir Angst macht, ist nicht die Tatsache, dass du einfach losgegangen bist und jemanden windelweich geprügelt hast. Ich sorge mich nicht darum, dass du in der Lage sein könntest, mich in dieser Form zu verletzen. Was mir Angst macht, ist der Gedanke, dich zu verlieren. Dass du vielleicht ins Gefängnis musst, weil du mich hast schützen wollen. Ich will das nicht. Ich will das auf gar keinen Fall.« Er lächelte, senkte den Kopf und küsste sie auf den Mund. »Mach dir um mich keine Gedanken, Liebling. Ich habe mich abgesichert. Ich bin nicht einfach aus einer Laune heraus losgezogen und habe ihn vermöbelt. Und das sage ich jetzt nicht, damit du dir noch mehr Sorgen machst, denn das will ich nicht. Nach heute Abend werden wir nicht mehr darüber sprechen. Wir werden es nie wieder zur Sprache bringen. Also … ich habe einen wohldurchdachten Plan in die Tat umgesetzt. Ich habe ein Alibi, und Michael ist gewarnt. Er weiß, welche Folgen es haben würde, wenn er je wieder in deine Nähe kommt oder auch nur zur Polizei geht. Ich glaube, es wird weder das eine noch das andere passieren. Ich habe meinen Standpunkt sehr deutlich gemacht.« Sie lehnte die Stirn an seine Brust, sodass ihr Scheitel unter seinem Kinn lag. »Okay«, flüsterte sie. »Ich mache mir keine Sorgen mehr, und wir werden nie wieder darüber reden.« Er drückte sie an sich. »Danke, Süße. Danke, dass du mir vertraust. Ich werde dich nicht enttäuschen. Lass uns jetzt wieder reingehen und den Nachtisch essen. Du musst noch deinen Mädelsabend besprechen, und ich muss dir ein Kleid und Schuhe kaufen.« 21 Josie ging voran, als die Fahrstuhltür sich in der Wohnung öffnete und sie ausstiegen. Auf der Fahrt nach Hause waren Ash und sie sehr still gewesen. Sie hatten den Nachtisch gegessen und sich noch zwanglos mit Ashs Freunden unterhalten, sich jedoch bald darauf entschuldigt. Sie wusste, dass Ash sie beobachtete in dem Versuch, ihre Stimmung und ihre Reaktion auf die Sache mit Michael abzuschätzen. Aber was konnte sie schon dazu sagen? Dass sie sich mehr für den Umstand schämte, nicht empört über das zu sein, was Ash getan hatte, als dass Ash Vergeltung an einem Mann geübt hatte, von dem sie verletzt worden war? Sie wollte nicht darüber nachdenken, was für eine Art von Menschen das aus ihr machte. Aber vielleicht zeigte sie das auch nur allzu menschlich. Sie hasste Michael für das, was er getan hatte. Sie hasste es, dass sie seinetwegen angefangen hatte, an sich selbst zu zweifeln. Dass sie zu schockiert, zu beschämt und zu verängstigt gewesen war, um Anzeige gegen ihn zu erstatten. Und sie hasste den Umstand, dass Ash nie in den Schlamassel mit hineingezogen worden wäre, wenn sie getan hätte, was sie hätte tun sollen. Sie konnte ihm wohl kaum etwas vorwerfen, an dem sie nicht unschuldig war. »Du bist sehr nachdenklich, Süße«, stellte Ash fest, als sie im Wohnzimmer angekommen waren. Sie drehte sich zu ihm um und versuchte, ihn beruhigend anzulächeln. »Es geht mir gut, Ash. Wirklich. Ich will nicht, dass du denkst, ich wäre deinetwegen mitgenommen oder dir sogar böse. Ich bin wütend auf mich selbst, nicht auf dich.« Er wirkte erstaunt und sah sie mit durchdringendem Blick an. »Warum zum Teufel bist du wütend auf dich selbst?« Als sie zur Antwort nur seufzte, schlang er den Arm um ihre Taille und führte sie zum Sofa. Er setzte sich hin und zog sie auf seinen Schoß; eine Position, an die sie sich schon gewöhnt hatte. Sie genoss es, dass er sie immer so nah bei sich haben wollte; dass er so häufig das Bedürfnis hatte, sie zu berühren; dass er immer eng mit ihr zusammensitzen wollte, wenn sie etwas zu besprechen hatten. Es gab ihr das Gefühl von Geborgenheit. Mit Ashs Armen um sich war es ziemlich schwierig, vor irgendetwas Angst zu haben. Sie wusste, dass er sie vor allem beschützen würde, das ihr irgendwie schaden konnte; so, wie er es bei Michael gemacht hatte. »Josie«, hakte er nach. »Ich warte, Süße.« »Hätte ich den Mumm gehabt, das zu tun, was ich eigentlich hätte tun sollen, hättest du dich nicht in Gefahr gebracht, indem du dir Michael vorgeknöpft hast«, erklärte sie mit unglücklicher Miene. Sein Blick war finster, als er seine Finger auf ihre Lippen legte. Er wirkte … sauer. »Das ist Blödsinn«, stieß er hervor. »Ich hätte dieses Arschloch trotzdem verprügelt. Und ich habe die Sache in vielerlei Hinsicht effektiver erledigt, als wenn er ins Gefängnis gesteckt worden wäre. Er wäre mit einem blauen Auge davongekommen, mehr nicht. Und wenn du die Sache weiter hättest verfolgen wollen, wäre das die Hölle für dich gewesen. Außerdem kann man nicht sagen, wie weit er gegangen wäre, um dich davon abzubringen, ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen. So, wie ich es gehandhabt habe, ist ihm der Arsch auf Grundeis gegangen, und darüber hinaus weiß er jetzt, wie es sich anfühlt, wenn man verprügelt wird. Ich rechne nicht damit, dass er je wieder zu einem Problem für dich wird. Hat er irgendetwas zu dir gesagt, als du ihn heute gesehen hast? Das hast du mir gar nicht erzählt.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er wirkte … verängstigt.« Ashs Augen leuchteten triumphierend auf. »Gut«, sagte er grimmig. »Dann hat er also nichts gesagt? Hat er dich angeschaut?« »Ich bin fast mit ihm zusammengestoßen oder eher er mit mir, während ich vor der Damentoilette auf Mia und Bethany wartete. Er kam aus der Herrentoilette, und ich habe ihn einfach nur angestarrt. Er sah schrecklich aus!« »Sehr schön«, brummte Ash. »Ich habe ihn gefragt, was passiert ist, aber er gab keinen Ton von sich. Er hatte es sehr eilig, von mir wegzukommen.« Ash grinste höhnisch. »Dann ist meine Botschaft offensichtlich bei ihm angekommen.« »Ja, das ist sie wohl«, murmelte sie. Er strich ihr mit der Hand übers Haar und drückte dann einen Kuss auf ihre Schläfe. »Macht es dir immer noch zu schaffen?« »Nein«, flüsterte sie. »Ich glaube, es macht mir viel mehr zu schaffen, dass es mir eigentlich gar nicht zu schaffen macht. Ich weiß, dass das keinen Sinn ergibt, aber ich fühle mich schuldig. Ich fühle mich wie ein schlechter Mensch, weil ich nicht entsetzt über das bin, was ihm zugestoßen ist.« Er küsste sie wieder, löste seine Lippen dieses Mal aber nicht von ihrer Schläfe. »Du bist kein schlechter Mensch, nur weil du keine Schuldgefühle darüber empfindest, dass dieser Dreckskerl das bekommen hat, was er verdient. Er ist ein Arschloch, Josie. Denk lieber daran, dass er nicht nur dir nie wieder etwas tun wird, sondern auch keine andere Frau mehr unter ihm zu leiden haben wird. Diese Sicherheit hätten wir nicht, wenn er ins Gefängnis gewandert wäre. Dadurch, dass ich ihn verprügelt und gedroht habe, ihn zu vernichten, wenn er sich je wieder an einer Frau vergreifen sollte, wissen wir das schon.« Sie zog die Nase kraus. »Ich werde darüber hinwegkommen. Er hat es verdient. Fast wünsche ich mir, ich wäre dabei gewesen, damit ich ihm zumindest einmal richtig eine hätte verpassen können.« Ash lachte leise. »Das habe ich für dich erledigt, Süße. Ich will nicht, dass du in solche Geschichten hineingezogen wirst. Ich will, dass du strahlst. Du sollst nicht mit mir in die dunkle Seite eintauchen.« »Nur weil du für mich einstehst, heißt das noch lange nicht, dass du ins Dunkel eintauchst, Ash. Es bedeutet mir eine Menge, dass du so ein großes Risiko eingegangen bist … für mich.« »Darauf kannst du dich immer verlassen«, erklärte er leise. »Stell das nie infrage. Was immer du brauchst, was immer du willst … du bekommst es. Darum wirst du niemals bitten müssen.« Sie streckte sich, um ihn zu küssen. »Hab Sex mit mir, Ash. Das ist es, was ich jetzt wirklich brauche und wirklich will.« »Darum brauchst du mich definitiv niemals zu bitten«, knurrte er an ihrem Mund. Er beugte sich vor, schob einen Arm unter ihre Knie und umfasste sie mit dem anderen, ehe er aufstand. Er trug sie ins Schlafzimmer und legte sie vorsichtig und ehrfürchtig aufs Bett. »Ich weiß nicht, wonach dir heute der Sinn steht, Süße, aber ich will dir heute nur absolutes Wohlbehagen schenken. Den Schmerz hattest du schon, heute Abend sollst du nicht an Schmerzen denken … nicht, nachdem du gerade das Arschloch gesehen hast, das ihn dir zugefügt hat. Deshalb werde ich dir heute Nacht nur Wohlbehagen schenken. Ich werde dich lieben, sodass du nicht nur weißt, was ich für dich empfinde, sondern es auch spürst.« Himmel, sie liebte diesen Mann, und es wurde immer schwerer, diese Worte zurückzuhalten. Es wäre so einfach, ihm das zu sagen, aber sie wollte den richtigen Moment abwarten. Auch wenn sie jetzt noch nicht genau wusste, wann der Moment richtig sein würde. Er sollte auf keinen Fall denken, es seien nur Worte, ausgestoßen im Eifer des Gefechts. Er sollte mit absoluter Sicherheit wissen, dass sie diese Worte auch meinte und dass sie von Herzen kamen. Er beugte sich über sie und legte seinen Mund voller Leidenschaft auf ihre Lippen. Ihre Zungen umspielten einander und traten ein in einen sinnlichen Tanz. Schnell und hart, dann weich und sanft. Heiß, feucht, elektrisierend. Er wollte es ihr zeigen, genau wie sie es ihm zeigen wollte: Sie wollte ihn lieben, ihn spüren lassen, was er ihr bedeutete. Sie legte die Hände auf seine Schultern und ließ sie dann zu seinem Hals gleiten. Sie zog ihn zu sich herunter, kam seiner Zunge entgegen, verschmolz atemlos mit ihm. Sie kostete von ihm … wollte mehr. Ihre Hände glitten über sein Hemd und zerrten ungeduldig daran. »Ich will dich nackt«, murrte sie. Er lachte leise, und der Laut vibrierte auf ihren Lippen. »Ich will dich auch nackt. Was meinst du … sollen wir beide das mal in Angriff nehmen?« »Ich bin schneller«, forderte sie ihn grinsend heraus. »Oh nein«, erwiderte er lachend, während sie auch schon an ihrer Kleidung zerrte. »Du alte Schummlerin.« Sie schlüpfte lachend aus ihrer Kleidung, während Ash noch dabei war, sein Hemd aufzureißen, und schob ihre Sachen mit dem Fuß beiseite. »Brauchst ja ganz schön lange«, neckte sie ihn spöttisch, als Ash gerade dabei war, seine Hose abzuschütteln. Er riss sie an sich, und sie landete schwungvoll an seiner Brust. »Wenn du meinst, dass das lange gedauert hat, dann warte mal ab, wie viel Zeit ich mir lassen werde, dich zum Orgasmus zu bringen«, erklärte er mit seidenweicher Stimme. »Das würdest du nicht tun«, hauchte sie. »Ach nein?« »Du hast gesagt, heute würde es keine Bestrafungen geben«, rief sie ihm in Erinnerung. »Wer sagt denn, dass das eine Bestrafung ist? Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als dich genüsslich zu reizen und hinzuhalten, bis du explodierst und meinen Namen schreist.« Sie stöhnte und lehnte sich an seine Brust. »Hör auf. Du quälst mich, Ash. Nenn es, wie du willst, es ist eindeutig eine Bestrafung.« »Na gut. Was würdest du dann zu einem kleinen Rollentausch sagen?« Interessiert schaute sie auf und neigte fragend den Kopf. »Du oben. Du bestimmst, wo es langgeht.« »Mmm, die Vorstellung gefällt mir. Das hat was.« »Dann lass uns das so machen, Süße. Nimm deinen Mann mit ins Bett und reite ihn.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und gab ihm einen leidenschaftlich heißen Kuss. »Mmm«, sagte er und ahmte den lustvollen Laut nach, den sie zuvor von sich gegeben hatte. »Meiner schönen kleinen Sub gefällt also die Vorstellung, eine Nacht lang die Führung zu übernehmen.« Sie genoss es, diese Worte aus seinem Munde zu hören. Seine schöne kleine Sub. Sie genoss die Art, wie er es sagte, in seiner Stimme schwang so viel zärtliche Zuneigung mit. Und sie wusste, was er damit tat, und dafür liebte sie ihn umso mehr: Er löschte die Gedanken an Michael aus, die Erinnerung an die Beziehung mit ihm und die Tatsache, dass er ihr nie etwas zurückgegeben hatte für das, was er sich genommen hatte. Heute Nacht gab Ash ihr das kostbarste Geschenk, das sie erhalten konnte. Sich selbst. Sein Vertrauen. Er übergab ihr die Kontrolle. Dabei war er überhaupt nicht der Typ, der so etwas jemals tat. Dennoch machte sie sich nichts vor. Zwar würde er unter ihr liegen, aber er würde das Sagen haben. Denn sie wusste, dass er die Kontrolle nicht aufgeben würde – er würde ihre Kontrolle einfach steuern. »Leg dich aufs Bett«, sagte sie heiser. »Flach auf den Rücken, den Kopf auf das Kissen. Ich möchte, dass du dich wohlfühlst.« »Süße, ich muss schon sagen … du oben und ich tief in dir drin … da ist es egal, wie ich liege. Ich werde mich wohlfühlen.« Sie lächelte und streichelte seine Wange, ehe sie ihn in Richtung Bett drehte. Wem wollte sie hier eigentlich etwas vormachen? Sie hatte keine Ahnung, wie sie jetzt vorgehen sollte. Sie hatte nicht einmal das Verlangen, die Kontrolle zu übernehmen. Doch es war das, was er wollte … was er ihr geben wollte, und deshalb würde sie die Sache ohne Vorbehalte angehen. Er tat, wie ihm geheißen, und legte sich auf dem Rücken aufs Bett. Sein Schwanz wippte und ragte seinem Bauchnabel entgegen. Er war angespannt und steif, die Kuppel war dunkelrot und aus der Spitze tröpfelte bereits ein wenig Flüssigkeit. Sie krabbelte zwischen seinen Beinen aufs Bett und kroch auf allen vieren nach oben. Sie senkte den Kopf, leckte über seinen Hodensack und massierte ihn mit ihren Lippen. Er stöhnte leise und wand sich, um sich so hinzulegen, dass sie besser an ihn herankam. Sie strich weiter mit der Zunge über seine Hoden, ehe sie kurz an ihnen saugte, um sich dann knabbernd an seinem Schwanz entlangzubewegen. Sie ließ ihre Zunge über die Unterseite gleiten und folgte der großen Vene bis zur Spitze. Dort zögerte sie kurz und umspielte die Kuppel mit ihrer Zunge, um sie dann mit einer einzigen schnellen Bewegung tief in den Mund zu nehmen. Seine Hüften schossen vom Bett hoch, er drückte den Rücken durch und drang noch tiefer in ihren Mund ein. »Verdammt, Josie. Das fühlt sich so gut an, Süße. Dein Mund ist die reinste Sünde.« Sie grinste. »Schön, dass es dir gefällt.« Er schob seine Hand in ihr Haar und hielt sie unten, damit sie seinen Stößen entgegenkam. Ja, er hatte ihr zwar die Kontrolle übergeben, aber die Situation beherrschte er immer noch. Mehrere Minuten lang saugte und leckte sie an ihm und genoss, wie er unter ihr zuckte und bebte. Dann zog er ihren Kopf hoch. Seine Hand lag immer noch fest in ihrem Haar. »Süße, wenn du mich in dir haben willst, musst du es jetzt tun. Ich komme gleich und werde nicht mehr lange durchhalten. Ich möchte dich bei mir haben, wenn ich komme.« Sie hob den Kopf und löste ihr Haar aus seinem Griff. Dann schwang sie ein Bein über seinen Schenkel und setzte sich rittlings auf ihn. Sie rutschte langsam nach oben, bis seine Erektion sich an ihren Schoß schmiegte. Sie beugte sich nach vorn, setzte beide Hände auf seine Brust und stemmte sich hoch. »Ich brauche deine Hilfe«, wisperte sie. »Führ ihn ein, Ash.« Seine Augen funkelten hell, als er nach unten griff und seinen Schwanz umfasste. Mit der anderen Hand strich er über ihr Fleisch, bis er ihre Klitoris gefunden hatte, während er sich in die richtige Position brachte. Als er ihre Öffnung mit der Spitze seines Penis berührte, ließ sie sich sinken und nahm ihn in sich auf. Er befreite seine Hände und umfasste ihre Hüften, hielt sie fest, während er immer tiefer in sie hineinglitt, bis sie ihn schließlich in voller Länge umhüllte. Zufrieden seufzend nahm sie ihn ganz in sich auf. Das Gefühl war überwältigend, so von ihm ausgefüllt zu werden. Vielleicht sogar noch mehr als damals, als sie den Plug benutzt hatten. Sie fühlte sich unglaublich klein und eng und empfand ihn in sich als riesig. Jede Bewegung ließ ein unfassbar schönes Lustgefühl durch ihren Bauch schießen. Sie hob die Hüften und stöhnte, als er den langen Weg, den er in sie eingedrungen war, wieder zurückglitt. »Himmel«, stieß Ash hervor. »Du bist so eng. Du umklammerst mich wie eine gierige Faust, Süße. So etwas habe ich noch nie erlebt.« Sie verlagerte noch mehr Gewicht auf ihre Hände und übte mehr Druck auf seine Brust aus, was ihm überhaupt nichts auszumachen schien. Sie sah in seine Augen, sah das Verlangen und die Lust darin, sah, wie sein Blick sich leerte und seine Pupillen flackerten, als sie ihn wieder ganz in sich aufnahm. Sein Kiefer wirkte kantig, als würde er die Zähne fest zusammenbeißen. Um die Augen und auf der Stirn hatten sich Linien gebildet, die zeigten, wie angespannt er war. Auf seiner Stirn zeigte sich ein leichter Schweißfilm. Er war der schönste Mann, der ihr je unter die Augen gekommen war. Und er gehörte ihr. »Oh Gott, Süße«, sagte er. »Sag mir, was du brauchst, damit wir zusammen kommen.« »Berühr mich«, flüsterte sie. »Meine Brüste und da unten.« Er lächelte, und seine herrlichen Augen sprühten förmlich Funken. Er legte seine Hand um eine Brust und schob die andere Hand zwischen ihre Beine und begann, sie zu streicheln. Sie schloss die Augen, warf den Kopf in den Nacken und nahm sich den Moment, um ihn einzuholen. Als sie spürte, wie ihr Höhepunkt sich mit lustvollem Schmerz allmählich ankündigte, bewegte sie sich wieder langsam. Sie hob die Hüften und ließ sich dann nach unten sinken. Sie ließ sie kreisen und drängte sich immer fester gegen ihn. Ashs Hände lagen pausenlos auf ihr. Er streichelte weiter ihre Brüste, wechselte immer wieder von einer zur anderen. Gleichzeitig strich er fest, mit gerade der richtigen Menge an Druck und trotzdem unendlich zart über ihren Kitzler. »Ich komme gleich«, stieß sie keuchend hervor. »Was ist mit dir?« »Auch«, knirschte er. »Mach weiter, Süße. Was immer du tust, hör jetzt nicht damit auf.« Und da verlor sie die Beherrschung. Sie warf den Kopf zurück, sodass ihr Haar über ihren Rücken strömte, und öffnete den Mund zu einem stummen Schrei, der schließlich eine Stimme wiederfand. Seine Hände schienen überall zu sein. Sein Schwanz drang tief in sie ein. Ihr Höhepunkt kam immer näher und schraubte sich wie ein Tornado durch ihren Körper, aber obwohl die Spannung immer größer wurde, wollte sich noch keine Erlösung einstellen. Ashs Hüften hatten sich vom Bett gelöst und stießen immer wieder gegen sie. Um ihn herum wurde sie nass und merkte dann, dass er bereits kam, dass sein Samen in sie strömte. Nasse Sauggeräusche hallten erotisch in ihren Ohren. Ein durchdringender Moschusduft stieg ihr in die Nase. Er nahm ihren Nippel zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte zu – die Lust, die daraufhin durch ihren Körper schoss, ließ sie endlich über die Klippe springen. Sie hatte das Gefühl, sich im freien Fall zu befinden, etwas Vergleichbares hatte sie noch nie erlebt. Es war überwältigend. Explosiv. Fast schon schmerzhaft und so schön, dass sie sich nur noch ihren Empfindungen hingeben konnte. Sie vergrub die Nägel in seiner Brust und wusste, dass sie seine Haut zerkratzte. Die Spuren würden noch tagelang zu sehen sein … so, wie sie auch seine Brandmale deutlich sichtbar trug. Der Anblick erregte die primitive Seite in ihr; ebenso das Wissen, dass er ihr gehörte und dass dies der Beweis dafür war. Sie hatte sich vielleicht entschieden, sich ihm zu unterwerfen, aber er war der Ihre, so wie sie die Seine war. Jegliche Kraft wich aus ihren Armen, und sie brach über ihm zusammen. Ash zog sie an sich und hielt sie fest, während er Worte in ihr Ohr flüsterte. Sie hatte keine Ahnung, was er sagte, in ihren Ohren dröhnte es so sehr, dass sie nichts hören konnte. Das Blut strömte pochend durch ihre Adern. Ihr gesamter Körper kribbelte von Kopf bis Fuß. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie von einem Blitz getroffen worden und als wären all ihre Nervenenden verbrutzelt. Dann bemerkte sie ein regelmäßiges Pochen. Den beruhigenden Herzschlag von Ash an ihrer Wange. Sie seufzte und kuschelte sich fester in seine Arme, während er sie weiter an sich drückte. Beide rangen nach Luft. »Erdrücke ich dich?«, fragte sie mit schwacher Stimme. »Nein, mein Liebling. Ich will nicht, dass du dich bewegst. Bleib einfach, wo du bist. Genau so. Ich werde so lange wie möglich in dir bleiben. Wir werden uns morgen früh waschen.« Sie lächelte, als er ihr mit der Hand übers Haar strich. Es gab nichts Schöneres als diesen Moment … auf einem Mann zu liegen, nachdem sie ihn lange und hart geliebt hatte, während dieser so lange wie möglich in ihr blieb. Eindeutig die schönste Art einzuschlafen. Hier konnte ihr nichts etwas anhaben. Die Welt draußen existierte gar nicht. Keine verrückten Familien. Keine brutalen Exliebhaber. Keine Angst, dass Ash verhaftet werden könnte, weil er Gerechtigkeit an einem Mann geübt hatte, von dem sie verletzt worden war. Nur sie und Ash. Ich liebe dich. Die Worte blieben in ihr verschlossen. Aber sie wusste ohne jeden Zweifel, dass sie schon bald ihren Weg an die Oberfläche finden würden. Wen interessierte schon, wenn das zu früh geschah? Wenn der richtige Moment gekommen war, würde sie es ihm sagen. 22 Am nächsten Tag ließ Ash Josie von seinem Fahrer aus der Wohnung abholen. Sie waren mit Brittany zum Mittagessen im Bentley Hotel verabredet, wo Brittany arbeitete. Nachdem sie am Abend zuvor seine Freunde kennengelernt hatte, war Josie jetzt nicht mehr ganz so nervös. Trotzdem musste sie zugeben, dass sie schon ziemlich gespannt auf Brittany war. Ash hatte ihr erzählt, dass Brittany bis vor Kurzem noch in ihrer Rolle als zickige Schwester aufgegangen war und ihn wie alle anderen in seiner Familie mit Verachtung und Schmähungen überschüttet hatte. Dann aber war sie neulich unter Tränen zu ihm gekommen, weil sie aus diesem Umfeld herauswollte. Es gehörte schon eine ordentliche Portion Mut dazu, sich gegen so eine Familie – und seine Mutter – aufzulehnen, hatte Ash betont, insbesondere nach dreißig Jahren und einer Ehe, in die sie von ihrer Mutter gedrängt worden war. Ash wartete vor der Tür, als sie mit dem Wagen eintraf. Er öffnete den Schlag und streckte die Hand aus, um Josie beim Aussteigen zu helfen. Er schlang einen Arm um ihre Taille und zog sie dicht an sich, als sie das Restaurant betraten. Sie wurden an denselben Tisch geführt, an dem sie und Ash am ersten Abend zusammen gegessen hatten. Dort saß bereits eine Frau, und Josie musterte sie eingehend aus der Entfernung. Sofort sprang ihr die Ähnlichkeit ins Auge. Brittanys Haar war wie das von Ash blond mit unterschiedlichen Farbabstufungen. Außerdem hatte sie die gleichen grünen Augen, und auch die Gesichtsform der beiden war sehr ähnlich. Als sie den Tisch erreichten, sah Brittany auf, und auf ihren Lippen zeigte sich sofort ein herzliches Lächeln. Josie hätte schwören können, Erleichterung im Gesicht der Frau gelesen zu haben; vielleicht hatte sie bezweifelt, dass Ash überhaupt kommen würde. Und dieses Lächeln ließ Josie erkennen, wie atemberaubend schön Brittany war. Eigentlich nicht verwunderlich, schließlich war Ash auch ein schöner Mann. Brittany war so eine Art weibliche Ausgabe, ihr fehlten Ashs strenge Züge, sein durchdringender Blick, sein Mienenspiel und seine Attitüde. So verrückt oder schrecklich seine Eltern auch sein mochten: Ihren Kindern hatten sie zweifelsohne Schönheit vererbt. Brittany stand auf, rührte sich aber nicht vom Fleck, als wolle sie erst sehen, wie Ash sie begrüßte. Ash ging um den Tisch herum und schloss seine Schwester fest in die Arme. Er küsste sie auf die Wange und drückte dann ihre Hand. Brittany reagierte einfach nur niedlich. Sie sah zu Ash auf, wie wohl fast alle Schwestern, wenn der große Bruder etwas wirklich Nettes getan hatte. Sie sah ihn an, als hätte er ihr die Sterne vom Himmel geholt. »Britt, ich möchte dir Josie vorstellen. Josie, das ist meine Schwester Brittany.« »Hallo, Josie«, sagte Brittany in kultiviertem Ton, dem man den Reichtum und die Privilegien förmlich anhörte. Aber in ihr lag keine Überheblichkeit. Brittany ergriff freundlich Josies Hand und verblüffte Josie mit einer Umarmung und einem Kuss auf die Wange. »Hallo, Brittany. Ich bin so froh, dich endlich kennenzulernen. Ash hat mir viel von dir erzählt.« Sofort verschwand der fröhliche Ausdruck von Brittanys Gesicht, und ihr Blick trübte sich vor Sorge. »Nur Gutes«, schob Josie eilig hinterher und bedauerte, gleich wieder in ein Fettnäpfchen getreten zu sein. »Er sagte, du machst dich wunderbar in deinem Job hier, und er hat damit geprahlt, dass du den Laden am Ende mal führen wirst.« Brittany lächelte und entspannte sich wieder. Ash half beiden Frauen auf ihre Plätze und winkte dann den Kellner heran. »Ich genieße die Arbeit«, erklärte Brittany, nachdem der Mann ihre Bestellung aufgenommen hatte. »Es ist schön … sich nützlich zu machen. Ich erinnere mich wieder an all das, was ich kann. Auch wenn das leider eine Weile gedauert hat, weil ich im Laufe der Jahre Expertin in Sachen Trägheit geworden bin.« Ash schüttelte den Kopf. »Sei nicht so streng mit dir, Britt. Du schaffst das schon. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.« Josie musste über das alte Sprichwort lachen. »Er hat recht. Ich trage auch einen Packen an Versäumnissen mit mir herum, die durch Trägheit verursacht sind. Aber ich habe aufgehört, mir deshalb ständig Vorwürfe zu machen.« Ash griff unter dem Tisch nach ihrer Hand, überraschte sie dann aber damit, dass er sie an seinen Mund zog, um ihr einen Kuss auf die Handinnenfläche zu hauchen. »Es freut mich, das zu hören, Süße. Wurde auch Zeit.« Brittany ließ ihren Blick prüfend zwischen Ash und Josie hin- und herwandern, dann weiteten sich ihre Augen, und sie strahlte übers ganze Gesicht. Es war vermutlich ziemlich eindeutig, dass Josie und Ash mehr als nur flüchtige Bekannte waren. Aber Ash hatte ja ohnehin schon sehr deutlich gemacht, dass Josie ihm wichtig war. Warum sonst hätte er sie zu einem Lunch mit seiner Schwester mitnehmen sollen? »Hat Mom dir noch mal Ärger gemacht, Britt?«, fragte Ash. Brittany verzog das Gesicht und trank einen großen Schluck von dem Wein, den der Kellner gebracht hatte. »Sie ist das eine Mal vorbeigekommen, von dem ich dir erzählt hatte. Danach ist sie dazu übergegangen, jeden Tag anzurufen. Ich hebe nicht ab, sondern lasse den Anrufbeantworter anspringen. Ein Mal hat sie auch auf der Arbeit angerufen, aber da habe ich sie sofort abgekanzelt. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört.« Ash nickte beifällig. »Sehr schön. Du schaffst das. Irgendwann wird ihr klar werden, dass du ihren Klauen entkommen bist, dann wird sie sich ein anderes Opfer suchen.« »So wie bei dir, oder wie?«, schnaubte Brittany leise. »Okay, vielleicht wird sie auch nicht damit aufhören«, meinte Ash seufzend. »Aber du wirst herausfinden, wie du mit ihr umgehen musst, und nach einer Weile wird es dir einfach nicht mehr so viel ausmachen.« »Ich beneide dich«, sagte Brittany. »Ich weiß, ich habe es schon mal gesagt, aber für dein Selbstvertrauen würde ich alles geben.« Der wehmütige Klang ihrer Stimme ließ Josie vor Mitgefühl fast vergehen. Aber sie ließ sich nichts anmerken, um die Unterhaltung der Geschwister nicht zu stören. Nachdem der Kellner noch einmal an den Tisch gekommen war und ihre Bestellung für das Essen aufgenommen hatte, lehnte Ash sich zurück und streckte den Arm nach Josie aus. Sie rückte zu ihm heran, bis ihre Stühle zusammenstießen, und er legte den Arm um ihre Schulter, während er seine Unterhaltung mit Brittany fortsetzte. »Und seit wann geht ihr beiden schon miteinander aus?«, fragte Brittany. Josie erstarrte, unfähig, ein Wort hervorzubringen. Was sollte sie auch dazu sagen? Sie gingen nicht miteinander aus. Was sie getan hatten, konnte man wohl kaum als »Ausgehen« bezeichnen. Diese Phase hatten sie einfach übersprungen. Und irgendwie klang das Wort »Ausgehen« auch viel zu zahm, es spiegelte nicht ansatzweise die Intensität ihrer Beziehung wider. »Josie und ich sind jetzt schon eine Weile zusammen«, erklärte Ash locker. »Oh, das ist schön. Ihr seid so ein schönes Paar. Erzähl mal von dir, Josie. Was machst du so?« Offensichtlich hatte Ash Brittany nichts von Josie erzählt. Josie schluckte und fühlte sich in Brittanys Gegenwart plötzlich befangen. Auch wenn Ash offen von den Schwierigkeiten erzählt hatte, in denen Brittany steckte, kam die Frau immer noch aus gutem Hause. Aus einer Welt, in die Josie nicht passte. Sie hatte einen reichen Ehemann gehabt, reiche Eltern. Verflixt und zugenäht! Ihr Bruder Ash hatte mehr Geld als Krösus persönlich. »Ich bin Künstlerin«, sagte Josie mit heiserer Stimme. »Ich entwerfe auch Schmuck, aber meistens male ich.« Brittany riss die Augen auf, und Josie war sich nicht sicher, ob aus Überraschung, oder weil sie sich ein Urteil gebildet hatte, oder aus einem vollkommen anderen Grund. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, und sie fühlte sich gleich in die Defensive gedrängt. »Ich würde mir deine Arbeiten gern irgendwann einmal anschauen«, sagte Brittany. »Das lässt sich sicher einrichten«, erwiderte Ash. »Im Moment arbeitet Josie an einem Bild für mich, und außerdem hat sie einen Kunden, der all ihre Werke kauft, damit ist sie im Moment gut beschäftigt.« »Das klingt ja richtig erfolgreich!«, lobte Brittany. Josie versuchte zu beschwichtigen. »Na ja, vielleicht kann man das so sagen. Die Entwicklung ist allerdings ziemlich neu, und es fällt mir noch ein bisschen schwer, mich als erfolgreiche Künstlerin zu sehen. Jemand kam in die Galerie, in der ich ausstelle, kaufte alle meine Bilder und wollte dann sogar noch mehr. Ich habe keine Ahnung, was er mit meinen Bildern macht, ich weiß auch nichts von einer privaten Ausstellung oder so. Vielleicht sammelt er die Bilder privat und wird sie nie der Öffentlichkeit zugänglich machen.« »Aber du bist doch bestimmt trotzdem begeistert. Diese Unabhängigkeit muss toll sein«, meinte Brittany wehmütig. »Ich bin begeistert«, stimmte Josie ihr zu. »Es bedeutet mir viel, auf eigenen Beinen zu stehen und für meinen Unterhalt sorgen zu können.« Brittany nickte, und ihre Augen leuchteten zustimmend. Ash war währenddessen neben ihr in Schweigen versunken und hatte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengekniffen. Hatte sie irgendetwas gesagt oder getan, was ihm missfiel? Er konnte es ihr doch wohl nicht vorwerfen, dass es ihr gefiel, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Das hatte doch keinen negativen Einfluss auf ihre Beziehung. Es gab ihr im Gegenteil sogar das Selbstvertrauen, bei ihm zu bleiben, sich zu unterwerfen, weil sie wusste, dass sie es nicht musste. Sie war nicht abhängig von ihm. Das war ihr wichtig. Dadurch hatte sie eine Wahl, sie musste nicht mit ihm zusammen sein, sondern konnte sich tatsächlich aus freien Stücken dafür entscheiden. Als das Essen serviert wurde, ließen sie das Gespräch für einen Moment ruhen, und Stille senkte sich über den Tisch, während sie schweigend aßen. Dann hob Brittany den Kopf und öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, blitzten ihre Augen plötzlich förmlich auf. »Shit«, murmelte sie. Ash runzelte die Stirn und wandte den Kopf, um zu überprüfen, was sie gesehen hatte, als auch schon eine Frau zwischen Ash und Brittany an den Tisch trat. Josie wusste auch ohne einen expliziten Hinweis sofort, dass dies die Mutter der beiden sein musste. Die Geschwister hatten ihr Äußeres eindeutig von ihr geerbt. Sie hatte langes, blondes Haar, dem wahrscheinlich mit einem Färbemittel zu Leibe gerückt worden war, denn Josie konnte keine einzige graue Strähne entdecken. Das volle, glänzende Haar ließ keine Rückschlüsse auf ihr wahres Alter zu. Ebenso wenig wie das Gesicht der Frau, das von keiner einzigen Falte oder auch sonst keinem Hinweis auf ihr Alter durchzogen war. Ihre Haut war glatt und makellos. Ihre Fingernägel sorgfältig manikürt und ihre Handgelenke und Finger mit teurem Schmuck behängt. »Verdammt«, brummte Ash. Seine Mutter bedachte ihn mit einem Blick, unter dem die meisten Männer erfroren wären. »Achte auf deine Sprache«, fuhr sie ihn an. »Es gibt keinen Grund, vulgär zu werden.« »Was zum Teufel machst du hier? In meinem Hotel?«, stieß er hervor. Die Augen der Frau blitzten vor Wut, auch ihr war nicht entgangen, dass Ash sehr deutlich betont hatte, dass sie sich in seinem Territorium aufhielt. Sie sah Ash grimmig an, dann richtete sie den Blick auf Brittany. Josie war froh, dass die Frau sie bisher einfach ignorierte. »Wann beabsichtigst du, mit diesem dummen Spielchen aufzuhören?«, fragte sie schroff. Brittanys Wangen färbten sich rot. Egal, was die junge Frau eben noch über den Umgang mit ihrer Mutter gesagt hatte, das hier konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ihr bei Weitem nicht gewachsen war. »Und du«, wandte sie sich wieder an Ash, indem sie anklagend mit dem Finger auf ihn zeigte. »Ich weiß genau, was du tust, aber es wird nicht funktionieren.« Ihre Stimme klang eisig, und die Kälte darin ließ Josie erzittern. Das hier waren ihre Kinder, und trotzdem behandelte sie sie wie Menschen, die sie hasste. »Und was zum Teufel tue ich denn angeblich, bitte schön?«, fragte Ash gedehnt. Er war keinen Millimeter von Josie abgerückt, er hatte seinen Griff um ihre Schulter sogar noch verstärkt. Sie spürte, wie seine Finger sich in ihren Arm bohrten, und sie bezweifelte, dass er überhaupt merkte, wie schmerzhaft das war. Aber sie versuchte nicht, seinen Griff zu lockern, der ein Hinweis auf die Wirkung war, die das plötzliche Auftauchen seiner Mutter auf ihn hatte. Es machte ihm eindeutig immer noch zu schaffen, wie … zickig sie war, egal, was er gesagt hatte. Die grünen Augen, die beide Kinder von ihr geerbt hatten, verengten sich und sprühten vor Wut förmlich Funken. »Du benutzt Brittany, um dich wegen irgendeiner eingebildeten Kränkung an mir zu rächen, das tust du. Also wirklich, Ash … du lässt sie in deinem Hotel arbeiten? Wie vulgär und gewöhnlich ist das denn? Amüsierst du dich schön, während du ihr beim Arbeiten zusiehst? Macht es dich glücklich zu wissen, wie ich mich dabei fühle?« Ash beugte sich auf seinem Stuhl nach vorn. Er hatte einen finsteren Ausdruck in den Augen. Josie fing Brittanys besorgten Blick auf und war erleichtert, darin keine Anzeichen von Verletztheit zu sehen. Sie schenkte den Vorwürfen ihrer Mutter offensichtlich keinen Glauben. Josie versuchte, ihr einen ermutigenden Blick voller Mitgefühl zu schenken, um ihr damit zu verstehen zu geben, dass sie den Anschuldigungen genauso wenig abgewann. »Es ist mir scheißegal, wie du dich fühlst«, knirschte Ash. »Mich interessiert nur, wie Brittany sich fühlt. Aber du musst meinen Worten nicht glauben, liebste Mutter. Frag sie selbst. Frag sie, ob sie das Gefühl hat, ich würde sie zum Narren halten, indem ich ihr einen richtigen Job verschafft habe, bei dem sie ein richtiges Gehalt bekommt, weil sie richtige Arbeit leistet.« Seine Mutter richtete den Blick nicht auf Brittany, doch Brittany begann trotzdem zu sprechen, und ihre Stimme klang gelassen und ungerührt. »Ich habe ihn um einen Job gebeten. Er hat mir das gegeben, worum ich gebeten habe. Und jetzt geh bitte, Mutter. Du fällst unangenehm auf, und das hast du doch schon immer gehasst.« Die Augen der älteren Frau waren schwarz vor Wut, und Josie wäre nicht überrascht gewesen, wenn auch noch Rauch aus ihren Ohren aufgestiegen wäre. Plötzlich richtete sie ihren Blick auf Josie … als wäre sie auf der Suche nach einem neuen Opfer. Josie fühlte sich unter dem durchdringenden Blick sehr unbehaglich, bemühte sich aber, ihren ernsten, ungerührten Gesichtsausdruck beizubehalten. »Ist das deine neueste Schlampe, Ash? Wie kannst du es wagen, meine Tochter zum Lunch auszuführen und sie mit deiner Hure an einen Tisch zu setzen?« Brittany keuchte, ihr Gesicht war jetzt dunkelrot, und ihr Blick war voller Entsetzen auf Ash gerichtet. Ash sprang auf, sein Stuhl polterte, als er ihn abrupt nach hinten schob. Er gab dem Sicherheitspersonal, das bereits im Hintergrund wartete, ein Zeichen. »Führen Sie diese Frau hinaus«, befahl er mit eisiger Stimme. »Außerdem ist ihr ab sofort der Zutritt zu allen Räumlichkeiten auf allen meinen Grundstücken nicht mehr gestattet. Machen Sie ein Foto von ihr und verteilen Sie es mit ihrem Namen versehen an alle Angestellten. Derjenige, der ihr Zutritt gewährt, verliert auf der Stelle seinen Job.« Seine Mutter wurde vor Schock erst weiß, und dann lief ihr Gesicht vor Verlegenheit rot an. Sie sah nach links und rechts und stellte bestürzt fest, dass sie auf beiden Seiten von Sicherheitspersonal flankiert war. »Raus hier«, sagte Ash und betonte jedes Wort. »Halt dich von Brittany fern und halte dich von mir fern. Und komm auch Josie nicht zu nahe. Sie wird meine Frau und die Mutter meiner Kinder werden. Ich lasse nicht zu, dass sie in irgendeiner Form respektlos behandelt wird. Niemals. Und jetzt geh mir aus den Augen. Erklär dem alten Herrn, dass Brittany und ich jetzt raus sind. Wir möchten nicht mehr Teil dieser Familie sein.« »Ash, warte«, bettelte seine Mutter. »Ich muss mit dir reden. Bitte. Ich habe mich hinreißen lassen, eigentlich war ich hergekommen, weil ich mit dir reden wollte. Ich wusste nicht einmal, dass Brittany auch hier ist, darauf war ich einfach nicht vorbereitet. Aber ich muss mit dir über eine Sache reden.« »Das ist mir scheißegal«, erwiderte er kalt. »Ich habe keinerlei Interesse an dem, was du zu sagen hast.« Josie saß da und staunte über das, was Ash gesagt hatte. Seine Frau? Mutter seiner Kinder? Meine Güte, das war harter Tobak! Sie kannten sich doch noch gar nicht so lange. Er hatte noch kein einziges Mal von Heirat und Kindern gesprochen. Nicht dass sie etwas dagegen gehabt hätte, aber hätte er das ihr gegenüber nicht zumindest erwähnen müssen, bevor er es in einem Restaurant verkündete? Seine Mutter fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als das Sicherheitspersonal näher herantrat. »Ich muss mit dir reden, Ash. Es ist wichtig. Es geht um deinen Großvater.« »Du wirst mich nicht manipulieren, wie du alle anderen um dich herum manipulierst. Ich habe kein Interesse an dir oder dem alten Herrn. Schau dich um, Mutter. Ich brauche dich nicht. Ich brauche ihn nicht. Ich bin erfolgreich, ohne dass einer von euch mir dabei geholfen hat. Und vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass du mich so tief verabscheust.« Sie war jetzt sehr blass, aber ihre Augen funkelten weiter vor Zorn. Josie litt an Ashs Stelle. Egal, wie abgehärtet er innerlich war, was seine Familie betraf. Das hier war seine Mutter! Jeder brauchte eine Mutter. Es fiel ihr schwer sich vorzustellen, wie das Gefühl war, von seiner Mutter verabscheut zu werden. Sie streckte die Hand vor und schloss die Finger um Ashs Hand. Dann stand sie auf und stellte sich neben ihn, auch wenn sie nicht wusste, ob diese Geste richtig war. Doch er rückte sofort einen Schritt zur Seite, bis sie schließlich ein Stück hinter ihm stand. Sogar in diesem Moment versuchte er, sie vor seiner Mutter und ihrem giftigen Gerede zu schützen, indem er sich dazwischenstellte. Er sollte doch nur wissen, dass sie bei ihm war! Dass sie neben ihm stand. Immer. Er mochte einen starken Beschützerinstinkt haben, was sie betraf, aber auch sie würde ihn beschützen, wo immer es in ihrer Macht stand. »Führen Sie sie raus«, sagte Ash zu den beiden Männern vom Sicherheitsdienst. »Ich finde selbst hinaus«, schnaubte sie und schüttelte die Hand des einen Mannes ab. »Daran zweifle ich nicht. Aber wenn du allein gehst, beraubt es mich des Vergnügens, dich rausschmeißen zu lassen«, erklärte Ash. Er nickte den beiden Männern zu, und diese griffen sich jeweils einen Arm, um sie nach draußen zu führen. Ihr empörtes Kreischen hallte durch den Raum. Josie zuckte zusammen, weil aller Augen auf sie gerichtet waren, sie hatte sogar bemerkt, wie ein paar Kameras aufgeblitzt waren. Sie hegte keinen Zweifel daran, dass der Vorfall in den Boulevardblättern ausgeschlachtet werden würde, schließlich war Ash einer der bekanntesten Männer der Stadt. Er kam aus reichem Hause, und seine Familie war gesellschaftlich von hohem Rang, sein Großvater mischte sogar in der Politik mit. Die Zeitungen würden sich also förmlich überschlagen, über die Entfremdung zwischen Ash und seiner Mutter zu berichten. Und wenn nun Michael die Artikel sah? Würde er versuchen, Ash Ärger zu machen, sobald ihm klarwurde, wer Ash war? Noch mehr Kameras blitzten, dieses Mal deutlich näher. Josie wandte sich mit einem Ruck ab und bedeckte ihr Gesicht mit einer Hand. Ash schob sie noch weiter hinter sich und deutete dann auf die Fotografen. Innerhalb weniger Sekunden stürmten noch mehr Sicherheitsangestellte vor und beendeten das spontane Shooting. Josie sank wieder auf ihren Stuhl. Brittany sah völlig verstört aus. Sie war blass und wirkte beschämt, als sie sich auf ihrem Stuhl nach hinten sinken ließ. Josies Herz wollte vor Mitgefühl bersten. »Ich gehe am Mittwochabend mit ein paar Frauen aus«, erzählte Josie beiläufig. »Komm doch mit. Es wird bestimmt lustig.« Brittany sah Josie verblüfft an. Ash hatte wieder neben Josie Platz genommen und schloss die Finger um ihre Hand, als sie die Einladung aussprach. Sie wagte einen schnellen Blick in seine Richtung und sah, dass seine Augen voll zustimmender Wertschätzung schimmerten. Ermutigend schaute sie zu ihm auf, als wollte sie sagen: Es wird schon wieder. »Ich weiß nicht recht«, meinte Brittany. »Du solltest mitgehen, Britt. Josie ist mit Mia, Bethany und den anderen Frauen verabredet. Bethany hast du ja schon kennengelernt. Und die anderen sind auch in Ordnung. Du wirst sie mögen. Bessere Frauen gibt’s gar nicht«, sagte Ash. Brittanys Wangen erröteten, aber ihre Augen glänzten vor Freude. »Ich würde gern mitkommen, Josie. Danke. Sag mir nur, wann und wo.« Josie wandte sich Hilfe suchend an Ash. Sie wusste auch nicht, wann und wo sie sich treffen wollten. Sie wusste nur, dass das Ganze am Mittwochabend stattfinden sollte und dass sie und Ash gleich nach diesem Mittagessen mit Brittany losziehen würden, um ein Kleid und Schuhe dafür zu kaufen. »Ich werde dir einen Wagen schicken«, versprach Ash. »Aber ich warne dich schon mal vor. Die nehmen ihren Mädelsabend ziemlich ernst. Du wirst ein verführerisches Kleid und unwiderstehliche, hochhackige Schuhe brauchen. So sieht die Kleiderordnung aus, habe ich mir sagen lassen.« Brittany lachte. »Tja, davon habe ich ja nun eine Menge. Und so kommen sie nun endlich mal zum Einsatz. Ich habe mir die Sachen gerade gestern noch angeschaut und gedacht, dass ich die ja wohl nie wieder anziehen werde.« Ash lächelte seine Schwester an. »Um sieben musst du fertig sein. Jace ist dran mit Aufpassen, also fährt er sowieso mit dem Auto. Ich werde ihm sagen, dass er dich abholen und wieder nach Hause bringen soll, wenn du keine Lust mehr hast.« Ihre Augen funkelten jetzt vor Aufregung, und Josie war froh, die Einladung spontan ausgesprochen zu haben. »Danke, dass du mich eingeladen hast, Josie. Das klingt nach einem schönen Abend!« Josie lächelte Ashs Schwester herzlich an und streckte dann den Arm über den Tisch und drückte ihre Hand. »Wir Mädels müssen doch zusammenhalten, nicht wahr?« Brittany grinste zurück. »Ja. Und wenn man Typen wie Ash um sich herum hat, darf man sich von denen erst recht nicht unterbuttern lassen.« »Hee«, verteidigte Ash sich. Josie versetzte ihm einen Rippenstoß, und er tat so, als müsse er sich vor Schmerz krümmen. »Lasst uns jetzt zu Ende essen. Die Schreckschraube soll uns nicht den Appetit verderben«, erklärte Ash. »Du musst wieder an die Arbeit, Britt, und Josie und ich müssen shoppen.« Brittanys Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Shoppen? Du?« Ash sah sie finster an. »Manche Dinge sind eine Shoppingtour wert. Zum Beispiel die Beutestücke dieser Tour.« Diesmal versetzte Josie ihm einen richtigen Rippenstoß. Ihre Wangen glühten förmlich vor Hitze. Brittany lachte, und Ash grinste. Josie entspannte sich. Der unangenehme Moment war vorbei, und Ash und Brittany hatten sich dadurch nicht den Tag verderben lassen. Fünfzehn Minuten später führte Ash Josie zum Auto, um die Läden aufzusuchen, die Ash im Sinn hatte. Im Wagen zog er sie an sich und legte einen Arm um ihre Schultern. Er küsste sie auf die Schläfe und ließ seine Lippen eine ganze Weile auf ihrer Haut ruhen. »Es bedeutet mir viel, dass du Britt zu eurem Mädelsabend eingeladen hast«, brummte er. »Das war sehr lieb von dir, Süße. Ich werde es dir nicht vergessen.« Josie lächelte und wurde dann gleich wieder ernst. »Mia und Bethany haben doch sicher nichts dagegen, oder? Ich habe gar nicht daran gedacht, sie erst zu fragen.« Ash schüttelte den Kopf und löste sich von ihrer Schläfe. »Nein, die beiden sind toll. Es wird ihnen nichts ausmachen. Vor allem nicht, wenn ich Mia etwas über Britt erzähle. Das war sehr nett von dir, Süße. Du hättest es nicht tun müssen, aber ich bin wirklich glücklich darüber, dass du Britt bei eurem Frauenkram mitmachen lässt. Sie braucht das. Sie braucht gute Freunde.« »Ich habe das gern getan«, erwiderte Josie sanft. »Jeder braucht Freunde. Und Brittany wahrscheinlich noch mehr als die meisten anderen. Sie wirkte so unglücklich und verlegen, als deine Mutter auftauchte.« Ashs Miene verfinsterte sich, und er erstarrte neben ihr. »Es tut mir leid wegen des Vorfalls. Sie hat uns das Mittagessen verdorben.« Josie schüttelte den Kopf. »Sie hat es nicht verdorben, Liebling. Du und Brittany, ihr habt das nicht zugelassen. Ich kenne die Frau nicht. Es ist mir egal, was sie über mich denkt und dass sie denkt, ich wäre nicht gut genug für dich.« Er war jetzt vollkommen ruhig und ließ seinen Blick forschend über ihr Gesicht gleiten. »Du hast mich Liebling genannt.« Das Blut schoss in ihre Wangen, und sie wandte den Blick ab. »Entschuldige. Es klingt wahrscheinlich blöd.« Er griff nach ihrem Kinn und zwang sie nicht gerade sanft, ihn wieder anzuschauen. »Es hat mir gefallen. Es hat mir verdammt gut gefallen. Du hast mich bisher immer nur Ash genannt.« »Es hat dir wirklich gefallen?« Er nickte. »Ja. Es ist mir egal, was anderen Männern gefällt oder nicht gefällt oder was andere denken, wenn du mir irgendwelche Kosenamen gibst. Mir gefällt es. Es gibt mir das Gefühl, dass ich dir etwas bedeute. Mit anderen Worten: Ja, ich mag es sehr.« Sie lächelte. »In Ordnung, mein Liebling. Ich werde daran denken.« Er gab ihr einen festen, langen und atemlosen Kuss. Seine Zunge drang in ihren Mund ein und erforschte ihn mit sinnlicher Vertrautheit. Als er sich schließlich wieder von ihr löste, waren seine Augen dunkel vor Verlangen. Er streichelte ihre Wange und ließ seine Hand auf ihr ruhen, während er ihr tief in die Augen sah. »Mir ist es auch vollkommen egal, was meine Mutter über dich denkt, Süße. Solange du weißt, dass es Blödsinn ist, wenn jemand behauptet, du wärest nicht gut genug für mich. Ich will nicht, dass du das je denkst. Es soll dir noch nicht einmal in den Sinn kommen. Du bist einfach perfekt für mich, und das ist das Einzige, woran du immer denken sollst.« Sie lächelte wieder und beugte sich vor, um ihn zu küssen, genoss den Geschmack seines Mundes an ihrem. »Das werde ich.« 23 Nachdem Josie sich von Ash alles über die letzten Frauenabende hatte erzählen lassen, war sie fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass er es genauso sehr genoss wie Gabe und Jace bei früheren Gelegenheiten. Und das bedeutete, ihn das Kleid nicht sehen zu lassen … oder die Schuhe. Ach, eigentlich überhaupt nichts. Er hatte Einspruch erhoben, dass sie sich bei Mia umzog. Er wollte einen Vorgeschmack auf das, was ihn erwartete, aber Josie hatte ihm mit fester Stimme erklärt, dass die Wirkung verpuffen würde, wenn er sie schon vorher sah. Oh, das Kleid hatte er natürlich schon gesehen. Und auch die Schuhe. Schließlich war er mit ihr zusammen losgezogen, um die Sachen zu kaufen. Er hatte zwanzig Minuten auf sie einreden müssen, die Teile zu kaufen, denn – gütiger Himmel – sie waren geradezu sündhaft teuer! Sie arbeitete eindeutig in der falschen Branche, denn dieses eine Paar Schuhe kostete drei Mal so viel, wie sie für eins ihrer Bilder bekommen hatte. Aber er hatte weder das Kleid noch die Schuhe an ihr gesehen und wusste dementsprechend auch nicht, wie sie damit aussah, wenn sie sich erst zurechtgemacht hatte. Sie packte Make-up, Kleid und Schuhe ein, um sich bei Mia zu frisieren und zurechtzumachen. Ash war nicht glücklich darüber, brachte sie aber zum Wagen und gab dem Fahrer die Anweisung, sie zu Mias und Gabes Wohnung in Midtown zu bringen. Sie winkte frech und versprach, erst sehr, sehr spät nach Hause zu kommen. Vor der Tür des Apartmenthauses stellte sie überrascht fest, dass Bethany und Mia sie in der Lobby erwarteten. Bethany nahm eine von Josies Taschen, während Mia sie in den Fahrstuhl scheuchte. Im obersten Stockwerk öffneten sich die Türen zu einem großzügig geschnittenen Apartment, das vom Wohnzimmer aus einen wunderschönen Blick auf die Stadt bot. Gabe betrat das Zimmer, und Josie wich vorsichtig ein Stück zurück. Er wirkte so … eindrucksvoll. Er würde ihr ganz sicher nicht wehtun. Oder Mia. Aber er war ein ruhiger, einschüchternder Typ, und sie hatte ihn erst ein Mal gesehen und fühlte sich in seiner Gegenwart noch nicht entspannt. Gabe zog Mia an sich und gab ihr einen sengenden Kuss, bei dessen Anblick Josie ein Schauer über den Rücken lief. Bethany lächelte und sah Josie mit einem amüsierten Ausdruck in den Augen an. »Ich werde die Damen jetzt sich selbst überlassen«, erklärte Gabe. »Wagen und Fahrer stehen unten vor der Tür. Ruft einfach beim Portier an und sagt ihm, wann ihr loswollt. Jace wird etwas später zum Nachtclub kommen, um dafür zu sorgen, dass ihr auch wieder wohlbehalten nach Hause kommt. Ich werde zu Ash rüberfahren und mit ihm zu Abend essen.« Mia bedachte ihren Ehemann mit einem strahlenden Lächeln, das ihr einen heißblütigen Blick einbrachte, der Josie verriet, wie sehr Gabe sich auf später freute. »Wenn du mich irgendwie brauchst«, sagte Gabe und hob Mias Kinn mit den Fingern, »dann rufst du an. Ich habe mein Handy dabei. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, rufst du an.« Mia verdrehte die Augen. »Du weißt, dass ich das tue, Gabe. Davon abgesehen wird Jace da sein; ganz zu schweigen von Brandon und all seinen Türsteherfreunden. Die behalten uns immer schön im Auge, wenn wir dort sind.« Josie hatte den Faden der Unterhaltung schnell verloren. »Brandon ist der Freund unserer Freundin Caroline. Oder besser gesagt ihr Verlobter, seit er sie neulich gefragt hat. Das feiern wir heute«, flüsterte Bethany. »Er arbeitet als Türsteher im Vibe und kümmert sich immer um uns, wenn wir zu viel getrunken haben.« Josie nickte. Gabe küsste Mia noch ein letztes Mal, ehe er Bethany und Josie zunickte. »Einen schönen Abend wünsche ich den Damen. Aber seid vorsichtig, ja? Bleibt im Nachtclub immer schön zusammen. Lasst eure Drinks nicht unbeaufsichtigt stehen und nehmt immer mindestens eine von den anderen mit, wenn ihr zur Toilette geht.« »Gabe!«, rief Mia ärgerlich. »Meine Güte, wir sind doch keine Teenager. Wir können schon auf uns selber aufpassen!« Gabe lachte leise, hatte aber den Anstand, eine gewisse Verlegenheit an den Tag zu legen, ehe er Richtung Fahrstuhl ging. Die Frauen hatten kaum Zeit, das riesige Badezimmer zu erreichen, als Mias Handy auch schon klingelte. Sie seufzte laut, als sie den Namen des Anrufers las. »Um Gottes willen. Er ist noch nicht einmal richtig zur Tür raus, da ruft er mich auch schon an.« Bethany kicherte, während Mia den Anruf entgegennahm. Sie sagte »Okay« und kurz darauf weich und sanft »Ich liebe dich« und beendete das Gespräch. »Gabe hat unten Brittany getroffen und sie in den Fahrstuhl gesteckt. Ich gehe sie holen. Bethany, fang du schon mal mit Josies Haaren an. Das Kleid muss sie anziehen, ehe wir das Make-up auftragen, sonst landet die ganze Foundation auf ihrem Kleid.« »Alles klar«, sagte Bethany und scheuchte sie mit den Händen weg. »Hol jetzt Brittany, damit unser Abend endlich anfangen kann.« Eine Stunde später fuhren die vier Frauen mit dem Fahrstuhl nach unten in die Lobby und stiegen aus. Vor dem Haus wartete wie von Gabe versprochen der Chauffeur und half ihnen beim Einsteigen in die Limousine. Mia nahm den gekühlten Champagner aus dem Eisbehälter und schenkte vier Gläser ein. »Caro ist zwar noch nicht da, sie stößt erst beim Nachtclub dazu, aber das soll uns nicht davon abhalten, ihr zu Ehren einen Toast auszusprechen.« Bethany nickte ernst, während sie ihr Glas hob. Brittany stieß begeistert mit allen an, und ihre grünen Augen, Ashs grüne Augen, funkelten vor Aufregung. »Danke, dass ihr mich eingeladen habt«, sagte Brittany. »Ich habe in letzter Zeit nur gearbeitet und bin dann abends nach Hause gegangen. Ganz allmählich spüre ich mein Alter!« Mia sah sie entsetzt an. »Das geht ja gar nicht! Aber das gibt sich ganz schnell wieder, wenn du erst den Abend mit uns verbracht hast.« Brittanys Gesichtsausdruck war ernst, als sie sich an Josie wandte. »Es tut mir wirklich leid wegen meiner Mutter und wegen dem, was sie über dich gesagt hat. Ich war entsetzt und beschämt. Vielleicht vor allem deshalb, weil ich ihr Verhalten so lange hingenommen habe. Ash hat sich nie von ihr schikanieren lassen, im Gegensatz zu mir und meinen Brüdern. Deshalb hasst sie ihn auch so sehr.« Sie schauderte. Josie nahm ihre Hand, es fiel ihr schwer, Brittany so bekümmert zu sehen. »Mach dir darüber keine Gedanken, Britt«, sagte sie und nutzte damit den Spitznamen, mit dem Ash sie immer ansprach. Brittanys Augen leuchteten, also schien es ihr zu gefallen. »Ich bin einfach nur glücklich, dass du dich nicht mehr von ihr herumschubsen lässt.« Mia zog vor Abscheu die Nase kraus. »Ich will dich ja nicht beleidigen, Brittany, aber deine Mutter ist wirklich das Allerletzte. Und Ash ist so ein netter Kerl. Ich habe keine Ahnung, wie es euch bei dem Erbgut gelungen ist, so zu werden, wie ihr seid.« Brittany sah sie freundlich an. »Du beleidigst mich nicht, Mia. Ich weiß genau, wie schlimm meine Mutter ist, und ich habe keine Ahnung, warum sie so ist. Ich wünschte, es wäre anders.« Bethany sah sie voller Mitgefühl an. »Ich weiß ja nur das, was Jace mir erzählt hat und was Ash manchmal über seine Familie zum Besten gegeben hat. Aber nichts davon klang gut. Jace macht sich Sorgen um ihn. Große Sorgen.« »Lasst uns heute Abend nicht über meine Familie sprechen«, meinte Brittany. »Wir wollen doch Spaß haben, oder? Ich kann zum ersten Mal behaupten, dass ich mich auf einen Mädelsabend freue.« »Genau«, sagte Josie. »Und ich brauche Mias und Bethanys Hilfe, denn offensichtlich, äh, erhofft Ash sich etwas von diesem Abend, und ich bin mir nicht ganz sicher, was. Ich will ihn nicht enttäuschen!« Mia und Bethany brachen beide in Gelächter aus. »Oh, wir werden dich in alle saftigen Details einweihen«, meinte Mia süffisant. »Ich musste Bethany am ersten Abend mit meinen Freundinnen auch an die Hand nehmen, und sagen wir mal so … in jener Nacht hatte sie einen sehr glücklichen Mann.« »Du machst mich fertig«, brummte Brittany. »Ich habe keinen heißen Typen zu Hause, und ich muss gestehen, dass es schon viel zu lange her ist, seit ich das letzte Mal einigermaßen guten Sex hatte.« Nachdenklich presste Bethany die Lippen aufeinander. »Wie wäre es mit einem von Brandons Freunden, Mia? Im Nachtclub arbeitet doch eine ganze Reihe von heißen Typen. Von denen ist doch bestimmt irgendeiner nicht vergeben.« »Ich werde Caro gleich nach unserer Ankunft darauf ansetzen«, sagte Mia. »Aber ich will nicht völlig verzweifelt rüberkommen!«, protestierte Brittany. Bethany schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht! Caro wird einfach nur was arrangieren … dich einem der Typen vorstellen oder so.« Als der Wagen beim Nachtclub hielt, wurde sofort die Wagentür aufgerissen, und eine hübsche, junge Frau steckte den Kopf mit einem breiten Lächeln hinein. Bevor aber auch nur eine von ihnen aussteigen konnte, hielt sie ihre Hand demonstrativ ins rückwärtige Abteil der Limousine. »Schaut ihn euch an!«, kreischte sie. »Ist der nicht toll?« Mia beugte sich zu der Hand vor und zerrte die Frau gleich darauf in den Wagen. »Oh mein Gott, Caro, der ist herrlich! Das hat Brandon sehr gut hinbekommen!« Caro lächelte so strahlend, dass sie das Innere der Limousine damit förmlich erhellte. Ihr Blick fiel auf Josie und Brittany, und ihr Lächeln wurde wenn möglich noch strahlender. »Ich bin Caroline«, stellte sie sich vor und streckte die Hand aus. »Ihr seid sicher Josie und Brittany!« »Ich bin Josie«, sagte Josie und erwiderte das Lächeln. »Und das ist Brittany.« »Brandon wartet, also lasst uns reingehen«, erklärte Caroline begeistert. »Er hat unseren Tisch natürlich freigehalten, und heute Abend haben wir zwei Kellnerinnen statt wie sonst nur eine. Wir expandieren, Mädels! Bald haben wir den ganzen Nachtclub an unseren Ausgehabenden für uns allein.« »Na, das ist doch mal eine Idee«, meinte Mia gedehnt. »Unser eigener privater Nachtclub. Das hätte schon was.« Bethany schnaubte, als sie eine nach der anderen ausstiegen. »Du brauchst Gabe doch nur zu sagen, dass du einen Nachtclub haben willst, und dann kauft er dir einen.« Mia grinste. »Stimmt auch wieder.« »Chessy, Gina und Trish warten schon drinnen«, berichtete Caroline. Und dann breitete sich plötzlich ein seliges Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Josie hob den Blick auf der Suche nach dem Auslöser. Er fiel auf einen großen, sehr muskulösen, sehr heißen Typen mit einem Spitzbärtchen, der zudem einen Ring im linken Ohr trug. Er lächelte nachsichtig, und die Blicke, die er und Caroline austauschten, ließen keinen Zweifel, dass das Brandon war. Er sah zumindest aus wie ein Türsteher. »Meine Damen«, grüßte er. »Wenn Sie mir bitten folgen würden. Ich zeige Ihnen Ihren Tisch.« »Das hast du toll gemacht, Brandon«, sagte Mia zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter. »Caros Ring ist herrlich!« Er lächelte. »Schön, dass er dir gefällt. Ich wollte, dass sie den perfekten Ring bekommt. Ist ja auch nur fair. Ich bekomme das perfekte Mädchen und sie den perfekten Ring.« »Oh verdammt«, brummte Brittany. »Das ist das Tollste, was ich einen Typen je habe sagen hören.« Josie musste ihr zustimmen. Er war total süß. Carolines Wangen waren gerötet, und ihr Blick war liebevoll. Noch vor zwei Wochen hätte dieser Anblick Josie unglaublich neidisch gemacht, weil Michael nie auch nur auf die Idee gekommen wäre, seine Gefühle publik zu machen … Und im Grunde hatte er sie nicht einmal gezeigt, wenn sie unter sich gewesen waren. Aber jetzt hatte sie Ash. Ash, der kein Problem damit hatte, die Leute wissen zu lassen, dass Josie zu ihm gehörte. Sie drängten sich durch die Menge nach vorn und gingen an der langen Schlange Wartender vorbei, die eingelassen werden wollten. Dann führte Brandon sie durch den vollen Club zu ein paar Tischen in einer Ecke gleich neben der Tanzfläche. Laute Musik schallte durch den Raum, drang in Josies Körper und ließ bald darauf ihr Blut im gleichen Rhythmus durch die Adern strömen. Ihre Füße schmerzten bereits, und sie wusste, dass sie in diesen Schuhen auf gar keinen Fall tanzen würde. Wahrscheinlich würde sie sich dabei umbringen. Sie trug sie ohnehin nur wegen Ash. Er hatte seine Auswahlkriterien während ihres gemeinsamen Einkaufsbummels sehr wortreich zu Gehör gebracht. Aber ihren Füßen würde sie die Schuhe heute Abend ersparen, sie würde sie erst wieder anziehen, wenn sie nach Hause fuhr. An ihrem Tisch stand schon eine Kellnerin mit einem Tablett voller Getränke. Mia lächelte und drehte sich zu Josie und Brittany um. »Sie bringt uns immer erst zwei Drinks, mit denen wir den Abend beginnen. Den Ersten trinken wir immer sofort, nachdem wir uns zugeprostet haben, am Zweiten nippen wir dann, bis sie mit Nachschub kommt. Bethany und ich waren uns nicht sicher, was ihr mögt, deshalb haben wir uns für etwas mildere Sachen entschieden … Cosmopolitan und Amaretto Sour. Der Sour ist Bethanys Lieblingscocktail, den kann sie bis zum Rausch trinken. Wenn ihr der Kellnerin sagt, was ihr mögt, bringt sie das bei der nächsten Runde.« »Ich mag den Cosmopolitan«, sagte Brittany mit lauter Stimme, um die Musik zu übertönen. »Ich trinke nicht viel«, meinte Josie zögerlich. »Heute Abend ist sozusagen die Ausnahme. Ash war so erpicht darauf, dass ich ausgehe … da wollte ich ihn nicht enttäuschen.« Bethany und Mia fingen an zu lachen. »Das liegt daran, dass Gabe und Jace ihn mit all den Details dazu gequält haben, die ein Mann nach einem Mädelsabend bekommt«, erklärte Bethany und verdrehte die Augen. »Probier mal einen Amaretto Sour, Josie«, meinte Bethany und drückte ihr den Cocktail in die Hand. »Ich trinke auch nicht viel, aber der hier ist wirklich lecker. Süß und fruchtig, ohne zu viel Alkohol. Trotzdem gelingt es mir jedes Mal, mir damit die Kante zu geben.« Als alle einen Drink hatten, traten sie dicht zusammen, und Mia machte Josie und Brittany mit Chessy, Gina und Trish bekannt. Dann hoben alle ihre Gläser. »Auf Caro!«, rief Mia. »Und diesen Megaklunker an ihrem Finger!« »Auf Caro!«, riefen die anderen im Chor. Sie stießen miteinander an, und manches Glas schwappte gefährlich, bevor sie die Gläser in einem Zug leer tranken. Die Kellnerin verteilte sofort die zweite Runde und ging dann lächelnd Nachschub holen. »Kommt, wir tanzen!«, rief Caro. Josie ließ sich von den anderen auf die Tanzfläche ziehen. Sie tanzte gern und war sogar ziemlich gut darin, doch ihr letztes Mal war schon eine Weile her. Michael hatte keine Lust auf Tanzen oder Bars gehabt. Aber heute konnte sie sich austoben und Spaß haben. Sie mochte Mias und Bethanys Freundinnen. Brittany ging es nicht anders, wenn sie deren strahlendes Lächeln richtig deutete. »Wir folgen einem bestimmten Ablauf«, brüllte Mia. »Ach ja?«, hakte Josie nach. »Ja«, kam Bethany dazu. »Wir präsentieren uns auf der Tanzfläche ordentlich verführerisch, bis die Männer anfangen zu sabbern, und wenn sich ganz viele versammelt haben, um uns zuzuschauen, ziehen wir alle Register und liefern den Jungs, Brandon und all den anderen, eine Show, die sie nicht so schnell vergessen.« Josie musste unwillkürlich lachen. »Okay, langsam verstehe ich, was dieser Mädelsabend für Ash bedeutet.« Mias Augen funkelten fröhlich. »Oh, keine Sorge. Bethany und ich werden dich in einer Tanzpause in alles einweihen, sobald wir ein paar Drinks intus haben.« Das klang recht fair. Und bis dahin? Sie würde sich einfach ein bisschen gehen lassen. Hoffentlich machte ihre Frisur das mit. Bethany hatte sich viel Mühe damit gegeben, Josies Haare zu einem »elegant zerzausten Knoten« hochzustecken, wie Mia es genannt hatte. Das Ergebnis war ziemlich verführerisch, wenn Josie das selbst so sagen durfte. Einzelne zarte Löckchen waren den Nadeln entschlüpft, die den Knoten hielten. Mia hatte viel Make-up für Josies Augen verwandt und eigentlich auch viel Make-up insgesamt, aber die Wirkung war verblüffend. Das Gesamtpaket war toll geworden. Josie war nicht eitel, aber sie wusste, dass sie heute Abend richtig heiß aussah. Bethany hatte sie eine »bronzene Göttin« genannt. Das Kleid, das Josie trug, wies einen gold-bronzenen Farbton auf, der perfekt zu ihrem Haar und ihrer Hautfarbe passte. Hauteng, trägerlos und kurz. Es bestand nicht gerade aus viel Stoff, aber es hob ihre Beine hervor, und mit den zehn Zentimeter hohen Absätzen … tja … sahen ihre Beine toll aus. Das Halsband trat mit den hochgesteckten Haaren und dem trägerlosen Kleid besonders stark hervor. Sie hatte während der Fahrt bemerkt, wie Bethany und Mia es immer wieder gemustert hatten, ihnen hatten bestimmt hundert Fragen auf der Zunge gebrannt. Josie fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bevor sie ihrer Neugier freien Lauf ließen. Brandon kam häufig bei ihnen vorbei, immer wieder gemeinsam mit drei anderen Männern, die Josie auch für Türsteher hielt. Obwohl der eine von ihnen … nun, sie wusste nicht recht, aber er wirkte überhaupt nicht wie ein Türsteher. Sie war sich sicher, dass er keiner war. Während Brandon und die anderen lässig in Jeans und Poloshirts herumliefen, hatte dieser Mann einen teuren Anzug und ein seidenes Hemd mit diamantenen Manschettenknöpfen an, die ziemlich echt aussahen. Das Interessante an der Sache war, dass Caro Brittany den anderen Türstehern vorgestellt hatte, die mit Brandon zusammenarbeiteten, der Typ im Anzug aber zu Brandon gegangen war und ihn gebeten hatte, ihm Brittany vorzustellen. Und nun? Brittany und der geheimnisvolle Typ standen etwas abseits und unterhielten sich. Brittany strahlte plötzlich etwas aus, das nur eines bedeuten konnte: Der Typ war interessiert. Josie stieß Mia leicht an und deutete mit dem Kinn in Brittanys Richtung. »Wer ist das da bei Brittany?« Mia folgte ihrem Blick und musterte das Paar neugierig. »Keine Ahnung, aber Brandon wird’s wissen. Ich frag ihn mal.« Ehe Josie einwerfen konnte, dass das nicht nötig sei, hatte Mia Brandon auch schon ein Zeichen gegeben. Er kam mit Caroline an seiner Seite zu ihnen, seine Hand lag besitzergreifend auf ihrem Oberarm. »Wer ist der Mann, mit dem Brittany sich unterhält?«, fragte Mia. Brandon lächelte, ehe er den Blick wieder auf Mia und Josie richtete. »Das ist Kai Wellington. Ihm gehört der Club.« Josie riss die Augen auf. »Er gehört ihm? Also … der ganze Laden?« Brandon lachte leise. »Ja. Ihm gehören mehrere Nachtclubs. Er ist eigentlich nicht oft hier. Er hat erst vor ein paar Wochen einen neuen Club in Vegas aufgemacht und war deshalb die ganze Zeit dort.« Er sah Caroline an und zog sie enger an sich. »Er möchte, dass ich dort arbeite; dass ich die Leitung des Sicherheitsdienstes übernehme. Wenn ich nach Vegas gehe, möchte ich, dass Caro mitkommt.« Einen Moment lang wirkte Mia betroffen. Sie tat Josie leid, Caro war schließlich ihre beste Freundin. Aber Mia bekam sich schnell wieder in den Griff und lächelte strahlend. »Ist das eine Beförderung oder so etwas Ähnliches?« »So etwas Ähnliches«, bestätigte Brandon amüsiert. »Ich freue mich für dich«, sagte Mia, aber Josie bemerkte, dass ihre Unterlippe zitterte. Dann schlang Mia die Arme um Caroline und umarmte sie fest. »Ich freue mich für euch beide«, stieß Mia hervor. »Bist du aufgeregt, Caro?« Caroline löste sich von Mia, ein strahlendes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. »Ja, das bin ich. Ich freue mich so für Brandon. Er hat hart gearbeitet, um so weit zu kommen, und es ist toll, dass Mr Wellington ihm sein Vertrauen schenkt. Aber ich hasse den Gedanken, die Stadt zu verlassen … und dich«, schloss sie unglücklich. Brandon zog sie wieder in seine Arme und dann Mia an seine andere Seite. »Sieh es doch positiv. Ihr könnt euren Mädelsabend nach Vegas verlegen. Ich werde dafür sorgen, dass ihr bevorzugt behandelt werdet, von vorn bis hinten. Ihr könnt direkt mehrere solcher Treffen planen.« »Seine Art zu denken gefällt mir«, meinte Bethany, die zum ersten Mal etwas sagte. »Also, Brandon«, sagte Josie und kam wieder auf Brittany zurück. »Was will Mr Wellington von Brittany? Hat er dich nicht gebeten, sie ihm vorzustellen?« Wieder schaute Brandon zur Seite, ehe er die Frauen erneut ansah. In seinem Blick lag Bedauern. »Ich kann eigentlich gar nichts dazu sagen. Mr Wellington ist ein sehr zurückhaltender Mann. Aber ich würde sagen, dass er Interesse an Brittany hat. Er hat sie den ganzen Abend nicht einmal aus den Augen gelassen.« Das war ja interessant. Josie sah wieder zu den beiden und stellte fest, dass auch Brittany den Mann unentwegt anschaute. Ash würde das bestimmt auch interessant finden, obwohl er Kai Wellington wahrscheinlich erst einmal überprüfen lassen würde. »Wir sollten noch was trinken«, erklärte Caroline fröhlich. »Sonst wäre der Abend ja verschwendet. Jace wird bestimmt bald hier sein. Bethany, er wird zutiefst enttäuscht sein, wenn du nicht sturzbetrunken bist. Er hält dich doch für die wunderbarste Betrunkene auf der ganzen Welt!« Mia brach in Gelächter aus, und Bethany lächelte, griff aber nach ihrem Glas. »Ich sage der Kellnerin Bescheid, dass sie euch Nachschub bringen soll«, erklärte Brandon. »Meine Pause ist vorbei. Ich werde mal wieder eine Runde drehen. Wenn ihr mehr Ruhe haben und euch entspannen wollt, kann ich euch zu einer der Logen führen, von denen aus man freie Sicht auf die Tanzfläche hat. Die Musik lässt sich auf Knopfdruck leiser stellen, und man hört auch von draußen nichts mehr.« Josie freute sich über dieses hohe Maß an Verständnis. Brandon ging zweifellos davon aus, dass Mia und Caroline sich über den bevorstehenden Umzug unterhalten wollten, und das war hier unten nun wirklich unmöglich. »Das klingt perfekt!«, rief Bethany. »Können wir da mal kurz hin? Meine Füße brauchen eine Pause vom Tanzen und Stehen, und etwas mehr Ruhe beim Trinken und Reden wäre auch nicht schlecht.« »Mir nach. Die Kellnerin kann Chessy und den anderen Bescheid sagen, die sind noch auf der Tanzfläche. Ich sag ihr, dass sie sie informieren soll, wo ihr seid, wenn sie fertig sind.« Die Frauen folgten Brandon, doch als sie zu der Stelle kamen, wo Brittany und Kai standen, bedeutete Josie ihnen zu warten. Sie wollte sehen, wie es Brittany ging, und sichergehen, dass die sich wohlfühlte, oder gegebenenfalls als Retterin in der Not einspringen. »Hallo«, sagte Josie und lächelte Kai zur Begrüßung freundlich an. »Ich wollte Brittany nur Bescheid sagen, dass wir nach oben in eine der Logen gehen. Falls sie nach uns sucht.« Kai schlang einen Arm um Brittanys Taille, als wolle er sie an sich ketten. Okay, der Mann war offensichtlich von der schnellen Sorte. Er lächelte warm und freundlich, doch Josie entging nicht die Kraft, die in seinem Blick lag. Das war ein mächtiger, einschüchternder Mann. Sie ließ ihren Blick zu Brittany wandern, um deren Reaktion abzuschätzen. »Ihre Sorge ehrt Sie«, sagte Kai so leise, dass es durch die Musik kaum zu hören war. »Aber ich werde mich gut um Brittany kümmern und sie zu gegebener Zeit zur Loge begleiten.« »Ist das okay für dich?« Josie richtete sich direkt an Brittany, bisher hatte nur Kai geredet. Brittanys Gesicht war von einer sanften Röte überzogen und sie lächelte; es war ein Lächeln, das frei war von Anspannung oder Unbehagen. »Alles in Ordnung. Danke, Josie. Ich komme gleich zu dir und den Mädels.« »Lass dir Zeit«, meinte Josie lächelnd. »Das wird sie«, murmelte Kai. 24 Ash hatte sich mit einem Drink in der Hand auf der Couch ausgestreckt, während Gabe ihm gegenüber entspannt im Sessel hing. Sie hatten das Essen, das Gabe auf dem Weg zu Ash in einem Imbiss besorgt hatte, verschlungen, und nun sah Ash auf die Uhr und grinste. »Was meinst du: Wie betrunken sind sie mittlerweile?« Gabe verzog das Gesicht. »Ich bin mir sicher, dass sie auf einem guten Weg sind.« Ash lachte leise, obwohl die Zeit in seinen Augen viel zu langsam verrann. Er wollte, dass Josie wieder hier war … betrunken und süß. Und er sehnte sich danach, sie in dem Kleid und den Schuhen zu sehen, die sie gekauft hatte. Sie hatte ihn noch nicht einmal bei der Anprobe im Laden einen Blick darauf werfen lassen, sondern nur gesagt, dass ihm das Endergebnis vermutlich gefallen würde. Himmel, sie würde ihm auch eingehüllt in einen Jutesack oder mit einer Papiertüte über dem Kopf gefallen. Ihm war egal, was sie anhatte, er würde es ihr ohnehin so schnell wie möglich vom Leib reißen. Was unter der Kleidung war, zählte. Aber die Vorstellung, sie mit Make-up, hohen Absätzen und glasigen Augen zu sehen? Es machte ihn schon an. Er hatte Gabe und Jace häufig genug zugehört, um zu wissen, dass er sich einen Mädelsabend nicht entgehen lassen sollte. Keiner von ihnen hatte ein Problem damit, dass ihre Frau ausging und Spaß hatte, weil sie hinterher zu ihnen nach Hause kam und die Belohnung recht spektakulär ausfiel. Als Ashs Handy klingelte, griff er sofort danach, es konnte schließlich Josie sein. Der Abend verlief vermutlich gut, und sie war hoffentlich entspannt und hatte Spaß. Überrascht bemerkte er, dass der Anruf vom Portier kam. »Ash«, meldete er sich kurz angebunden. »Mr McIntyre, hier unten sind Besucher für Sie. Sie wollten gleich hoch, aber ich hielt es für besser, Sie erst anzurufen. Sie sagen, sie sind Ihre Eltern.« »Grundgütiger«, stieß Ash leise hervor. Mussten sie jetzt hier aufschlagen? Ausgerechnet heute Abend? Sie hatten noch nie einen Fuß in das Haus gesetzt, in dem sein Apartment lag, ebenso wenig, wie sie ihn je in seinem Büro aufgesucht hatten. Verdammt! Vor dem plötzlichen Auftauchen seiner Mutter bei dem Lunch vor ein paar Tagen hatte er sogar ernsthaft gezweifelt, ob sie überhaupt je eines seiner Hotels betreten hatten. Das Vorgehen war also ein Zeichen von arger Bedrängnis. Seine Mutter hatte nach der Szene im Restaurant mit ihm »reden« wollen, und er hatte ihr unmissverständlich klargemacht, dass er kein Interesse daran hatte, irgendetwas mit ihr zu besprechen. Er hatte ihr weiteren Zutritt zu seinen Hotelanlagen untersagt, aber vielleicht hätte er das Verbot ausweiten sollen. Andererseits war er gar nicht auf die Idee gekommen, dass sie hier auftauchen könnten. Ihr Stil war eher, ihn zu sich zu zitieren. Er sah zu Gabe, der ihn mit gerunzelter Stirn musterte. Ash schüttelte den Kopf, um ihm zu signalisieren, dass der Anruf nichts mit ihren Frauen zu tun hatte. »Ich komme runter. Lassen Sie sie nicht hochfahren. Oder besser gesagt: Lassen Sie sie nie hochfahren, wenn sie jemals wieder hier auftauchen sollten. Sie haben hier keinen Zutritt«, stieß Ash hervor. »Ich komme herunter und kümmere mich persönlich um die Angelegenheit. Aber wenn sie in Zukunft hier auflaufen, schmeißen Sie sie raus. Und auf gar keinen Fall lassen Sie sie hoch, wenn ich nicht da bin. Nur Josie.« »Ja, Sir.« Ash beendete das Gespräch und stand auf. »Was zum Teufel ist los?«, wollte Gabe wissen. »Meine Eltern statten mir einen Besuch ab«, erklärte Ash trocken. »Ich gehe nach unten, um ihnen mitzuteilen, dass sie nicht willkommen sind.« »Shit«, fluchte Gabe. »Ich begleite dich.« »Nicht nötig«, erwiderte Ash ruhig. »Bleib einfach hier. Ich bin gleich wieder da.« Gabe stand auf. »Ich habe nicht gesagt, dass es nötig ist. Aber ich komme mit.« Ash zuckte die Achseln. Die meisten Menschen hätten vermutlich etwas dagegen gehabt, ihre dreckige Wäsche und ihr Familiendrama vor anderen auszubreiten. Aber Gabe war nicht einfach irgendwer, er gehörte zu Ashs richtiger Familie, genau wie Jace. Und Gabe wusste alles, wirklich alles Wissenswerte über seine Mutter. Außer, dass sie sich neulich beim Mittagessen hatte blicken lassen. Dabei hatte er es gar nicht vor Gabe oder Jace verheimlichen wollen, es war ihm einfach entfallen. Er war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. »Sie ist neulich schon mal überraschend aufgetaucht«, erzählte Ash, als sie den Fahrstuhl betraten. »Ich war mit Josie und Brittany beim Lunch im Bentley, als sie hereinmarschiert kam und eine Szene machte. Ich habe sie vom Sicherheitspersonal hinausbegleiten lassen und Anweisung gegeben, ihr den Zutritt zu allen Hotelanlagen zu verwehren.« »Himmel. Hört die denn nie auf?« Ash schüttelte den Kopf. »Offensichtlich nicht. Sie hat Britt und Josie beleidigt. Dann wollte sie reden. Als würde ich dem zustimmen, das täte ich ja nicht einmal, wenn sie vorher nicht ihr Gift über Britt und Josie gespritzt hätte.« Gabe schüttelte den Kopf. »Es ist traurig, aber vielleicht solltest du eine einstweilige Verfügung erwirken, dann werden sie beim nächsten Mal verhaftet, wenn sie dich belästigen. Vielleicht würden sie ja dann begreifen, wie ernst es dir ist, und sich von dir und Brittany fernhalten.« »Das werde ich ihr von Angesicht zu Angesicht klarmachen«, sagte Ash, und seine Miene spannte sich in Anbetracht der bevorstehenden Auseinandersetzung an. Er verspürte keinerlei Bedürfnis, einen Streit mit seinen Eltern in der Lobby seines Wohnhauses auszutragen, aber er würde sie auf keinen Fall in seine Wohnung lassen. Das war sein Heiligtum. Und Josies. Er würde niemanden eindringen lassen, den er verabscheute. Und ganz gewiss würde er diese Geschichte auch nicht in ihrem Revier austragen. Er würde ihnen nicht die Befriedigung bieten, zu ihnen zu kommen. Niemals. Als sie aus dem Fahrstuhl stiegen, warteten Ashs Mutter und sein Vater in der Lobby. Keiner von beiden wirkte glücklich, und als sie sich zu ihm umwandten, war in ihren Augen kein Anzeichen von Freude zu erkennen. Sie gaben mit nichts zu erkennen, dass es ihr Sohn war, der auf sie zukam. Aber so war es ja schon immer gewesen. Ash konnte es nicht begreifen. Er verstand nicht, wie man seinen eigenen Kindern gegenüber so kalt sein konnte. Er wollte verdammt sein, wenn er seine eigenen Kinder jemals so behandeln würde. Er ging auf sie zu und blieb ein paar Meter vor ihnen stehen. Seine gesamte Haltung strahlte eisige Kälte aus. Er starrte sie so lange regungslos an, bis sein Vater tatsächlich zusammenzuckte und den Blick abwandte. Er wirkte schuldbewusst. »Warum seid ihr hier?«, kam Ash direkt zur Sache. Der Blick seiner Mutter glitt über ihn und huschte dann zu Gabe. Ihre Augen funkelten verärgert. »Also wirklich, Ash, das ist eine Privatsache. Könnten wir uns nicht ungestört unterhalten? Vielleicht in deiner Wohnung?« »Gabe gehört zur Familie«, erklärte Ash mit ausdrucksloser Miene. »Alles, was du zu sagen hast, kannst du vor ihm sagen.« Sie rümpfte geziert die Nase und nahm dann eine andere Haltung ein. Er hätte schwören können, dass sie tatsächlich versuchte … nett zu wirken. Ja, fast schon bittend. Seine Nackenhaare stellten sich auf, weil sie plötzlich einem blutdurstigen Vampir ähnelte, der sich näherte, um sein Opfer auszusaugen. »Ich wollte mich für mein unglückseliges Verhalten Anfang der Woche entschuldigen.« Sie errötete, und fast schien es, als drohte sie an den Worten zu ersticken. Und die Gefahr bestand durchaus. Das Aussprechen von Entschuldigungen gehörte nicht zu ihren täglichen Gewohnheiten. »Entschuldigung angenommen. So, ist noch was?« Für einen Moment flammte Wut in ihrem Blick auf, doch dann riss sie sich zusammen und nahm erneut Haltung an, in dem deutlichen Versuch, sympathisch zu wirken. »Dein Großvater würde uns gerne alle zu einem Abendessen versammeln. Brittany auch. Er – und ich – möchten gern, dass du auch kommst. Deine Brüder samt Ehefrauen und Kindern werden natürlich auch da sein.« Ash zögerte keine Sekunde mit der Antwort. »Auf gar keinen Fall.« Sein Vater räusperte sich und ergriff zum ersten Mal das Wort. »Ich wünschte, du würdest dir das noch einmal überlegen, Sohn.« Ash sah ihn angewidert an. »Sohn? Wann bin ich je dein Sohn gewesen? Ich schlage vor, ihr hört mit dem Gesülze auf und sagt mir endlich, was ihr eigentlich wollt. Denn es ist ja wohl klar, dass es nicht um ein trautes Zusammensein in der Familie geht.« Seine Mutter presste die Lippen aufeinander, und ihre Augen sprühten Funken. Jetzt versuchte sie nicht mehr, ihre Verärgerung zu verbergen. »Er will sein Testament ändern. Er ist sauer, weil es mit der Familie den Bach runtergeht, wie er sich ausdrückt. Er ist nicht glücklich darüber, dass Brittany sich von allen abgewandt hat. Er meint, wenn ich mütterlicher wäre, würden meine Kinder mich nicht so abgrundtief verabscheuen. Er macht Andeutungen, dass wir anfangen könnten, uns gegenseitig zu unterstützen, und dass er es satt hat, Geld in eine Schlangengrube zu pumpen. Er sagt, wenn ein Vater und eine Mutter nicht einmal die Familie zusammenhalten können, sieht er nicht ein, das zu belohnen, indem er uns sein Vermögen hinterlässt.« Ash lachte, was seine Mutter nur noch wütender machte. »Das betrifft auch dich«, zischte sie. »Und Brittany! Wenn er uns aus seinem letzten Willen ausschließt, dann betrifft das uns alle. Du bekommst keinen Penny und Brittany genauso wenig.« Ash schüttelte immer noch leise lachend den Kopf. »Offensichtlich hast du mir all die Jahre nie zugehört, liebste Mutter. Das Geld des alten Herrn ist mir egal. Es war mir immer egal. Es ist an zu viele Bedingungen geknüpft. Genau wie bei dir alles an Bedingungen geknüpft ist.« »Wenn es dir egal ist, dann denk zumindest daran, welche Folgen es für deine Schwester hätte. Sie wird auch nichts bekommen.« »Ich werde für Brittany sorgen, also können ihr das Geld des alten Herrn und seine Bedingungen auch egal sein«, erklärte Ash eisig. »Sie will nicht mehr Teil dieser giftigen Familie sein. Genauso wenig wie ich. Sie wollte raus. Ich habe ihr diese Möglichkeit gegeben.« Die Hände seiner Mutter ballten sich zu Fäusten. Sie drehte sich zu seinem Vater um und schrie ihn fast an. »Tu doch etwas, William! Steh nicht einfach nur rum wie ein Feigling. Wir sind ruiniert, wenn er sein Testament ändert!« »Es gibt nichts, was er tun könnte«, erklärte Ash ruhig. »Und es gibt auch nichts, was du sagen könntest, um mich dazu zu bringen, bei der Sache mitzuspielen. Meine Brüder sind mir egal, genauso wie die Tatsache, dass sie nicht in der Lage sind, Frau und Kinder zu ernähren. Du und Dad, ihr seid mir egal. Das hast du dir selber eingebrockt … jetzt kannst du die Suppe auch auslöffeln. Brittany und ich haben damit nichts zu tun.« »Ich hasse dich«, zischte seine Mutter. Er zuckte zusammen, obwohl er es immer gewusst hatte. Doch diese Worte tatsächlich aus dem Munde der Frau zu hören, die ihn geboren hatte, war hart. »Elizabeth, hör auf damit«, fuhr sein Vater sie an. »Das meinst du doch nicht so. Um Himmels willen … er ist unser Sohn. Ist es denn verwunderlich, dass er nichts mit uns zu tun haben will, wenn du so mit ihm redest? Überleg mal, was du sagst.« Aber Ash wusste, dass sie jedes einzelne Wort so gemeint hatte. Er konnte es in ihren Augen erkennen. Es war da, seit er seine Familie verlassen hatte und eigene Wege gegangen war. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ihr geht«, erklärte Ash ruhig. »Und kommt nicht zurück. Ihr seid hier nicht willkommen. Ihr seid in keiner meiner Anlagen willkommen. Und ich warne euch: Haltet euch von Brittany fern. Haltet euch von mir fern. Und ganz bestimmt haltet ihr euch von Josie und dem Rest meiner Familie fern. Wenn ihr euer Gift in eine dieser Richtungen versprüht, bekommt ihr es mit mir zu tun. Ich werde euch alles nehmen. Und darüber hinaus werde ich dafür sorgen, dass der alte Herr seinen letzten Willen auf jeden Fall ändert und euch nichts hinterlässt. Wenn ihr denkt, es wäre mir nicht todernst damit, könnt ihr es ja versuchen.« »Du bluffst doch nur«, keifte seine Mutter. Ash zog eine Augenbraue hoch und sah sie durchdringend an. Er sagte kein Wort. Das war auch nicht nötig. Sie erbleichte und wandte den Blick ab. Und erbleichte wenn möglich noch mehr, während ihr klar wurde, dass er es tatsächlich ernst meinte. Als sie ihn wieder ansah, wirkte sie … alt. Verhärmt und vollkommen erschöpft. Sie trat einen Schritt vor und streckte ihre Hand nach seinem Arm aus. Er musste sich sehr beherrschen, nicht zusammenzuzucken. »Ash, bitte. Ich flehe dich an. Tu das nicht. Wenn du willst, dass wir verschwinden, tun wir das. Ich werde nie wiederkommen. Nicht einmal zu Brittany. Wenn du ihn dazu bringst, seine Meinung zu ändern. Ich schwöre dir, dass du uns nie wieder sehen wirst – außer du willst es –, wenn du nur zu einem einzigen Abendessen kommst. Das gebe ich dir auch schriftlich. Was immer du willst. Lass deinen Hass nicht das Leben deiner Brüder ruinieren. Denk an ihre Kinder. Ihre Frauen. Denk an deinen Vater und an mich. Wir hätten nichts.« »Lass dir keinen Scheiß von ihr erzählen, Ash«, knurrte Gabe, der sich zum ersten Mal einmischte. Ash hob eine Hand. »Ich werde nicht zu diesem Abendessen gehen. Und ich werde Britt dem auf gar keinen Fall aussetzen. Und Josie auch nicht. Und wohin ich gehe, geht sie auch. Damit das klar ist.« Als seine Mutter merkte, dass es möglicherweise ein Hintertürchen gab, beugte sie sich eifrig vor. »Du brauchst nicht zu dem Essen zu kommen. Aber triff dich mit ihm, Ash. Du könntest die Geschichte, warum Brittany gegangen ist, ein bisschen anders darstellen. Erzähl ihm, was du willst. Erzähl ihm, dass wir uns wieder versöhnt hätten. Tu einfach, was du kannst, um ihn dazu zu bringen, uns in seinem Testament nicht zu übergehen.« »Gütiger Himmel«, stieß Gabe hervor. »Ist das erbärmlich.« Sie bedachte Gabe mit einem eisigen Blick, der so voller Hass war, dass Ash zusammenfuhr. Was zum Teufel stimmte nicht mit diesen Leuten? Wie konnte er bloß ein Kind dieser selbstsüchtigen, unzufriedenen Menschen sein? »Ich werde den alten Herrn anrufen«, bot Ash an. Gabe schüttelte voller Widerwillen den Kopf. »Aber das ist auch schon alles, was ich tun werde«, fuhr Ash fort. »Und ich sage euch jetzt ein für alle Mal, dass dieser Mist aufhört. Wenn ich höre, dass ihr euch Britt oder Josie nähert, wenn ihr noch einmal in einem meiner Hotels auftaucht, in meinem Büro oder vor allem bei mir zu Hause, werde ich euch so schnell den Teppich unter den Beinen wegziehen, dass ihr euch das Genick brecht. Verstanden?« Sie nickte schnell, und in ihren Augen blitzte Hoffnung auf. Das Wort »Verzweiflung« beschrieb wohl noch nicht einmal annähernd ihren Zustand. Die Tatsache, dass sie sich so gedemütigt hatte, ihn überhaupt um etwas zu bitten, zeigte ihm, wie verzweifelt und verängstigt sie sein musste. Er sollte einfach gehen, einfach nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Aber das war seine Familie. Seine Blutsverwandten. Auch wenn er keine verwandtschaftliche Beziehung zu ihnen pflegen wollte, hinterließ die Vorstellung, dass sie Not leiden könnten, einen bitteren Geschmack in seinem Mund. »Verschwindet«, sagte Ash. »Die Sache ist für mich erledigt. Ich werde mir von euch nicht den Abend verderben lassen.« »Danke, Sohn«, sagte sein Vater mit ruhiger Stimme. »Das bedeutet deiner Mutter sehr viel. Es bedeutet mir sehr viel. Und deinen Brüdern auch. Sag Brittany …« Er verstummte und rieb sich das Gesicht. »Sag Brittany, dass ich sie liebe, dass ich sie vermisse und hoffe, dass es ihr gut geht.« Ash nickte und sah dann demonstrativ zur Tür. Seine Mutter, die offensichtlich zufrieden war und das Gefühl hatte, diese Runde gewonnen zu haben, wirbelte herum und stolzierte hocherhobenen Hauptes aus dem Haus. Als Ash sich zum Fahrstuhl umdrehte, starrte Gabe ihn mit angeekelt verzogenem Mund an. »Himmel, Ash, wie schrecklich ist das denn? Ich wusste, dass sie schlimm sind, aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ja keine Ahnung, wie schlimm.« Ash zuckte die Achseln. »Wie heißt es doch so schön? ›Seine Freunde kann man sich aussuchen … die Familie nicht.‹« 25 Josie folgte Bethany und Mia, die wiederum von Caroline und Brandon zu einer Loge oberhalb der Tanzfläche geführt wurden. Von hier aus konnte man gut aus dem Raum nach unten schauen, doch Brandon versicherte ihnen, dass niemand zu ihnen hineinsehen konnte. Somit waren sie unter sich. »Ich schaue später noch mal nach euch«, sagte Brandon zu Caroline und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. Caroline ließ sich neben Josie auf das bequeme Sofa fallen. Mia setzte sich auf die andere Seite von Caroline, und Bethany hockte sich auf die Lehne. »Du ziehst also nach Las Vegas«, sagte Mia leise. Carolines Augen füllten sich mit Tränen. »Ja. Brandon möchte aber vorher noch heiraten. Wir haben noch sechs Wochen, ehe Brandon seinen neuen Job antritt, und in der Zeit müssen wir in Vegas eine Wohnung finden, heiraten und umziehen. Mr Wellington ist in jeder Hinsicht super. Er zahlt den Umzug und unterstützt uns auch bei der Anzahlung des Hauses. Er wirbt sehr um Brandon und möchte ihn langfristig an sich binden. Er verdoppelt Brandons Gehalt, sodass wir uns in finanzieller Hinsicht keine Sorgen machen müssen und ich genug Zeit habe, in Vegas einen Job zu finden.« »Das ist wunderbar, Caro«, meinte Mia mit sanfter Stimme. »Aber ich werde dich schrecklich vermissen.« »Wir werden dich alle vermissen«, korrigierte Bethany. »Ein Mädelsabend ohne dich ist einfach nicht dasselbe!« Caroline umarmte beide und stand dann auf. »Ich gehe mal kurz auf die Damentoilette und schaue dann nach den anderen. Außerdem werde ich mir die Kellnerin schnappen und ihr sagen, dass wir noch eine Runde wollen. Bin gleich wieder da.« Mit unglücklicher Miene sah Mia ihrer Freundin hinterher. Sie seufzte. »Verdammt, ich werde sie so sehr vermissen.« »Ich weiß«, sagte Bethany. »Ich auch. Aber du hast ja immer noch uns, Mia.« Mia schaute auf, lächelte und griff dann impulsiv nach Josies und Bethanys Hand, um sie zu drücken. »Okay, jetzt sind wir endlich unter uns, und ich muss gestehen, Josie, dass Bethany und ich vor Neugier platzen, was dich und Ash betrifft. Ich hoffe, wir treten dir nicht zu nahe, aber wir wollen unbedingt alles wissen!« Josie lachte. »Nein, ihr tretet mir nicht zu nahe. Aber ich fürchte, ich muss euch enttäuschen. In unserer Beziehung gibt es nichts besonders Aufregendes.« Mia schnaubte. »Entschuldige, aber ich glaube dir kein Wort! Als Erstes musst du uns einfach erzählen, ob er gut im Bett ist. Ich nehme an, Bethany weiß es schon, aber ich muss gestehen, dass ich neugierig bin!« Sofort schlug sie sich die Hand auf den Mund, und ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Oh mein Gott, Josie! Es tut mir so leid!« Mia stieß ein leises Stöhnen aus und vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich bin ja so dumm. Wirklich. Gabe und Jace werfen mir ständig vor, dass ich immer mit allem herausplatze, was ich gerade denke, ohne vorher nachzudenken.« Josie lächelte schief. »Schon okay, Mia. Wirklich. Ich weiß über Bethany und Ash Bescheid.« Sie sah Bethany an und stellte fest, dass die Frau noch erschrockener war als Mia. Ihr Gesicht war gerötet, und ihr Unbehagen spiegelte sich in ihrem Blick. »Ich hoffe, du verstehst es«, sagte Bethany. »Ich meine, dass es für Ash überhaupt keine Bedeutung hatte. Oh Gott, das hier ist sogar noch peinlicher als der Moment, in dem Jace und ich Ash das erste Mal nach dieser Nacht gesehen haben.« Josie nahm Bethanys Hand. »Lass das, bitte. Es ist okay. Wirklich. Ich muss gestehen, dass ich Angst davor hatte, dich kennenzulernen, als Ash mir erzählte, was passiert war. Ich war nicht wild darauf, meine Zeit mit einer Frau zu verbringen, die Sex mit Ash hatte. Ich hasste die Vorstellung, mir auszumalen, wie es zwischen euch war. Aber nachdem ich dich kennengelernt hatte, war es okay für mich. Als ich dich mit Jace zusammen sah, hat mir das in vielerlei Hinsicht bei der Erkenntnis geholfen, dass außer einer tiefen Freundschaft zwischen dir und Ash nichts ist.« »Ich bin froh, dass du es so siehst«, erwiderte Bethany ernst. »Ich liebe Ash, wirklich. Aber wie einen Freund; denn Jace bete ich förmlich an.« »Ich gehe mal davon aus, dass ich uns jetzt die Chance vermasselt habe, jemals alles über dich und Ash zu erfahren, Josie«, meinte Mia niedergeschlagen. Josie lachte. »Nun, so würde ich das nicht sehen. Ihr könntet mir ja auch etwas über euch erzählen. Zum Beispiel, ob das ein Halsband ist, das du umhast, Bethany? Oder ist es nur ein Schmuckstück?« Bethany errötete, als sie nach dem Diamanten fasste, der in ihrer Halsbeuge ruhte. »Es ist ein Halsband«, bestätigte sie leise. »Jace wollte, dass ich es trage. Ich nehme es nie ab.« »Ist deins auch ein Halsband, Josie?«, fragte Mia. Josie nickte. »Verdammt«, brummte Mia. »Ich will auch eins haben. So ein Halsband ist cool. Ich fände es so schön, wenn Gabe eins für mich aussuchen und mir anlegen würde. Aber er ist für Halsbänder nicht so zu haben. Und um ehrlich zu sein … bei Bethany habe ich es zum ersten Mal überhaupt gesehen. Die Bedeutung, die so ein Halsband hat, ist schon fantastisch.« Sowohl Bethany als auch Josie nickten. Josie trank ihr Glas aus und stellte es auf den Tisch vor dem Sofa. Sie war schon ziemlich angetrunken, aber noch lange nicht völlig blau. Sie streifte die Schuhe von ihren schmerzenden Füßen und konnte ein Seufzen nur mit Mühe zurückhalten, als sie die Zehen streckte. »Oh, da ist Jace«, sagte Mia. Sie war an die Glaswand getreten, um einen Blick nach unten zu werfen. Sie drehte sich zu Bethany um. »Er ist früh dran, oder? Oder haben wir einfach noch nicht genug getrunken?« »Ich glaube, wir haben nicht so viel getrunken wie sonst«, meinte Bethany seufzend. »Oh, verdammt. Das müssen wir jetzt schnell nachholen. Und die einzige Möglichkeit, die ich kenne, schnell betrunken zu werden, sind Kurze!« »Gütiger Himmel«, sagte Josie. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Schnaps getrunken.« »Das wird schon«, meinte Mia. »Nach dem ersten schmeckst du die Nächsten eigentlich gar nicht mehr.« In diesem Moment ging die Tür auf, und die anderen Frauen kamen lachend herein. Und mit ihnen die Kellnerin, die Getränke verteilte und Mias Bestellung entgegennahm. »Kurze?«, fragte Caroline. »Seit wann trinken wir Kurze?« »Seit wir noch nicht einmal ansatzweise betrunken genug sind«, erwiderte Mia trocken. »Jace ist schon da, was bedeutet, dass wir nicht mehr viel Zeit haben. Wir müssen aufholen!« »Bringen Sie eine Flasche«, rief Chessy der Kellnerin zu. »Oder lieber gleich zwei! Wir sind heute Abend ziemlich viele.« Alle verteilten sich auf den Sofas und Sesseln und streiften schwungvoll ihre Schuhe ab. Kurz darauf kam die Kellnerin mit den Schnapsgläsern samt Inhalt zurück. »Hat jede einen?«, rief Trish schließlich. Alle stimmten zu, und Gina hielt ihr Glas zum Toast hoch. Die anderen folgten ihrem Beispiel und stürzten den Inhalt unter gegenseitigen Anfeuerungsrufen herunter. Brennend rann der Schnaps durch Josies Kehle, und sie musste so sehr husten, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie konnte ihn in ihrem Magen spüren. Himmel, sie spürte ihn sogar in ihrer Blase, in die er heiß hineinschoss. Sofort hatte sie das Gefühl, zur Toilette zu müssen. »Und gleich den Nächsten!«, rief Trish. Alle füllten erneut ihr Glas, prosteten sich zu und stürzten den Inhalt herunter. Aus Richtung Tür ertönte ein leises Lachen. Die Frauen wandten blitzschnell den Kopf und sahen Jace mit Brandon im Türrahmen stehen. Beide Männer wirkten amüsiert, Jace grinste breit. Dann trat er zur Seite, und hinter ihm erschien Brittany mit gerötetem Gesicht und strahlenden Augen. Hinter ihr stand Kai Wellington. Er hielt ihren Ellbogen, ließ ihn aber los, als sie sich in Bewegung setzte. »Tut mir leid, dass ich so spät komme«, erklärte sie atemlos. »Habt ihr mir was aufgehoben?« Gina warf ihr ein Schnapsglas zu, das Brittany geschickt auffing und abstellte, sodass Mia es mit Tequila füllen konnte. Sie waren vollkommen verrückt. Alle miteinander. Josie eingeschlossen. Sie musste ja wohl verrückt sein, bei so etwas mitzumachen, sie würde morgen total verkatert sein. Aber jetzt? Jetzt hatte sie richtig Spaß. »Ach, ich war so neidisch auf euch alle«, meinte Brittany wehmütig. Bethany neigte den Kopf zur Seite und sah sie fragend an. »Worauf denn?« »Weil ihr alle einen Mann habt, zu dem ihr zurückkehrt. Ihr habt immer nur davon geredet, wie süß sie euch finden, wenn ihr betrunken seid. Wie sie euch die Kleider vom Leib reißen und es euch besorgen, während ihr noch eure Stilettos anhabt.« Ihre Miene verdunkelte sich noch mehr. »Ich hatte nie einen Mann, der das tun wollte.« »Bis heute«, meinte Kai, der immer noch in der Tür stand, gedehnt. Brittany lief knallrot an, aber ihr Blick wurde weich, als sie sich zu ihm umdrehte. »Huch«, sagte Mia leise. »Brittany, Süße, ich glaube, du hast einen Volltreffer gelandet.« Brittany grinste. »Ja, vielleicht!« »Da gibt’s kein Vielleicht, Schätzchen«, sagte Kai mit einem leisen Knurren. »Hab Spaß mit deinen Freundinnen, aber anschließend kommst du mit zu mir nach Hause.« »Ich glaub, ich bin gerade gekommen«, hauchte Gina. »Ganz ehrlich«, sagte Trish. »Ich muss meine Unterwäsche wechseln. Gütiger Himmel, Brittany. Der ist echt heiß!« Brittanys Lächeln war so strahlend, dass es den gesamten Raum erhellte. Sie griff nach dem vollen Schnapsglas und stürzte es in einem Zug herunter. »Machen die das regelmäßig?«, fragte Kai lachend. »Ja«, kam es von Jace und Brandon wie aus einem Munde. »Warum dreht sich der Raum eigentlich?«, fragte Josie, die versuchte zu schielen, um das Kreisen zu stoppen. »Kai, Ihnen gehört doch der Club«, sagte Brandon. »Warum dreht er sich?« Kai lachte leise. »Er dreht sich nicht, meine Liebe. Bei Ihnen dreht sich alles durch den Alkohol.« »Warum schenken Sie dann Alkohol aus, durch den sich bei den Leuten alles dreht?«, fragte Bethany erstaunt. Dieses Mal lachte Jace laut auf. »Es wird noch schlimmer«, meinte Brandon seufzend. »Sie haben im Grunde gerade erst angefangen.« Die Kellnerin eilte durch den Raum, entsorgte leere Gläser und ersetzte sie durch randvoll gefüllte. Sie überprüfte kurz die erste Flasche, die sie gebracht hatte, und stellte dann eine neue daneben. »Sie macht das echt klasse«, murmelte Caroline, während sie nach einem weiteren Glas griff. »Wir sollten sie mit nach Vegas nehmen, Brandon.« »Trinkt, Mädels. Der Abend ist noch jung!«, kreischte Chessy. Josie stürzte zwei weitere Schnäpse hinunter, doch ihr tränten fast ununterbrochen die Augen. Sie vertrug wirklich gar nichts. Wenn sie noch mehr Schnaps zu sich nahm, würde sie sich übergeben müssen. Um sie herum drehte sich alles, wie im Todeskarussell. Außerdem sah sie jetzt alles doppelt, was den ohnehin schon vollen Raum noch voller machte. »Wie wäre es mit ein bisschen Musik?«, rief Mia plötzlich. »Wir haben uns doch genug unterhalten, oder? Wer will mit mir tanzen?« Josie hob die Hand. »Ich will! Aber jemand muss mir aufhelfen.« Nicht weniger als drei Paar Hände zogen Josie hoch. Mia drückte auf einen Knopf, sodass die Musik durch die Lautsprecher hereinströmte. Die Mädchen sprangen kreischend auf und hüpften und drehten sich zur Musik. »Das macht Spaß!«, rief Josie laut. »Da kannst du Gift drauf nehmen«, brüllte Mia zurück. »Danke, dass ihr mich mitgenommen habt!«, rief Brittany. »Ich hatte richtig Spaß, und jetzt will Kai mich hinterher auch noch mit nach Hause nehmen. Oh Gott! Soll ich es tun?« Josie sah benommen zur Tür, wo die Männer Brittanys trunkene Frage bestimmt gehört hatten. Kais Lippen verzogen sich vor Erheiterung. »Wer gibt mir seine Stimme?« Josie drehte sich wieder zu Brittany um. »Willst du denn?« Brittany zwinkerte. »Ich will auf jeden Fall.« »Solange er mir seine Telefonnummer gibt und mir sagt, wo er wohnt, damit ich morgen überprüfen kann, dass es dir gut geht und du nicht im Schlaf von ihm umgebracht worden bist … dann ja, mach es«, erwiderte Josie. Wieder wurde an der Tür gelacht, aber Josie ignorierte die Männer. Sie hatte zu viel Spaß beim Tanz mit ihren neuen Freundinnen. Sie waren wirklich großartig. Genau wie Ash gesagt hatte. Sie schloss die Augen und tanzte mit hocherhobenen Armen Rücken an Rücken mit Mia und wackelte dabei mit dem Po. Ashs Handy klingelte, und er sah, dass es Jace war. »He, treiben die Frauen dich schon in den Wahnsinn?« Jace lachte leise. »Du solltest lieber herkommen, Ash.« Ash sah alarmiert zu Gabe hinüber, der die Unterhaltung aufmerksam verfolgte. »Was ist los?«, fragte Ash schroff. »Geht’s ihnen gut?« »Oh ja. Denen geht’s gut. Aber ich glaube, wir müssen zu Plan B übergehen.« »Wie lautet Plan B?« »Nun, Plan A sah vor, dass ich alle in die Limousine verfrachte und nach Hause fahre, nachdem sie sich betrunken haben und Spaß hatten. Doch im Moment liegen sie alle auf dem Boden einer Loge, starren die Decke an und reden Blödsinn. Ich habe keine Ahnung, worüber sie reden. Wenn du den Abend noch irgendwie retten willst, solltest du herkommen, deine Frau einsammeln und nach Hause schaffen.« Ash lachte leise. »Gabe und ich sind gleich da. Pass bis dahin auf sie auf.« »Mach ich«, sagte Jace und legte auf. »Was zum Teufel ist los?«, wollte Gabe wissen. Ash lachte. »Laut Jace sind sie ziemlich betrunken. Er sagt, sie liegen in einer der Logen auf dem Boden, und er meint, wir sollten sie besser abholen, wenn wir heute Abend noch etwas vorhaben.« »Ich fahre mit dir und rufe meinen Fahrer von unterwegs aus an, er soll sich vor Ort mit uns treffen.« Ash nickte. »Dann mal los.« Zwanzig Minuten später hielten sie vor dem Club. Ash trug dem Fahrer auf, ein bisschen weiter weg zu parken und zu warten. Dann stiegen er und Gabe aus und gingen zum Eingang. Die Schlange der Wartenden war immer noch lang, aber glücklicherweise wartete Brandon draußen schon auf sie. Ohne ihn wären sie nicht hineingekommen. »Will ich überhaupt wissen, was hier los war?«, fragte Gabe Brandon auf dem Weg hinein. Brandon lachte. »Nein, ich glaube nicht. Aber sie hatten einen schönen Abend. Niemand hat sie irgendwie angemacht. Der Besitzer des Clubs hat fast den gesamten Abend mit ihnen verbracht, und die Sicherheitsleute waren immer in der Nähe.« »Wer ist dieser Besitzer, und warum zum Teufel hat er mit unseren Frauen abgehangen?«, wollte Ash wissen. Brandon lachte wieder. »Er hat nicht mit den Frauen abgehangen, sondern nur mit einer. Er scheint großen Gefallen an Brittany zu finden. Er hat den ganzen Abend an ihr geklebt, das ist sonst eigentlich gar nicht sein Stil. Es mangelt zwar nicht gerade an Frauen, die ihm Gesellschaft leisten möchten, aber es kommt selten vor, dass er von sich aus die Nähe zu einer Frau sucht, wie er es bei Brittany getan hat.« Ashs Miene verfinsterte sich. Der Mann sollte sich besser von seiner Schwester fernhalten. Brandon führte sie eine Treppe hinauf in den ersten Stock, wo Logen und Tischgruppen im Halbkreis über der Tanzfläche angeordnet waren. Brandon klopfte leise an eine der Türen, und als sie aufging, fiel Ashs Blick auf Jace und einen Mann, den er nicht kannte. Jace schaute auf, und sofort breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, und er bedeutete ihnen mit einer Kopfbewegung, ins Separee zu treten. Ash und Gabe trauten ihren Augen nicht. Überall waren Frauen. Richtig schöne Frauen. Sie boten ein Bild, von dem Männer sonst nur träumten. Ein Raum voller herrlicher, sehr betrunkener Frauen. Aber sein Blick richtete sich nur auf eine. Josie. Sie lag am Ende des Sofas, ihr Arm hing über der Lehne. Mia lag etwas weiter zur Mitte hin, mit dem Kopf auf Josies Hüfte. Bethany hatte sich in der entgegengesetzten Richtung ausgestreckt, sodass ihre Füße bis zu Josies Brust reichten. Chessy, Gina und Trish lagen in unterschiedlichen Stellungen auf dem Boden, während Caroline mit den Beinen über der Armlehne in einem Sessel hing. Sie waren zwar nicht bewusstlos, bekamen aber von dem Geschehen um sie herum nichts mehr mit. Ash lachte leise, und auf Gabes Gesicht hatte sich ein breites Grinsen ausgebreitet. Die anderen Männer waren nicht weniger angetan von dem Anblick. »Was zum Teufel sollen wir jetzt mit ihnen machen?«, fragte Ash leise. Gabe grinste arrogant und selbstgefällig. »Wenn ich dir das erst sagen muss, ist dir echt nicht mehr zu helfen.« Josie, die die Stimmen offensichtlich gehört hatte, schaute auf. Ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht, ihr Blick aber war verhangen. Sie wackelte mit dem Kopf, während sie sprach. »Hallo Liebling«, trällerte sie. »Wusstest du, dass es dich zwei Mal gibt? Jetzt müssen wir nicht mehr mit dem Plug improvisieren. Es gibt jetzt zwei von dir. Das würde einen fantastischen Dreier ergeben. Ich, du und du! Ich mein ja nur.« Gabe, Jace und Brandon lachten sich fast tot. Ash stöhnte und eilte zu Josie, um ihr den Mund zuzuhalten. »Himmel, Süße. Du hörst jetzt sofort auf zu reden.« Sie lächelte unter seiner Hand. Als er sie wieder wegzog, schenkte sie ihm ein so strahlendes, nichts ahnendes Lächeln, dass ihm der Atem stockte. »Bringst du mich jetzt nach Hause, um es mit mir zu tun, während ich diese hochhackigen Schuhe anhabe? Mia und Bethany haben mir jedes Detail darüber erzählt, wie ihre Männer es ihnen besorgt haben, nachdem sie ihnen die Kleider vom Leib gerissen haben und sie nur noch ihre Schuhe anhatten. Ich werde sehr enttäuscht sein, wenn ich nicht das Gleiche bekomme«, erklärte sie mit ernster Stimme. Er beugte sich über sie und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. »Ich glaube, ich kann dir in dieser Hinsicht entgegenkommen, Süße. Bist du dann so weit?« Sie streckte ihm beide Arme entgegen. »Bring mich nach Hause«, rief sie theatralisch. Dann legte sie einen Finger an die Lippen und sagte: »Schsch! Erzähl’s Ash nicht, aber Brittany geht heute Nacht mit einem echt krassen Typen nach Hause. Ich bin mir nicht sicher, ob Ash damit einverstanden wäre. Er wird ihn wahrscheinlich überprüfen lassen, um sicherzugehen, dass es der Richtige für seine Schwester ist.« Ash machte ein finsteres Gesicht. Er sah Brittany an und richtete den Blick dann zur Tür. »Wovon zum Teufel redet sie?«, fragte er Jace. Der Mann, der neben Jace gestanden hatte, trat vor. Er hatte Stil. Das sah Ash auf den ersten Blick. Er hatte diese selbstsichere Aura, die Ash verriet, dass er Geld hatte … viel Geld, damit aber nicht unbedingt hausieren ging. Ash sah ihn durchdringend an und wandte den Blick nicht eine Sekunde ab. Dem anderen musste er zugutehalten, dass er das auch nicht tat. »Ich bin Kai Wellington«, erklärte er ruhig. »Ich bin der Besitzer dieses Nachtclubs. Ich habe angeboten, Brittany heute Abend nach Hause zu bringen.« Ash sah ihn weiter durchdringend an. »Ich will nicht, dass Sie die Situation ausnutzen. Sie ist betrunken.« »Ich weiß. Ich werde nicht mit ihr schlafen … noch nicht.« Ash zuckte zusammen. Er wollte sich auf keinen Fall in ein Gespräch darüber hineinziehen lassen, wer mit seiner Schwester schlief. »Ich werde dafür sorgen, dass sie nach Hause kommt«, erklärte Brandon. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.« Kai warf Brandon einen amüsierten Blick zu. Ash sah, dass es ihm nicht gefiel, wie Brandon ihm seine Dienste anbot. Aber Brandon wusste andererseits, wie sehr diese Frauen Gabe, Jace und Ash am Herzen lagen. Sie hatten ihm unmissverständlich klargemacht, was passieren würde, wenn eine von ihnen während ihres Aufenthalts hier Schaden nahm. »Tun Sie das, Brandon«, sagte Ash leise. »Ich möchte gern benachrichtigt werden, sobald sie wohlbehalten zu Hause angekommen ist.« »Geben Sie mir Ihre Karte. Ich werde dafür sorgen, dass Sie benachrichtigt werden«, erklärte Kai. Ash holte seine Brieftasche hervor, zog eine Visitenkarte mit seiner Handynummer heraus und reichte sie Kai. »Wenn Sie jetzt mit Ihren Frauen nach Hause gehen möchten, werden ich und meine Kollegen dafür sorgen, dass Chessy, Trish und Gina gut nach Hause kommen. Caro bleibt bei mir, bis mein Dienst endet«, schlug Brandon vor. Gabe nickte zustimmend. »Na gut. Dann lasst uns jetzt mit unseren Frauen so schnell wie möglich von hier verschwinden«, erklärte Ash. 26 »Lagebesprechung!«, rief Mia streitlustig. Sie stand in der Mitte des Raumes und winkte Bethany und Josie zu sich. Die beiden rappelten sich vom Sofa auf. Josie schwankte gefährlich und starrte auf ihre Füße, erstaunt, dass sie ihr den Dienst versagten. Sie wäre beinahe umgekippt, wenn nicht eine starke Hand sie am Ellbogen gefasst hätte. »Ups!«, rief sie und bemühte sich um eine aufrechte Haltung. Sie bedachte ihren »Helfer« mit einem strahlenden Lächeln und bemerkte ein amüsiertes männliches Grinsen. War das Ash? Verdammt, der Raum drehte sich so sehr, dass sie nicht erkennen konnte, wer wer war und wo stand. Sie taumelte auf Mia zu und fasste Bethanys Arm, als diese unterwegs ins Wanken geriet. Sie kicherten hemmungslos, während sie mit Mia einen engen Kreis bildeten. »Okay, hier kommt mein Vorschlag«, sagte Mia laut flüsternd. »Wir müssen uns morgen unbedingt zum Mittagessen treffen und Einzelheiten austauschen. Ich kann es gar nicht erwarten, etwas über Ashs Reaktion zu erfahren.« Josie zog die Augenbrauen zusammen und warf über ihre Schulter einen Blick auf die Männer, die nachsichtig lächelnd zusammenstanden. »Was ist mit Brittany?«, zischte Josie. »Sie schleppt Herrn Nachtclubbesitzer höchstpersönlich ab. Wir müssen wissen, was da abgeht, oder?« »Stimmt«, erwiderte Bethany ernst. »Brittany!«, brüllte Mia. Brittany kam angerannt und drängte sich mit aufgeregter Miene in den Kreis. »Okay, morgen Treffen zum Mittagessen«, erklärte Mia. »Wir wollen alles wissen, jedes Detail!« Hinter ihnen ertönte lautes Gestöhne, das Josie herumfahren ließ. Sie brachte die Männer mit einem wütenden Blick zum Schweigen. Sie lachten, und Josie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Freundinnen zu. Brittany biss sich auf die Unterlippe und sah dann über Josies Schulter hinweg zu Kai Wellington. »Ich weiß nicht, Leute. Vielleicht mute ich mir da mehr zu, als ich verdauen kann.« »Ich werde mich schon um dich kümmern, Brittany«, meinte Kai amüsiert. »Sie belauschen uns«, brummte Mia. »Kaum zu vermeiden, Schätzchen«, meinte Gabe lachend. »Du brüllst so laut, dass man dich wahrscheinlich im ganzen Club hören kann.« Mia guckte böse und senkte die Stimme zu einem lauten Flüstern. »Machen die das immer so?«, fragte Kai. »Wenn ich das wüsste«, brummte Jace. »Nichts ist so einschüchternd wie das Wissen, am nächsten Tag nach Leistung beurteilt zu werden. Das setzt uns Männer ganz schön unter Druck.« Die Frauen kicherten, und dann streckte Mia ihre Hand aus. »Auf drei … und dann holen wir uns unsere Männer.« Sie schlugen die Hände in der Mitte zusammen. »Eins, zwei, drei!« Dann hoben alle die Hände und lösten den Kreis auf. Josie taumelte davon und suchte den Boden nach ihren Schuhen ab. »Meine Schuhe! Ich muss diese Schuhe haben«, klagte sie. »Ohne meine Schuhe wird das doch alles nichts!« »Suchst du die hier, Liebling?« Sie schaute auf. Da stand Ash, und an seinen Fingern baumelten ihre Schuhe. Seine Augen funkelten vor Lachen, und sein Blick glitt voller Leidenschaft und Anerkennung über ihren Körper. Sie warf sich versuchsweise in Pose und hoffte, dass ihr Kleid alles so bedeckte, wie es sollte. Seine Augen leuchteten noch heller, und er streckte die Hand aus, um ihr Oberteil zurechtzuzupfen. Dabei strichen seine Finger über die Rundung einer Brust. »Dieser Anblick ist mir vorbehalten«, murmelte er. »Es sieht zwar köstlich aus … diese Andeutung einer Brustwarze, aber das muss kein anderer sehen.« Entsetzt bedeckte sie ihre Brust mit der Hand, während sie sich angstvoll zu den anderen Männern umwandte. »Oh mein Gott. Haben sie meine Nippel gesehen?!« Gelächter ertönte, aber die Männer schüttelten den Kopf. Ash beugte sich vor, küsste sie und zog sie in seine Arme. Sein Körper bebte vor Lachen. »Nein, Süße. Außer mir hat keiner was gesehen.« Während er sprach, drehte er sich um und warf einen bedeutsamen Blick in Richtung der anderen Männer, die sofort den Kopf schüttelten und völlig ahnungslose Mienen aufsetzten. »Ich muss meine Schuhe anziehen«, brummelte Josie. Ash drückte sie auf das Sofa und zog ihr dann sanft die Schuhe an. Es hatte etwas unglaublich Dekadentes, sich von einem Mann die Schuhe anziehen zu lassen. Seine Hände lagen warm und sanft auf ihrer Haut. Er strich über den einen Fuß, ehe er zurücktrat und ihr die Hand reichte, um ihr aufzuhelfen. Sie erhob sich und tat versuchsweise einen Schritt. Sie hatte die Schuhe während des Trinkgelages nicht angehabt und wollte jetzt um jeden Preis vermeiden, mit ihnen an den Füßen auf der Nase zu landen. Sie war wackelig auf den Beinen, doch Ash stützte sie am Ellbogen, ehe er sie an seine Seite zog. Sie schmiegte sich seufzend an ihn und genoss seine Wärme und seinen herrlich männlichen Duft. »Danke, dass Sie auf die Frauen aufgepasst haben«, sagte Ash zu Brandon, als sie auf die Tür zugingen. »He, und was ist mit mir?«, protestierte Jace. »Denk dran … nächstes Mal bist du dran.« Ash grinste. »Ich freue mich schon darauf.« Ash zog Josie dicht an sich, während er auf die Tür zuging. Sie taumelte, und er verlangsamte seinen Schritt nach ihrem Rhythmus. Sie schmiegte sich so sanft und süß an ihn, dass er wünschte, sie wären nicht so verdammt weit von seiner Wohnung entfernt. Er konnte nur noch daran denken, ihr dieses Kleid abzustreifen und es ihr mit diesen Schuhen zu besorgen, bis sie beide ohnmächtig wurden. Gabe und Jace hatten eindeutig nicht gelogen. Er war wahnsinnig neidisch auf sie, dass sie diese Erfahrung schon viel früher gemacht hatten. Aber jetzt hatte er Josie. Josie war ein fester Bestandteil seines Freundeskreises … genau so, wie er es sich gewünscht hatte. Er sah mit großer Zufriedenheit in die Zukunft; mit der Gewissheit, dass er das von jetzt an auch haben würde. Andere Männer lästerten vielleicht über Mädelsabende. Manchen gefiel nicht, wenn ihre Frauen allein ausgingen. Himmel, und wenn sich ihnen nun das hier bieten würde, auf das sie sich freuen konnten? Dann würde sofort ein Sturm auf verführerische Kleider und hinreißende Schuhe losgetreten. Er grinste wieder und führte Josie zur breiten Treppe nach unten auf die Tanzfläche. Brandon und ein Kollege schirmten sie gegen die anderen Clubbesucher ab, damit sie nicht angerempelt wurden. Draußen führte Ash Josie zum wartenden Auto und half ihr beim Einsteigen. Als er sich hinten zu ihr gesellen wollte, lag Josie schon der Länge nach auf der Rückbank. Ihre Beine hingen in der Luft, und einer ihrer Schuhe baumelte an der Spitze ihres Zehs. Er zog ihn ihr wieder an und umfasste ihren Knöchel. Sie öffnete die Augen und schenkte ihm ein seliges Lächeln. »Hi«, sagte sie heiser. Er beugte sich lachend über sie und gab ihr einen Kuss auf die Nase. Sie war so süß. Seins. Alles. »Selber hi. Hattest du Spaß?« »Oh ja«, hauchte sie. »Du hattest recht. Mia und Bethany sind sensationell. Genau wie ihre Freundinnen.« Sie runzelte einen Moment lang die Stirn, und Ash sah sie neugierig an, interessiert am Grund für ihren Unmut. »Aber Caro zieht weg, und Mia ist darüber sehr traurig. Caro und Brandon werden heiraten und nach Vegas umziehen. Aber das ist schon in Ordnung. Sie hat ja immer noch Bethany. Und mich«, sagte sie und deutete auf ihre Brust. Ash lachte leise. »Ja, Süße. Sie hat dich.« »Und Brittany!«, erklärte Josie fröhlicher. »Sie hatte Spaß, Ash. Sie war traurig, weil sie keinen Typen hat, der Sex mit ihr hat, wenn sie betrunken ist, aber dann hat sie mit Kai angebandelt.« Ash zog die Augenbrauen zusammen. »Ich weiß nicht, ob mir die Vorstellung gefällt, dass sie in einem Club einen Fremden aufgabelt.« »Ich glaube, er ist in Ordnung«, meinte Josie langsam. »Er scheint einen ziemlich starken Charakter zu haben. In positiver Hinsicht, verstehst du? So wie du.« Ash schüttelte den Kopf. »Wenn er wie ich ist, dann weiß ich, dass es mir gegen den Strich geht, dass meine Schwester einen One-Night-Stand mit ihm hat.« Josie zog wieder die Stirn kraus. »Ich glaube nicht, dass es ein One-Night-Stand wird, Ash. Er wirkte so … ernsthaft. Als wollte er sie in einem Stück verschlingen. Er hat mich ziemlich zittrig werden lassen.« Ash sah sie finster an. »Er hat dich zittrig werden lassen? Was zum Teufel soll das denn heißen?« Sie kicherte. »Schon gut. Du weißt doch, dass ich nur dich will. Aber er hat was. Und er findet, dass Brittany was hat. Ich freue mich für sie.« Ash seufzte. »Ich entscheide, ob wir uns für sie freuen oder nicht. Ich werde den Kerl erst einmal überprüfen lassen, um zu erfahren, ob er ihrer überhaupt würdig ist.« Aber wer war er, dass er sich ein Urteil darüber anmaßte, ob jemand eines anderen Menschen würdig war? Das war einfach nur scheinheilig. Er hatte ein paar ziemlich unschöne Sachen gemacht. Er bereute nichts, aber ungeschehen machen konnte er sie auch nicht. Er war sich einfach nur nicht sicher, ob er wollte, dass seine Schwester sich mit einem Mann einließ, der sich in einer Grauzone bewegte. Von sich selbst konnte er behaupten, dass seine Absichten gut waren. Aber wie war das bei Kai Wellington? Doch genug von Brittany und Kai. Er würde den von Kai versprochenen Anruf bekommen, sonst musste er eben jemanden losschicken, der nach Brittany sah. Morgen würde er den Kerl überprüfen lassen, um festzustellen, ob er sich durch irgendwelche Leichen im Keller als Kandidat für Brittany disqualifizierte. Im Moment aber hatte er eine sehr betrunkene, sehr süße und absolut verführerische Frau in seinem Wagen, die er unbedingt nach Hause bringen und aus ihrer Kleidung schälen wollte. »Ich muss schon sagen, Süße … das Kleid und die Schuhe haben was.« Sie schenkte ihm wieder ein strahlendes Lächeln, bei dem ihre Zähne blitzten und sich ein Grübchen in ihrer Wange bildete. »Gefallen sie dir?« »Oh ja, sie gefallen mir sehr«, knurrte er. »Aber die Sachen werden mir noch viel besser gefallen, wenn wir erst zu Hause sind und ich sie dir ausziehen kann.« Sie zog ihr Näschen kraus und runzelte die Stirn. »Aber nicht die Schuhe, Ash. Mia und Bethany haben gesagt, dass sie die Schuhe immer anbehalten. Das ist das Mädelsabend-Credo, daran dürfen wir nicht rütteln.« Er lachte. »Oh ja, Süße. Die Schuhe bleiben auf jeden Fall an.« Vor seinem Apartmenthaus stieg er aus und reichte ihr dann die Hand, um ihr herauszuhelfen. Er vergewisserte sich, dass sie sicher auf ihren Beinen stand und nicht gleich umkippen würde, ehe er seinen Arm fest um sie schlang und sie zur Tür führte. Als der Fahrstuhl mit ihnen nach oben schoss, legte sie plötzlich eine Hand auf ihren Magen und erblasste. Er zog sie in seine Arme. »Atme tief durch, Süße. Du darfst dich jetzt doch nicht übergeben.« »Es geht mir gut«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Mir ist bei der Fahrt gerade nur ein bisschen übel geworden.« Als die Fahrstuhltür in seiner Wohnung aufging, half er ihr beim Aussteigen und führte sie sofort ins Schlafzimmer. Sein Handy klingelte, und das Display zeigte eine unbekannte Nummer. Das konnte Wellington sein, der wegen Brittany anrief, also hielt er Josie mit der einen Hand fest und nahm den Anruf mit der anderen entgegen. »Ash McIntyre«, sagte er. »Hier spricht Kai Wellington. Brittany ist wohlbehalten zu Hause angekommen. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Mr McIntyre. Ihre Schwester ist in guten Händen.« »Danke«, sagte Ash leise. »Ich weiß Ihren Anruf zu schätzen.« Er beendete das Gespräch und nahm sich vor, morgen zu überprüfen, ob bei seiner Schwester alles in Ordnung war. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Josie. Er half ihr, sich langsam auf das Bett zu setzen. »Okay, mein Schatz, wir sind zu Hause, und du bist für den korrekten Ablauf einer dem Mädelsabend folgenden Verführung verantwortlich. Was soll dein Mann tun?« Ihre Augen schimmerten fast neonfarben im schwachen Schein der Nachttischlampe. Sie öffnete den Mund, und er hätte fast aufgestöhnt. Himmel, diese Frau würde ihn noch in den Wahnsinn treiben. »Als Erstes musst du mir das Kleid vom Leib reißen. Dann musst du es mir lange und richtig hart besorgen.« Sie sah ihn so hoffnungsvoll an, dass er leise lachen musste. »Alles, was du willst, Süße. Keiner soll je sagen können, ich hätte mein Mädchen enttäuscht.« Sie lächelte und stieß einen seligen Seufzer aus. »Das gefällt mir.« »Was gefällt dir, Süße?« »Wenn du mein Mädchen sagst. Das klingt so süß und sexy.« »Du bist mein Mädchen«, sagte er. Seine Stimme war jetzt tief und leise. Sie hob die Arme. »Dann reiß deinem Mädchen jetzt die Kleider vom Leib und besorg es ihr, bis sie ohnmächtig wird.« Er lachte, trat aber zu ihr und zog sie hoch. »Das kann ich machen, Liebste.« Sie seufzte wieder und schwankte leicht, fand aber schnell ihr Gleichgewicht. »Ich liebe all die Kosenamen, die du mir gibst. Sie klingen so schön.« Er grinste, drehte sie mit dem Rücken zu sich und zog den Reißverschluss ihres Kleides auf. Es rutschte bis auf den Boden, und dann half er ihr, die Schuhe aus dem Stoff zu befreien. Er hielt den Atem an, als sein Blick über ihren Körper wieder nach oben glitt. »Wow«, murmelte er. »Woher hast du denn die Reizwäsche?« »Die hatte ich noch«, erwiderte sie lächelnd. »Michael hat die Sachen nie gesehen, mach dir darüber also keine Gedanken. Du bist der einzige Mann, der mich je darin gesehen hat. Ich habe die Wäsche für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt. Ich finde, die ist jetzt gekommen.« »Oh ja. Eindeutig.« Sie drehte sich um und schmiegte sich an ihn. Dann sagte sie flüsternd, als wolle sie ihm ein großes Geheimnis mitteilen: »Das Höschen hat unten einen Schlitz. Du brauchst es mir noch nicht einmal auszuziehen.« Ein Ruck ging durch seinen Körper, und er packte ihr Kinn, um seinen Mund auf ihre Lippen zu pressen. Sie schmeckte nach Tequila und irgendetwas Fruchtigem. Leidenschaftlich wild kam ihre Zunge seiner entgegen. Er saugte sie tief ein und hätte sie am liebsten vollständig verschlungen. Sie wimmerte an seinem Mund und erwiderte seinen Kuss voller Lust, während sich ihr Körper verlangend an ihn schmiegte. Schon jetzt konnte er spüren, dass sie ganz kurz davorstand zu kommen. Es fehlte überhaupt nicht mehr viel, sie zum Höhepunkt zu bringen. Aber er wollte nicht, dass es so schnell vorbei war. Wenn sie jetzt kam, würde sie hinterher durch den Alkohol wahrscheinlich sofort in einen komaähnlichen Zustand verfallen. Er hatte sich zu lange auf dies hier gefreut, um jetzt zuzulassen, dass alles schon nach fünf Minuten vorbei war. »Ich werde es dir richtig besorgen, Süße«, sagte er und bemühte sich bewusst um einen stählernen Unterton. Sie erschauderte, wie er es erwartet hatte. »In den Mund, in deine Muschi und in deinen Hintern. Wenn wir fertig sind, werde ich mir alle nacheinander vorgenommen haben.« »Ash.« Sein Name kam als verlangender Klagelaut über ihre Lippen. Er lächelte. Oh ja, sie war erregt. Ihr gesamter Körper stand in Flammen. Sie rieb sich an ihm wie eine rollige Katze. »Auf die Knie«, befahl er barsch. Er gab ihr Halt, als sie an ihm herunterglitt und dann auf den Knien balancierte. Ehe er sie losließ, griff er nach einem Kissen und schob es ihr unter. Einen Augenblick lang wartete er, ob sie auch nicht umkippte, dann trat er zurück und zog seinen Reißverschluss auf. Sein Schwanz sprang förmlich aus dem beengten Gefängnis und schien zu protestieren, dass sich seine Hand um ihn schloss und nicht Josies Mund. Er schob die andere Hand in ihr Haar und zog ihren Kopf grob nach vorn, um seinen Schwanz an ihren Mund zu drücken. Ihre Lippen öffneten sich mit einem solch verzückenden Seufzen, um ihn einzulassen, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief. Seine Hoden zogen sich fest zusammen und schmerzten, während sein steifer Penis über ihre heiße Zunge glitt. Ihre Lippen schlossen sich um ihn, und sie nahm ihn tief in sich auf. Er stieß ein raues Stöhnen aus und drängte sich weit nach hinten in ihre Kehle. »Einfach wundervoll«, krächzte er. Die nassen Sauglaute, die sie von sich gab, hallten erotisch in seinen Ohren. Jedes Mal, wenn er sich zurückzog, traf er auf Widerstand, weil sie versuchte, ihn wieder einzusaugen, sodass ihre Wangen sich nach innen wölbten und sich dann wieder blähten, wenn er erneut eindrang. Er genoss den Anblick, wie sein Schwanz zwischen ihren Lippen verschwand und dann von ihrem Speichel benetzt wieder herauskam. Sie gab einen schmatzenden Laut von sich, der ihn beinahe auf der Stelle explodieren ließ. Einen Augenblick lang genoss er das Gefühl ihrer Zunge auf der Unterseite seines Schwanzes, bevor ihre Lippen die Kuppel umschlossen und die empfindsame Spitze reizten, als er sich zurückzog. Er würde keinesfalls durchhalten, wenn das so weiterging. Es widerstrebte ihm, ihren köstlichen Mund zu verlassen, dennoch ließ er von ihr ab und half ihr auf. Ihr Blick war verhangen von Alkohol und Lust. Ihre Augen schimmerten warm und hell und schauten so, wie er es an ihr liebte. Er drückte sie aufs Bett und zerrte an ihrem BH, weil er sich an ihren Brüsten laben wollte. Er lag zwischen ihren gespreizten Beinen, beugte sich über sie und leckte mit der Zunge über die Rundung ihrer Brust, ehe er eine Spitze umfasste und diese fest zwischen seinen Zähnen einsaugte. Dann arbeitete er sich mit zarten Bissen zu ihrem Hals hoch und schwelgte in ihrer duftenden Haut, ehe er zart an ihrem Ohrläppchen zupfte und schließlich gerade fest genug hineinbiss, um sie einmal aufschreien zu lassen. Er leckte die Ohrmuschel und fuhr mit der Zunge die Konturen ihres Ohrs nach, ehe er sich wieder dem Läppchen zuwandte und daran saugte. »A-ash«, rief sie klagend, wobei sie seinen Namen zu zwei Silben in die Länge zog. »Du bringst mich noch um.« Er lachte leise. »Darum geht es hierbei, Süße. Ich will, dass du vor Erregung so von Sinnen bist, dass du mich ohne jede Anstrengung in deinem Hintern aufnimmst.« Sie zitterte unkontrolliert, und ihr Körper reckte sich ihm hilflos entgegen. »Ich bin schon so weit«, keuchte sie. »Vor ungefähr zwei Minuten habe ich den Punkt erreicht, ich bin völlig von Sinnen.« »Gut.« Er ließ sich Zeit und saugte und leckte genüsslich an ihren Nippeln, bis diese sich zu roten, steifen Spitzen aufgerichtet hatten. Dann ließ er seinen Mund in tiefere Gefilde streifen. Er küsste ihren weichen Bauch und wanderte weiter, bis er durch den Schlitz in ihrem Höschen ihr samtiges Fleisch mit seinen Lippen liebkoste. Er strich mit der Zunge über das Zentrum ihrer Lust und achtete darauf, nicht zu lange zu verweilen, damit sie nicht explodierte. Saugend und küssend glitt er tiefer, bis seine Zunge den Eingang fand und in sie eindrang, wie es sein Schwanz schon sehr bald tun würde. »Ich bekomme nie genug von dir«, erklärte er heiser. »Du schmeckst so süß. Es ist berauschend.« Er setzte die sinnliche Eroberung ihres zarten Fleisches fort, bis sie ihn schamlos anflehte, endlich aufzuhören. Rastlos und voller Begehren wölbte sie sich ihm entgegen. Er packte ihre Hüften und hielt sie fest, während er es ihr weiter mit seiner Zunge besorgte. »Ash! Ich komme gleich!« Er löste sich von ihr und ließ sie kurz vor der Erlösung verharren. Eine ganze Weile stand er einfach nur da und atmete genauso keuchend wie sie. Dann stellte er sich zwischen ihre Beine und zog sie an den Knöcheln hoch, sodass er die Absätze ihrer Schuhe ergreifen konnte. Sie riss die Augen auf, und er sah in den tiefblauen Abgründen die Erregung sprühen. Er zog ihre Beine noch höher, bis sie einknickten und weit gespreizt lagen. Er wartete nicht. Er zog die süße Qual nicht weiter in die Länge. Er überprüfte kurz, ob der Schlitz in ihrem Höschen offen war und stieß dann mit einem einzigen festen Stoß tief in sie hinein, um sofort in voller Länge in sie einzutauchen. Sie schrie auf. Er bleckte die Zähne, während er darum kämpfte, nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Er wusste, dass er so nicht lange weitermachen konnte. Deshalb stieß er zu, wieder und wieder, um ihrer beider Lust noch mehr zu steigern. Tief. Fest. Genau wie er es gleich in ihrem Hintern machen würde. Als er spürte, wie ihr Fleisch sich immer drängender um ihn verkrampfte, verharrte er, bis zu den Hoden in ihr vergraben. Er holte tief Luft und schloss die Augen, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Dann glitt er aus ihr heraus, ohne seine Hände von ihren Absätzen zu nehmen. Widerwillig löste er kurz die eine Hand und riss ihr eilig mit einem Ruck das seidene Höschen herunter. Er wollte sie von hinten nehmen, und so sexy die Wäsche auch sein mochte, hatte sie doch nur den einen Schlitz. Er schob seine Hand unter ihren jetzt nackten Po und hob ihn an. Sie riss die Augen auf, als sie merkte, dass er sie in dieser Stellung nehmen wollte. Normalerweise war sie auf allen vieren, wenn er sie von hinten nahm. So aber war sie viel verletzlicher. Viel ausgelieferter, mit den in die Höhe gezogenen Beinen und dem nach oben ragenden Hintern, in den er ohne Schwierigkeiten sofort eintauchen konnte. Er legte seinen Schwanz an ihren Hintern und nahm sich nur einen Moment, um nach dem Gleitmittel zu greifen. »Dieses Mal nehme ich nicht viel, Süße. Gerade genug, um in dich einzudringen. Ich will, dass du es spürst. Spürst, wie ich mir einen Weg bahne.« Sie keuchte leise und fuhr sich erwartungsvoll mit der Zunge über die Lippen. Der Anblick ließ ihn fast explodieren, aber er biss die Zähne zusammen, strich schnell das Gleitmittel auf seinen steil nach oben ragenden Schwanz und warf die Tube zur Seite, als er sich in Stellung brachte. Kaum hatte er sich an ihre Öffnung geführt, griff er nach ihrem Absatz, sodass er jetzt wieder beide Schuhe festhielt und sie weit spreizte, um einzudringen. Er zögerte nicht, er begann sofort, gegen sie zu drücken. Sie öffnete sich ihm, und ihre Augen wurden größer mit jedem Stück, das sie sich dehnte, um ihn in sich aufzunehmen. »Genau so, Süße«, lobte er. »Lass mich rein. Es wird so gut werden. Ich will, dass du es dir selber mit der Hand machst, denn ich werde deine Schuhe die ganze Zeit festhalten. Aber komm erst, wenn ich es dir sage, okay?« »Okay«, erwiderte sie mit verträumter Stimme. Sie schob eine Hand zwischen ihre Schenkel und stöhnte auf, als sie über ihre feste Knospe strich. Er nutzte diesen Moment der Unaufmerksamkeit, in dem sie damit beschäftigt war, sich selbst Lust zu bereiten, und drang mit einem einzigen festen Stoß in sie ein. Sie bäumte sich auf und schrie vor Lust. Er klebte förmlich an ihrem Hintern und sehnte sich trotzdem danach, noch tiefer in sie zu gleiten. »Himmel«, stöhnte er. »Ich werde nicht lange durchhalten, Süße. Berühre dich, denn ich werde dich jetzt nehmen und erst aufhören, wenn ich komme.« »Ich bin fast da«, hauchte sie atemlos. »Hör nicht auf, Ash. Ich bin ganz kurz davor zu kommen.« Es bedurfte keines weiteren Ansporns. Er begann, so fest in sie hineinzustoßen, dass seine Schenkel gegen ihren Hintern klatschten und ihr gesamter Körper bebte. Sie schloss die Augen und wölbte den Hals nach oben, als er seiner Erlösung entgegenraste. Sie kam zuerst, und ihr schriller Schrei entfesselte die letzten Schranken, die nun fielen, sodass auch er seinen Höhepunkt erreichte. Er begann zu kommen, und sein Samen schoss Schwall um Schwall tief in ihren Körper. Er glitt jetzt ganz leicht durch ihr Fleisch. Wie von Sinnen strich sie über ihren Kitzler, während er noch fester und tiefer zustieß. Dann ließ sie die Hand fallen. Ihre Brust hob und senkte sich schwer, ihr wilder Blick ging in die Ferne. Er stieß noch ein letztes Mal zu und blieb tief in ihr, während er sich vollständig in ihren Körper ergoss. Dann ließ er vorsichtig ihre Absätze los, sodass ihre Beine schlaff aufs Bett fallen konnten, und sank auf sie. Beide rangen nach Luft und versuchten, ausreichend Sauerstoff in ihre brennende Lunge zu saugen. Er schloss die Augen und zog sie so fest an sich, dass er ihren Herzschlag spüren konnte. So war es noch nie gewesen. Nie zuvor hatte er so etwas erlebt. Nur mit Josie. Sein Herz war zum Bersten gefüllt. Es gab so viel, was er sagen wollte … ihr sagen wollte. Ihre Finger strichen durch sein Haar und streichelten ihn sanft, ehe ihre Hand nach unten sackte und ihr Körper unter ihm erschlaffte. Er hob den Kopf und sah sie an. Und lächelte. Sie war bewusstlos. Leise lachend löste er sich aus ihrem Körper. Er holte einen warmen Lappen aus dem Badezimmer, um sie zu säubern. Er zog seine restliche Kleidung aus und hob Josie hoch und legte sie richtig ins Bett, ehe er an ihre Seite krabbelte und das Licht ausschaltete. Der Raum war in Dunkelheit getaucht, und er zog sie fest an sich, in die Geborgenheit seiner Arme. Er streichelte ihren Körper und genoss es, sie warm und befriedigt neben sich zu spüren. Ja, Mädelsabende sollten wirklich regelmäßig stattfinden. Es gab nichts Schöneres als eine atemberaubende, sehr betrunkene, absolut süße Frau, die zu ihm nach Hause kam und es unbedingt in schwindelerregend hohen Absätzen besorgt haben wollte. In Gedanken nahm er sich vor, ihr in nächster Zeit ein ganzes Dutzend verführerischer Schuhe zu kaufen. Und wenn er schon mal dabei war, konnte er auf jeden Fall gleich noch mehr von dieser unanständigen Reizwäsche mit Schlitzen an den richtigen Stellen besorgen. 27 »Kommt Brittany auch?«, fragte Mia, als Josie neben Bethany in die Nische glitt. »Sie hat mir eine SMS geschickt, als ich gerade die Wohnung verließ. Sie schreibt, dass sie sich hier mit uns treffen will«, erwiderte Josie. »Sie müsste eigentlich jeden Moment da sein.« »Hat sie irgendetwas über die vergangene Nacht gesagt?«, fragte Bethany. Josie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Nichts. Sie schrieb nur, sie würde uns alles erzählen, wenn sie da ist.« »Zumindest hat sie heute frei und muss sich nicht verkatert mit der Arbeit quälen«, meinte Mia. »Der Tequila hat mich völlig umgehauen! Gabe war so süß und hat mich verhätschelt, ehe er zur Arbeit ging, aber ich bin dann zurück ins Bett und so lange liegen geblieben, bis ich mich zum Mittagessen mit euch fertig machen musste.« Bethany kicherte. »Ja, Jace war auch total lieb. Es ist schon erstaunlich, wie dankbar sie für Sex in betrunkenem Zustand sind.« Josie lachte. »Ash hat mir Kaffee ans Bett gebracht und dann noch etwas, das er als Katermedizin bezeichnet hat. Ich weiß nicht einmal, was es war, mehrere Tabletten jedenfalls. Aber sie haben gewirkt. Als ich geduscht hatte, fühlte ich mich tatsächlich wieder irgendwie menschlich.« »Ah, seht mal. Da kommt Brittany«, sagte Bethany und hob die Hand, um zu winken. Brittany lief durch das voll besetzte Restaurant auf sie zu und setzte sich neben Mia. »Hey, Leute«, begrüßte sie alle fröhlich. »Na, das ist ja wohl das Gesicht einer Frau, die eine aufregende Nacht hatte«, meinte Mia trocken. Brittany lief knallrot an, doch ihre Augen leuchteten. »Erzähl!«, verlangte Josie. »Wir sterben vor Neugier. Wir wollen alles über Kai Wellington wissen.« Brittany lachte. »Er ist toll. Mir fehlen die Worte. Er hat diese gewisse, geheimnisvolle Aura. Er sagt nicht viel, aber wenn er redet, dann hört man einfach zu.« »Komm zum Wesentlichen«, sagte Mia ungeduldig. »Wie ist er im Bett?« Alle brachen in Gelächter aus. »Ähm, nun ja, wir hatten letzte Nacht keinen Sex«, wich Brittany aus. »Er hat mich in meine Wohnung gebracht und mich ins Bett gesteckt. An alles, was danach kam, kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber als ich heute Morgen aufwachte, lag er neben mir im Bett. Er war nackt bis auf seine Boxershorts, und, wie soll ich sagen … der Mann hat einen Wahnsinnskörper! Wow! Ich hab das ganze Bett vollgesabbert.« Brittanys bildliche Erzählweise brachte Josie zum Lachen. »Und er war sooo lieb! Er hat mir Frühstück ans Bett gebracht und mich anschließend ins Badezimmer zur Dusche begleitet.« »Er war mit dir im Badezimmer?«, fragte Bethany. »Und unter der Dusche?« Brittany errötete. »Ja. Das war so lieb. Aber gleichzeitig auch so heiß. Ich meine, all dieses herrliche, nackte, männliche Fleisch. Ich dachte, ich bekomme gleich einen Herzinfarkt.« »Und was ist dann passiert?«, fragte Mia. »Nach dem Duschen sind wir wieder ins Bett gegangen, und dann hatten wir Sex.« Ein selbstzufriedenes Lächeln lag auf Brittanys Gesicht. Ja, der Sex musste außergewöhnlich gut gewesen sein, wenn man ihre Miene richtig deutete. »Und?«, fragte Bethany. »Na los, lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen! Er sieht aus, als wäre er ein Tier im Bett. So dunkel und in sich gekehrt. Fast so wie Jace!« »Okay, stopp«, sagte Mia mit einem Schaudern. »Wir können unendlich viel über heiße Typen reden, aber können wir dabei bitte Jace außen vor lassen?« Josie verzog das Gesicht. »Du bist eine Spielverderberin, Mia. Kannst du nicht wenigstens kurz mal vergessen, dass er dein Bruder ist?« Mia schüttelte energisch den Kopf. Brittany lachte und lehnte sich dann mit einem verträumten Seufzer zurück, an dem Josie erkannte, dass sie emotional bereits tief verstrickt war. Aber sie war die Letzte, die das verurteilen würde. Schließlich hatte Ash auch nicht viel länger gebraucht, um sie zu erobern. Sie war ihm von dem Moment an verfallen gewesen, als er sie aus ihrer Wohnung geholt hatte. Und wenn sie ganz ehrlich zu sich war, musste sie sogar gestehen, ihm schon vom ersten Tag im Park an verfallen gewesen zu sein. Es hatte nur ein bisschen gedauert, bis ihr das klargeworden war. »Es war atemberaubend«, erklärte Brittany. »Und ja, er ist ein Tier im Bett. So fordernd und besitzergreifend.« Sie zitterte und bekam eine Gänsehaut. Dann erlosch das Leuchten auf ihrem Gesicht, und sie verzog die Lippen. »Überhaupt nicht mit meinem Exmann zu vergleichen. Gar nicht. Dazwischen liegen Welten!« »Vergiss deinen Exmann«, befahl Josie. »Er gehört der Vergangenheit an. Sieh nach vorn. Und jetzt erzähl uns mehr.« Die anderen brachen wieder in Gelächter aus. Sie zogen die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich, aber das war Josie egal. Normalerweise versuchte sie, in der Öffentlichkeit nicht so aufzufallen, doch sie mochte diese Frauen sehr und fühlte sich wohl mit ihnen. »Ich bin drei Mal gekommen«, erzählte Brittany in lautem Flüsterton. »Drei Mal! Das ist drei Mal mehr, als ich je mit meinem Ehemann gekommen bin.« »Wow!«, meinte Bethany breit grinsend. »Und was jetzt? War es eine einmalige Sache? Hat er deine Nummer? Wird er anrufen?« »Eine Frage nach der anderen«, mahnte Mia. »Sie kommt mit dem Antworten ja gar nicht mehr nach! Aber bitte, Brittany, erzähl uns alles.« Brittany lächelte, und Josie bemerkte wieder, wie schön sie war. Ihre Augen strahlten, und der Schatten, der auf ihrem Gesicht gelegen hatte, war verschwunden. Sie wirkte selbstsicherer. Sie wirkte … glücklich. »Also, er hat sich meine Nummer geben lassen, und ich musste all seine Nummern in meinem Handy speichern. Er wollte wissen, was ich heute noch mache, wohin ich gehe und mit wem. Dann hat er mir erklärt, dass es kein One-Night-Stand war und dass ich mir diese Idee, so ich sie denn hätte, lieber ganz schnell aus dem Kopf schlagen sollte.« »Wow«, flüsterte Mia. »Das klingt verdammt intensiv!« »Er hat noch nicht einmal gefragt, ob ich ihn überhaupt wiedersehen will«, fuhr Brittany mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen fort. »Er hat mir gesagt, dass er mich heute Abend zum Essen abholt und ich die Nacht in seinem Hotel verbringen werde.« Josie runzelte die Stirn. »Dann hat er hier also gar keine Wohnung?« Brittany schüttelte den Kopf. »Nein. Er war lange in Vegas, um die Eröffnung seines neuen Clubs vorzubereiten. Das ist jetzt zwar erledigt, aber er wird viel Zeit dort verbringen, zumindest die ersten paar Monate. Er reist viel zwischen seinen verschiedenen Clubs hin und her, deshalb hat er nirgendwo einen ständigen Wohnsitz.« »Wie lange bleibt er denn jetzt hier?«, fragte Bethany, und ihre Miene spiegelte die Bedenken wider, die Josie hegte. Brittany zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Wir werden es wohl erst einmal Tag für Tag angehen und schauen, was passiert. Wer weiß? Vielleicht bin ich für ihn ja nur ein netter Zeitvertreib, während er in der Stadt weilt. Ich werde mich hüten, mehr in die Situation hineinzulesen, als da ist. Das wäre nämlich der beste Weg, sich falsche Hoffnungen zu machen.« »Er könnte sich die Zeit mit mir vertreiben«, brummte Mia. Bethany konnte sich kaum halten vor Lachen. »Das werde ich Gabe erzählen, dass du das gesagt hast.« Mia funkelte sie wütend an. »Nein, tust du nicht. Oberstes Freundinnengesetz. Was man unter Freundinnen bespricht, bleibt unter Freundinnen.« »Stimmt«, gab Bethany ihr recht. »Aber es macht Spaß, dich damit aufzuziehen.« »Davon abgesehen ist Gabe schon fast mehr als genug. Aber gucken kann ich doch. Meine Augen sind in Ordnung, oder besser meine Hormone, wenn man’s genau nimmt. Aber ich habe nicht das Bedürfnis, einen anderen Mann anzufassen«, erklärte sie frech. »Gibt es eigentlich so was wie Liebe auf den ersten Blick?«, fragte Brittany wehmütig. »Ich bin jetzt dreißig Jahre alt und war noch nie verliebt. Schon gar nicht in meinen Exmann. Ich habe Angst, dass Kai mich einfach überrollt hat und ich mich einfangen lasse, weil er sich so sehr zu mir hingezogen fühlt. Ich frage mich, ob ich bei diesem Maß an Aufmerksamkeit auf jeden Typen so reagiert hätte wie auf Kai.« Josie nahm Brittanys Hand und drückte sie. »Natürlich ist das möglich. Es passiert häufiger, als du denkst. Und du musst aufhören, dir wegen deiner gescheiterten Ehe Vorwürfe zu machen. So was passiert einfach. Aber das liegt hinter dir. Jetzt gilt es, in die Zukunft zu schauen und dir selber die Chance zu geben, glücklich zu sein.« »Das hätte ich nicht schöner formulieren können«, meinte Bethany. »Jace schwört, dass er sich gleich beim ersten Mal, als er mich sah, in mich verliebt hat. Und nach dem, was du so erzählst, scheint es fast so zu sein, als hätte es Kai ziemlich erwischt.« Mia legte einen Arm um Brittanys Schulter. »Nimm’s mit, Liebes. Hab Spaß. Wenn sich mehr daraus entwickelt … super. Aber wenn nicht? Dann hast du uns, wir werden dich trösten. Außerdem werden Ash und die anderen ihn windelweich prügeln, wenn er dich sitzen lässt.« Bethany grinste zustimmend. Sogar Brittanys Augen funkelten vor Erheiterung. Josie sagte nichts. Sie wusste, dass Ash genau das tun würde. Mias Worte waren nicht mehr als das … Worte. Aber Ash würde nicht zögern, sich jemanden vorzuknöpfen, der einen Menschen verletzt hatte, der ihm nahestand. Das hatte er schon bewiesen. »Du hast recht«, meinte Brittany. »Ich sollte es einfach auf mich zukommen lassen. Es genießen. Vielleicht interpretiere ich viel zu viel hinein. Wahrscheinlich will er einfach nur ein bisschen Unterhaltung, während er hier ist. Und da er fantastisch im Bett ist, komme ich ihm in dieser Hinsicht sehr gerne entgegen. Ich hoffe nur, dass ich nicht zusammenbreche, wenn er wieder geht.« »Vielleicht tut er das ja nicht«, meinte Josie achselzuckend. »Er wirkte gestern Abend ziemlich interessiert an dir, und nach dem, was du über ihn erzählt hast, scheinst du für ihn ja nicht irgend so ein Häschen-Einsatz zu sein.« »Häschen-Einsatz!«, lachte Mia sich tot. »Den Ausdruck werde ich mir klauen. Der ist gut!« »Ich glaube, du hast recht«, stimmte Bethany Josie zu. »Ich meine … ich dachte in jener ersten Nacht auch, dass ich für Jace nichts anderes wäre. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass er in der ganzen Stadt nach mir suchen würde! Und sagen wir mal so … nachdem er mich gefunden hatte, war’s geklärt. Natürlich gab es immer noch Dinge, die geregelt werden mussten, aber ich wusste, dass das mit ihm was Ernstes war.« »Und was ist denn nun mit dir und Ash?«, fragte Brittany, und sofort richtete sich die Aufmerksamkeit aller auf Josie. »Ein so starkes Interesse habe ich bei meinem Bruder noch nie erlebt. Wir haben zwar nie viel Zeit miteinander verbracht, aber ich hätte mitbekommen, wenn er über einen längeren Zeitraum mit einer einzigen Frau zusammen gewesen wäre.« »Einen längeren Zeitraum!«, rief Josie lachend. »Wir sind gerade mal zwei Wochen zusammen.« »Der ist geliefert. Glaub mir«, sagte Mia ernst. »Ich kenne ihn. Er und Jace haben sich die Frauen immer geteilt, und das war häufig mehr als seltsam. Die letzte hab ich sogar kennengelernt.« Sie zuckte zusammen und räusperte sich. »Nicht du, Bethany. Vor dir. Oh verdammt, jetzt bin ich schon wieder ins Fettnäpfchen getreten.« Bethany wurde rot, aber Josie lachte. »Nicht doch, Bethany. Es ist okay. Wirklich. Ich find’s toll, dass wir darüber reden können, ohne dass es uns allen peinlich ist. Das ist wirklich besser so.« Brittany sah vollkommen verwirrt aus, aber die anderen klärten sie nicht auf. »Egal … wie ich schon sagte«, meinte Mia, »bevor ich in dieses Fettnäpfchen trat … Ich habe also die letzte Nummer von Jace und Ash kennengelernt, als die beiden mich mal zum Abendessen ausgeführt haben. Ich schwöre euch, die hat uns verfolgt. Die ist auf keinen Fall zufällig ausgerechnet in diesem Restaurant aufgetaucht. War eigentlich gar nicht ihr Stil, wenn ihr wisst, was ich meine. Wir saßen also völlig ahnungslos da und mampften unsere Nachos, als sie plötzlich wie eine verletzte Alte auftauchte und eine Szene machte. Dabei beleidigte sie mich dann auch noch, weil sie dachte, ich wäre ihre Nachfolgerin.« Sie schüttelte sich, als sie das sagte. »Das war dann wohl nicht so gut, oder?«, meinte Bethany grinsend. Mia zuckte zusammen. »Nein. Äh, sagen wir mal so. Sie ist mit der Mitteilung ›Es ist vorbei‹ nicht sonderlich gut klargekommen. Warum ich das überhaupt erwähne … Jace und Ash haben lange Zeit immer gemeinsam mit einer Frau rumgemacht. Dann lernte Jace plötzlich Bethany kennen, und alles war vorbei. Jetzt lernt Ash dich kennen, und es ist doch offensichtlich, dass es sich für ihn auch erledigt hat, es mit irgendwelchen Frauen zu tun, an denen er eigentlich kein Interesse hat. Ich kenne ihn nun schon seit vielen Jahren, und er ist noch nie so lange mit ein und derselben Frau zusammen gewesen wie mit dir, Josie.« »Das höre ich gerne«, murmelte Josie. »Und wie ist es denn? Liebst du ihn?«, fragte Brittany. »Sollte ich dich fragen, welche Absichten du im Hinblick auf meinen Bruder hegst?« Alle lachten, und Josie hob die Hände. »Ich war ganz lieb letzte Nacht. Versprochen!« »Du hast die Frage nicht beantwortet«, stellte Mia fest. Josie seufzte. »Ja, ich liebe ihn. Ich habe es ihm aber noch nicht gesagt, weil der richtige Moment noch nicht gekommen ist. Es klingt dumm, aber ich will es nicht sagen, wenn wir gerade Sex haben oder in sonst einem anderen emotionalen Moment. Auch nicht, wenn er gerade etwas sehr Liebes für mich getan hat. Er soll wissen, dass ich es wirklich meine und dass es nicht etwas ist, das mir im Eifer des Gefechts herausrutscht.« »Hat er dir denn gesagt, dass er dich liebt?«, fragte Bethany leise. Josie verzog das Gesicht. »Nein.« »Das wird er«, erklärte Mia resolut. »Daran zweifle ich nicht eine Sekunde. Gütiger Himmel … allein wie er dich anschaut … Da läuft mir immer ein Schauer über den Rücken.« Brittany nickte zustimmend. »Ganz zu schweigen davon, wie er beim Auftritt unserer Mutter im Restaurant auf sie losgegangen ist, als sie lauter Blödsinn über dich sagte. Ich dachte, er erwürgt sie gleich. Ich hätte ganz sicher nicht versucht, ihn davon abzuhalten!« Wieder lachten alle, wurden dann aber vom Kellner unterbrochen, der ihre Bestellungen brachte. Während der folgenden Minuten aßen sie, lachten und plauderten über ihre Männer, über Sex und, nun gut, noch mehr Sex. Josie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt so viel Spaß gehabt hatte. Alles war so … perfekt. Sie und Ash; allein damit hätte sie sich schon als sehr glückliche Frau bezeichnet. Aber jetzt hatte sie auch noch gute Freundinnen. Sie mochte sie wirklich gern. Sie waren natürlich, hatten viel Herz und kein bisschen Falschheit an sich. Konnte sie noch mehr verlangen? Sie war jetzt eine erfolgreiche Künstlerin – es gab tatsächlich eine Nachfrage nach ihren Bildern! Auch wenn es nur ein einziger Interessent war. Das reichte. Wer immer es auch sein mochte, er hatte eine Zuneigung zu ihren Werken entwickelt, die ihn alles aufkaufen ließ, was sie fabrizierte. Und jetzt hatte sie auch noch tolle Freundinnen und einen Mann, den sie anbetete. Und sie war sich ziemlich sicher, dass er sie auch anbetete. Sie hatten es einander noch nicht gesagt, aber Josie war sich sicher, dass er der Richtige war. Die Worte würden irgendwann ausgesprochen werden. Er hatte über die Zukunft gesprochen, als wäre es abgemacht. Er hatte sogar gesagt, sie würde einen Verlobungsring bekommen! Er hatte von Kindern gesprochen! Kein Mann, der nicht an etwas Dauerhaftes dachte, sprach von Verlobungsringen und Kindern. Leise seufzend lehnte sie sich zurück und stimmte zu, ein Glas Wein mit den anderen zu trinken. Schließlich hatte sie jemanden, der sie nach Hause fuhr. Warum also nicht? Eine Stunde später verabschiedeten sich die Frauen voneinander, stiegen in die verschiedenen Autos und fuhren nach Hause. Brittany war zu Fuß zum Restaurant gekommen, und Josie bot ihr an, sie mitzunehmen. Sie plauderten während der gesamten Fahrt zu Brittanys Wohnung angeregt miteinander. »Es hat Spaß gemacht heute«, sagte Brittany, als sie vor ihrem Wohnhaus anhielten. »Ich danke dir, dass du mich gestern Abend und auch heute eingeladen hast mitzukommen, Josie. Ich habe es wirklich sehr genossen.« »Bitte«, erwiderte Josie mit einem freundlichen Lächeln. »Mir hat es auch Spaß gemacht. Wir müssen das unbedingt regelmäßig machen.« »Auf jeden Fall!«, sagte Brittany, als sie aus dem Wagen stieg. »Und halt mich in Sachen Kai auf dem Laufenden!«, rief Josie ihr hinterher. Brittany drehte sich um, hielt den Daumen hoch und nickte mit einem strahlenden Lächeln. Josie ließ sich wieder in die Polster sinken und schickte Ash auf dem Weg zurück in die Wohnung eine SMS. Sie hatte ihm von dem Mittagessen mit ihren Freundinnen erzählt, und er hatte ihr viel Spaß gewünscht und gebeten, dass sie ihm Bescheid geben möge, wenn sie wieder nach Hause fuhr. Vielleicht würde er es sogar schaffen, früh von der Arbeit nach Hause zu kommen. Freudig erregt durchquerte sie die Stadt. Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann sie zuletzt so … glücklich gewesen war, so entspannt sorglos und absolut zufrieden mit ihrem Leben. Der Wagen hielt vor Ashs Apartmenthaus; sie stieg aus und dankte dem Fahrer. Sie betrat das Gebäude, als der Portier, der gerade telefonierte, die Hand über die Sprechmuschel legte. »Miss Carlysle, für Sie ist ein Paket abgegeben worden. Soll ich es Ihnen nach oben in die Wohnung bringen?« Josie lächelte. »Nein, nicht nötig. Es ist klein, oder? Ich nehme es selbst mit hoch.« Sie hatte ein paar neue Pinsel bestellt und wusste, dass sie heute geliefert werden sollten. »Es ist im Büro. Warten Sie eine Sekunde, dann hole ich es Ihnen.« »Ach, nicht nötig«, rief sie. »Telefonieren Sie in Ruhe zu Ende. Ich hol es mir einfach und nehme es gleich mit nach oben.« »Miss Carlysle!«, rief er ihr hinterher. Sie betrat das kleine Büro, in dem auch die Lieferungen aufbewahrt wurden, und sah das kleine Päckchen auf dem Tisch. Lächelnd klemmte sie es sich unter den Arm. Als sie kehrtmachte, um den Raum wieder zu verlassen, fiel ihr Blick auf mehrere verhüllte Bilder, die an der gegenüberliegenden Wand lehnten. Sie runzelte die Stirn, weil eines, das nicht vollständig abgedeckt war, sehr nach einem von ihren Bildern aussah. Aber was sollten ihre Bilder ausgerechnet hier zu suchen haben? Schnell trat sie zur Wand, ohne einen Hauch von Skrupel, weil sie schnüffelte. Sie schob die Abdeckung zur Seite und keuchte auf. Es waren ihre Bilder! 28 Josie sah schnell alle anderen Bilder durch, und das ungute Gefühl im Magen verstärkte sich mit der Enthüllung jedes weiteren Gemäldes, das sie in Mr Downings Kunstgalerie verkauft hatte. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Sie ließ das Tuch vom letzten Bild fallen, und ihr Magen erreichte die Grenze des Belastbaren. Oh nein. Nein, nein, nein. Das konnte doch nicht sein. Das würde er doch nicht tun. Aber er hatte es getan. Der Beweis befand sich direkt vor ihren Augen. »Miss Carlysle, bitte. Sie sollten sich hier nicht aufhalten«, sagte der Portier, der jetzt in der Tür stand. »Nein, das sollte ich wohl nicht«, sagte sie leise. Sie drängte sich an ihm vorbei und ignorierte seine Bitte, stehen zu bleiben. Es gab nichts, was er hätte sagen können. Sie stürmte in den Fahrstuhl. Die Tränen brannten in ihren Augen. Wie hatte er das nur tun können? Sie fühlte sich wie der größte Idiot auf Erden. Nicht einmal im Traum wäre sie darauf gekommen, dass Ash derjenige sein könnte, der all ihre Bilder gekauft hatte. Aber andererseits hätte sie sich das auch denken können. Bisher hatte er jeden Aspekt ihrer Beziehung gesteuert. Eine Welle der Trostlosigkeit erfasste sie. Sie war gar nicht erfolgreich. Sie war gar nicht unabhängig. Alles, was sie hatte, kam von Ash. Sie lebte von seinem Geld … in seiner Wohnung. Nichts war von ihrem Geld gekauft worden. Ihr Gefühl von vorhin, dass alles gut lief, richtig war, dass sie ihren Platz in der Welt gefunden hatte, war nach der Entdeckung der Bilder verschwunden. Sie war so aufgebracht, als sie aus dem Fahrstuhl sprang, dass sie noch nicht einmal klar denken konnte. Ihr Blick fiel auf die Kisten; die meisten waren bereits ausgepackt. Sie ging an ihnen vorbei, ließ sich aufs Sofa sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie fühlte sich so gedemütigt. Heftige Scham überkam sie, wenn sie an all die Male dachte, als sie Ash aufgeregt von ihrem Erfolg berichtet hatte. Und er hatte nichts gesagt! Er hatte sie angelogen, und das war etwas, was sie nie erwartet hätte. Er hatte natürlich nicht geleugnet, die Bilder gekauft zu haben, aber sie hatte ja schließlich auch nicht gefragt. Sie wäre nicht im Traum darauf gekommen, dass er dahinterstecken könnte. Er hatte gelogen, indem er etwas verschwieg. Es war eine so große, eine so gewaltige Lüge, dass sie sie nicht einmal erfassen konnte. Was hatte er sonst noch vor ihr verheimlicht? Die Tränen brannten in ihren Augen, aber sie weigerte sich, dem Impuls nachzugeben. Sie wollte auch nicht glauben, dass sie überreagierte. Das war keine kleine Sache. Ihr Erfolg hatte sie in die Lage versetzt, auf Ashs Forderungen einzugehen. Nur weil sie gemeint hatte, selbst für ihren Unterhalt sorgen zu können, hatte sie das Gefühl gehabt, sich auf ihn einlassen zu können. Angesichts des heftigen materiellen Gefälles wäre sie nie im Leben blindlings eine Beziehung mit Ash eingegangen. Sie war willens und fähig gewesen sich zu unterwerfen, weil sie sich ihm ebenbürtig gewähnt hatte. Es hatte zwar nie wirklich ein Gleichgewicht zwischen ihnen geherrscht, aber ihr Erfolg als Künstlerin, die Gewissheit, Geld auf ihrem Konto zu haben, und damit die Mittel, um für sich selbst zu sorgen, waren sehr wichtig für sie gewesen und hatten für einen gewissen Ausgleich zwischen ihnen gesorgt. Zumindest in ihrer Vorstellung. Doch sie hatte nicht begriffen, wie unausgeglichen in Wirklichkeit alles zwischen ihnen war. Sie lebte in seiner Wohnung. Das gesamte Geld auf ihrem Bankkonto war seins. Nicht ihres. Oh Gott, er hatte sogar das Doppelte des geforderten Preises bezahlt. Eigentlich hätte sie sich fragen müssen, womit sie so viel Glück verdient hatte. Leute marschierten nun einmal nicht einfach in irgendwelche Galerien und bezahlten großzügig mehr als den geforderten Preis. Sie war so unendlich dumm. So naiv. So vollkommen schwachsinnig. Sie hatte doch tatsächlich geglaubt, einen Bewunderer ihrer Arbeit aufgetan zu haben. Sie hatte geglaubt, wirklich Talent zu haben, obwohl Mr Downing sich geweigert hatte, noch mehr von ihr auszustellen, weil sich die Bilder nicht verkaufen ließen. Jetzt kannte sie die Wahrheit. Sie schloss die Augen. Sie war am Boden zerstört. Sie hatte ihm vertraut, hatte ihm nichts vorenthalten … und er hatte dieses Geschenk mit Füßen getreten. All seine Worte darüber, wie sehr er ihr Geschenk zu würdigen wusste, dass er es bewahren würde wie einen Schatz, waren leeres Gerede gewesen. Er hatte sie komplett zum Narren gehalten. Himmel, sie hatte den anderen sogar vom Verkauf ihrer Bilder erzählt. Sie war so stolz gewesen. So aufgeregt. Wussten etwa alle, dass Ash ihr Wohltäter war? Ash folgte offensichtlich dem Prinzip, jemanden nur bei Bedarf über irgendetwas in Kenntnis zu setzen. Was hatte er ihr sonst noch verschwiegen, von dem er meinte, sie müsste es nicht wissen? Sie hob den Kopf und konnte vor Kummer kaum atmen. Versuchte, schnell und keuchend Luft zu holen, um das Brennen in ihrer Brust zu lindern. Aber es half nichts. Sie liebte ihn. Sie hatte gedacht, dass er sie auch liebte. Sie rieb sich die Schläfen und wurde plötzlich von tiefer Erschöpfung übermannt. Was sollte sie jetzt tun? Sie sah die Kisten an, und eine aufsteigende Wut vertrieb einen Teil des Kummers. Auf keinen Fall würde sie einfach bleiben und so tun, als wüsste sie nicht, was er getan hatte. Wie sollte sie auch? Ihr ganzes Leben war eine Lüge. Und jetzt war sie auch noch mit dem Wissen konfrontiert, gar nicht erfolgreich zu sein. Es gab keine Nachfrage für ihre Werke. Und ihren kleinen Nebenverdienst durch das Entwerfen von Schmuck hatte sie auch nicht mehr ernsthaft verfolgt, seit sie bei Ash eingezogen war. Sie war zu beschäftigt mit anderen Dingen gewesen, um neue Stücke zu entwerfen und diese übers Internet zu verkaufen. Durch das Bewusstsein, dass sie ihre Bilder immer sofort verkaufen konnte, war sie entspannt gewesen. Darüber hinaus verdiente sie mit den Bildern viel mehr Geld als mit dem Schmuck. Das war zumindest so gewesen. Sie holte tief Luft und zwang sich aufzustehen. Zur Tat zu schreiten. Es würde nicht lange dauern, ihre Habseligkeiten wieder einzupacken. Und im Grunde wollte sie ohnehin nur ihre Malutensilien und die Kleidung, die sie mitgebracht hatte, mitnehmen. Alles andere gehörte Ash. Es waren Dinge, die er für sie gekauft hatte, und die würde sie nicht mitnehmen. Mechanisch stopfte sie alles in die Kisten und ließ nichts von der Sorgfalt walten, die sie beim letzten Mal an den Tag gelegt hatte. Nach einer halben Stunde war sie fertig, auch die Reisetasche mit Kleidung und Toilettenartikeln war gepackt. Sie ließ den Blick noch einmal durch den Raum schweifen. Ihr war klar, dass das alles nicht in einer Fuhre in ihre Wohnung gebracht werden konnte. Gott sei Dank hatte sie die nicht gekündigt, so hatte sie zumindest einen Ort, an dem sie Zuflucht suchen konnte. Sie straffte die Schultern, holte ihr Handy hervor und suchte über Google nach einem ortsansässigen Umzugsunternehmen. Nach einem Telefonat und einem saftigen Zuschlag für einen Eilumzug konnte sie nur noch warten … auf die Leute, die alle Spuren ihrer Anwesenheit aus Ashs Wohnung entfernen würden. Es tat weh. Ihr gesamter Körper schmerzte. Es gab keine Stelle in ihrem Herzen und ihrer Seele, die nicht vor Kummer geweint hätte. Aber wie konnte sie bei einem Mann bleiben, der sie so ungeniert manipuliert hatte? Er mochte ihr zwar nie körperlich wehgetan haben, wie Michael es getan hatte. Aber in diesem Moment hätte Josie diese Art von Schmerz der unendlichen Qual vorgezogen, die sie angesichts seiner Täuschung erfüllte. Eine Stunde später waren die Umzugsleute da und begannen, die Kisten erst zum Fahrstuhl und dann in den wartenden Laster zu tragen. Josie blieb in der Wohnung, bis die letzte Kiste das Apartment verließ. Immer wieder hatte sie die Männer leise gedrängt sich zu beeilen. Sie wollte auf keinen Fall noch da sein, wenn Ash von der Arbeit nach Hause kam. Er hatte noch nicht angerufen, also blieb ihr vermutlich noch genügend Zeit. Wenn er nach Hause kam, würde sie längst wieder in ihrer eigenen Wohnung sein. Und dieses Mal würde sie sich nicht von schönen Worten und leeren Versprechungen umstimmen lassen. Zur Hölle mit ihm, dass er mit ihr geschlafen hatte. Zur Hölle mit ihm, dass er sie in seine Welt hineingezogen hatte. Sie mochte seine Freunde. Sie hatte Bethany, Mia, Brittany und all die anderen richtig gern. Aber es waren seine Freunde, die ihm treu ergeben waren. Sie war nur seinetwegen von ihnen so freundlich aufgenommen worden. Jetzt hatte sie gar nichts mehr. Sie war schon auf dem Weg nach unten, als ihr zwei Dinge klar wurden. Zum einen, dass ihr kein Fahrzeug zur Verfügung stand, um zu ihrer Wohnung zu kommen. Im Umfeld von Ashs Apartment gab es keine öffentlichen Verkehrsmittel. Sie konnte natürlich ein Taxi nehmen, aber das konnte eine Weile dauern. Vor allem zu dieser Tageszeit, wo nicht gerade ein Mangel an Fahrgästen herrschte. Zum anderen wurde ihr klar, dass sie Ash gegenübertreten musste. Sie konnte nicht einfach ausziehen und sich in ihrer Wohnung verstecken. Sie schuldete ihm zwar nichts, aber sie wollte auch nicht nach Hause und sich die ganze Zeit vor dem Moment fürchten, in dem er feststellte, dass sie weg war. Ein letztes Gespräch war sowieso unausweichlich. Es war also besser, sie suchte ihn im Büro auf, sagte, was sie zu sagen hatte, und erklärte ihm ganz deutlich, dass es aus war. Dann würde sie keine Angst haben müssen, dass er in ihrer Wohnung auftauchte. Und dafür konnte sie Ashs Chauffeur in Anspruch nehmen. Schließlich musste der Ash sowieso bei der Arbeit abholen. Ein schneller Blick auf die Uhr sagte ihr, dass der Fahrer wahrscheinlich noch da war. Wenn nicht, würde sie einfach ein Taxi nehmen, auch wenn sie unter Umständen warten musste. Vom Büro aus würde sie dann die U-Bahn nehmen. Nachdem sie die Umzugsleute mit ihrem Wohnungsschlüssel losgeschickt hatte, damit diese mit dem Entladen beginnen konnten, fischte sie ihr Handy aus ihrer großen Tasche, die sie sich über die Schulter geworfen hatte. Sie rief Ashs Fahrer an, der glücklicherweise gerade in der Nähe war. Ein paar Minuten später war sie bereits unterwegs zu Ashs Büro. Stumme Tränen liefen über ihre Wangen. 29 Ash ließ den Kopf nach hinten gegen die Rückenlehne sinken, ohne den Hörer vom Ohr zu nehmen. Die Telefonkonferenz zog sich zäh und dröge in die Länge, ein Ende war nicht in Sicht. Himmel! Er wollte nichts mehr, als weg von diesem blöden Telefon und hin zu Josie. Sie hatte heute mit den Mädels zu Mittag gegessen, und er freute sich darauf zu hören, wie ihr Tag verlaufen war. Danach wollte er sie zum Abendessen ausführen. Irgendwohin, wo es ruhig und gemütlich war. Sie würden sich ein bisschen unterhalten und dann nach Hause gehen, wo er sie lieben würde, bis sie vor Erschöpfung einschliefen. Es klopfte an der Tür, und Eleanor steckte den Kopf herein. Ash war irritiert, aber wenn Eleanor schon störte, musste es wichtig sein. Sie war tüchtig und wusste sehr wohl, dass er gerade ein wichtiges Telefonat führte. Er schaltete das Telefon kurz auf stumm, senkte den Hörer und sah Eleanor fragend an. »Entschuldigung, Sir, ich weiß, dass Sie beschäftigt sind, aber Miss Carlysle ist hier, um mit Ihnen zu reden.« Er brauchte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass es sich bei Miss Carlysle um Josie handelte. Er richtete sich auf und beendete umgehend das Telefonat. »Josie ist hier?«, fragte er schroff. »Schicken Sie sie sofort rein.« Eleanor verschwand, und Ash sprang auf und eilte zur Tür, um Josie dort in Empfang zu nehmen. Himmel, sie war noch nie hier gewesen. Er wusste nicht einmal, ob er ihr je gesagt hatte, wo er überhaupt arbeitete. Einen Moment später ging die Tür auf, und Josie trat langsam mit blassem Gesicht und verquollenen Augen ein. Sie sah aus, als hätte sie geweint. Er war sofort bei ihr und zog sie in seine Arme. Sie erstarrte, ihr gesamter Körper war angespannt, steif wie ein Brett. »Was ist los?«, wollte er wissen. »Was hat dich so aus der Fassung gebracht, Josie?« Sie wand sich aus seinen Armen, ging weiter und blieb in der Mitte des Raumes stehen. Angespannt kehrte sie ihm den Rücken zu. Er betrachtete sie aufmerksam. »Josie?« Als sie nicht antwortete, streckte er die Hände nach ihr aus und drehte sie zu sich um. Was er in ihrem Gesicht las, gefiel ihm nicht. Eine Welle der Furcht erfasste ihn, als er in ihre leblosen Augen schaute. Josie strahlte sonst immer. Das war einfach ihre Art. Sie konnte einen Raum allein dadurch erhellen, dass sie eintrat. Sie funkelte, ihr Lächeln war ansteckend, und ihre Augen leuchteten immer fröhlich. Wie alles andere an ihr. Heute nicht. Sie wirkte erschöpft. Traurig. Am Boden zerstört. Als sie sich wieder von ihm löste, kniff er die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Denk daran, was ich dir gesagt habe, Josie. Wenn du und ich miteinander reden, und insbesondere, wenn du wegen irgendetwas bekümmert bist, besprechen wir das nicht mit einer räumlichen Distanz zwischen uns. Du weist mich ab, und das nehme ich nicht hin.« Als er sie wieder an sich ziehen wollte, streckte sie beide Arme als Abwehr gegen ihn aus. »Du hast keine Wahl, Ash«, erklärte sie mit gepresster Stimme. »Es ist aus, Ash. Ich habe all meine Sachen wieder in meine Wohnung schaffen lassen.« Er hatte seine Reaktion auf diese Information kaum unter Kontrolle. Es gab tausend Dinge, die sie hätte sagen können, aber darauf wäre er nie gekommen. Was zum Teufel war los? »Von wegen, es ist aus«, knirschte er. »Was zur Hölle ist eigentlich los, Josie?« »Ich habe die Bilder gesehen«, erwiderte sie mit rauer Stimme. »Alle.« Verdammt. Er atmete tief ein und aus und fuhr sich mit zitternder Hand durchs Haar. »So hattest du es eigentlich nicht erfahren sollen, Süße.« »Nein, vermutlich nicht«, meinte sie verächtlich. »Ich nehme an, du wolltest überhaupt nicht, dass ich es erfahre.« »Du kannst nicht ausziehen und die Beziehung für beendet erklären, nur weil ich dir nicht erzählt habe, dass ich derjenige bin, der deine Bilder gekauft hat.« »Ach ja? Wollen wir wetten?«, erwiderte sie in einem eiskalten Ton, der gar nicht zu ihr passte. »Süße, du musst dich beruhigen und es mich erklären lassen. Wir werden uns aussprechen und dann weitermachen. Aber ich werde diese Unterhaltung nicht in meinem gottverdammten Büro führen, und ich werde sie ganz gewiss nicht führen, während du zwei Meter von mir entfernt stehst und eine Scheißmauer zwischen uns errichtet hast.« »Ich soll mich beruhigen?«, fragte sie. »Du hast mich angelogen, Ash. Du hast gelogen. Und erwartest jetzt von mir, das auszudiskutieren und dann einfach wie bisher weiterzumachen?« »Ich habe dich nie angelogen«, stieß er hervor. »Erzähl mir doch nicht so was. Du hast gelogen, und du weißt es auch. Aber darüber hinaus habe ich mich deinetwegen komplett zum Narren gemacht … jedes Mal, wenn ich mich so über den Verkauf dieser Bilder gefreut habe. Du hast mich mit deinen Freunden darüber reden lassen. Du hast mir das Gefühl gegeben, etwas Großartiges geleistet zu haben. Das Gefühl vermittelt, ich könnte für mich selbst sorgen, das Gefühl, dass ich Geld habe. Möglichkeiten. Eine Zukunft. Himmel, du hast mich richtig mies ausgetrickst. Und jeder einzelne dieser Punkte war und ist eine Lüge.« »Grundgütiger, Josie, das lag überhaupt nicht in meiner Absicht«, schwor er. Sie hielt eine Hand hoch. »Weißt du, warum ich nicht mit dir darüber diskutiert habe, bei dir einzuziehen? Warum ich mich so schnell von dir zu allem überreden ließ? Weil ich das Gefühl hatte, es tun zu können … weil ich Alternativen hatte … weil ich dich nicht brauchte. Aber ich wollte dich. Ich dachte, ich wäre unabhängig … irgendwie ebenbürtig, obwohl ich nie so viel Geld haben werde wie du. Aber es war mir wichtig, selbst in der Lage zu sein, etwas zu unserer Beziehung beizutragen; auch wenn es nur die eigene Persönlichkeit war. Mich selbst, mit dem Gefühl zu vertrauen. Ich war wirklich glücklich, Ash, weil ich ausnahmsweise einmal das Gefühl hatte, alles zu haben. Eine Karriere. Dich. Wirklich gute Freunde. Und nichts, aber auch gar nichts davon war real!« Jedes einzelne Wort von ihr schnitt ihm wie ein Messer ins Fleisch. Ihr Gesicht war wenn möglich noch blasser geworden, ihr Blick noch trauriger. Er hatte nicht an ihre Werte, an ihr Selbstwertgefühl gedacht … an ihr Gefühl, die Wahl zu haben … nicht völlig von ihm abhängig zu sein, auch wenn es das war, was er wollte. Aber verdammt, um nichts in der Welt hatte er sie verletzen wollen, das am allerwenigsten. »Du hast jeden einzelnen Aspekt unserer Beziehung manipuliert«, erklärte sie voller Schmerz. »Du hast alles sorgfältig eingefädelt. Jede Handlung war genau berechnet und sorgfältig durchdacht. Du hast mich wie einen Bauern im Schachspiel hin und her geschoben, und ich bin dir wie eine reife Pflaume in den Schoß gefallen. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, als du mich durch Erpressung dazu gebracht hast, mit dir zu Abend zu essen. Himmel, ich hätte es allein daran erkennen müssen, dass du mich hast überwachen lassen und wusstest, dass ich den Schmuck meiner Mutter versetzt hatte. Aber ich habe das ignoriert. Ich dachte, das seien keine großen Warnzeichen, obwohl es mich wie einen Idioten dastehen lässt, sie nicht als solche erkannt zu haben. Du bist so daran gewöhnt, in deiner Welt Gott zu spielen, dass du dir nichts dabei gedacht hast, auch in meiner Welt Gott zu spielen.« »Josie, hör auf«, befahl er. »Es reicht. Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Um Himmels willen … nichts lag mir ferner! Wir können das gerne alles besprechen, Süße.« Aber sie schüttelte sofort den Kopf, und sein Magen zog sich vor Angst zusammen; die Furcht strahlte in seine Brust aus und schnürte ihm schließlich die Kehle zu, sodass er meinte, keine Luft mehr zu bekommen. »Verdammt, Josie. Ich liebe dich.« Sie schloss die Augen, und eine Träne lief über ihre Wange. Als sie die Augen wieder öffnete, schimmerten diese feucht, und es lag so viel Hoffnungslosigkeit in ihrem Blick, dass er meinte, sich übergeben zu müssen. »Ich hätte alles für diese Worte gegeben«, sagte sie leise. »Ich hatte mich sogar schon selbst davon überzeugt, dass du mich tatsächlich liebst, diese Worte aber einfach noch nicht gesagt hast. Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, sie von dir zu hören. Aber jetzt? Wie kann ich dir jetzt noch Glauben schenken? Du hast gezeigt, dass du sehr weit gehst, um Dinge so zu manipulieren, dass du bekommst, was du willst. Warum soll ich also glauben, dass du mit diesen Worten nicht meine Gefühle manipulieren willst?« Er war sprachlos. Vollkommen sprachlos. Verdammt noch mal! Er hatte diese Worte noch nie zu einer Frau gesagt. Und sie vermutete, er sagte sie nur, um sie zu manipulieren? Wut strömte durch seinen Körper, brodelte so stark, dass er sicher war, bald die Beherrschung zu verlieren. Er wandte sich verzweifelt ab, wusste einfach nicht, was er sagen, was er tun sollte. Sie beendete die Beziehung mit ihm, während er doch geplant hatte, für immer mit ihr zusammenzubleiben. Ihre Hand zitterte, als sie sie zum Halsband hob. »Nein!«, stieß er gepresst hervor, während sie den Verschluss öffnete. Sie fing das Halsband mit der anderen Hand auf und streckte dann den Arm aus, um es ihm in die Hand zu drücken. »Ich habe alle meine Sachen aus deiner Wohnung entfernt«, erklärte sie leise. »Die Schlüssel habe ich auf den Tresen in der Küche gelegt. Leb wohl, Ash. Du warst das Beste – und das Schlimmste –, was mir je passiert ist.« Er streckte die Hand aus, in dem Versuch, sie aufzuhalten; er würde sie auf keinen Fall einfach durch die Tür davongehen lassen. »Warte noch eine einzige Minute, Josie. Wir sind noch nicht fertig. Ich werde uns auf gar keinen Fall so einfach aufgeben. Unsere Beziehung ist es wert, dafür zu kämpfen. Du bist es wert, dass ich um dich kämpfe, und ich hoffe inständig, dass auch du glaubst, ich bin es wert, egal, wie traurig du jetzt bist.« »Bitte, Ash. Ich kann das jetzt nicht«, flehte sie. Tränen glitzerten in ihren Augen und strömten ihr über die Wangen. »Lass mich einfach gehen. Ich bin zu fertig, um jetzt noch vernünftig zu diskutieren, und ich will auf keinen Fall Dinge sagen, die ich später bereuen werde.« Schnell ging er auf sie zu und zog sie an seine Brust. Er hob ihr Kinn mit seinen Fingern und sah ihr tief in die Augen. »Ich liebe dich, Josie. Das ist eine Tatsache. Keine Manipulation. Kein hintergründiger Plan. Ich. Liebe. Dich. Punkt.« Sie schloss die Augen und wandte das Gesicht ab. Er legte eine Hand an ihre Wange und wischte mit dem Daumen über das silbrige Rinnsal. »Sag mir einfach nur, warum?«, wisperte sie. »Warum hast du das getan? Warum hast du es mir nicht erzählt? Warum hast du es mir verheimlicht?« Er seufzte. »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Vielleicht hatte ich Angst, dass du genau so reagierst, wie du es jetzt tatsächlich getan hast, und das wollte ich nicht. Ich mag deine Bilder sehr, Josie, und es ärgert mich über die Maßen, dass du meinst, du hättest kein Talent und keiner wolle deine Arbeiten haben, weil du herausgefunden hast, dass ich sie gekauft habe. Das ist Blödsinn.« Sie löste sich von ihm und kehrte ihm mit bebenden Schultern den Rücken zu. »Ich bin jetzt zu durcheinander für dieses Gespräch, Ash. Bitte, lass mich einfach gehen.« »Ich werde dich auf keinen Fall gehen lassen, nachdem du mir erzählt hast, dass du dein gesamtes Hab und Gut aus unserer Wohnung geräumt hast. Du erwartest doch nicht im Ernst von mir, dass ich einfach sage: ›Okay, schönes Leben noch‹? Verflucht! Nein! Das einzige schöne Leben, das ich will, ist mit dir.« Sie schlang die Arme fest um sich. »Ich ziehe wieder in meine Wohnung. Meine Sachen sind schon hintransportiert worden. Ich kann nicht bleiben. Ich habe den Umzugsleuten versprochen, dort zu ihnen zu stoßen.« Panik schnürte ihm die Kehle zu Er fühlte sich hilflos. Sie ging tatsächlich. Wegen dieser verdammten Bilder. Er wusste, dass es dabei um mehr als um die Werke ging. Er verstand, warum sie sauer war. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn sie herausfand, dass er sie gekauft hatte und alles eine Lüge gewesen war. Das wurde ihm in diesem Moment klar. Aber wie zum Teufel sollte er das wiedergutmachen, wie konnte er ihr zeigen, wie viel sie zu geben hatte, wenn sie doch in ihrem eigenen Bett, in ihrer eigenen Wohnung, am anderen Ende der Stadt hauste? Sie bewegte sich in Richtung Tür, und er sah ihr wie gelähmt mit bangem Herzen hinterher. »Josie, bleib stehen. Bitte.« Bei ›Bitte‹ blieb sie stehen, mit dem Rücken zu ihm. »Bitte, sieh mich an«, sagte er leise. Langsam wandte sie sich um. Ihre Augen waren ein Meer aus Tränen. Er fluchte leise. Nie im Leben hatte er der Grund für diese Tränen sein wollen. »Schwör mir, dass du über das alles nachdenken wirst … und über uns«, bat er mit erstickter Stimme. »Ich gebe dir einen Abend, Süße. Aber wenn du glaubst, ich würde jetzt aufgeben und dich einfach ziehen lassen, dann hast du dich in mir getäuscht.« Sie schloss die Augen und holte tief Luft. »Ich werde darüber nachdenken, Ash. Mehr kann ich nicht versprechen. Ich muss über viele Dinge nachdenken. Du hast mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich muss mir überlegen, wie ich von dem Punkt aus weitermache. Ich weiß, dass du ganz am Anfang unserer Beziehung versprochen hast, dich um mich zu kümmern, mich zu beschützen und für mich zu sorgen. Und ich hatte damals nichts dagegen, weil ich wusste, dass ich nicht darauf angewiesen war. Verstehst du den Unterschied? Ich musste nicht mit dir zusammen sein. Ich wollte es. Wenn ich keine andere Wahl gehabt hätte, keinen Platz zum Schlafen, kein Geld … wie hättest du dir dann je sicher sein können, dass ich nicht nur wegen des Geldes mit dir zusammen bin? Ich will nicht, dass dieser Gedanke je zwischen uns steht. Es ist wichtig für mich, unabhängig zu sein und für mich selbst sorgen zu können, auch wenn ich das am Ende vielleicht gar nicht tun werde. Aber ich will diese Möglichkeit haben. Ich möchte in den Spiegel schauen können und wissen, dass ich etwas wert bin, dass ich für mich selbst sorgen kann und meine eigenen Entscheidungen treffe.« Er schloss die Augen. Vieles von dem, was sie sagte, leuchtete ihm ein. Er an ihrer Stelle hätte sich genauso gefühlt. Und er hatte es einfach nicht beachtet. Er hatte nie darüber nachgedacht, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn sie erfuhr, dass er ihre Bilder gekauft und vor ihr versteckt hatte. Er hatte Scheiße gebaut. Und jetzt verlor er sie vielleicht sogar, weil er Scheiße gebaut hatte. »Ich hab’s verstanden«, sagte er mit rauer Stimme. »Wirklich, Süße. Ich gebe dir diesen einen Abend. Aber gefallen muss mir das verdammt noch mal nicht. Und ich werde uns nicht aufgeben, darauf kannst du dich schon mal einstellen. Um nichts in der Welt werde ich dich aufgeben.« Sie schluckte. Ihr Gesicht war blass, als sie ihn mit waidwundem Blick ansah. Dann drehte sie sich um und ging. Sein Herz und seine Seele nahm sie mit, während er mit dem Halsband, das sie abgenommen hatte, zurückblieb. 30 Josie verbrachte eine schreckliche Nacht. Sie wälzte sich rastlos hin und her, bis sie schließlich aufgab und sich in Arbeit stürzte. Aber zum ersten Mal blieben ihr die fröhlichen Farben verwehrt. Das Bild hatte nichts Lebendiges an sich. Es war dunkel und grau und von Traurigkeit umgeben, die sich über die Leinwand ergossen hatte, ohne dass sie es bemerkt hatte. Bei Tagesanbruch war sie vollkommen steif und verspannt nach den vielen Stunden des Malens. Sie ließ das Bild auf sich wirken und erschrak. Es war eindeutig ein Spiegelbild ihrer Stimmung. Sie fühlte sich elend. Sie widerstand dem Impuls, zum Pinsel zu greifen und es mit wenigen Strichen zu vernichten. Ihre Hände zitterten, als sie schließlich ein J, ihre Signatur, in die untere rechte Ecke setzte. Es war ehrlich. Und es war gut. Es war nur völlig anders als ihre übrigen Bilder. Vielleicht entsprach es eher dem, was die Leute wollten. Vielleicht gefielen ihnen fröhlich-bunte und verführerische Bilder gar nicht. Plötzlich kam ihr auch der Titel für das Bild in den Sinn. Regen in Manhattan. Das war zwar nicht besonders originell, passte aber zu ihrer Stimmung, auch wenn draußen gerade ein herrlicher Frühlingstag angebrochen war. Die Häuser auf ihrem Bild waren hoch und dunkel und verschwammen im Regen und vor dem verhangenen Himmel. Sie stellte fest, dass das Gebäude auf der Leinwand das Bürohaus darstellte, in dem sich Ashs Geschäftsräume befanden. Seufzend stand sie auf und streckte die steifen Muskeln. Sie stolperte in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen, und war froh, dass sie noch Pulver im Schrank hatte. Sie würde ihre Vorräte auffüllen müssen. Die verderblichen Lebensmittel hatte sie bei ihrem Auszug weggeworfen, jetzt waren nur noch einige Konserven da. Und der Kaffee. Am liebsten hätte sie auf einen Becher verzichtet und sich das Koffein gleich intravenös verabreicht. Mit dem dampfenden Becher in der Hand ging sie zurück ins Wohnzimmer und zog die Jalousie hoch, um das erste Tageslicht hereinzulassen. Draußen war es noch ruhig, die Stadt erwachte gerade erst mit dem einsetzenden Berufsverkehr zum Leben. Sie hatte ihre Wohnung immer sehr gemocht, aber die Miete kostete sie ein Vermögen, und plötzlich wurde ihr klar, dass sie sich etwas Billigeres suchen musste. Es gab keinen unerwarteten Geldregen, keinen Kunden, der ihre Arbeiten liebte und alles kaufte, was sie produzierte. Sie musste zur Kunstgalerie fahren und Mr Downing unmissverständlich klarmachen, dass er ihre Bilder nicht mehr an Ash verkaufen durfte. Wenn sie einen Verkauf an seinen besten Kunden ablehnte, würde er ihre Bilder vermutlich gar nicht mehr annehmen, geschweige denn ausstellen. Aber wer garantierte ihr, dass Ash die Bilder dann nicht einfach unter einem anderen Namen kaufte … einem Namen, den sie nie zu ihm zurückverfolgen könnte? Ja, sie würde umziehen müssen, sie würde neue Prioritäten setzen und überlegen, welche Möglichkeiten sie hatte. Sie musste mehr Schmuck entwerfen und auf ihrer Internetseite zum Verkauf anbieten. Sie hatte die Seite vernachlässigt, nachdem sie bei Ash eingezogen war, und sich nur noch auf die Kunst konzentriert. Aber sie brauchte den Erlös aus dem Verkauf des Schmucks. Wenn sie regelmäßig Schmuckstücke anfertigte, würde sie auch regelmäßig verkaufen. Ihre Kunst würde erst einmal warten müssen, bis sie genug Reserven hatte, um sich darüber Gedanken zu machen, ihrer Kunst eine neue Richtung zu geben. Mr Downing war der Meinung, sie wäre nicht fokussiert genug, hätte keinen eigenen Stil mit Wiedererkennungswert, und ihr Spektrum wäre zu breit gefächert. Offensichtlich hatte er recht. Aber worauf sollte sie sich bei ihrer Themenauswahl in Zukunft konzentrieren? Wenn den Leuten die fröhlich-bunten Bilder nicht gefielen, die sie immer gemalt hatte, würde sie sich wohl umorientieren müssen. Es sollte doch eigentlich nicht so schwer sein, noch mehr dieser dunklen, bedrückenden Bilder anzufertigen, ähnlich dem von heute Morgen. Sie würde nicht innerhalb eines Tages über Ash hinwegkommen. Auch nicht innerhalb einer Woche oder eines Monats. Sie liebte ihn. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes ohne Sicherheitsnetz abgestürzt. Der alte Spruch über das Spiel mit dem Feuer kam ihr in den Sinn. Sie hatte eindeutig mit dem Feuer gespielt, alle Vorsicht in den Wind geschlagen und sich dabei verbrannt. Sie schüttelte den Kopf, trank ihren Kaffee aus und stellte den Becher auf den Couchtisch. Sie musste wieder an die Arbeit, um vielleicht ein weiteres Bild im Stil von Regen in Manhattan zu malen. Sie würde beide zu Mr Downing bringen und ihn fragen, ob sie sich seiner Meinung nach besser als ihre früheren Werke verkaufen lassen würden. Und wenn nicht? Dann musste sie zu Plan B übergehen. Wie immer der aussehen mochte. Sie warf einen Blick auf ihr Handy, das sie auf stumm geschaltet hatte, und haderte mit sich. Sollte sie nachsehen, ob Anrufe oder SMS eingegangen waren? Sie seufzte. Sicher hatte niemand angerufen. Außer vielleicht Ash, aber im Moment wollte sie nicht über ihn nachdenken. Sie widerstand der Versuchung nachzuschauen – vermutlich war sowieso keine Nachricht eingegangen – und machte sich wieder an die Arbeit. Sie wollte unbedingt ein weiteres Bild fertigstellen. Normalerweise brauchte sie für ein Bild mehrere Tage. Sie machte sich über jedes noch so kleine Detail Gedanken und versuchte endlos, das Werk zu optimieren. Heute aber gab sie einfach Farbe auf die Leinwand, so lange, bis das Bild fertig war. Selbst wenn es nicht perfekt war – na und? Man konnte ja nicht gerade behaupten, dass ihre Akribie sie bisher weit gebracht hatte. Sie schüttelte den Kopf. Himmel! Sie klang wie eine weinerliche, sich selbst bemitleidende Schwachsinnige. Das war sie nicht, und sie würde auch nicht zulassen, dass sie eine wurde. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen, sie hatte ihre Träume noch nie aufgegeben. Sie hatte ihrer Mutter geschworen, dass das nie passieren würde, und sie würde in dieser Hinsicht weder sich noch ihre Mutter enttäuschen. Niemals! Sie arbeitete stundenlang konzentriert, während die Sonne immer höher stieg und ihre Strahlen allmählich auch durch ihr Fenster fielen. Irgendwann ließ sie die Jalousie herunter, weil sie sich plötzlich von den Blicken der Passanten gestört fühlte. Ein paar Typen waren auf dem Bürgersteig immer wieder hin und her gegangen, als wollten sie einen Blick auf ihr Bild erhaschen. Malen war etwas Persönliches. Gerade jetzt, wo sie ihr gesamtes Herz und all ihre Trostlosigkeit auf die Leinwand fließen ließ. Sie hatte dem Bild gerade den letzten Schliff gegeben, als jemand an ihre Tür klopfte. Sie erstarrte vor Entsetzen. War das Ash? Er hatte gesagt, dass er ihr einen Abend zugestehen würde und dass er nicht bereit war, sie oder ihre Beziehung aufzugeben. Er hatte sie gebeten, über alles nachzudenken, aber sie hatte das Thema beiseitegeschoben und sich nur in ihre Arbeit gestürzt. Sie stand auf. Ihre Hände zitterten. Natürlich konnte sie das Klopfen einfach ignorieren, aber sie war nicht feige. Und wenn Ash nun hierhergekommen war, würde sie ihm zumindest sagen, dass sie mehr Zeit brauchte. Mehr Raum. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich die Hände abwischte und zur Tür ging. Sie holte tief Luft und öffnete. Verblüfft registrierte sie, dass es nicht Ash war, der da vor ihrer Tür stand. Breitete sich in diesem Moment etwa Enttäuschung in ihr aus? Sie schüttelte den Gedanken ab und betrachtete schweigend Mia und Bethany, die mit entschlossener Miene vor ihr standen. »Du siehst schrecklich aus«, erklärte Mia unverblümt. »Hast du überhaupt geschlafen?« »Dumme Frage, Mia. Sieht doch jeder, dass sie das nicht hat«, meinte Bethany. »Was macht ihr hier?«, fragte Josie mit schwacher Stimme. »Um deine nächste Frage zu beantworten: Nein, Ash hat uns nicht hergeschickt«, erklärte Mia mit fester Stimme. »Und um deine erste Frage zu beantworten: Wir sind hier, weil wir dich mit zum Mittagessen nehmen wollen … und denk nicht mal über die Möglichkeit nach, abzulehnen.« Josie war sprachlos. »Du kannst auch einfach widerstandslos nachgeben, Josie«, sagte Bethany lachend. »Mia ist wild entschlossen, und sie ist ein wenig Furcht einflößend, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Ich bin mir sicher, dass Gabe das bestätigen würde.« Mia versetzte Bethany einen Rippenstoß und sah genervt aus. Josie musste gegen ihren Willen lächeln. Sie spürte, wie sie sich allmählich entspannte. »Würdet ihr mir denn eine Minute geben, um mich ein bisschen zurechtzumachen? Ich habe, äh, gearbeitet«, meinte sie etwas lahm. »Klar«, zwitscherte Mia. »Kommt rein«, sagte Josie hastig. »Nehmt Platz. Es ist ziemlich unordentlich. Ich hab noch nicht ausgepackt oder sonst irgendwie aufgeräumt, weil ich wie gesagt gearbeitet habe.« Mia und Bethany starrten die beiden Bilder an, als sie das Wohnzimmer betraten. »Sind das deine neusten Bilder?«, fragte Bethany sanft. Josie rieb sich die Hände an den Hosenbeinen ab und nickte. »Die sind wirklich gut«, meinte Mia. »So ausdrucksstark.« Sie wandte sich mit einem mitfühlenden Blick zu Josie um. »Man sieht deutlich, dass du traurig bist.« Josie fiel keine passende Antwort ein. »Ich, äh, bin gleich wieder da, ja?« Mia und Bethany nickten, und Josie eilte ins Badezimmer, um sich ein bisschen zurechtzumachen. Als sie einen Blick in den Spiegel warf, zuckte sie zusammen. Kein Wunder, dass die beiden gesagt hatten, sie sähe schrecklich aus. Sie hatten recht. Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht und trug dann schnell Foundation und Puder auf. Sie tuschte ihre Wimpern und gab dann etwas Gloss auf die Lippen. Bei einem Schönheitswettbewerb würde sie zwar leer ausgehen, aber zumindest sah sie nicht mehr so erschöpft und fahl aus. Kein Make-up der Welt wäre in der Lage, die dunklen Ringe unter ihren Augen verschwinden zu lassen. Mia und Bethany empfingen sie bereits ungeduldig im Wohnzimmer und scheuchten sie hinaus zum Wagen, der gleich vor der Tür parkte. Sie bemerkte erneut die beiden Männer, die ihr schon zuvor aufgefallen waren. Das waren zweifelsohne Ashs Leute. Die sie beobachteten. Und das, obwohl er ihr doch versprochen hatte, ihr zumindest einen Abend Zeit zu lassen. Sie schüttelte den Kopf. Ash regelte die Dinge auf seine Weise, darauf war nun wirklich Verlass. So, wie er es immer tat. In einer Ecke ihres Gehirns regte sich der Gedanke, dass es vielleicht gut war, dass er sie immer noch beschützte, aber ihr Vertrauen in ihn war erschüttert. Und was unter anderen Umständen wie ein Schutz hätte wirken können, war nun nur ein weiterer Beweis dafür, dass Ash alles unter Kontrolle haben wollte. »Wir wollten erst auch Brittany einladen, dachten dann aber, das könnte vielleicht peinlich werden, weil sie ja Ashs Schwester ist«, meinte Mia leise, nachdem sie eingestiegen waren. Josie zuckte zusammen. Okay, sie wussten offensichtlich Bescheid über ihre Trennung von Ash, das hier war also auch keine gewöhnliche Einladung zum Lunch, wie an einem ganz normalen Tag. Bethany griff nach Josies Hand und drückte sie. »Guck nicht so, Josie. Alles wird gut. Du wirst schon sehen.« Tränen brannten in ihren Augen, und sie bemühte sich nach Kräften, sie zurückzuhalten. »Ich bin mir nicht sicher, ob überhaupt jemals wieder irgendwas gut sein wird.« »Doch, das wird es«, erklärte Mia streng. »Du kannst uns beim Mittagessen alles erzählen. Dann überlegen wir, wie wir Ash eins reinwürgen.« Bethany lachte, und Josie sah sie verwundert an. »Aber Ash ist doch euer Freund«, sagte Josie. »Seid ihr denn nicht sauer auf mich, dass ich mich von ihm getrennt habe?« »Du bist unsere Freundin«, erklärte Mia. »Ash ist doch nicht unsere einzige Verbindung zu dir, Josie. Frauen müssen zusammenhalten! Ich bin mir sicher, dass Ash die Schuld trägt – woran auch immer.« »Genau«, stimmte ihr Bethany zu. »Gabe und Jace haben auch schon mehrfach Mist gebaut, es war also nicht anders zu erwarten, dass Ash das auch gelingen würde. Er ist schließlich nur ein Mann.« Josie musste lachen, und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Himmel, ich hab euch beide so gern.« »Wir haben dich auch gern«, sagte Mia. »Jetzt lasst uns etwas Leckeres essen gehen, das auch schön dick macht, und dabei über Männer lästern.« Zehn Minuten später saßen sie in einem kleinen Pub in der Nähe von Josies Wohnung. Kaum hatten sie bestellt, stürzte Mia sich förmlich auf Josie. »Okay, jetzt erzähl. Gabe und Jace haben nur gesagt, dass du dich von Ash getrennt hast und ausgezogen bist und dass Ash sich gestern Abend hemmungslos betrunken hat.« Josie zuckte zusammen und vergrub das Gesicht in beiden Händen. »Oh Gott. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Einerseits bin ich sauer und total verletzt, aber andererseits frage ich mich, ob ich vielleicht überreagiert habe.« »Was ist denn passiert?«, fragte Bethany sanft. Josie seufzte und erzählte dann die ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende, ohne auch nur die kleinste Kleinigkeit auszulassen. Wie Ash sie hatte beschatten lassen und wie er den Schmuck ihrer Mutter gekauft hatte. Wie er nach dem Vorfall mit Michael darauf bestanden hatte, dass sie bei ihm einzog. Wie sie entdeckt hatte, dass er derjenige gewesen war, der all ihre Bilder gekauft hatte. »Wow«, sagte Mia und ließ sich gegen die Rückenlehne sinken. »Ich würde ja gerne sagen, dass ich überrascht bin, aber das klingt doch alles ganz außerordentlich nach Ash.« »Gabe und Jace würden so etwas auch machen«, stellte Bethany fest. »Sie sind sehr entschlossen, wenn sie etwas wollen.« »Stimmt«, gab Mia ihr recht. »Sie sind ziemlich hartnäckig.« Bethany nickte zustimmend. »Habe ich überreagiert?«, fragte Josie. »Vermutlich schon, aber ich bin so verletzt. Natürlich bin ich auch wütend, vor allem aber tief bestürzt.« »Du hast nicht überreagiert, Josie«, sagte Bethany. Mia beugte sich wieder vor und sah Josie ernst an. »Ich verstehe, dass du traurig bist. Aber hör mir zu, Josie, und ich sage das jetzt nicht, um dich zu verletzen. Ich sage es, um etwas klarzustellen. Ash könnte jede Frau haben, die er will. Es gibt buchstäblich Tausende von Frauen, die Schlange stehen. Aber er will dich.« Bethany nickte. »Ich verstehe genau, was du meinst, wenn du sagst, dass er dir deine Unabhängigkeit genommen hat und dass er viel von dem, wofür du so hart gearbeitet hast, zunichtegemacht hat. Aber jetzt will ich dir mal eins sagen: Männer sind dumm. Dumm wie Bohnenstroh! Ash wollte dir helfen. Männer wie Ash kennen nur eine Vorgehensweise. Ihre eigene. Aber, Josie, er war so stolz auf dich. Er hat vor Jace und Gabe und auch vor mir und Bethany mit dir angegeben, mit deinem Talent. Ich glaube nicht, dass er je vorhatte, dich so zu verletzen, wie er es getan hat. Er sah eine Möglichkeit, dir zu helfen, für dich zu sorgen und dir das Gefühl zu geben, Erfolg zu haben. Das war vielleicht nicht die beste aller Vorgehensweisen, aber seine Absichten waren gut, da bin ich mir sicher. Er ist zwar in mancher Hinsicht hart, aber er hat ein großes Herz, was man daran sieht, dass er seiner Schwester hilft, obwohl die jahrelang nur zickig zu ihm war. Und trotz der Tatsache, dass seine gesamte restliche Familie nur aus Arschlöchern besteht, bringt er es doch nicht über sich, ihr endgültig den Rücken zu kehren.« »Mir hat die Tatsache, dass Jace mich wollte, damals schwer zu schaffen gemacht«, erklärte Bethany ruhig. »Ich war überrascht, als er nach der ersten Nacht die ganze Stadt auf der Suche nach mir auf den Kopf gestellt hat und alles Mögliche und Unmögliche tat, um mir zu helfen und mich zu unterstützen. Er hätte, genau wie Ash, jede Frau haben können. Aber er wollte mich. Genau wie Ash dich will. Wir können zwar hier sitzen, alles analysieren und versuchen, es zu verstehen. Aber am Ende werden wir feststellen, dass sie genau wissen, wen sie wollen, und das sind nun einmal zufälligerweise wir. Jace hat anfangs viele Fehler gemacht, aber wir haben diese Probleme überwunden, und ich bin sehr froh darüber, denn er macht mich glücklich. Und das würde ich mit einem anderen Mann nie sein. Ich würde es auch gar nicht wollen.« »Dann meinst du also, dass ich die Sache zu hoch aufgehängt habe«, seufzte Josie. Mia schüttelte den Kopf. »Nein, Schätzchen. Das meine ich nicht. Die Sache ist dir offensichtlich sehr wichtig, und ich bin definitiv der Meinung, dass Ash das wissen sollte, um zu erkennen, was er falsch gemacht hat. Aber ist das wirklich eine Sache, die du ihm nicht vergeben kannst? Was hat er denn im Grunde Schlimmes getan? Er hat das Herz am rechten Fleck, auch wenn er die Sache natürlich falsch angepackt hat.« Und genauso war es. Auf den Punkt gebracht. War es wirklich so unverzeihlich? Natürlich … sie hatte das Recht, wütend zu sein, aber deswegen gleich auszuziehen? Sich zu trennen? Das war so … endgültig. Sie vergrub das Gesicht in beiden Händen. »Oh Gott. Ich habe überreagiert.« Bethany strich Josie über den Rücken. »Ich hätte ihn zur Rede stellen sollen, klar, aber ich habe völlig überreagiert. Das, was ich getan habe, hätte ich besser bleiben lassen. Jetzt ist er bestimmt sauer auf mich, und ich kann es ihm noch nicht einmal vorwerfen!« »Er wird nicht sauer sein, Josie«, sagte Mia sanft. »Er wird einfach nur froh sein, dich zurückzubekommen.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Es ist schlimmer, als du denkst. Er hat gesagt …« Sie seufzte. »Er hat gesagt, dass er mich liebt, und ich habe ihm genau das an den Kopf geworfen. Ich habe ein paar ziemlich schreckliche Sachen gesagt. Dass ich ihm nicht vertrauen kann, dass er es nur sagt, um mich zu manipulieren.« »Hat er es dir da zum ersten Mal gesagt?«, fragte Bethany behutsam. Josie nickte. »Dann ist deine Reaktion nur allzu verständlich«, sagte Mia. »Liebst du ihn?« »Oh ja«, hauchte Josie. »Mit Herz und Seele.« Bethany strahlte. »Na siehst du. Ihr liebt einander. Das lässt sich doch regeln. Er wird dir vergeben und du ihm.« »Aus deinem Mund klingt das so einfach«, brummte Josie. »Ich war eine so hysterische Gans. Ich kann nicht fassen, dass ich in sein Büro marschiert bin und all diese Dinge gesagt habe. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und noch einmal von vorn anfangen.« »Die Liebe ist nicht vollkommen«, erklärte Mia. »Wir machen alle Fehler. Gabe, Jace, ich, Bethany. Und jetzt du und Ash. Man kann nicht erwarten, dass alles vollkommen ist. Eine Beziehung ist das, was du daraus machst. Und du kannst sie zu etwas ganz Besonderem machen, Josie. Geh und rede mit ihm. Oder ruf ihn an. Bring es wieder in Ordnung, und gib ihm die Möglichkeit, es wieder in Ordnung zu bringen.« Josie fiel ein Stein vom Herzen. In ihr begann die Hoffnung zu keimen und mit ihr die Erkenntnis, dass es nicht vorbei war. Nichts von dem, was Ash getan hatte, war unverzeihlich. Sie würde auch Fehler machen. Sie würde sogar ganz sicher Fehler machen. Aber sie war überzeugt, dass Ash ihr ihre Fehler viel leichter verzeihen würde als sie ihm seine. »Ich bin euch sehr dankbar«, sagte sie erleichtert. »Ich gehe jetzt nach Hause, dusche, und dann rufe ich Ash an. In der Hoffnung, dass er nicht zu sauer ist, um sich meine Entschuldigung anzuhören.« Mia erwiderte das Lächeln. »Ach, er wird schon zuhören. Na los, gehen wir. Wir setzen dich bei deiner Wohnung ab.« Josie schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich möchte lieber laufen. Ich brauche Zeit, um meine Gedanken zu ordnen. Ich möchte alles richtig machen.« »Bist du sicher?«, fragte Bethany. »Ja, ich bin sicher. Es ist nicht weit, gibt mir aber die Gelegenheit, Mut für den Anruf zu schöpfen.« »Okay, aber du musst Bethany und mir versprechen, uns eine SMS zu schicken, wie es gelaufen ist!«, verlangte Mia. »Das tue ich. Versprochen! Und danke noch einmal. Es bedeutet mir viel … dass ihr bereit wart, ihm die Leviten zu lesen, wo wir uns doch gerade erst kennengelernt haben.« Mia grinste. »Dafür sind Freundinnen doch da.« Josie stand auf, umarmte beide Frauen herzlich und versprach, eine SMS zu schreiben, sobald sie die Sache mit Ash geregelt hatte. Dann verließen sie gemeinsam den Pub. Als die beiden losgefahren waren, hängte Josie sich ihre Tasche über die Schulter und setzte sich in Richtung Wohnung in Bewegung. Ihr Kopf war überfüllt mit Gedanken, und die trübe Stimmung hatte einer freudigen Erregung und Erleichterung Platz gemacht. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass Ash ihr vergab und sie wirklich liebte. Der Weg war doch länger, als sie gedacht hatte. Als sie vor ihrer Wohnung ankam, war sie müde, weil sie in der letzten Nacht nicht geschlafen hatte. Sie konnte es kaum erwarten, ihre Wohnung zu betreten, zu duschen und Ash anzurufen. Sie ärgerte sich, dass sie ihr Handy im Wohnzimmer vergessen hatte, sonst hätte sie schon von unterwegs eventuelle Textnachrichten lesen und ihren Anrufbeantworter abhören können. Und daraus eventuell Ashs Stimmung ablesen und einschätzen können, wie schwer es werden würde, sich bei ihm zu entschuldigen. Sie schob den Schlüssel ins Schlüsselloch und bemerkte irritiert, dass sie beim Weggehen offensichtlich vergessen hatte abzuschließen. Aber das war nun wirklich auch das Letzte gewesen, worüber sie hatte nachdenken wollen. Sie sollte in Zukunft besser aufpassen. Andererseits würde sie sich darüber keine Gedanken mehr machen müssen, nachdem sie und Ash sich wieder versöhnt hatten, schließlich achtete er immer darauf, dass jemand auf sie aufpasste. Selbst jetzt, da sie ihn verlassen hatte. Obwohl sie ihre männlichen Schatten bei ihrer Rückkehr gar nicht gesehen hatte. Hatten sie aufgegeben? Hatte Ash aufgegeben? Sie drängte den Gedanken beiseite und betrat die Wohnung. Schnell schloss sie die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel im Schloss. Sie betrat ihr Wohnzimmer und stellte entsetzt fest, dass sie nicht alleine war. Ihr stockte der Atem beim Anblick der drei Männer mit den finsteren Mienen im Raum, die offensichtlich auf sie gewartet hatten. Zwei von ihnen hatte sie schon einmal gesehen; da hatte sie sie für Ashs Männer gehalten. Abgestellt zu ihrem Schutz. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie einem schrecklichen Irrtum aufgesessen war. Diese Männer waren nicht hier, um sie zu beschützen. Noch bevor sie reagieren konnte, trat einer von ihnen schnell hinter sie und schnitt ihr den Weg zur Tür ab. Dabei hätte sie im Grunde ohnehin nicht genug Zeit zur Flucht gehabt, da sie hinter sich abgeschlossen hatte. »Miss Carlysle«, sagte einer der Männer mit einer Stimme, die ihr einen Schauder über den Rücken jagte. »Ich habe eine Nachricht an Gabe Hamilton, Jace Crestwell und Ash McIntyre für Sie.« Ehe sie fragen konnte, was er eigentlich wollte, oder sie auffordern konnte, sofort aus ihrer Wohnung zu verschwinden, schoss ein brennender Schmerz durch ihren Körper. Verwirrt fand sie sich der Länge nach auf dem Boden wieder. Und dann dieser Schmerz … und noch mehr Schmerzen, qualvolle Schmerzen, die durch ihren Körper zuckten, als sie auf sie einprügelten. Blut strömte aus ihrer Nase, sie konnte es in ihrem Mund schmecken. Sie konnte es sogar riechen. Es tat weh, zu weh. Sie konnte nicht einmal mehr schreien. Sie würde sterben. Der Gedanke schoss ihr durch den Kopf, und seltsamerweise kämpfte sie nicht dagegen an, beinhaltete er doch eine Flucht vor den schrecklichen Qualen, die sie gerade durchlebte. Dann war es plötzlich still. Eine Hand packte sie an den Haaren und riss ihren Kopf schmerzhaft zurück. Ein Mann beugte sich über sie, seine Nase war nur Zentimeter von ihrer entfernt. »Sie sagen ihnen, dass nichts, was ihnen lieb und teuer ist, vor mir sicher ist. Ich bin hinter ihnen her. Sie werden den Tag bereuen, an dem sie sich mit mir angelegt haben. Sie haben mich ruiniert. Und bei Gott, ich werde sie auch vernichten … und wenn es das Letzte ist, was ich tue.« Er schob ihr etwas in die Hand und ließ ihren Kopf wieder auf den Boden fallen. Eine Woge des Schmerzes fuhr durch ihren Rücken. Sie hörte Schritte, dann wurde eine Tür geöffnet. Und geschlossen. Ein leises Wimmern rollte über ihre steifen, geschwollenen Lippen. Ash. Sie musste zu ihrem Handy und ihn anrufen. Sie musste ihn warnen. Er würde zu ihr kommen. Alles würde wieder in Ordnung sein, wenn sie nur an ihr Handy kam. Sie versuchte, sich hochzustemmen, und schrie vor Schmerz auf, als sie ihre rechte Hand belastete. Sie starrte sie an, konnte aber nur verschwommen sehen. Ihr eines Auge war fast zugeschwollen. Sie stemmte sich mithilfe des Ellbogens hoch und kroch zum Couchtisch, auf dem sie ihr Handy liegen gelassen hatte. Sie streckte die Hand danach aus, schubste es auf den Boden und hoffte, dass es dabei nicht zerbrochen war. Mit der linken Hand versuchte sie unbeholfen, die richtige Taste zum Aufrufen der Telefonliste zu finden. Dann kam ihr eine Idee, und sie drückte auf die Taste für angenommene Anrufe, dort stand er ganz oben in der Liste. Sie markierte seinen Namen und wartete sehnsüchtig darauf, dass er das Gespräch annahm. 31 Ash saß in einem Meeting mit Gabe und den Führungskräften, in Gedanken aber war er überall, nur nicht in diesem Raum. Er war noch total verkatert, nachdem er sich gestern Abend sinnlos betrunken hatte. Gabe und Jace hatten ihn in ein Auto verfrachtet, nach Hause gefahren und in sein Bett geschleift. Heute Morgen war er aufgewacht und hatte das Gefühl gehabt, von einem Laster überrollt worden zu sein, doch der Kopfschmerz war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den er angesichts des Verlusts von Josie empfand. Nein, er hatte sie nicht verloren. Noch nicht. Er würde es nicht so weit kommen lassen. Sie war wütend – zu Recht –, und er hatte ihr eine Nacht zugestanden. Zeit, die sie getrennt voneinander verbrachten und in der sie, sobald sie ihren anfänglichen Ärger überwunden hatte, hoffentlich einsah, dass ihr Problem eines war, an dem sie arbeiten konnten. Er hatte ihr jedenfalls so viel Zeit gegeben, wie er zu geben bereit war. Er würde sofort nach dem Ende dieses blöden Meetings von hier verschwunden. Er würde zu Josies Wohnung fahren und vor ihr auf die Knie gehen, falls das nötig sein würde, solange es nur dazu führte, dass sie wieder mit nach Hause kam. In ihre gemeinsame Wohnung. In seine Arme und in sein Bett. Und dann würde er sie nie wieder gehen lassen. Sein Handy vibrierte, und sein Herz pochte lauter, als er Josies Namen im Display las. Er stand abrupt auf und verließ ohne ein Wort das Meeting, das Handy schon am Ohr. »Josie? Süße?«, rief er, noch bevor sie auch nur einen Ton sagen konnte. Auf der anderen Seite blieb es lange Zeit still, und zuerst dachte er, sie hätte aufgelegt. Doch dann hörte er es. Der Laut ließ ihm das Blut gefrieren. Ein leises Wimmern. Ein Schmerzenslaut. Sein Herz setzte einen Schlag aus. »Josie, rede mit mir«, befahl er. »Was ist los? Wo bist du?« »Ash …« Sein Name war kaum mehr als ein Flüstern, und es war deutlich zu hören, dass sie große Schmerzen hatte. »Ich bin hier, Süße. Sag mir, was passiert ist. Wo bist du?« »Brauche dich«, flüsterte sie. »Es tut weh. Schlimm.« Die Panik ließ ihn erstarren. Er konnte nicht denken, konnte nicht handeln, nahm nur ihre gequälte Stimme wahr. »Wo bist du?«, fragte er wieder. »Wohnung.« »Ich bin unterwegs, Süße, halte durch! Ich bin gleich bei dir.« Er drehte sich im Flur um, kam aber nicht weiter als bis zur Tür, hinter der das Meeting stattfand, als er mit Gabe zusammenstieß. »Was ist los?«, fragte Gabe scharf. »Ich habe gehört, dass du mit Josie geredet hast. Was ist passiert?« »Ich weiß es nicht«, würgte Ash hervor. »Sie ist verletzt. Ich muss los. Sie ist in ihrer Wohnung.« »Los. Ich komme mit«, sagte Gabe grimmig und ging auch schon mit langen Schritten auf die Fahrstühle zu. Ash rannte hinter ihm her. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. »Hat sie gesagt, was passiert ist?«, fragte Gabe, als sie ins Auto gestiegen waren. »Nein«, stieß Ash hervor. »Verdammt!« »Ganz ruhig. Wir fahren zu ihr. Sie wird wieder gesund. Daran musst du glauben.« »Du hast gesagt, Mia und Bethany wollten mit ihr zu Mittag essen. Hast du etwas von Mia gehört? Was kann denn überhaupt passiert sein? Das Essen kann doch noch gar nicht so lange her sein.« Gabe wurde blass und wählte dann sofort Mias Nummer. »Geht es dir gut?«, fragte Gabe ohne Einleitung. Dann sackten seine Schultern vor Erleichterung nach unten. Bei Mia schien alles in Ordnung zu sein. Aber bei Josie nicht. Was zum Teufel war passiert? »Wann habt ihr, du und Bethany, euch von Josie getrennt?«, fragte Gabe. Er lauschte ihr eine Weile und verabschiedete sich dann, ohne Mia etwas über Josie zu erzählen. »Und?«, fragte Ash, während er den Fahrer in Gedanken anschrie, schneller zu fahren. Der heizte bereits rücksichtslos durch die Stadt. »Sie sagt, Josie wäre nach dem Mittagessen zu Fuß nach Hause gegangen. Das war vor einer Stunde.« Ash schloss die Augen. Er hätte dafür sorgen müssen, dass jemand sie im Auge behielt. Wenn Michael sie nun in die Finger bekommen hatte? Er hatte sie nicht beobachten lassen wollen, um ihr nicht noch mehr Kummer zu bereiten, als sie ohnehin schon hatte. Er hatte versprochen, ihr Raum zu geben, und das war ihr jetzt zum Verhängnis geworden. Ein paar Minuten später kam der Wagen mit quietschenden Reifen vor Josies Haus zum Stehen, und Ash sprang aus dem Wagen, Gabe dicht auf den Fersen. Das Erste, das er wahrnahm, als er durch ihre Tür hineinstürzte, war der Geruch von Blut. Sein eigenes Blut gefror in seinen Adern. Er rannte ins Wohnzimmer, und sein Herz setzte einen Schlag aus bei dem Anblick, der sich ihm bot. »Oh Gott, nein«, stöhnte er. Josie lag in einer Blutlache vor dem Couchtisch. Eine Blutspur auf dem Boden zeigte, dass sie sich über den Boden geschleppt hatte, vermutlich, um zum Telefon zu kommen. »Ruf einen Krankenwagen«, forderte Ash Gabe schroff auf. Himmel, er hätte längst einen rufen sollen, aber an dies hier hatte er überhaupt nicht gedacht. Er war nur von dem Gedanken erfüllt gewesen, so schnell wie möglich zu ihr zu gelangen. Und vielleicht hatte er auch nicht wahrhaben wollen, dass es so schlimm sein könnte. Er lief zu ihr und fiel neben ihr auf die Knie. Er hatte Angst, sie zu berühren, denn – oh Gott – überall war Blut. Ihr Gesicht war kaum mehr zu erkennen, die Augen waren zugeschwollen, die Lippen aufgeplatzt und blutend. »Josie. Josie, Liebling. Ich bin da. Ich bin’s, Ash. Sprich mit mir, Süße. Bitte. Sprich mit mir.« Er flehte sie an, während er einen zittrigen Finger an ihren Hals legte, um ihren Puls zu fühlen. Sie regte sich und stieß dabei ein leises Stöhnen aus, das ihm das Herz versengte und tief in seine Seele schnitt. »A-ash?« Sie war kaum zu verstehen, konnte durch die geschwollenen Lippen nur nuscheln. Er strich ihr mit der Hand über die Stirn, die einzige Stelle, die keine Prellungen erlitten hatte oder blutete. »Ja, Süße. Ich bin’s. Ich bin ja da. Erzähl mir, was passiert ist, Josie. Wer hat dir das angetan?« »T-tut weh, wenn ich a-atme«, sagte sie und begann zu husten und zu würgen, während ihr das Blut aus dem Mund strömte. Oh Gott. Oh Gott. Sie war schwer verletzt. Jemand hatte sie krankenhausreif geprügelt. Rasender Zorn schoss in ihm hoch, bis auch er keine Luft mehr bekam. Vor seinen Augen verschwamm die Welt, sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren. Er war kurz davor zusammenzubrechen, kurz davor, vollkommen die Kontrolle über sich zu verlieren. Seine Hände zitterten so stark, dass er sie von ihr nehmen musste, um ihr nicht aus Versehen wehzutun. Sie versuchte, ihre linke Hand zu heben, und er sah, dass sie etwas darin hielt. Sanft nahm er es ihr ab und runzelte die Stirn, als er erkannte, dass es ein Foto war. Er starrte es fassungslos an, in seinem Mund sammelte sich der Geschmack von Galle. Es war ein Foto von Mia. Gütiger Himmel. Sie war nackt und auf etwas festgebunden, das wie ein Couchtisch aussah. Der Mann auf dem Foto war Charles Willis. Der gerade versuchte, ihr seinen Schwanz in den Mund zu schieben. Schnell, bevor Gabe es sehen konnte, stopfte er das Foto in seine Tasche. Gabe würde den Verstand verlieren, und im Moment war Josie das Einzige, woran Ash denken konnte, und daran, wie sie am schnellsten in ein Krankenhaus geschafft werden konnte. Um das Foto würde er sich später kümmern. »Geht’s ihr gut?«, fragte Gabe, als er sich neben Ash auf den Boden sinken ließ. »Großes Gott. Offensichtlich tut es das nicht. Der Krankenwagen ist unterwegs. Er wird in ungefähr fünf Minuten da sein. Was zum Teufel ist passiert?« »Ich weiß es nicht«, sagte Ash. Seine Stimme zitterte immer noch vor Wut. Er beugte sich vor und küsste Josie auf die Stirn. Er hatte zu viel Angst, sie in die Arme zu nehmen, obwohl er nichts lieber getan hätte. Sie hatte offensichtlich innere Verletzungen, und er wollte ihren Zustand durch unbedachtes Handeln nicht verschlimmern. »Wer hat dir das angetan, Süße? Kannst du mir das sagen?«, fragte er sanft. Tränen sammelten sich in ihren Augen und liefen über ihre Wangen. Jede einzelne brach ihm das Herz. Er wollte mit ihr weinen, brachte es aber nicht über sich, sich gehen zu lassen. Er musste stark sein für sie. Er würde stark sein. Auf gar keinen Fall würde er sie wieder enttäuschen. »Er hatte eine Nachricht«, wisperte Josie. »Für dich. Und Gabe und Jace.« Gabe und Ash tauschten einen ratlosen Blick. »Was für eine Nachricht war das, Josie? Aber bitte rede nicht, wenn es wehtut. Wir werden später viel Zeit haben, uns zu unterhalten. Wenn du keine Schmerzen hast.« Sie fuhr sich mit der Zunge, die hellrot von Blut war, über die Lippen. Ash begann bei dem Anblick von Kopf bis Fuß zu zittern. Es stand schlecht um sie. Wenn sie Blut hustete, war das ein Hinweis auf innere Blutungen. Man konnte daran sterben! »Nichts gesagt …« Sie verstummte und würgte, sodass noch mehr Blut aus ihrem Mund rann. Ash stand jetzt kurz vor einem Panikanfall. Wo blieb dieser gottverdammte Krankenwagen? Sie nahm sich viel Zeit, und eine Sekunde lang dachte Ash, sie wäre ohnmächtig geworden. »Josie. Josie! Bleib bei mir, Süße. Kämpf dagegen an. Bleib wach. Würdest du das für mich tun? Mach die Augen auf, Süße. Ich bin hier. Ich gehe nirgendwohin. Der Krankenwagen ist unterwegs. Er ist gleich da, und dann wird man sich um dich kümmern. Ich werde mich um dich kümmern«, würgte er keuchend hervor, als Tränen seine Kehle zuschnürten. Ihre Augenlider flatterten, und sie richtete ihren benommenen Blick auf ihn. Er sah den hell schimmernden Schmerz in den Tiefen ihrer Augen. »Sagte, nichts, was dir lieb und teuer ist, wäre … sicher vor ihm. Sagte, ihr hättet ihn ruiniert … und jetzt würde er euch vernichten.« Gabe wurde kalkweiß und griff nach seinem Handy. Er entfernte sich von Josie und Ash, aber Ash konnte hören, dass er mit Jace redete und ihm auftrug, sicherzustellen, dass Mia und Bethany in Sicherheit waren. Dann schlug er Jace vor, sich am Krankenhaus mit ihm und Ash zu treffen. Die Krankenwagensirene ließ Ash vor Erleichterung erzittern. Er sprang auf, doch Gabe legte eine Hand auf seinen Arm. »Ich lasse die Leute rein. Du bleibst bei Josie«, stieß Gabe hervor. Ash sank wieder zu Boden und beugte sich über Josie, um ihr zu zeigen, dass er da war. »Der Krankenwagen ist da, Süße«, beruhigte er sie. »Man wird dich ins Krankenhaus bringen, und ich werde unterwegs die ganze Zeit bei dir sein. Alles wird gut, mein Liebling. Etwas anderes lasse ich nicht zu. Bleib bei mir. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr.« Sie versuchte, ihre rechte Hand zu heben, und fing vor Schmerz wieder an zu wimmern. »H-hand t-tut weh. Was ist damit?« Entsetzt starrte er die offensichtlich gebrochenen Finger an. Diese Ungeheuer! Sie hatten ihr die Finger gebrochen! Er stand gefährlich nah davor, die Fassung zu verlieren. Er würde diese Verbrecher kriegen, die ihr das angetan hatten. Er würde sie eigenhändig umbringen. Er zwang sich, seine Gedanken ausschließlich auf sie zu konzentrieren und alles andere aus seinem Kopf zu verdrängen. Er nahm ihr Handgelenk und hielt es sanft hoch, damit sie nicht wieder auf den Boden schlug, was Josie noch mehr Schmerzen bereiten würde. Dann küsste er zärtlich die geschwollenen Finger. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Nur ein paar gebrochene Finger«, sagte er bebend. »Nichts, was der Arzt nicht wieder richten könnte.« »Meine Malhand«, sagte sie, während Tränen aus ihren zugeschwollenen Augen quollen. »Schsch, alles gut, Süße. Ehe du dich versiehst, malst du schon wieder.« Sein Blick fiel auf die beiden Gemälde, die an der Wand lehnten. Dunkel. Voller Aufruhr. Das hatte er ihr angetan. Er hatte ihr ihre Fröhlichkeit genommen. Das, was ihre Arbeiten ausmachte. Diese Bilder enthielten nicht die Josie, die er kannte und liebte. Das war eine verletzte Josie, die ihre Gefühle in der Art und Weise ausdrückte, die sie kannte. Die Sanitäter stürmten durch die Tür direkt ins Wohnzimmer und verschafften sich sofort einen Überblick über Josies Zustand. Ash trat zur Seite, um nicht im Weg zu stehen, blieb aber in der Nähe und beobachtete ängstlich, wie die Männer sie untersuchten. »Verminderte Atemgeräusche auf der linken Seite«, sagte der Sanitäter ernst, als er das Stethoskop wieder wegnahm. »Hol Sauerstoff«, befahl er seinem Partner schroff. »Wie schlimm ist es?«, fragte Ash. Der Sanitäter schüttelte den Kopf. »Das kann man nicht sagen, bevor sie geröntgt worden ist. Ich nehme an, sie hat mehrere gebrochene Rippen. Wahrscheinlich ist ein Lungenflügel dadurch perforiert worden.« »Gehen Sie vorsichtig mit ihrer Hand um«, sagte Ash. »Die ist gebrochen.« »Sie ist schlimm zugerichtet worden«, meinte der Sanitäter, ohne etwas zu beschönigen. »Wir müssen sie mitnehmen. Ich werde ihr eine Cervicalstütze anlegen und sie während der Fahrt ans Beatmungsgerät anschließen.« Ash wurde blass. Das klang nach einem kritischen Zustand. »Wird sie überleben?«, flüsterte Ash und sprach damit das aus, was er befürchtete. »Kann ich nicht sagen, aber sie wird ganz sicher nicht während meiner Schicht sterben.« Man brachte eine Trage, und die Sanitäter versorgten Josie umsichtig und schnell, legten ihr die Halsstütze an und versorgten sie mit Sauerstoff. Anschließend wurde sie in den Krankenwagen verladen. Ash blieb kaum Zeit, hinten in den Wagen zu springen, als dieser schon mit Sirenengeheul und Blaulicht losraste. Er schob die Hand in seine Tasche und spürte das Foto, das er Josie abgenommen hatte. Gabe würde ihm eine Menge Fragen beantworten müssen, und dann würde Ash Jagd auf den Dreckskerl machen, der Hand an Josie gelegt hatte. 32 »Was zum Teufel ist hier los?«, wollte Jace wissen, als er ins Wartezimmer der Notaufnahme stürmte. Ash drehte sich um und bedeutete Gabe und Jace, ihm in einen kleinen Besprechungsraum zu folgen, in dem Ärzte sich normalerweise mit den Angehörigen unterhielten. »Wir haben ein ernstes Problem«, erklärte Ash grimmig. »Was zur Hölle ist Josie passiert?«, fragte Jace. »Gabe hat mich angerufen, weil er sich Sorgen um Mia und Bethany macht, und gesagt, ich soll die beiden einschließen und dafür sorgen, dass sie in Sicherheit sind. Ich hab Kaden Ginsberg angerufen, der passt jetzt auf sie auf, und deshalb habe ich zwei sehr wütende Frauen zu Hause sitzen. Außerdem haben sie Angst und wollen wissen, was verdammt noch mal eigentlich los ist, worauf ich ihnen aber keine Antwort geben konnte, weil ich es selbst nicht weiß!« Ash hob eine Hand und zog dann das Foto hervor, das er Josie abgenommen hatte. Er reichte es Gabe. Gabes Miene zeigte eine Mischung aus Schock und Wut. Und seltsamerweise auch Schuldbewusstsein. Sein Gesicht war grau, und dann taumelte er zurück, um sich auf einen der Stühle zu setzen. Er zerknüllte das Foto und vergrub das Gesicht in den Händen. Jace riss Gabe das Foto aus der Hand und erblasste, als er seine Schwester nackt an einen Tisch gefesselt liegen sah, während ein Mann versuchte, sich ihr aufzudrängen. »Was zum Teufel ist das?« Jace brüllte die Frage geradezu heraus, die im Raum widerhallte. »Josie hatte das Foto in der Hand, als ich bei ihr ankam«, erklärte Ash ruhig. »Und dann sagte sie mir, dass der Mann, der sie verprügelt hat, ihr eine Nachricht für mich, dich und Gabe hinterlassen hat.« »Wie bitte?«, fragte Jace fassungslos. »Er hat ihr gesagt, dass nichts, was uns lieb und teuer ist, vor ihm sicher ist. Dass wir ihn ruiniert hätten und dass er jetzt uns vernichten wird. Ich würde sagen, er hat sich als Erstes Josie vorgenommen, weil er an sie am leichtesten herankam. Sie war allein und schutzlos. Es dürfte für ihn viel schwerer sein, an Mia oder Bethany ranzukommen.« »Ich will wissen, was zum Teufel es mit diesem Foto auf sich hat«, stieß Jace wütend hervor. »Das da auf dem Foto ist Charles Willis. Ist er derjenige, der Josie überfallen hat und uns bedroht?« »Ja«, erwiderte Gabe düster. »Was weißt du darüber, das du uns nicht erzählt hast?«, fragte Ash gefährlich leise. Gabes Miene verriet deutlich, dass es eine ganze Menge gab, das Ash und Jace nicht wussten. Gabe rieb sich mit einer Hand erschöpft übers Gesicht. Er schien tief bekümmert. »Was ich jetzt sage, wird euch beide wütend machen. Ich dachte, Mia und ich hätten das hinter uns. Ich habe mich offensichtlich geirrt.« »Ja, das würde ich auch so sehen«, stieß Jace hervor. »Was zum Teufel hast du getan, Gabe?« »Als Mia und ich schon zusammen waren, das aber noch vor euch geheim hielten, hat mich kurz vor unserer Geschäftsreise nach Paris meine Exfrau im Büro besucht und dort allen möglichen Blödsinn von sich gegeben. Unter anderem warf sie mir vor, in Mia verliebt zu sein. Sie warf mir vor, schon in sie verliebt gewesen zu sein, als ich noch mit ihr selbst verheiratet war. Das hat mir überhaupt nicht gefallen, ich war noch nicht so weit, mir meine Gefühle für Mia einzugestehen. Und in dem Versuch, wieder auf Abstand zu gehen und mir zu beweisen, dass es mir mit ihr nur um Sex ging, habe ich in Paris etwas arrangiert.« »Was hast du arrangiert?«, knurrte Ash. Gabe atmete schwer. »Mia und ich hatten vorher darüber gesprochen, ob sie es mal mit einem anderen Mann machen wollte. Während ich dabei war, meine ich. Wohl so ähnlich wie ihr beiden, wenn ihr euch eure Frauen geteilt habt. Deshalb habe ich ein Treffen mit Charles Willis und zwei anderen Männern in unserem Hotelzimmer organisiert. Himmel, das ist so kompliziert.« Jace sah Gabe wie versteinert an. Seine Augen glitzerten vor Zorn. »Dann ist die Situation aus dem Ruder gelaufen. Ich hatte erlaubt, dass sie sie berühren … nicht mehr. Ich hatte ganz deutlich gesagt, dass sie sie nur anfassen dürfen, was bedeutete, dass ihre Schwänze in den Hosen zu bleiben hatten. Aber als es losging, merkte ich, dass es nicht richtig war. Mir wurde klar, was ich tat, aber bevor ich dem Ganzen Einhalt gebieten konnte, wurde Charles grob zu Mia. Er versuchte, ihr seinen Schwanz in den Mund zu schieben, und schlug sie, als sie sich wehrte.« »So ein Arschloch!«, fluchte Jace. »Aber Gabe, wie konntest du ihr das verdammt noch mal antun? Was hast du dir dabei gedacht?« Gabe hob die Hand. »Da ist noch mehr. Es kommt noch schlimmer.« »Scheiße«, murmelte Ash. »Als wir wieder zurück waren, lauerte Charles Mia draußen vor dem Büro auf. Sie hatte es verlassen, um uns was zu essen zu holen. Er versuchte, sie zu erpressen, ihm Informationen über die Höhe der Angebote des Projekts zukommen zu lassen. Er wusste, dass ich keine Geschäfte mehr mit ihm machen würde, dachte sich aber, wir hätten keine andere Wahl, als ihn doch mit ins Boot zu holen, wenn sein Angebot nur niedrig genug war. Er zeigte ihr dieses Foto und sagte, dass er damit an die Öffentlichkeit gehen würde, wenn sie ihm nicht das gäbe, was er wollte.« »Verdammte Scheiße«, knurrte Jace. »Mia ging nicht auf den Erpressungsversuch ein und kam zu mir, und ich habe mich um die Sache gekümmert. Zumindest dachte ich, ich hätte mich darum gekümmert«, meinte Gabe erschöpft. Ashs Kieferknochen trat hervor, die Wut raste wie ein Buschfeuer durch seinen Körper. »Ich werde mich darum kümmern«, erklärte Gabe ruhig. »Ich hab’s vermasselt. Aber jetzt werde ich dafür sorgen, dass dieser Dreckskerl weder Mia noch Bethany in die Finger bekommt, und er wird für das, was er Josie angetan hat, bezahlen.« »Nein«, sagte Ash, und das Wort knallte wie ein Gewehrschuss durch den Raum. Gabe und Jace sahen Ash überrascht an. »Du hattest deine Chance«, erklärte Ash ausdruckslos. »Jetzt werde ich mich um diesen Scheißkerl kümmern.« Jace sah ihn voller Schrecken an. »Ich halte das für keine gute Idee. Bei dir kochen gerade die Emotionen über. Lass Gabe und mich die Sache erledigen.« »Ich sagte Nein«, fuhr Ash ihn an. »Er gehört mir. Gabe hatte seine Chance. Er hat’s vermasselt. Ich werde ihm die Sache nicht noch einmal überlassen.« »Ash«, hob Gabe an, aber Ash brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. »Wenn Mia oder Bethany mit Prellungen, Knochenbrüchen, einem durchbohrten Lungenflügel und weiß der Himmel was sonst noch im Krankenhaus liegen würden … würdest du dich dann einfach zurücklehnen und zusehen, wie jemand anderes sich um das Arschloch kümmert, das ihr das angetan hat?« Jace verzog die Lippen und atmete dann tief ein und aus. »Nein, würde ich nicht. Aber verdammt, Ash, sieh doch mal … nach der Sache mit Michael ist das jetzt zu gefährlich. Beim ersten Mal bist du damit durchgekommen. Aber Charles Willis hat nichts mehr zu verlieren. Er wird sich von Drohungen nicht einschüchtern lassen. Wenn du ihn anfasst, bist du dran.« »Wer spricht denn von Drohungen?«, fragte Ash seelenruhig. »In meiner Welt sind Drohungen bedeutungslos, außer man unternimmt etwas, das ihnen Nachdruck verleiht. Ich habe nicht die Absicht, Charles Willis zu drohen. Ich habe die Absicht, ihn zu erledigen.« Gabe und Jace tauschten einen besorgten Blick aus, was Ash aber ignorierte. Sie würden versuchen, ihm das auszureden, aber er würde sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. »Es wird keine Folgen für euch haben. Und für Mia, Bethany und Josie schon gar nicht. Nie wieder. Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Ihr werdet noch nicht einmal ansatzweise damit in Verbindung gebracht werden können.« »Sei ruhig«, sagte Jace grob. »Ich werde den Teufel tun, dich diesen Mist allein erledigen zu lassen. Wir haben das schon mal besprochen. Du wirst nie darum bitten müssen. Wir werden immer zu dir stehen.« »Das bedeutet mir viel«, sagte Ash ruhig. »Aber ich werde meine Familie nicht in diese Sache hineinziehen. Ihr und die Frauen, ihr bedeutet mir einfach viel zu viel. Und ich werde dabei auch nicht zugrunde gehen, da könnt ihr Gift drauf nehmen. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass Josie allein durch die Welt gehen muss. Ich werde sie bei jedem Schritt begleiten, und sie wird sich nie wieder wegen irgendwelcher Arschlöcher Gedanken machen müssen, die wütend auf uns sind und sie benutzen, um uns zu kriegen. Das wird nicht wieder passieren.« »Was willst du tun?«, fragte Gabe ruhig. »Es ist besser für dich, wenn du es nicht weißt«, erwiderte Ash. Gabe fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Himmel, Ash. Das geht auf meine Rechnung.« »Du hattest deine Chance«, sagte Ash behutsam. »Ich will gar nicht sagen, dass du was falsch gemacht hast, aber was immer es war … es hat nicht gereicht. Ich werde die Sache jetzt ein für alle Mal erledigen. Es ist nicht deine Frau, die er halb totgeprügelt hat, auch wenn sie das eigentliche Ziel war. Er hat Josie Schaden zugefügt, und ich werde dafür sorgen, dass das nicht wieder passiert.« »Warum zum Teufel hast du uns das nicht erzählt?«, fragte Jace Gabe. »Ich kann gar nicht glauben, dass du uns das verheimlicht hast. Vor allem, nachdem es dir nicht gelungen ist, Charles unschädlich zu machen.« »Ich konnte es euch nicht sagen, als es passiert war«, erklärte Gabe zerknirscht. »Mia war völlig außer sich, weil sie nicht wollte, dass ihr Bruder wusste, was für eine Art von Beziehung wir hatten oder dass wir überhaupt eine Beziehung führten. Und danach schien es dann nicht mehr so wichtig. Er verschwand. Er war monatelang wie vom Erdboden verschluckt. Ich dachte, es würde keine Probleme mehr mit ihm geben.« »Das Einzige, was du geschafft hast, ist, ihn so wütend zu machen, dass er Josie krankenhausreif geschlagen hat und jetzt hinter Mia und Bethany her ist«, erklärte Jace wütend. »Die Frauen müssen rund um die Uhr bewacht werden«, sagte Ash und lenkte damit von Jace’ Wut ab. Er hatte zwar alles Recht der Welt, wütend zu sein – Mia war schließlich seine Schwester –, aber das war jetzt nicht so wichtig. Die Sicherheit der Frauen war jetzt das Einzige, was zählte. »Himmel ja«, knurrte Gabe. »Sie gehen nirgends hin, bevor die Sache mit ihm nicht erledigt ist.« Ash nickte. »Und ich werde euch mitteilen, wann die Sache erledigt ist.« Jace war sein Unbehagen noch immer anzumerken, er sagte aber nichts, auch wenn das Gespräch für ihn und Gabe eindeutig noch nicht zu Ende war. »Mr McIntyre?« Ash fuhr herum. Er stürmte auf die Krankenschwester zu, die in der Tür stand. »Wie geht es Josie?«, fragte er. »Kann ich sie sehen?« Die Krankenschwester lächelte. »Die Ärztin möchte mit Ihnen reden. Sie wird Ihnen alles über Josies derzeitigen Zustand sagen, und dann können Sie sie auch fragen, ob Sie nach hinten dürfen. Warten Sie hier. Ich hole die Ärztin.« Ash drohte vor Ungeduld zu platzen. Er hatte so lange nichts von Josies Zustand gehört und war mittlerweile kurz davor, den Verstand zu verlieren. Es gefiel ihm nicht, dass Josie allein war, oder besser gesagt, nur von Fremden umgeben. Sie fragte sich sicher, wo er war. Er hatte ihr versprochen, sie nicht zu verlassen und die ganze Zeit bei ihr zu bleiben. Aber wie hätte er dieses Versprechen halten können, nachdem man ihm den Zutritt während der Behandlung verwehrt hatte? Kurz darauf trat eine Frau im Arztkittel zur Tür herein. Sie war jung und trug das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, was sie noch jünger erscheinen ließ. »Mr McIntyre?« »Ja, das bin ich«, sagte Ash und trat vor. Sie gab ihm fest die Hand. »Ich bin Dr. Newton. Ich bin die diensthabende Ärztin der Notaufnahme und kümmere mich um Miss Carlysle.« »Wie geht es ihr?«, fragte Ash besorgt. »Wann kann ich sie sehen?« Die Miene der Ärztin war sanft. »Sie ist ziemlich angeschlagen. Am kritischsten ist der traumatische Pneumothorax. Ich habe einen Zugang gelegt, der helfen soll, die Luft, die sich zwischen Lunge und Brusthöhle gesammelt hat, abzusaugen und den Lungenflügel wieder aufzubauen. Wir behalten sie unter Beobachtung, um mögliche Infektionen auszuschließen und den Heilungsprozess der Lunge zu verfolgen. Zurzeit halte ich es nicht für notwendig zu operieren, aber ein Chirurg wird sie untersuchen, und wir werden anschließend eine endgültige Entscheidung fällen. Mehrere Rippen sind gebrochen, ebenso die Finger der rechten Hand, und eine Gehirnerschütterung hat sie auch. Außerdem haben wir einen Haarriss im rechten Handgelenk festgestellt. Dann kommen noch mehrere Prellungen und andere kleine Verletzungen dazu. Sie ist sehr heftig zusammengeschlagen worden, Mr McIntyre. Sie kann von Glück reden, dass sie noch lebt.« Ash atmete tief durch, während Gabe und Jace, die hinter ihm standen, leise fluchten. »Kann ich sie sehen?« »Sie können hineingehen. Sie ist aus der Röntgenabteilung zurück und wird auf die Intensivstation verlegt werden, sobald die Aufnahmeformalitäten erledigt sind. Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, wie lange sie auf der Intensivstation bleiben wird. Das ist abhängig von der Diagnose des Arztes für innere Medizin, der sie behandelt. Aber Sie können bei ihr bleiben, bis man sie in eine andere Abteilung verlegt. Die Besuchszeiten werden hier ziemlich locker gehandhabt, sodass Familienangehörige auch außerhalb von ihnen kommen dürfen.« »Ich werde sie nicht allein lassen«, stieß Ash hervor. Die Ärztin sah ihn mitfühlend an. »Das verstehe ich. Und wie gesagt, die Besuchszeiten werden hier ziemlich locker gehandhabt. Aber wenn sie verlegt wird, müssen Sie leider warten, bis sie versorgt ist. Sie werden erfahren, wann Sie wieder zu ihr können.« »Danke«, sagte Ash leise. »Ich weiß sehr zu schätzen, was Sie für sie getan haben.« »Das ist mein Job, Mr McIntyre«, erklärte sie ruhig. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen … ich muss mich noch um andere Patienten kümmern. Wenn Sie möchten, können Sie gern mitkommen, dann zeige ich Ihnen, in welchem Zimmer sie liegt.« Ash drehte sich zu Gabe und Jace um. »Informiert ihr Mia und Bethany über das, was passiert ist? Sie machen sich sicher Sorgen um Josie.« »Wir sagen ihnen Bescheid«, sagte Jace. »Ich werde Kaden bitten, sie herzubringen, und dann bleiben sie bei uns, bis wir gehen.« Ash nickte und folgte dann der Ärztin zu Josies Zimmer. Als er in den kleinen, abgeschirmten Raum trat, in dem Josie lag, musste er schlucken. Tränen brannten in seinen Augen. Das Atmen tat ihm weh. Seine Brust war so eng, dass er instinktiv die Hand hob und darüber rieb, um das unangenehme Gefühl zu vertreiben. »Himmel«, flüsterte er. Es machte ihm schwer zu schaffen, dass sie nur deshalb in einem Krankenhausbett lag, weil irgendein Arschloch eine offene Rechnung mit ihm, Gabe und Jace hatte. Er trat an ihr Bett und streckte vorsichtig die Hand aus und ließ sie über ihre Stirn gleiten. Er strich ihr das Haar zurück und beugte sich dann über sie, um seine Lippen leicht auf ihre Stirn zu drücken. »Ich liebe dich«, sagte er leise. »Ich bin hier. Bei dir … genau wie ich es gesagt hatte. Ich werde immer da sein, Josie. Du und ich, wir gehören für immer zusammen, Süße. Daran gibt es nichts zu rütteln.« Sie lag vollkommen still da, und nur das leise Summen der Maschine, die Sauerstoff in die Maske auf ihrem Gesicht pumpte, und das regelmäßige Piepsen des Herzüberwachungsgeräts waren zu hören. Sie sah so zerbrechlich aus, war voller Prellungen und Schwellungen. Das Blut hatte man abgewaschen, aber die dunklen Verfärbungen der Prellungen hoben sich deutlich von ihrer blassen Haut ab. Er berührte die Stelle, an der das Halsband gelegen hatte, das sein Geschenk an sie gewesen war. Ihr Hals sah nackt aus. Er wollte es wieder an ihrem Hals sehen, wollte, dass sie seinen Ring am Finger trug und ihm versprach, ihn zu heiraten. Er wollte sie so fest an sich binden, dass sie nie wieder weglaufen konnte. Aber es würden die liebevollsten, seidensten Fesseln auf der ganzen Welt sein. Er würde sie verwöhnen, ihr huldigen und dankbar sein für jeden einzelnen Tag, den sie mit ihm zusammen war. Zwei Stunden lang stand er neben ihrem Bett und bewegte sich nur, wenn eine der Krankenschwestern kam, um nach ihr zu sehen. Und schließlich holte man sie ab, um sie auf die Intensivstation zu bringen. Zähneknirschend musste er hinnehmen, dass es eine Weile dauern würde, bis er wieder zu ihr durfte. Aber das war in Ordnung, denn er musste sich auch um die Sache mit Charles Willis kümmern. Je schneller der von der Bildfläche verschwand, desto eher konnten sich alle entspannen und brauchten sich keine Sorgen mehr zu machen, dass Mia oder Bethany etwas passieren könnte. Als er Gabe, Jace, Mia und Bethany über Josies Zustand informiert und ihnen das Versprechen abgenommen hatte, bis zu seiner Rückkehr bei Josie zu bleiben, verließ er das Krankenhaus. Entschlossen, Rache an dem Dreckskerl zu nehmen, der sie dort hineingebracht hatte. 33 Schmerz. Er bohrte sich wie ein Nagel durch ihre Schädeldecke. Sogar das Atmen schmerzte. Das Öffnen der Augen schmerzte. Sie hörte Stimmen, zumindest eine Stimme. Sie war nicht ganz sicher, weil das Dröhnen in ihren Ohren, das nicht verschwinden wollte, so laut war. Und dann spürte sie eine warme, sanfte Hand auf ihrer Stirn. Einen Kuss. Ruhige Worte, süß auf ihre Haut gehaucht. Sie gab einen leisen Seufzer von sich und bedauerte es sofort, als ein brennender Schmerz durch ihre Brust schoss. »T-tut weh«, sagte sie so leise, dass sie nicht sicher war, ob sie überhaupt zu hören gewesen war. »Das weiß ich, Süße. Die Schwester kommt gleich und gibt dir etwas gegen die Schmerzen.« »Ash?«, wisperte sie. »Ja, mein Liebling, ich bin hier. Mach deine schönen Augen auf, dann kannst du mich sehen.« Sie versuchte es. Sie versuchte es wirklich. Aber ihre Augen machten nicht mit, und jeder Versuch, sie dazu bewegen zu wollen, tat so weh. »Kann nicht«, gelang es ihr schließlich zwischen ihren geschwollenen Lippen hervorzustoßen. Wieder legte er seine Lippen an ihre Stirn. Sie spürte seine Hand in ihrem Haar. Das fühlte sich gut an. Es war die einzige Stelle am ganzen Körper, die nicht schmerzte. »Schon gut«, tröstete er sie. »Bemüh dich nicht. Du sollst nur wissen, dass ich hier bei dir bin und es dir schon bald wieder gut gehen wird.« Aber sie wollte ihn sehen. Wollte sich vergewissern, dass ihre Fantasie ihr keinen Streich spielte. Also wappnete sie sich innerlich gegen den Schmerz und versuchte es noch einmal. Ein kleiner Lichtstrahl fiel sengend in ihre Augen. Schnell schloss sie die Lider. Sie lag da, keuchend vor Anstrengung und den Qualen dieser kleinen Bewegung. Dann versuchte sie es noch einmal, und dieses Mal war sie auf das Licht gefasst. Zuerst war die Welt vor ihren Augen verschwommen, aber dann trat er in ihr Blickfeld. »Na, meine Schöne«, sagte er leise. Sie versuchte zu lächeln, aber auch das bereitete ihr Schmerzen, und so blinzelte sie nur, um ihn besser sehen zu können. »Na«, erwiderte sie genauso leise. Entsetzt nahm sie die Tränen in seinen Augen wahr. Ash sah schrecklich aus. Er war unrasiert, seine Haare waren zerzaust, und seine Kleidung sah aus, als hätte er in ihr geschlafen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und stöhnte leise. »W-was ist mit mir passiert?« Ash zog die Stirn in Falten, und sein Blick war dunkel. »Weißt du das nicht mehr?« Sie versuchte sich zu erinnern, aber alles war in einen dichten Nebel gehüllt. »Wie lange?« Er berührte ihr Haar. Sein Gesicht spiegelte seine Sorge wider. »Wie lange was, Liebes?« »Bin ich hier.« »Zwei Tage«, antwortete er. Sie war überrascht und riss unwillkürlich die Augen auf, was wegen der Prellungen sehr unangenehm war. »Zwei Tage?« »Ja, Süße. Du warst zwei Tage auf der Intensivstation. Du hast uns einen ordentlichen Schrecken eingejagt.« »Werde ich wieder gesund?« Sie hatte große Angst, diese Frage zu stellen, aber sie musste es wissen. Die Schmerzen würden erträglicher sein, wenn es nicht schlecht um sie stand. Seine Gesichtszüge wurden weich, und ein warmer, liebevoller Ausdruck trat in seine Augen. »Du wirst wieder gesund. Etwas anderes würde ich gar nicht zulassen.« »Es tut mir leid«, seufzte sie. Er hob abrupt den Kopf. »Was in Gottes Namen tut dir denn leid?« »Ich habe überreagiert«, sagte sie. »Das hätte ich nicht tun sollen. Es tut mir leid. Ich wollte dich anrufen, aber dann …« Und das war der Moment, in dem die Erinnerung zurückkam. Ihr stockte der Atem angesichts der Wucht, mit der sie einschlug. Das Entsetzen, der Schmerz, die Angst zu sterben. Ihr kamen die Tränen, und ihre Augen begannen zu brennen. »Süße«, sagte er gepresst. »Bitte weine nicht. Und entschuldigen musst du dich auch nicht. Es gibt nichts, was dir leidtun müsste. Überhaupt nichts.« »Wer waren diese Leute?«, wisperte sie. »Warum haben sie das getan? Warum hassen sie dich, Gabe und Jace?« Er schloss die Augen. Dann beugte er sich vor und legte seine Stirn an ihre. »Lass uns später darüber reden, Liebling, ich möchte nicht, dass du dich jetzt aufregst. Viel lieber will ich darüber reden, wie sehr ich dich liebe. Und über all die Dinge, die ich tun werde, um dich zu verhätscheln und zu verwöhnen, während du wieder gesund wirst.« Ihr lag noch eine Frage auf den Lippen. Sie musste wissen, wie es um sie beide stand und ob sie die Chance vermasselt hatte, je wieder mit ihm zusammenzukommen. »Sind wir wieder zusammen?« Er lächelte. Es war ein warmes, zärtliches Lächeln, bei dem sich ein wohliges Gefühl in ihr ausbreitete, das einen Teil dieser schrecklichen Schmerzen verdrängte. Sie sah die Erleichterung in seinem Blick. »Da kannst du Gift drauf nehmen.« Alle Anspannung wich von ihr. »Ich bin so froh«, sagte sie leise. »Himmel, Süße. Es ist eine Qual, dir so nahe zu sein und dich trotzdem nicht so halten und küssen zu können, wie ich es gern würde.« »Ich bin nur froh, dass du da bist.« »Ich wollte gar nicht woanders sein.« Sie schloss die Augen, als die Müdigkeit und der Schmerz jetzt zunahmen und drohten sie zu überwältigen. Dabei hatte sie doch noch so viele Fragen. Sie wollte Antworten. Sie wollte wissen, wie ernst genau ihre Verletzungen waren. Was das betraf, wusste sie ja noch nicht einmal genau, welche Verletzungen es überhaupt waren. »Die Schwester ist da, Liebling. Hab noch ein bisschen Geduld, die Schmerzen werden gleich verschwinden.« »Rede mit mir«, bettelte sie. »Ich will einfach nur deine Stimme hören. Bleib und erzähl mir, was passiert ist und wie schlimm sie mich zugerichtet haben. Ich muss das wissen.« Er strich ihr mit der Hand über die Stirn, während die Krankenschwester ihr über den Zugang ein Schmerzmittel spritzte. Sie spürte ein leichtes Brennen ihren Arm hinauflaufen und unmittelbar anschließend selige Linderung. Euphorie erfasste sie. Sie hatte das Gefühl, auf einer Wolke zu schweben, direkt unterhalb der Zimmerdecke. Sie keuchte. »Alles okay?«, fragte Ash besorgt. »Alles okay.« Er antwortete nicht, und sie riss panisch die Augen auf, um herauszufinden, wo er war. »Ich bin hier, mein Liebling. Ich gehe nirgendwohin. Das verspreche ich.« »Rede mit mir«, sagte sie, benommen und schläfrig. Sie wollte nicht einschlafen. Noch nicht. Er küsste sie auf die Stirn. »Gib mir nur eine Minute, Süße. Ich will mit der Schwester reden, aber ich bin gleich wieder da. Würdest du für mich wach bleiben, bitte?« »Hm.« Sie spürte, dass er sich entfernte, und ihr war plötzlich kalt. Sie spürte die Panik kommen und hasste dieses Gefühl. Ihre Lippen zitterten, aber sie waren so geschwollen, dass es sich seltsam anfühlte. Als wären sie zehnmal so groß wie sonst. Aber vielleicht lag es auch nur an den Medikamenten, die sie bekommen hatte. Warum tat das Atmen so weh? Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Sauerstoff über die Nase zugeführt wurde. Ihre Brust war so eng, und alle Muskeln von Kopf bis Fuß schmerzten. Hatte man sie umbringen wollen? Nein, das konnte gar nicht sein, sie hatte Ash ja eine Nachricht von ihnen zukommen lassen sollen. Hatte sie das gemacht? Wieder wurde sie von einer Welle der Panik erfasst. Sie musste es ihm sagen! Mia und Bethany waren in Gefahr, und sie würde es sich nie verzeihen, wenn ihnen etwas passierte, nur weil sie Gabe und Jace nicht gewarnt hatte. »Ash«, rief sie, so laut sie konnte. »Ich bin hier, Süße. Was ist los? Du musst langsamer Luft holen. Du atmest viel zu schnell. Würdest du das für mich tun?« Sie holte tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Der Druck in ihrer Brust war kaum noch auszuhalten. Sie sog die Luft so ruhig wie möglich ein, stieß sie aus und versuchte es noch einmal. »Was ist los, Josie? Wovor hast du Angst?« »Mia. Bethany«, krächzte sie. »Er wird ihnen etwas tun, genau wie mir. Du musst es Gabe und Jace sagen.« »Das habe ich schon längst«, beruhigte er sie. »Du hast es uns schon gesagt. Gabe und Jace haben Mia und Bethany in Sicherheit gebracht und kümmern sich um sie. Du musst dir um sie keine Sorgen machen. Und für Britt habe ich auch gesorgt. Es wird dich freuen zu hören, dass Kai sie hinter Schloss und Riegel hält.« Sie versuchte zu lächeln. Und das gelang ihr offensichtlich sogar teilweise, wenn sie Ashs freudige Miene richtig deutete. Dann wurde sie wieder ernst, denn ihre drängendste Frage war noch immer nicht beantwortet, und sie fühlte sich zusehends benommen. Es fiel ihr immer schwerer, wach zu bleiben. Gerne wäre sie in die Tiefen des Vergessens eingetaucht, wo es keinen Schmerz gab, keine Sorgen, nur eine große Leere. »Warum?« Ash seufzte. Er versuchte nicht einmal so zu tun, als hätte er sie nicht verstanden. »Sie haben dir meinetwegen wehgetan«, erklärte er, und vor Kummer klang seine Stimme gepresst. »Es geht ums Geschäft. Um mich, Gabe und Jace. Dieser Dreckskerl hat sich mal an Mia vergriffen. Ich wusste nichts davon, es war eine Sache zwischen ihm und Gabe. Er hat sich gerächt, weil wir ihn abserviert haben und seitdem keine Geschäfte mehr mit ihm machen. Es wird nicht noch einmal passieren, Josie. Das schwöre ich dir.« Die Bestimmtheit in seinen Worten beunruhigte Josie. Dieselbe Entschlossenheit hatte er auch bei der Sache mit Michael gezeigt, als er erklärt hatte, dass Michael nie mehr ein Thema sein würde. »Was hast du getan?«, flüsterte sie. »Nichts, worüber du dir Gedanken machen müsstest«, sagte er und hauchte ihr noch einen Kuss auf die Stirn. Ihre Lider waren bereits halb geschlossen, doch sie bemühte sich wach zu bleiben und sich auf das Gespräch zu konzentrieren. »Das ist keine Antwort«, erwiderte sie, war aber kaum noch zu verstehen. »Doch«, beharrte er. »Du sollst dir um nichts anderes Gedanken machen als darum, ganz schnell wieder gesund zu werden. Diese Sache hat nichts mit dir zu tun, und das wird sie auch nie.« »Ich will dich nicht verlieren«, flüsterte sie. Er strich ihr übers Haar und sah sie liebevoll an. »Du wirst mich nicht verlieren. Niemals. Ich werde immer für dich da sein.« »Okay.« »Ruh dich jetzt aus, Süße. Schlaf. Ich werde da sein, wenn du wach wirst.« Sie wehrte sich ein letztes Mal gegen die bleierne Müdigkeit, die sie erfasst hatte, und schaffte es gerade, so lange wach zu bleiben, um die Worte zu flüstern. Worte, die sie noch nie zu ihm gesagt hatte. »Ich liebe dich.« Jetzt standen tatsächlich Tränen in seinen Augen und verwandelten deren Grün in aquamarinfarbene Seen. Er war sichtlich gerührt und wandte den Blick nicht von ihr. »Ich liebe dich auch, mein Liebling. Jetzt ruh dich aus. Ich werde über dich wachen, während du schläfst.« Sie gab nach, schloss die Augen und ließ sich von der Wirkung der Medikamente davontragen. Trotzdem spürte sie noch die warme Hand, die sich um ihren Kopf legte, und die Lippen, die an ihrer Schläfe ruhten. 34 »Wie geht es ihr?«, fragte Mia ängstlich, als Ash das Wartezimmer der Intensivstation betrat. »Ist sie schon aufgewacht?« Ash schloss Mia kurz in die Arme und schlang dann einen Arm auch um Bethany, die genauso bekümmert und besorgt aussah. Es war ihm zuwider, dass sie in diese Sache hineingezogen worden waren, dass man sie bedroht hatte und sie jetzt mit diesem Wissen leben mussten. Noch mehr aber war es ihm zuwider, dass Mias Vergangenheit wieder aufgerollt worden war. Die Scham war ihr deutlich anzusehen. Sie schleppte ein Schuldgefühl mit sich herum, für das sie nicht verantwortlich war. Es war nicht ihre Schuld, dass Charles Willis ein mieses Arschloch war, der Frauen auflauerte, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Er war unsagbar wütend, dass Charles diese Angst in Mias und Bethanys Blick gebracht hatte. Und noch wütender war er darüber, dass Charles Josie mit seinem Angriff so übel zugerichtet hatte. Der Mann würde dafür bezahlen. Das war allein eine Frage der Zeit. Gabe und Jace warteten ebenfalls auf einen Bericht über Josies Zustand und sahen Ash fragend an. Keiner der drei Männer hatte geschlafen, seit das hier angefangen hatte, zu groß war ihre Sorge, dass Mia oder Bethany die Nächste sein könnte. Also hatten sie einiges in Bewegung gesetzt, um zu verhindern, dass eine der Frauen einer Gefahr ausgesetzt war. Mia und Bethany waren von den Vorsichtsmaßnahmen zwar nicht begeistert, erhoben aber auch keine Einwände. »Sie war ein paar Minuten wach«, sagte Ash. »Oh, das ist wunderbar«, hauchte Bethany. »Wie ging es ihr da?« »Sie hat starke Schmerzen. Sie hat ein Schmerzmittel bekommen und ist dann gleich wieder eingeschlafen. Aber sie konnte ein paar Dinge sagen. Sie ist durcheinander. Sie macht sich Sorgen um Mia und Bethany und konnte sich nicht daran erinnern, dass sie uns schon gewarnt hatte. Sie war fast schon panisch, weil sie Gabe und Jace unbedingt sagen wollte, dass der Kerl Mia und Bethany bedroht hat.« »Dieses Arschloch«, knurrte Jace. »Was hat die Ärztin gesagt?« »Wann können wir zu ihr?«, fragte Mia beklommen. »Vielleicht, wenn sie das nächste Mal wach wird«, meinte Ash. »Die Ärztin sagt, Josie macht bemerkenswerte Fortschritte. Sie haben den Beatmungsschlauch schon entfernen können, sie bekommt jetzt nur über eine Maske zusätzlich Sauerstoff. Wenn sie weiter so gute Fortschritte macht und keine Anzeichen für eine Infektion zeigt, wird sie morgen wahrscheinlich auf eine andere Station verlegt.« »Das ist ja wundervoll«, sagte Bethany. »Ich bin so wütend, dass man ihr das angetan hat«, meinte Mia mit tränenerstickter Stimme. Gabe war sofort bei ihr, legte einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. »Es ist meine Schuld«, fuhr sie fort, während ihr die Tränen auch schon über die Wangen liefen. »Mich hätten sie zusammenschlagen müssen, aber doch nicht sie.« Ash blickte finster drein, und Gabe wirkte auch nicht fröhlicher. Auch ihm waren die Schuldgefühle deutlich anzusehen. Er wirkte grau und verhärmt und sah plötzlich viel älter aus als neununddreißig. »Das ist Blödsinn«, knurrte Jace. »Es ist nicht deine Schuld, Mia. Ich will nicht, dass du so etwas sagst.« »Wir wissen alle, dass ich die Schuld an der ganzen Sache trage«, erklärte Gabe finster. »Wenn ich den Dreckskerl gleich zu Beginn erledigt hätte, stünden wir jetzt nicht hier. Und Josie läge nicht in einem Krankenhausbett.« Ash würde sich hüten zu widersprechen. Wäre das ihm passiert und Josie statt Mia betroffen, hätte er die Sache ein für alle Mal geregelt. Aber Schuldzuweisungen brachten sie alle nicht weiter, und Gabe machte sich selbst schon genug Vorwürfe, da mussten er und Jace schließlich nicht noch einen draufsetzen. Jace warf Gabe einen finsteren Blick zu, der deutlich zeigte, dass er ihm den Vorfall in Paris noch nicht vergeben hatte. Er hatte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst und schwieg, er musste die Tatsache, dass Charles dann auch noch versucht hatte, Mia zu erpressen, erst verdauen. »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Es wird erledigt«, sagte Ash. »Jetzt geht es um wichtigere Dinge.« Jace sah Ash besorgt an, aber Ash ignorierte den Blick. Auf keinen Fall würde er vor Mia und Bethany Einzelheiten preisgeben, sie hatten so schon genug, womit sie fertigwerden mussten. »Ich habe bei Josie viel wiedergutzumachen«, fuhr Ash fort. »Abgesehen von der Tatsache, dass sie mit entsetzlichen Schmerzen in einem Krankenhausbett liegt, ist da noch die Sache mit den Bildern, die ich gekauft habe. Ich habe sie damit, und weil ich es vor ihr verheimlicht habe, verletzt. Ich brauche eure Hilfe.« »Du weißt, dass wir alles für dich tun würden«, sagte Bethany. Ash, der sie immer noch im Arm hielt, drückte sie kurz an sich. »Danke. Du bist ein Schatz. Das bedeutet mir viel.« »Was sollen wir für dich tun?«, fragte Gabe. »Ich will eine Vernissage für sie organisieren und sie ganz groß rausbringen. Ich will das Ganze zu einem Riesenevent machen, und ich möchte, dass ihr jeden Einzelnen ansprecht, der euch einen Gefallen schuldet. Für die Präsentation der Gemälde können wir den Ballsaal im Bentley nutzen. Sorgt dafür, dass alle mit Rang und Namen eingeladen werden und dass die Vernissage als das Event des Jahres angekündigt wird. Politiker, Promis, das volle Programm. Ich will Josies Bildern einen Rahmen bieten, der sie strahlen lässt, und vor dem sie erkennt, dass sie ein unglaubliches Talent besitzt. Man muss sie nur richtig präsentieren.« »Okay. Wann?«, fragte Jace. »Das geht erst in ein paar Monaten. Ich will sicher sein, dass Josie so weit wiederhergestellt ist, dass sie ihren großen Abend auch wirklich genießen kann. Sie wird auf keinen Fall mit Prellungen und einem Gips erscheinen wollen. Aber wir müssen jetzt schon mit der Planung anfangen, damit alles reibungslos klappt.« »Geht klar«, sagte Gabe. »Danke«, sagte Ash leise. »Es bedeutet mir wirklich viel, dass ihr mir immer beisteht.« Mia löste sich von Gabe und umarmte Ash fest. »Wir lieben dich, Ash. Und Josie lieben wir auch. Wir helfen sehr gern. Sag uns einfach, wenn wir noch was tun können.« Ashs Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. »Es gibt da tatsächlich noch was.« »Sag es«, bat Bethany. »Ich möchte, dass ihr hierbleibt, falls Josie wieder aufwacht. Ich muss nämlich los und einen Ring kaufen.« Das glückliche Lächeln von Mia und Bethany erwärmte sein Herz. Er drückte beide Frauen an sich und hauchte einen Kuss auf ihre Schläfen. Und dann machte er sich auf den Weg zu Tiffany’s, um einen Ring für Josie zu kaufen. 35 Josie gelang es, von mehreren Kissen gestützt, aufrecht im Bett zu sitzen, was eine ordentliche Leistung war angesichts der Schmerzen, welche die gebrochenen Rippen ihr immer noch verursachten. Aber nach mehreren Tagen, in denen sie erst von der Intensivstation ein paar Stockwerke tiefer und schließlich ins Erdgeschoss verlegt worden war, konnte sie jetzt endlich auch wieder sitzen und sich ein bisschen bewegen. Aber noch wichtiger war, dass sie auch wieder essen konnte! Man hatte ihr zwar kein richtiges Essen oder etwas auch nur annähernd Leckeres gebracht, doch sie war so hungrig gewesen, dass sie sich förmlich auf die Götterspeise und den Pudding gestürzt hatte, als handele es sich um himmlisches Manna. Ash hatte das Zimmer verlassen, um Gabe, Jace, Mia, Bethany und sogar Brittany zu holen, die ihr einen Besuch abstatten wollten. Sie war sich nur allzu sehr der Tatsache bewusst, dass sie schrecklich aussah. Aber sie war so erpicht auf Gesellschaft, dass ihr das egal war. Keine Schminke der Welt hätte ihr geschundenes Gesicht verbergen können, aber die Prellungen würden hoffentlich schnell heilen. Manche waren sogar schon von fast Schwarz über Dunkellila zu Grün und Gelb verblasst. Sie wollte gar nicht wissen, wie ihr restlicher Körper aussah. Sie hatte darauf geachtet, nicht in den Spiegel zu schauen, als Ash ihr beim Duschen geholfen hatte. Die Tür ging auf, und sie hob schnell den Kopf. Ash führte die Gruppe an, die aus Mia, Bethany und Brittany bestand. Sie stürmten zu ihr ans Bett, umarmten sie vorsichtig und beteuerten inbrünstig, dass sie schon viel besser aussah. Auch wenn sie sich damit als die größten Lügnerinnen der Welt erwiesen, Josie liebte sie dafür umso mehr. Sie war überrascht, als Kai Wellington mit Gabe und Jace hereinkam. Sie richtete ihren Blick fragend auf Brittany, die prompt errötete, als wäre sie beim Knutschen mit dem allseits begehrten Schulschwarm ertappt worden. »Er hat darauf bestanden mitzukommen«, flüsterte Brittany. »Seit das mit dir passiert ist, hat er mich nicht eine Sekunde allein gelassen.« »Stimmt genau«, knurrte Kai. »Ich werde nicht zulassen, dass irgend so ein Arschloch dich in die Finger bekommt und dir wehtut. Schlimm genug, dass er Josie zu fassen gekriegt hat.« »Er klingt so besitzergreifend«, raunte Josie Brittany zu. »Ich gehe doch recht in der Annahme, dass alles gut läuft?« Brittanys Augen strahlten und sie nickte heftig. »Oh ja. Das tut es.« Josie drückte mit den gipsfreien Fingern ihre Hand. »Ich freue mich für dich.« »Wie fühlst du dich?«, fragte Mia besorgt. »Besser«, sagte Josie. Als Ash sie daraufhin skeptisch ansah, wurde sie rot. »Na ja, ich fühl mich nicht gerade toll, aber es geht mir tatsächlich besser. Ich kann jetzt sitzen, ohne dass ich das Gefühl habe, meine Brust stünde in Flammen. Und ich kann auch wieder normal atmen. Seit heute Morgen bekomme ich keinen Sauerstoff mehr.« »Das ist ja wundervoll, Josie!«, rief Bethany. »Wir haben uns so große Sorgen um dich gemacht!« »Und wie geht es euch?«, fragte Josie leise. Ihre Frage war vor allem an Mia gerichtet, Ash hatte ihr von der Geschichte mit Charles Willis erzählt. »Uns geht es gut«, sagte Mia, ihr Blick aber wirkte gehetzt. »Aber ich habe immer noch das Gefühl, dass alles meine Schuld ist. Schließlich bin ich diejenige, die ihn so verärgert hat.« Josie schüttelte den Kopf und zuckte zusammen, weil das heftige Schmerzen auslöste. »Er ist ein Arschloch, Mia. Dir kann doch wegen seiner Taten niemand etwas vorwerfen!« »Stimmt genau«, knurrte Ash. »Ich finde es schrecklich, dass ich denselben Nachnamen habe wie er«, sagte Bethany und verzog das Gesicht. »Ich will nicht, dass irgendjemand denkt, wir wären miteinander verwandt!« Mia verdrehte die Augen. »Willis ist ja nun weiß Gott kein seltener Name!« »Darüber wirst du dir nicht mehr lange Gedanken machen müssen, Baby«, erklärte Jace mit einem höchst zufriedenen Ausdruck im Gesicht. »Dein Nachname wird schon sehr bald Crestwell lauten.« Bethany errötete vor Freude und warf instinktiv einen Blick auf den Ring an ihrer linken Hand. Der Ring war wirklich herrlich, mit einem riesigen Diamanten, der aber kein bisschen protzig wirkte. Er wirkte teuer und geschmackvoll und passte perfekt zu ihr. »Wo wir gerade davon reden … habt ihr schon einen Termin festgelegt?«, fragte Josie. Jace wirkte plötzlich betrübt und Bethany lachte. »Wir arbeiten noch daran. Ich will nichts planen, bevor du nicht vollständig wiederhergestellt bist und an unserer Hochzeit teilnehmen kannst.« Josie wurde es warm ums Herz, und sie lächelte strahlend. Jeder im Raum konnte sehen, wie sehr sie sich freute. »Das würde ich mir nicht entgehen lassen«, sagte sie. »Selbst eingegipst nicht. Ihr müsst doch nicht auf mich warten! Ich will nicht, dass ihr euren großen Tag meinetwegen aufschiebt.« »Du musst dabei sein«, meinte Bethany und legte ihre Hand auf Josies. »Ich will, dass alle kommen. Brittany auch! Alle Mädels werden da sein. Caro hat versprochen, dass sie kommt, auch wenn sie dafür von Las Vegas rüberfliegen muss.« Kai räusperte sich. »Das sollte kein Problem sein. Wenn Brittany und ich bis dahin in Vegas sind, fliegen wir mit meinem Jet und bringen Brandon und Caro mit.« Josie sah ihn erstaunt an und ließ dann ihren Blick zu Brittany wandern. »Du ziehst mit ihm nach Vegas?« »Ja«, kam Kai Brittany zuvor. Ash runzelte die Stirn, schwieg aber. Josie hegte keinen Zweifel daran, dass er später ein Wörtchen mit seiner Schwester reden würde. Und mit Kai auch. »Danke«, sagte Bethany zu Kai und senkte schüchtern den Blick. »Es bedeutet mir viel, dass du dafür sorgst, dass sie teilnehmen können.« »So etwas lässt man sich doch nicht entgehen«, meinte Kai mit einem Lächeln. »Wenn Brittany sieht, dass du heiratest, wagt sie ja vielleicht einen zweiten Versuch. Ihr Exmann war ein Trottel, sie gehen zu lassen, ich werde diesen Fehler auf keinen Fall machen.« Wow. Der Mann ließ wirklich nichts anbrennen! Josie bemerkte, dass Brittany etwas bestürzt wirkte. Es schien so, als wollte Kai eine schnelle Entscheidung herbeiführen, während Brittany eigentlich noch nicht so weit war. Trotzdem setzte sie auf Kai. Er wirkte auf sie wie jemand, der sehr entschlossen vorging, wenn er etwas wollte. Genau wie alle anderen Männer hier im Raum. »Es hat nicht zufällig jemand von euch etwas zu essen mitgebracht, oder?«, fragte Josie hoffnungsvoll. »Ich bin am Verhungern, und hier bekomme ich nur Flüssiges. So was wie Wackelpudding und Hühnerbrühe.« Ash warf ihr einen strengen Blick zu. »Noch keine feste Nahrung, Süße. Erst ab morgen, und dann fängst du erst einmal langsam an.« Sie seufzte. »Einen Versuch war es wert. Vielleicht schmuggeln die Mädels mir ja was rein, wenn du gerade nicht hinguckst.« Sie warf den Frauen einen so flehenden Blick zu, dass alle anfingen zu lachen. »Wir sind dabei«, erklärte Mia mit fester Stimme und warf Ash einen finsteren Blick zu. Ash schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Denkt dran … ihr müsst erst mal an mir vorbei.« »Irgendwann musst du ja mal schlafen«, meinte Bethany entspannt. »Und wenn du zufälligerweise durch den Duft von Essen aufwachen solltest, kommt der bestimmt aus dem Nachbarzimmer.« Alle lachten, und Josie spürte, wie ihr ganz leicht ums Herz wurde. Die Dinge würden sich regeln. Sie würde das hier überstehen. Die Ärztin hatte sogar gesagt, sie könnte vielleicht in ein oder zwei Tagen nach Hause, wenn sich ihr Zustand weiterhin so kontinuierlich besserte. Nach so vielen Tagen im Krankenhaus stand sie kurz vor einem Schreikrampf. Außer zum Duschen oder Toilettengang hatte sie bisher nicht einmal das Bett verlassen dürfen. Sie sehnte sich danach, aufzustehen und sich zu strecken. Alles war besser, als den ganzen Tag hier im Bett zu liegen. Sie unterhielten sich weiter, lachten, scherzten und plauderten, bis Josie müde wurde und anfing zu gähnen. Ash bemerkte es und warf den anderen einen möglichst unauffälligen Blick zu, den sie sofort als Wink erkannten. Alle versammelten sich um Josies Bett, umarmten sie vorsichtig und küssten sie. Sogar Kai hauchte einen Kuss auf ihre Wange, ehe er zurücktrat und Brittany an seine Seite zog. »Ich finde es doof, dass ihr alle so früh geht«, meinte Josie bekümmert. »Es ist so langweilig, den ganzen Tag nur zu liegen. Ich geh hier noch die Wände hoch!« »Wir kommen bald wieder«, versprach Mia. »Und wir bringen Essen mit!«, rief sie mit einem warnenden Blick in Richtung Ash. »Ich freue mich darauf!«, erwiderte Josie. Ash beugte sich über das Bett und gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen. »Ich bringe alle raus, Liebling, bin aber gleich wieder da, ja? Soll ich dir etwas Warmes zu trinken mitbringen? Die Ärztin sagte, du darfst Kaffee oder heiße Schokolade haben.« »Oh, das klingt himmlisch«, seufzte Josie. »Ein Kaffee wäre perfekt. Ein Latte macchiato ist aber nicht drin, oder?« Ash grinste. »Alles, was du willst. Ich werde sehen, was ich tun kann.« »Alles außer Essen, meinst du wohl«, brummelte Josie. Er streichelte ihre Wange und tätschelte sie liebevoll. »Alles außer Essen.« Sie wedelte mit der Hand, um ihn hinauszuscheuchen, und ließ sich dann wieder in die Kissen sinken, wobei sie ziemlich weit nach unten rutschte. Der Besuch hatte sie erschöpft. Vielleicht war sie doch noch nicht so weit genesen, wie sie es sich wünschte. Aber sie war froh, dass sie gekommen waren. Die Besucher verließen nacheinander den Raum, und Ash drehte sich in der Tür noch einmal um. Der Blick, den er ihr schenkte, war so voller Liebe, dass ihr fast der Atem stockte. Dann wandte er sich um und zog die Tür leise hinter sich zu. Seufzend schloss sie die Augen und versuchte, sich auszuruhen. Sie dämmerte vor sich hin, als sie hörte, dass die Tür aufging. Sie hatte doch bestimmt nicht lange geschlafen, Ash konnte doch unmöglich genug Zeit gehabt haben, seine Freunde hinauszubegleiten und ihren Kaffee zu holen, er konnte also noch gar nicht wieder hier sein. Zwei Männer in Anzügen betraten den Raum, und Josie erkannte sie als die Detectives wieder, die sie gleich nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus befragt hatten. Sie konnte sich kaum an das Gespräch erinnern, sie war benommen gewesen, hatte Schmerzen gehabt und unter der Wirkung von Medikamenten gestanden. Vielleicht hatte man Charles Willis ja festgenommen! Denn dieses Mal hatte sie getan, was sie schon nach Michaels Angriff hätte tun sollen: Sie hatte Anzeige erstattet. Sie wollte, dass Charles Willis für das, was er getan hatte, ins Gefängnis kam, auch weil sie Angst vor dem hatte, was Ash ihm sonst vielleicht antun könnte. »Miss Carlysle, wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir Ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Erinnern Sie sich an meinen Kollegen Clinton? Ich bin Detective Starks. Wir haben uns zuletzt gleich nach dem Angriff gesehen. Ich bin mir nicht sicher, woran Sie sich noch erinnern.« »Ich erinnere mich an Sie, Detective Starks. Und nein, es macht mir nichts aus. Haben Sie schon jemanden festgenommen?« »Darüber wollten wir uns mit Ihnen unterhalten«, erklärte Starks. Der Gesichtsausdruck der beiden Männer ließ Josie sofort in Habachtstellung gehen. Sie ließ ihren Blick zwischen ihnen hin und her wandern und versuchte zu verstehen, was los war. »Charles Willis ist heute Morgen brutal ermordet aufgefunden worden«, erklärte Starks geradeheraus. »Wir möchten herausfinden, wer ihn umgebracht hat.« 36 Josie starrte die beiden Polizisten entsetzt an. Die Angst pulsierte in ihren Adern. Oh Gott. Ash hatte doch hoffentlich nicht … Das würde er doch nicht tun! Oder doch? Ihr Magen zog sich vor Panik zusammen, und sie bekam kaum noch Luft. Der Schmerz schoss durch ihre Brust, während sie versuchte, normal weiterzuatmen. »Geht es Ihnen gut, Miss Carlysle?«, fragte Clinton besorgt. »Natürlich geht es mir nicht gut«, erklärte sie mit dünner Stimme. »Sie haben mir gerade gesagt, dass der Mann, der mich angegriffen hat, ermordet worden ist.« Und dann kam ihr ein anderer Gedanke. Sie warf den beiden Detectives einen scharfen Blick zu. »Sie sagten, Sie wollten herausfinden, wer ihn ermordet hat. Sie halten mich doch nicht etwa für verdächtig? In meinem jetzigen Zustand bin ich doch wohl kaum in der Lage, jemanden umzubringen.« Aber Ash stand sicher unter Verdacht. Er hatte kein Hehl aus seiner Wut über das Geschehene gemacht. Und schlimmer noch … Josie fand es noch nicht einmal abwegig, dass er es getan haben könnte. »Sie stehen natürlich nicht unter Verdacht«, erklärte Starks sanft. »Im Gegensatz zu Mr McIntyre. Können Sie uns sagen, wo er sich gestern Abend zwischen 19.00 und 22.00 Uhr aufgehalten hat?« Erleichterung durchströmte und erfüllte sie. Josie war benommen und umklammerte mit der linken Hand das Gitter ihres Bettes, weil sie das Gefühl hatte, gleich aus dem Bett zu stürzen. Wenn das der entscheidende Zeitraum war, dann konnte Ash es nicht getan haben. Er war bei ihr gewesen. »Er war hier bei mir«, erklärte sie mit fester Stimme. »Sie können alle Schwestern fragen, die in der Zeit Dienst hatten. Er war den ganzen Abend bei mir und hat in der Nacht auf der Couch da geschlafen.« Clinton schrieb unablässig eifrig in sein kleines Notizbuch, während Starks sie durchdringend ansah, bis sie anfing, unruhig hin und her zu rutschen. »Schon ein seltsamer Zufall, dass der Mann, der Sie angegriffen hat, plötzlich tot ist … finden Sie nicht?« »Worauf wollen Sie hinaus, Detective?«, fuhr sie ihn an. »Hätten Sie Ihren Job ordentlich gemacht und ihn verhaftet, wäre er jetzt nicht tot, oder? Ich habe Ihnen schon gesagt, dass Ash bei mir war. Wenn Sie mir nicht glauben, gibt es genug andere Leute, die sein Alibi bestätigen können.« Starks nickte langsam. »Wir werden natürlich alles überprüfen. Aber was ist mit Mr Hamilton und Mr Crestwell? Haben Sie die gestern Abend auch gesehen?« Das Blut wich aus ihrem Gesicht. »Sind Sie wahnsinnig? Warum sollte einer von ihnen Charles Willis ermorden?« »Sie haben die Frage nicht beantwortet«, warf Clinton ein. »Nein«, sagte sie. »Ich habe die beiden nicht gesehen, aber ich bin mir sicher, dass sie Ihnen sagen werden, wo sie waren, wenn Sie sie fragen.« »Oh, das werden wir auf jeden Fall tun«, erklärte Starks grimmig. Die Tür ging auf, und Ash trat ein. Er blieb sofort stehen, als er die beiden Polizeibeamten sah. Seine Augen fingen plötzlich an zu lodern, als hätte er in Josies Blick etwas gelesen, das ihm nicht gefiel. »Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er scharf. »Mr McIntyre«, grüßte Starks ihn kurz. »Wir befragen Miss Carlysle im Mordfall Charles Willis.« Ash blinzelte, doch seiner Miene war nicht anzusehen, was er dachte. »Er ist tot?« Clinton nickte. »Gut«, sagte Ash schroff. Josie keuchte. Seine Bemerkung war in dieser Situation nicht gerade förderlich. Jetzt waren die beiden Beamten sicher davon überzeugt, dass er etwas damit zu tun hatte. »Sie denken, dass du etwas damit zu tun hast, Ash!« Ash zog eine Augenbraue hoch. »Ach ja, tun sie das?« »Ihnen scheinen ja angesichts der Tatsache, dass er tot ist, nicht gerade die Tränen zu kommen«, stellte Starks fest. Ash richtete seinen wütenden Blick auf die Detectives. »Schauen Sie sich Miss Carlysle gut an. Und jetzt sagen Sie mir, ob Sie traurig wären, dass jemand diesen Dreckskerl umgebracht hat, wenn es Ihre Frau wäre, die er halb totgeprügelt hat.« Clinton rutschte unbehaglich auf dem Stuhl herum, und selbst Starks hatte den Anstand, verlegen zu wirken. »Ich werde dazu nichts sagen«, erwiderte Starks. »Was ich denke, spielt keine Rolle, und es ändert nichts an der Tatsache, dass ein Verbrechen begangen worden ist. Ich muss den Fall untersuchen, wie ich das bei jedem Mord tue.« »Tun Sie das«, erklärte Ash ausdruckslos. »Aber lassen Sie verdammt noch mal Josie in Ruhe. Das nächste Mal, wenn Sie mit ihr reden, wird ein Anwalt anwesend sein. Verstanden? Außerdem werden Sie einen Termin mit mir vereinbaren, wenn Sie wieder mit ihr sprechen wollen. Dieser Termin findet dann statt, wenn sie keine Schmerzen hat und nicht vor Erschöpfung fast umkippt. Sie haben sie beunruhigt, und das ist das Letzte, was sie im Moment gebrauchen kann.« »Dann hätten Sie vielleicht nichts dagegen, mit uns nach draußen zu gehen und uns ein paar Fragen zu beantworten«, meinte Starks schroff. »Ich habe etwas dagegen«, gab Ash zurück. »Ich werde Josie nicht allein lassen. Wenn Sie mit mir reden möchten, gebe ich Ihnen gern die Telefonnummer meines Anwalts. Über ihn können Sie einen Gesprächstermin vereinbaren.« »Machen Sie es doch nicht so kompliziert«, mischte Clinton sich ein. »Beantworten Sie uns nur ein paar Fragen, dann sind wir wieder weg.« »Ich habe Ihnen bereits erklärt, was Sie tun müssen, wenn Sie mit einem von uns beiden reden möchten«, erklärte Ash gleichmütig. Er öffnete seine Brieftasche, zog eine Karte hervor und reichte sie Starks. Die beiden Polizisten wirkten nicht gerade erfreut, gaben aber nach. »Wir werden Sie überprüfen, Mr McIntyre. Wenn Sie irgendetwas mit Charles Willis’ Tod zu tun haben, werden wir das herausfinden«, erklärte Starks grimmig. »Mein Leben ist ein offenes Buch«, erwiderte Ash mit ruhiger Stimme. »Aber wenn Sie sich Charles Willis’ Geschäftspraktiken genauer ansehen, werden Sie dort Ihre Verdächtigen finden. Da wimmelt es nur so von Motiven. Tun Sie sich einen Gefallen und überprüfen Sie seine Geschäftsbeziehungen, statt Ihre Zeit mit mir zu verschwenden.« Clinton und Starks sahen einander kurz an. »Sie hören von uns«, sagte Starks zu Josie und Ash. Dann wandten die beiden Detectives sich um und gingen hinaus. Ash folgte ihnen und warf die Tür hinter ihnen zu. Mit langen Schritten und grimmiger Miene kehrte er zum Bett zurück. »Das tut mir leid, Süße. Ich hätte nie gedacht, dass die einfach so hereinkommen. Es tut mir leid, dass ich dich in der Situation allein gelassen habe. Das wird nicht wieder vorkommen. Wenn sie noch mal auftauchen, wirst du ohne Anwalt kein einziges Wort mit ihnen wechseln. Du rufst mich sofort an, wenn ich aus irgendeinem Grund gerade nicht da sein sollte.« Ihre Hand zitterte, obwohl sie das Gitter fest umklammerte. Ash löste vorsichtig ihre Finger und nahm sie in beide Hände, wobei er beruhigend mit dem Daumen über ihre Haut strich. »Sie haben gefragt, wo du gestern Abend zwischen 19.00 und 22.00 Uhr gewesen bist«, sagte sie mit immer noch bebender Stimme. »Sie glauben, dass du es getan hast.« »Ich war hier bei dir«, sagte Ash mit weicher Stimme. »Ich weiß. Das habe ich ihnen auch gesagt. Aber sie denken trotzdem … und sie haben nach Gabe und Jace gefragt. Ash, du musst sie warnen. Sie denken, einer von euch hätte es getan. Du hast es doch nicht getan, oder?« Ihre Stimme hatte einen flehentlichen Unterton, den sie nicht unterdrücken konnte. Ash schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe es nicht getan, Süße. Ich war hier bei dir.« »Hast du es denn angeordnet?«, flüsterte sie. Er beugte sich über sie und küsste sie auf die Stirn und ließ seine Lippen für einen Moment dort verweilen. »Das musste ich nicht. Er hat viele Leute bestohlen. Viele seiner Geschäftspartner – die falschen Leute – hereingelegt. Als sie das herausgefunden haben, war sein Leben keinen Cent mehr wert.« Sie sah ihn verwirrt an, als er sich wieder aufrichtete. »Wie haben sie es denn herausgefunden?« Ash lächelte, wenn auch frei von Freude. Die Finsternis in seinem Blick ließ sie frösteln. Mit diesem Mann sollte man sich besser nicht anlegen. So entspannt, charmant und umgänglich er auf den ersten Blick auch wirken mochte, unter der sorgfältig errichteten Fassade verbarg sich ein starker Mann mit eiserner Entschlossenheit. »Es könnte schon sein, dass sie einen kleinen Tipp bekommen haben«, meinte er düster. Ihr stockte der Atem, und sie starrte Ash an. »Dann hast du also doch etwas mit seiner Ermordung zu tun.« Ash schüttelte den Kopf. »Nein. Habe ich nicht. Aber wenn du mich fragst, ob ich Blut an den Händen habe, kann ich das nicht leugnen. Ich habe den richtigen Leuten die richtigen Informationen zukommen lassen. Was sie damit machen, ist ihre Sache. Ich habe ihn nicht umgebracht. Und habe ihn auch nicht umbringen lassen. Aber ich habe es mit der von mir zur Verfügung gestellten Information möglich gemacht. Du wirst entscheiden müssen, ob du damit … und mit mir … leben kannst.« Sie nickte langsam. Sie war benommen, aber auch erleichtert. Sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass Ash ihretwegen ins Gefängnis wanderte und damit ihr gemeinsames Leben ruinierte. Sie plante doch ein Leben mit ihm! »Er hat den Tod verdient. Er war kein guter Mensch. Aber das steht in absolutem Gegensatz zu dem, was ich immer geglaubt habe. Es steht mir nicht zu, zu richten. Früher wäre ich entsetzt gewesen, wenn der Gerechtigkeit auf diese Weise zu ihrem Recht verholfen worden wäre.« »Und jetzt?«, fragte er leise. »Du hast mich verändert, Ash. Ich weiß nicht, ob zum Guten oder zum Schlechten. Ich weiß nicht, ob es überhaupt darum geht. Ich weiß nur, dass diese Veränderung stattgefunden hat. Du hast mich verändert. Durch dich bin ich in mancher Hinsicht besser geworden, aber ich habe jetzt auch eine dunkle Seite.« »Ich will nicht, dass du je mit den Grauzonen in Berührung kommst, in denen ich mich bewege, Süße. Ich will, dass du rein bist. Ich will, dass du strahlst, wie du es immer tust. Wir werden nie wieder über diese Sache reden. Frag nicht, und ich sage nichts. Manche Dinge wirst du vielleicht erfahren – ich werde dich nicht anlügen –, aber du wirst nicht mit ihnen konfrontiert werden. Niemals. Kannst du damit leben?« »Ja«, wisperte sie. »Damit kann ich leben.« »Ich liebe dich, Süße«, sagte Ash mit gepresster Stimme, die voller Emotionen war. »Ich verdiene deine Liebe und dein Strahlen gar nicht, aber ich will beides, weil ich durch dich die Sonne spüren kann. Ich will nicht ins Dunkel zurück.« »Das musst du auch nicht«, sagte sie leise. »Bleib in der Sonne. Bei mir.« »Immer, mein Liebling. Unsere Kinder werden von all dem unberührt bleiben, Josie. Darauf gebe ich dir mein Wort. Du und unsere Kinder, ihr sollt von all dem unberührt bleiben. Alle. Auch Gabe und Jace, Mia und Bethany. Ihr seid meine Familie. Ich würde für jeden von euch sterben, und ihr werdet alle am Platz an der Sonne bleiben, wo ihr hingehört.« »Du gehörst auch dahin, Ash. Und ich will dich dort bei mir haben.« Sie verstummte, als ihr klar wurde, was er gesagt hatte. »Warte mal. Wir werden Kinder haben?« Ein träges, verführerisches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Arroganz und männliches Selbstvertrauen strahlten in Wellen von ihm aus. »Du wirst meine Kinder bekommen, Josie. Darauf kannst du wetten. Wie viele es werden, überlasse ich dir. Ich will als Erstes einen Jungen. Und dann ein kleines Mädchen. Denn sie wird einen großen Bruder brauchen, der immer auf sie aufpasst. Sie werden anders sein als die Kinder meiner Brüder. Denen sind ihre Kinder egal. Aber wir werden eine richtige Familie sein.« Josie sah ihn mit einem zärtlichen Lächeln an, in dem all ihre Liebe für ihn lag. »Ja. Wir werden eine richtige Familie sein. Ich möchte sechs Kinder. Meinst du, das schaffst du?« Ash wirkte sprachlos. »Sechs? Heiliger Strohsack. Da muss ich dich aber ganz schön häufig schwängern.« Sie nickte ernst. »Findest du nicht, wir sollten schnell damit anfangen?« »Himmel, ja«, brummte er. »Ich will doch kein alter Knacker sein, wenn das Letzte kommt. Aber du musst erst aus dem Krankenhaus raus und wieder ganz gesund sein, ehe wir uns an die Arbeit machen.« Er griff in seine Tasche und holte ein kleines Kästchen hervor. »Ich wollte das hier genau im richtigen Moment tun«, meinte er brummig. »Aber mir fällt kein besserer Zeitpunkt ein als dieser, in dem wir über unsere Kinder und die konkrete Anzahl reden.« Er öffnete das Kästchen, und Josie stockte beim Anblick des herrlichen Diamantrings der Atem. Der Stein funkelte und fing das Sonnenlicht ein, das durchs Fenster fiel, und Josie war geblendet von seinem Strahlen. Ash ließ sich neben dem Bett auf ein Knie sinken und nahm zärtlich ihre linke Hand in seine. »Willst du mich heiraten, Josie? Meine Kinder gebären und den Rest deines Lebens mit mir zusammenbleiben? Keiner wird dich je mehr lieben als ich, und ich werde jeden einzelnen Tag meines restlichen Lebens damit verbringen, dafür zu sorgen, dass du das auch weißt.« Der Ring verschwamm vor ihren Augen, als er ihn ihr auf den Finger schob. »Ja. Oh ja, Ash! Ich will dich heiraten. Ich liebe dich so sehr. Und ich will diese Babys. Viele Babys.« Er lächelte und erhob sich wieder, sodass er sich über sie beugen und sie vorsichtig in die Arme schließen konnte. Er küsste sie zärtlich, und sie schmolz in seinen Armen dahin. »Ich liebe dich auch, Josie. Daran sollst du niemals zweifeln. Ich habe vieles wiedergutzumachen und ich arbeite schon daran. Aber es muss warten, bis du aus dem Krankenhaus raus und wieder zu Hause bist, wo ich dich verhätscheln und rundum verwöhnen kann.« Sie hob die linke Hand und legte sie an seine Wange. Der Ring funkelte an ihrem Finger. »Ich freue mich schon darauf, Liebster.« 37 »Ich bin sprachlos, dass du das für mich getan hast«, sagte Josie ehrfurchtsvoll, als sie ihren Blick durch den vollen Ballsaal des Bentley Hotels schweifen ließ. Ash legte den Arm um sie und drückte sie fest an sich. »Ich habe gar nichts gemacht, Süße. Aber du. Sie lieben deine Werke. Alles wird in weniger als einer halben Stunde verkauft sein. Und um deine erotischen Bilder ist ein heftiger Preiskampf entflammt.« Josies Blick glitt über all die glamourösen Menschen, die ihre Bilder bewunderten, während sie sehr teuren Champagner zu sich nahmen. Alle waren da. Oh Gott, sogar der Bürgermeister. Und überall waren prominente Gesichter, sie freute sich darauf, die Namen all der anwesenden Gäste zu erfahren. Die alle wegen ihrer Bilder gekommen waren! Sie schaute Ash an und schmiegte sich noch enger an ihn. »Missfällt es dir, dass sie diese Bilder von mir sehen? Ich weiß, dass du sie nicht zeigen wolltest, dass du der Einzige sein wolltest, der sie zu Gesicht bekommt.« Er lächelte und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. »Ich habe die echte Josie. Wofür brauche ich da noch Bilder? Sie bekommen nur den Hauch einer Ahnung von all dem, was auf den Bildern nicht zu sehen ist, aber ich sehe all das und berühre es jede Nacht. Das gehört nur mir. Und keiner wird das je bekommen.« Seine Antwort stimmte sie fröhlich, und sie lächelte. »Aber wenn du je dazu übergehen solltest, etwas Freizügigeres zu malen, dann werde ich diese Bilder selbst kaufen. Und dann ist es mir egal, was du dazu sagst. Ich bin der Einzige, der dich je vollkommen nackt zu sehen bekommt.« Sie grinste und versetzte ihm einen Rippenstoß. »Keine Sorge. Weiter wird mein Mut, mich nackt zu zeigen, nicht gehen.« »Gott sei Dank«, brummte er. »Ich habe keine Lust, all den Männern einen Arschtritt zu verpassen, die vor deinen Bildern anfangen zu sabbern.« »Oh guck mal, da sind die Mädels!«, rief Josie und löste sich von Ash, um ihre Freundinnen zu begrüßen. »Josie!«, kreischte Brittany und schloss sie fest in die Arme. »Du bist toll! Hast du gesehen, dass die Leute wegen deiner Bilder völlig ausflippen?« Josie erwiderte die Umarmung und lächelte Kai zu, der mit nachsichtigem Blick danebenstand. Mia und Bethany stürmten an Gabe und Jace vorbei, kaum dass Brittany Josie losgelassen hatte, und umarmten sie ebenfalls voller Inbrunst. »Oh mein Gott, ihr seht alle toll aus!«, erklärte Josie und ließ ihren Blick über die schicken Cocktailkleider gleiten. »Und die Schuhe erst!« Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Ich weiß, was ihr später machen werdet!« Alle lachten, dann meinte Mia: »He, wo ist der Champagner? Wir müssen uns betrinken!« Die Männer stöhnten, aber jeder von ihnen hatte ein zufriedenes Glitzern in den Augen. Ja, sie wussten, was sie später bekommen würden. Josie hoffte, dass nach der Feier auch ihr ein Kämpfchen in den Laken mit Ash bevorstand. Er war während ihrer Genesung außerordentlich zärtlich und geduldig gewesen. Sie hatte tatsächlich den ersten Schritt machen müssen, damit er wieder mit ihr schlief, denn er hatte sich geweigert, mehr zu tun, als sie zärtlich zu berühren, ganz zu schweigen davon, Sex mit ihr zu haben. Er wollte erst ganz sicher sein, dass sie wieder vollkommen gesund war. Und seitdem hatten sie nur sehr liebevollen Sex gehabt. Sie konnte sich nicht beschweren, aber sie konnte es kaum erwarten, wieder ihre normale Beziehung mit ihrem dominanten Partner aufzunehmen. Sie las in seinen Augen den Wunsch, die Erinnerung an das Geschehene auszulöschen. Er war außerordentlich behutsam und machte sich Sorgen, sie könnte eine Verbindung zwischen seiner Art und dem Angriff auf sie herstellen. Aber sie genoss diese Gratwanderung mit ihm, genoss den schmalen Grenzbereich zwischen zu weit und nicht genug. Sie wollte das wiederhaben. Sie wollte, dass er seine eiserne Selbstbeherrschung aufgab und wieder den dunklen Lüsten nachgab. Sie zitterte allein beim Gedanken daran. Heute Nacht. Heute Nacht würde sie ihm keine Wahl mehr lassen. Sie wollte alles, was er ihr geben konnte. Sie wollte den Knall, wenn der Lederriemen auf ihren Hintern klatschte. Sie wollte, dass er sie fesselte und es mit ihr trieb. Sie wollte ihren Ash zurück! »Ich werde euch Josie jetzt entführen und mit ihr eine Runde durch den Saal drehen. Ich will sie ein paar Leuten vorstellen. Trinkt etwas, wir sind in ein paar Minuten wieder da«, sagte Ash. Die Frauen winkten ihnen hinterher und kehrten dann zu ihren Männern zurück, die mehr als glücklich waren, sie wieder bei sich zu haben. Ash führte Josie durch die Menge, hielt immer wieder an und stellte sie Leuten vor, ohne dass mehr als ein gestammeltes »Hallo« über ihre Lippen kam. Sie brachte einfach keinen Ton heraus und wusste auch nicht, was sie den Leuten sagen sollte, die sich so überschwänglich lobend über ihre Bilder ausließen. Sie hätte sich nie träumen lassen, dass jemand so begeistert von ihren Arbeiten sein könnte. Und das hatte sie Ash zu verdanken. »Danke«, flüsterte sie und schlang den Arm um seine Taille, als sie sich den Weg zurück durch die Menge bahnten. »Das ist der fantastischste Abend meines Lebens!« »Schön, dass er dir gefällt, mein Liebling. Das ist dein Abend, an dem du erstrahlst. Aber keine Sorge … es werden viele weitere folgen. Wenn ich bedenke, wie schnell deine Bilder verkauft worden sind, wird die Nachfrage groß sein. Vielleicht werde ich das sogar noch bereuen, weil du deine gesamte Zeit mit Malen verbringen und mich darüber ganz vergessen wirst.« Sie lachte und schmiegte sich fester an ihn. »Vergiss es. Du wirst immer an erster Stelle stehen, Ash.« Er küsste sie. Es war ein langer, genüsslicher Kuss, der sich nicht um die vielen Menschen um sie herum scherte. Sie seufzte glücklich. In den vergangenen zwei Monaten war so viel passiert. Sie war aus dem Krankenhaus entlassen worden, in dem sie fast zwei Wochen gelegen hatte. Die Polizei hatte sie und Ash noch einmal im Beisein eines Anwalts befragt. Auch Gabe und Jace waren verhört und Ashs Leben genauer unter die Lupe genommen worden. Es gab keinen Stein, der nicht umgedreht worden war. Aber man hatte nichts gefunden. Dann hatte die Polizei angefangen, Charles Willis’ Geschäftsgebaren genauer zu untersuchen, und war endlich fündig geworden. Er hatte viele Menschen bestohlen, hatte Geld unterschlagen, Bilanzen gefälscht. Er hatte Rechnungen für Arbeiten gestellt, die nie ausgeführt worden waren, und man hatte mindestens drei Schwarzgeldkonten gefunden, auf denen Millionen gestohlener Gelder ruhten. Doch noch schlimmer waren die Leute, die er bestohlen hatte. Bei ihnen handelte es sich nicht gerade um seriöse Geschäftsleute, wie Ash und seine Partner. Und auch nicht gerade um die Art von Menschen, die man bestahl, denn falls sie das herausfanden, kreisten die Sorgen nicht mehr unbedingt darum, ins Gefängnis zu kommen. Doch das hatte Charles zweifellos erst viel zu spät gemerkt. Er hatte sogar Beziehungen zur Mafia gehabt, wobei Josie nicht einmal gewusst hatte, dass es die Mafia außerhalb von Büchern und Filmen überhaupt gab. Die Polizei hatte insbesondere einen Mann ins Visier genommen, von dem man überzeugt war, dass er hinter Charles’ Ermordung steckte. Doch dann hatte man frustriert feststellen müssen, dass man ihm nichts anhängen konnte. Der Fall war also immer noch nicht aufgeklärt, aber Ash stand immerhin nicht mehr unter Verdacht. Josie konnte viel freier atmen, seit die Polizei nicht mehr in ihre Richtung ermittelte. Sie wusste zwar, dass Ash nicht direkt etwas mit Charles’ Tod zu tun hatte, trotzdem war er auf gewisse Weise darin verwickelt. Doch wie sie damals im Krankenhaus vereinbart hatten, redeten sie nicht mehr über die Sache, und sie stellte keine weiteren Fragen. Vielleicht machte sie das auch zu einem Menschen, der sich in einer Grauzone bewegte, wie Ash es von sich selbst dachte, aber sie konnte kein echtes Bedauern über Charles’ Tod empfinden. Er hatte vielen Menschen wehgetan, und sie hätte an den Folgen seines Angriffs sterben können. Sie wollte weiterleben. Mit Ash. »Ich möchte dich etwas fragen, Süße«, raunte Ash an ihrem Ohr. Sie schaute auf, gespannt, warum er plötzlich so ernst klang. »Jace und Bethany haben gefragt, ob wir mit ihnen gemeinsam heiraten wollen. Eine Doppelhochzeit. Ich habe ihnen versprochen, dass ich mit dir darüber rede. Die beiden wünschen sich das wirklich sehr. Aber Jace ist ungeduldig, er will möglichst bald heiraten. Ich will nicht, dass wir es mit ihnen zusammen machen, wenn du mehr Zeit brauchst oder haben möchtest. Ich kann auch verstehen, wenn du einen eigenen großen Tag, getrennt von ihnen, haben willst. Ich will, dass es etwas Besonderes für dich ist.« »Was ist denn mit dir?«, fragte Josie sanft. »Was willst du?« Ash lächelte. »Mir geht es bei der ganzen Sache nur darum, dich zu bekommen. Alles andere ist mir egal. Es ist mir egal, wo es geschieht oder wann, obwohl ich nicht besonders erpicht darauf bin, noch lange zu warten. Ich möchte, dass du meinen Namen annimmst, damit ich weiß, dass du mir auch vor dem Gesetz gehörst. Wie wir das machen, spielt für mich keine Rolle.« »Ich denke, es wäre etwas ganz Besonderes, wenn wir zusammen mit Jace und Bethany heiraten«, erklärte sie leise. »Er ist dein bester Freund, und ich bewundere Bethany. Lass es uns so machen!« »Dann ist es für dich auch in Ordnung, bald zu heiraten?«, fragte Ash. »Jace möchte so schnell wie möglich heiraten. Er hat vorgeschlagen, irgendwo hinzufliegen, wo es einen Strand gibt – vielleicht Bora Bora –, und dort eine Trauung im Sand vorzunehmen.« »Das klingt sehr romantisch«, seufzte sie. »Mir ist es auch egal, wann oder wo wir heiraten, Ash. Ich möchte einfach nur mit dir verheiratet sein. Alles andere ist nur das Tüpfelchen auf dem I.« Er küsste sie wieder. »Dann lass es uns ihnen gleich sagen. Wir haben was zu feiern.« Sie hakte sich auf dem Weg zu ihren Freunden bei ihm unter. Zu ihren Freunden. Nicht nur Ashs Freunden. Diese Menschen gehörten jetzt auch zu ihr, und das erfüllte sie mit Wärme. Brittany war überglücklich mit Kai. Sie waren schon nach Vegas umgezogen, kamen aber häufig zu Besuch. Josie war froh, dass Ash zumindest seine Schwester geblieben war. Der Rest der Familie hatte sich nach seinem Anruf bei seinem Großvater vollständig zurückgezogen. Er wusste immer noch nicht, wie der alte Herr in Bezug auf sein Testament entschieden hatte, aber Ash hatte das getan, was er versprochen hatte, und damit war es für ihn erledigt gewesen. Brittany und er standen sich jetzt sehr nahe, und sie verbrachte viel Zeit mit Josie und Ash. Aber seine wirkliche Familie war ihm genauso nah. Gabe, Jace, Mia, Bethany. Das war jetzt auch ihre Familie. Alle brachen in Jubel aus, als Ash verkündete, dass er und Josie zusammen mit Jace und Bethany heiraten würden. Der Champagner kreiste. »Ich hoffe, dass ihr auch zu meiner Hochzeit mit Brittany kommt«, meldete Kai sich mit einem selbstzufriedenen Grinsen zu Wort. »Ich habe sie gerade heute zu diesem Schritt überredet.« Brittany hielt einen Verlobungsring mit einem riesigen Diamanten hoch, den Josie erst jetzt bemerkte. Brittany strahlte vor Glück, ihre Augen funkelten. »Dann will ich also einen doppelten Toast aussprechen«, sagte Ash und hielt sein Glas hoch. »Auf Josie und ihren Erfolg. Und auf Brittany und Kai.« Alle hoben ihr Glas und stießen klirrend an, ehe sie den perlenden Wein austranken. »Auf die Freundinnen«, rief Mia und prostete Josie, Bethany und Brittany zu. »Darauf trinke ich«, rief Bethany. »Und jetzt noch darauf, unseren Männern viele Mädelsabende zu schenken«, sagte Josie grinsend. »Darauf trinke ich ganz sicher«, erklärte Ash. »Ich auch«, sagte Jace. »Und ich«, gesellte Gabe sich grinsend dazu. »Zu diesen Gelegenheiten werde ich Brittany auf jeden Fall rüberfliegen«, sagte Kai, und seine Augen funkelten vor Erheiterung. Josie zog Brittany und Bethany an ihre Seite und umarmte die beiden, ehe Mia mit Bethany den Platz tauschte, um Josie ebenfalls zu umarmen. Sie hoben die Gläser. »Auf die Mädelsabende!«, riefen sie im Chor. Über die Autorin Maya Banks lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Texas. Wenn sie nicht schreibt, unternimmt sie gerne Reisen mit ihrer Familie. Seit Jahren verfasst sie erfolgreich Erotik- und Liebesromane, die regelmäßig auf die New-York-Times-Bestsellerliste gelangen. Weitere Informationen unter: www.mayabanks.com Die Romane von Maya Banks bei LYX Die Breathless-Trilogie: 1. Breathless – Gefährliches Verlangen 2. Breathless – Geheime Lust 3. Breathless – Verheißungsvolle Sehnsucht Die KGI-Reihe: 1. KGI – Dunkle Stunde 2. KGI – Tödliche Rache 3. KGI – Blutiges Spiel Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel Burn bei The Berkley Publishing Group, a division of Penguin Group Inc., New York, USA. Deutschsprachige Erstausgabe September 2013 bei LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH, Gertrudenstr. 30–36, 50667 Köln Copyright © 2013 by Maya Banks All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with The Berkley Publishing Group, a member of Penguin Group (USA) Inc. Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 bei EGMONT Verlagsgesellschaften mbH Alle Rechte vorbehalten Redaktion: Marion Labonte Umschlaggestaltung und Artwork: © Birgit Gitschier, Augsburg unter Verwendung eines Motivs von istockphoto (Jasmina007) Satz und eBook: Greiner & Reichel, Köln ISBN 978-3-8025-9157-0 www.egmont-lyx.de Die EGMONT Verlagsgesellschaften gehören als Teil der EGMONT-Gruppe zur EGMONT Foundation – einer gemeinnützigen Stiftung, deren Ziel es ist, die sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Weitere ausführliche Informationen zur EGMONT Foundation unter: www.egmont.com Table of Contents Titel Über dieses Buch Widmung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 Über die Autorin Die Romane von Maya Banks bei LYX Impressum